NWB Nr. 5 vom Seite 345

„Vollzugsdefizite”

Heinrich Steinfeld | Verantw. Redakteur | nwb-redaktion@nwb.de

Risiken

Das Risiko eines Pferdes, hierzulande auf den Schlachthof geführt zu werden, ist vergleichsweise gering. Das mag an den deutschen Geschmacksnerven, einer stark ausgeprägten Zuneigung oder der verbreiteten sportiven Nutzung dieser Tiergattung liegen. Wie dem auch sei, der EuGH sah vergangenes Jahr angesichts dieses Phänomens keine Rechtfertigung für die Anwendung eines (einheitlichen) ermäßigten Mehrwertsteuersatzes, der nur für Tiere erlaubt sei, die „üblicherweise für die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendet werden”. Nun (bzw. trotzdem) sollen laut einem Pressebericht ab Mitte dieses Jahres alle Pferde vom deutschen Gesetzgeber über den gleichen Kamm geschoren und mit dem Regelsatz von 19 % besteuert werden: „Pferd ist gleich Pferd ist gleich Pferd” (Handelsblatt v. ), ein grotesk anmutendes Gleichnis im Dschungel des deutschen (Umsatz-)Steuerrechts. Komplexität und kaum noch beherrschbare Änderungsdichte der deutschen Steuergesetze hat der Bundesrechnungshof in seinem vor wenigen Tagen veröffentlichten Gutachten als wesentliche Ursache der neuerlich festgestellten Vollzugsdefizite beschrieben. So ist, um bei den Risiken zu bleiben, das der Fahrtkosten- bzw. Kilometerschummler gering, bei der doppelten Haushaltsführung soll die (unentdeckte) Fehlerquote in den Stichproben bei 100 % gelegen haben. Selbst das in der Finanzverwaltung mittlerweile fast flächenmäßig eingesetzte maschinelle Risikomanagement kann die beklagte personelle Unterbesetzung offenbar nicht kompensieren. Folgt man der Rechtsprechung des FG Niedersachsen (Nebe bespricht sie auf S. 350), könnte es für die Finanzämter noch ein bisschen ärger kommen, genauer gesagt für diejenigen unter ihnen, die in ihren Rechtsbehelfsbelehrungen nicht ausdrücklich auf die Möglichkeit elektronischer Einspruchseinlegung (also per E-Mail) hinweisen. Als Folge einer nach § 356 Abs. 2 Satz 1 AO unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung wird aus der Monats- eine Jahresfrist, und bestandskräftige, d. h. als solche erachtete Bescheide könnten die Verwaltung zusätzlich belasten.

Risiko- bzw. Haftungserwägungen werden bei der Wahl der passenden Rechtsform der eigenen Kanzlei für den Steuerberater eine gewichtige Rolle spielen. Über die Unwägbarkeiten der GmbH & Co. KG angesichts aktueller BGH-Rechtsprechung und trotz gängiger Eintragungspraxis der Handelsgerichte hatte Hölscheidt in NWB 39/2011 S. 3311 berichtet. Ehlers sortiert auf S. 411 seine Rechtsformüberlegungen nach der Intensität der Zusammenarbeit mit anderen freien Berufen. Kooperationen sind auch mit Lohnsteuerhilfevereinen möglich, seit Inkrafttreten des Achten Steuerberatungsänderungsgesetzes in Form einer Bürogemeinschaft. Deren Befugnisse sind im Laufe der letzten Jahre deutlich gewachsen, Goez setzt sich auf S. 404 mit dieser Entwicklung kritisch auseinander.

Beste Grüße

Heinrich Steinfeld

Fundstelle(n):
NWB 2012 Seite 345
NWB FAAAE-00504