„Vorläufige Steuerfestsetzungen”
Kein Einkommensteuerbescheid ohne Vorläufigkeitsvermerk
Die Finanzverwaltung versieht alle Einkommensteuerbescheide programmgesteuert mit einem umfangreichen Katalog von Punkten, in denen die Steuerfestsetzung nur vorläufig erfolgt. Dies soll für die Steuerpflichtigen die Einlegung eines Einspruchs entbehrlich machen und gleichzeitig den Verwaltungsaufwand begrenzen. Die Praxis stellte sich jedoch stets die Frage, ob ein Vorläufigkeitsvermerk dem Steuerpflichtigen tatsächlich Rechtssicherheit vermittelt, zumal dieser sich zunächst nur auf anhängige Verfahren vor dem BFH, BVerfG oder EuGH, in denen die Vereinbarkeit einer Steuernorm mit höherrangigem Recht geprüft wird, bezog (s. hierzu Intemann, NWB F. 2 S. 9797). Nachdem das Niedersächsische Finanzgericht im Dezember 2007 den im angefochtenen Einkommensteuerbescheid verwendeten Vorläufigkeitsvermerk als „nicht hinreichend bestimmt, nicht hinreichend verständlich und nicht hinreichend umfassend formuliert” befunden hatte, reagierte der Gesetzgeber mit einer Ausweitung der Vorläufigkeitsvermerke auch auf einfachrechtliche Einwendungen. Trotzdem blieben Bedenken, die Lauscher in systematisch erarbeitet hat. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs war die Sorge eines trügerischen Rechtsschutzes aber wohl unbegründet. In seiner Ende 2010 veröffentlichten Revisionsentscheidung zum Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts hatte das höchste deutsche Finanzgericht an der Erstellung der Vorläufigkeitsvermerke nichts zu beanstanden. Baum/Szymczak informieren auf Seite 1772 über die aktuelle Rechtslage.
Punkt 8 der aktuellen Liste der vorläufigen Steuerfestsetzungen vom 16. Mai dieses Jahres betrifft den Ausbildungsfreibetrag. Danach ist die Festsetzung der Einkommensteuer hinsichtlich der Höhe des Freibetrags zur Abgeltung des Sonderbedarfs eines sich in Berufsausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes (§ 33a Abs. 2 EStG) für Veranlagungszeiträume ab 2002 im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit und verfassungskonforme Auslegung der Norm nur vorläufig vorzunehmen. Der Bundesfinanzhof hält zwar die Höhe des Ausbildungsfreibetrags – unter Zusammenrechnung mit den allgemein kinderbezogenen Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG – nicht für verfassungswidrig, die Kläger sehen das aber anders und haben Verfassungsbeschwerde eingelegt. Auf welche Argumente sich die Kläger dabei stützen können, untersucht Hölscheidt auf Seite 1782.
Keine nachträgliche Ausübung von Wahlrechten bei der Abgeltungsteuer? – diese Frage stellte Sikorski in . Inzwischen hatte sich auch die Bundesregierung mit der Frage der (fristge- oder fristungebundenen?) Antragswahlrechte der Abgeltungsteuer zu befassen. Ob ihre Antwort überzeugt, prüft Hechtner auf Seite 1769.
Beste Grüße
Reinhild Foitzik
Fundstelle(n):
NWB 2011 Seite 1753
IAAAD-83221