BFH Beschluss v. - IV B 54/09

Anforderungen an eine Rechtsbehelfsbelehrung; kein Gehörsverstoß, wenn FG zu einer anderen rechtlichen Würdigung gelangt

Gesetze: FGO § 48, FGO § 55 Abs. 1, FGO § 55 Abs. 2, FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

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Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg, denn sie ist jedenfalls unbegründet.

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1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

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Dies ist nur der Fall, wenn eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt; die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom V B 80/05, BFH/NV 2006, 1250; vom V B 222/06, BFHE 217, 310, BStBl II 2008, 163; vom VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45, jeweils m.w.N.). Eine Rechtsfrage ist u.a. nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen (BFH-Beschlüsse vom IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587; vom XI B 242/03, BFH/NV 2005, 1236).

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Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wirft mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde die Rechtsfrage auf, ob die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) in der angefochtenen Einspruchsentscheidung vom verwendete Rechtsbehelfsbelehrung nicht den Regelungen des § 48 FGO zur Klagebefugnis bei Feststellungsbescheiden entspricht und deshalb unrichtig i.S. des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO ist.

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Diese Rechtsfrage hat jedoch keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, wann eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig i.S. des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO ist, lässt sich anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH beantworten. Danach ist eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig, wenn sie in einer der gemäß § 55 Abs. 1 FGO wesentlichen Aussagen unzutreffend bzw. derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch —bei objektiver Betrachtung— die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (vgl. z.B. , BFHE 186, 324, BStBl II 1998, 742; zum notwendigen Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung im Einzelnen vgl. z.B. Brandt in Beermann/Gosch, FGO § 55 Rz 11 ff.; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 55 Rz 10 ff.; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 55 FGO Rz 8 und 11 ff.). In diesem Sinn muss eine Rechtsbehelfsbelehrung, die noch —wie im Streitfall hinsichtlich der Klagebefugnis nach § 48 FGO— andere als notwendige Angaben enthält, richtig und unmissverständlich sein (vgl. BFH-Beschlüsse vom I B 4/81, juris; vom XI B 46/05, juris; , BFH/NV 2007, 2064). Ob das der Fall ist, bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfänger die Rechtsbehelfsbelehrung oder ergänzenden Angaben nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen musste, wobei Unklarheiten oder Mehrdeutigkeiten zu Lasten der Behörde gehen (, juris; zur Maßgeblichkeit des „objektiven Verständnishorizonts” des Empfängers z.B. , BFHE 196, 550, BStBl II 2003, 912; , BFH/NV 2006, 83, m.w.N.). Von diesen Maßstäben ist auch das Finanzgericht (FG) ausgegangen.

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Ob die von der Klägerin beanstandete Rechtsbehelfsbelehrung diesen Anforderungen genügt, lässt sich nur aufgrund einer Würdigung aller nach den vorgenannten Maßstäben entscheidungserheblichen konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilen. Allein der Umstand, dass die Klägerin die streitbefangene Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich ihrer ergänzenden Angaben zu § 48 FGO als ein „Gemenge von richtigen und unrichtigen Teilen” bezeichnet, lässt nicht zwingend darauf schließen, dass die Adressatin der Belehrung diese nach ihrem objektiven Verständnishorizont derart missverstehen musste, dass sie von der (rechtzeitigen) Einlegung der Klage abgehalten wurde. Aber selbst wenn das FG bei Anwendung der genannten Rechtsprechungsgrundsätze —wie die Klägerin meint— zu einer fehlerhaften Würdigung der vom FA verwendeten Rechtsbehelfsbelehrung gelangt sein sollte, rechtfertigte dies nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Denn eine fehlerhafte Subsumtion des Sachverhalts stellt ebenso wie eine fehlerhafte Beweiswürdigung einen materiellen Rechtsfehler dar (z.B. , juris). Soweit mit der Nichtzulassungsbeschwerde Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend gemacht werden, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung relevant sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 173/02, BFH/NV 2003, 1325, und vom VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799). Dass ein die Zulassung der Revision ausnahmsweise rechtfertigender sog. qualifizierter Rechtsanwendungsfehler des FG vorliegen könnte, hat auch die Klägerin nicht behauptet. Er ist auch nicht erkennbar, denn die bloß fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls genügte nicht zur Annahme einer willkürlichen Entscheidung (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).

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Aus den zuvor genannten Gründen kann offenbleiben, ob die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage überhaupt entscheidungserheblich ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 30, m.w.N.). Es kommt nicht mehr darauf an, dass das FG in Frage gestellt hat, dass die von der Klägerin behauptete Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung für die verspätete Klageerhebung überhaupt ursächlich gewesen ist, während die Klägerin zutreffend (vgl. , BFHE 149, 120, BStBl II 1987, 438; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 55 Rz 27; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 55 FGO Rz 27) davon ausgeht, dass unerheblich ist, ob eine unrichtige Belehrung für die Fristversäumung ursächlich war.

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2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) in Gestalt einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—, § 96 Abs. 2 FGO) geboten. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (z.B. BFH-Beschlüsse vom VII S 17/05, BFH/NV 2005, 1614; vom V S 24/06, BFH/NV 2007, 1667). Die Behauptung der Klägerin, das FG habe ihren Vortrag, die von der Feststellung betroffene Gesellschaft habe für steuerrechtliche Zwecke fortbestanden, nicht zur Kenntnis genommen, wird schon durch die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil widerlegt, dass diese Gesellschaft nicht nur handelsrechtlich, sondern auch steuerrechtlich voll beendet gewesen sei. Im Übrigen besteht keine Verpflichtung des Gerichts, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden; auch gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. z.B. Beschlüsse des , Neue Juristische Wochenschrift 2009, 907, und vom 1 BvR 512/09, MultiMedia und Recht 2009, 605, jeweils m.w.N.). Allein der Umstand, dass das FG zu einer anderen rechtlichen Würdigung als die Klägerin gelangt ist, vermag einen Gehörsverstoß nicht zu begründen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 448 Nr. 3
BAAAD-37052