BFH Urteil v. - V R 11/08

Mietvertrag als Rechnung; Steuerschuldner bei falsch ausgewiesener Umsatzsteuer

Leitsatz

§ 14 Abs. 2 UStG 1993/1999 erfasst auch die Fälle, in denen ein Unternehmer in einer Rechnung Umsatzsteuer für steuerfreie Umsätze gesondert ausgewiesen hat.
Ein Mietvertrag, der die vereinbarte Monatsmiete - einschließlich gesondert ausgewiesenem Umsatzsteuerbetrag für steuerfreie Vermietungsumsätze - enthält, stellt in Verbindung mit den entsprechenden Kontoauszügen Rechnungen im Sinne des § 14 Abs. 2 UStG 1993/1999 dar.

Gesetze: UStG § 14, UStG § 4 Nr. 12

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) vermietete ab Geschäftsräume an die Versicherungsgesellschaft V. Im Mietvertrag wies er die Umsatzsteuer gesondert aus. V überwies den Mietzins auf ein Bankkonto des Klägers. Der Kläger behandelte die Vermietung als steuerpflichtig.

Im Rahmen einer beim Kläger durchgeführten steuerlichen Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass V die Geschäftsräume ausschließlich zur Ausführung steuerfreier Leistungen, die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG 1993/1999) ausschließen, verwendete.

Mit Bescheid vom hob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) für das Streitjahr 1996 den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und beantragte eine entsprechende Herabsetzung der Umsatzsteuer 1996. Außerdem beantragte er, die für die Streitjahre 1997 bis 1999 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzte Umsatzsteuer um die in den Mietverträgen ausgewiesene Umsatzsteuer zu mindern. Das FA lehnte den Antrag am ab.

Die Einsprüche gegen den Bescheid für das Streitjahr 1996 vom und gegen den ablehnenden Bescheid für die Streitjahre 1997 bis 1999 vom blieben erfolglos.

Gegenstand des Klageverfahrens sind die Bescheide vom , die die Bescheide über die Umsatzsteuer für alle Streitjahre in nicht im Streit befindlichen Punkten ändern. Das FA hob nunmehr auch für die Streitjahre 1997 bis 1999 den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seines Urteils führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, ein Unternehmer, der in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach dem UStG für den Umsatz schulde, ausgewiesen habe, schulde gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1993/1999 auch den Mehrbetrag. Diese Vorschrift sei auch anzuwenden, wenn der Unternehmer in einer Rechnung Umsatzsteuer für steuerfreie Umsätze gesondert ausgewiesen habe. Berichtige der Unternehmer den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, so sei der geschuldete Steuerbetrag für den Besteuerungszeitraum zu berichtigen, in dem er die Rechnungsberichtigung vornehme.

Für die Besteuerungszeiträume von August 1996 bis Dezember 1999 lägen Rechnungen i.S. von § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1993/1999 vor. Der Ausweis der Mehrwertsteuer in einem Mietvertrag stelle einen gesonderten Steuerausweis dar, wenn er durch ergänzende Unterlagen wie Zahlungsaufforderungen oder ähnliche Belege, in denen die jeweiligen Leistungsabschnitte (Monate) angegeben seien, konkretisiert werde. Zwar lägen derartige Unterlagen nur für einen Teil des Streitzeitraumes vor. Es sei aber davon auszugehen, dass die Mieterin V ihre Bank —sei es mit monatlich erteiltem Auftrag, sei es mit einem Dauerauftrag— angewiesen habe, den von ihr geschuldeten Pachtzins auf ein Bankkonto des Klägers zu überweisen, und V auch Auszüge mit den Angaben über den entsprechenden, auf ihrem Bankkonto gebuchten Geldabfluss zugegangen seien. Das folge schon aus § 4 Abs. 1 des Mietvertrages. Der Kläger habe jedenfalls in den Streitjahren keine Rechnungsberichtigung vorgenommen.

Ob die Festsetzung der Steuer nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1993/1999 sachlich unbillig sei, könne nicht im vorliegenden Festsetzungsverfahren entschieden werden. Diese Beurteilung sei dem gesonderten Billigkeitsverfahren vorbehalten.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision. Zu deren Begründung trägt er vor, er habe die Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen. Hierfür reiche die gesonderte Nennung im Mietvertrag nicht aus. Etwas anderes möge gelten, wenn der Mieter in seinen Überweisungsaufträgen an den Vermieter oder in einem Dauerauftrag an seine Bank den Mietzins in einen Netto- und einen Bruttobetrag aufteile. Das sei aber vorliegend nicht der Fall gewesen.

Selbst wenn er, der Kläger, den Tatbestand des § 14 Abs. 2 UStG 1993/1999 erfüllt haben sollte, hätte das FG der Klage stattgeben müssen, weil zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung des Steueraufkommens bestanden habe. Die Mieterin sei nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen und habe diesen auch nie in Anspruch genommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer 1996 auf 4 050,69 DM herabzusetzen sowie das FA zu verpflichten, die Umsatzsteuer

1997 um 11 707,14 DM,

1998 um 12 292,48 DM,

1999 um 9 296,99 DM

herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es verteidigt die Vorentscheidung.

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Zu Recht hat das FG entschieden, dass der Kläger Umsatzsteuer ausgewiesen hat und diese gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1993/1999 schuldet.

Wenn der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach dem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen hat, schuldet er gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1993/1999 auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, so ist § 17 Abs. 1 UStG 1993/1999 entsprechend anzuwenden. § 14 Abs. 2 UStG 1993/1999 erfasst auch die Fälle, in denen ein Unternehmer —wie hier— in einer Rechnung Umsatzsteuer für steuerfreie Umsätze gesondert ausgewiesen hat (vgl. , BFHE 169, 559, BStBl II 1993, 251; vom V R 126/75, BFHE 133, 127, BStBl II 1981, 547; vom V R 125/84, BFHE 159, 277, BStBl II 1990, 401).

a) Die Vermietungsumsätze des Klägers waren gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1993/1999, der u.a. die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Umsatzsteuer freistellt, steuerfrei. Der Kläger hatte nicht die in § 9 Abs. 1 UStG 1993/1999 vorgesehene Möglichkeit, einen nach § 4 Nr. 12 UStG 1993/1999 steuerfreien Umsatz als steuerpflichtig zu behandeln. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG 1993/1999 ist gemäß § 9 Abs. 2 UStG 1993/1999 bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Die Mieterin V hat die vom Kläger gemieteten Geschäftsräume aber zur Ausführung von steuerfreien, gemäß § 15 Abs. 2 UStG 1993/1999 den Vorsteuerabzug ausschließenden Umsätzen verwendet.

b) Über die von ihm ausgeführten steuerfreien Umsätze hat der Kläger Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis ausgestellt. Bei dem Mietvertrag vom , geändert durch Vereinbarung vom , in Verbindung mit den Kontoauszügen hat es sich um Rechnungen i.S. des § 14 Abs. 2 UStG 1993/1999 gehandelt.

aa) Rechnung ist gemäß § 14 Abs. 4 UStG 1993/1999 jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder in seinem Namen ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Beurteilung, ob ein Dokument als Rechnung im Sinne des UStG 1993/1999 anzusehen ist, richtet sich allein nach umsatzsteuerrechtlichen Kriterien (, BFHE 219, 266, BStBl II 2008, 438).

bb) Bei Mitverträgen wird der abgerechnete Leistungsgegenstand, nämlich die Vermietung für einen bestimmten Zeitraum (z.B. Monat), als Teilleistung i.S. von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2 und 3 UStG 1993/1999 erst durch die monatlichen Zahlungsaufforderungen oder -belege konkretisiert. Erst damit erhält die im Vertrag vereinbarte Monatsmiete (einschließlich gesondert ausgewiesenem Umsatzsteuerbetrag) die erforderlichen tatsächlichen Ergänzungen, aufgrund derer eine ausreichende Leistungsbeschreibung angenommen werden kann (vgl. , BFHE 194, 270, BStBl II 2008, 493; vom V R 42/91, BFHE 173, 231, BStBl II 1994, 269; vom V R 33/90, BFHE 169, 555, BStBl II 1993, 210; vom V R 55/80, BFHE 135, 133, BStBl II 1982, 317; BFH-Beschlüsse vom V B 170/06, BFH/NV 2008, 829; vom V B 72/86, BFHE 154, 197, BStBl II 1988, 913). Dem hat sich die Verwaltung angeschlossen (Abschn. 183 Abs. 2 Satz 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008).

Die Konkretisierung für einen bestimmten Leistungszeitraum kann sich niemals durch die Erstellung ergänzender Belege oder Zahlungsaufforderungen sowohl durch den Leistenden als auch aus Zahlungsbelegen des Leistungsempfängers ergeben, aus denen sich der konkrete Leistungsabschnitt ergibt (BFH-Urteile in BFHE 173, 231, BStBl II 1994, 269; in BFHE 169, 555, BStBl II 1993, 210). Vom Vorliegen dieser ergänzenden Unterlagen kann aber bei Fehlen gegenteiligen Vortrags regelmäßig ausgegangen werden, wenn in Verträgen über Dauerschuldverhältnisse Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wird (, BFH/NV 1993, 393, unter 1. a, a.E.).

cc) Der Kläger hat in dem Mietvertrag vom , geändert durch Vereinbarung vom , die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. Das FG ist darüber hinaus zu Recht davon ausgegangen, dass entsprechende Zahlungsbelege des Leistungsempfängers vorliegen und der Mieterin V Auszüge mit den Angaben über den entsprechenden, auf ihrem Bankkonto gebuchten Geldabfluss zugegangen sind, weil der Kläger hierzu nichts Gegenteiliges vorgetragen hat.

c) Der leistende Unternehmer schuldet nach § 14 Abs. 2 UStG 1993/1999 die zu Unrecht ausgewiesene Steuer bis zur Berichtigung der Rechnung (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673; vom V R 72/00, BFH/NV 2002, 545). Dem steht auch nicht, wie der Kläger meint, der Neutralitätsgrundsatz entgegen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in der Rechtssache C-454/98, Schmeink & Cofreth und Strobel ( BFH/NV 2001, Beilage 1, 33-37 Rdnr. 56) entschieden, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, die Geltung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer dadurch zu gewährleisten, dass sie in ihrem innerstaatlichen Recht vorsehen, dass jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer berichtigt werden kann. Diese Möglichkeit eröffnet das deutsche Umsatzsteuerrecht unter der Voraussetzung der Berichtigung der Rechnung. Nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 FGO) hat der Kläger aber jedenfalls in den Streitjahren keine Rechnungsberichtigung vorgenommen.

Fundstelle(n):
HFR 2010 S. 156 Nr. 2
OAAAD-32814