BFH Beschluss v. - I B 180/08

Darlegung der Klärungsfähigkeit von mit der Auslegung des § 613a Abs. 4 BGB zusammenhängenden Rechtsfragen

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, BGB § 613a

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitpunkt ist, ob bei der Bemessung von Pensionsrückstellungen für den Geschäftsführer der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) Vordienstzeiten aus einem früheren Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin ist eine GmbH, die im Dezember 1992 von A und B gegründet wurde. A war seit September 1977, zuletzt als Leiter des mit dem Bedrucken von Tastaturen befassten Betriebsteils N, beim Unternehmen R beschäftigt, das im Zuge der Herstellung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion im Juli 1990 in eine GmbH in Liquidation (R-GmbH i.L.) umgewandelt wurde. A schloss am mit der R-GmbH i.L. einen Aufhebungsvertrag über sein bisheriges Arbeitsverhältnis; eine Abfindung wurde nicht vereinbart.

Im Rahmen eines sog. Management-Buy-out (MBO) kaufte die Klägerin mit Vertrag vom von der R-GmbH i.L. den Betriebsteil N. Der Unternehmenskaufvertrag enthielt den Passus, es sei dem Käufer bekannt, dass die Arbeitsverhältnisse mit allen im Geschäftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern der Verkäuferin gemäß § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auf ihn übergingen; die Verkäuferin verpflichtete sich, den Käufer im Innenverhältnis von bis zum Übergangsstichtag () entstandenen und fälligen rückständigen Forderungen der übernommenen Arbeitnehmer freizustellen. Dies sollte auch für etwaige Ruhegeldansprüche und Versorgungsanwartschaften vor dem Übergangsstichtag ausgeschiedener Arbeitnehmer gelten. In einer Anlage zu dem Unternehmenskaufvertrag waren unter dem Stichwort „Personalübernahme MBO” zehn Personen aufgeführt, darunter auch A und B, die dort als „Geschäftsführer Technik” und „Geschäftsführer Rechnungswesen” bezeichnet wurden. A schloss nachfolgend mit der Klägerin einen Anstellungsvertrag als Geschäftsführer.

Die Klägerin bildete in ihren Bilanzen Pensionsrückstellungen betreffend A, die die Vordienstzeiten aus dessen Beschäftigung bei der R-GmbH i.L. und deren Rechtsvorgänger seit 1977 berücksichtigten. Sie begründete das mit einem Übergang des mit der R-GmbH i.L. bestehenden Arbeitsverhältnisses des A auf sie gemäß § 613a BGB. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) beanstandete die Berücksichtigung der Vordienstzeiten. Er bemaß den Teilwert der Pensionsrückstellungen für die Streitjahre (2000 und 2001) in der Weise, dass für die Aufnahme der Tätigkeit des A der maßgeblich sein sollte, und erließ auf dieser Grundlage geänderte Bescheide über die Körperschaftsteuern und die Gewerbesteuermessbeträge der Streitjahre. Die deswegen erhobene Klage hat das abgewiesen.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen —soweit sie hinreichend dargelegt worden sind— nicht vor.

1. Die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) und der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) hat die Klägerin nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargetan. Beide Zulassungsgründe setzen voraus, dass die Rechtsfragen, deren grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht wird bzw. hinsichtlich derer eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sein soll, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sind. Die Klärungsfähigkeit ist in der Beschwerdebegründung zu erläutern (vgl. Senatsbeschluss vom I B 101/07, BFH/NV 2008, 1290; , BFH/NV 2005, 1116, jeweils m.w.N.). Das hat die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht in ausreichendem Maße getan.

Die Klägerin misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, ob § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB i.d.F. des Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) nur für Rechtsverhältnisse gilt, die auf der Grundlage einer Rationalisierung des Betriebs tatsächlich beendet werden und bei denen keine Folgebeschäftigung beim Betriebsübernehmer stattfindet, oder ob die Vorschrift auch für solche Arbeitsverhältnisse anwendbar ist, die nach Ausspruch einer Erklärung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich „nahtlos” mit dem Betriebsübernehmer fortgeführt werden. Des Weiteren möchte die Klägerin geklärt wissen, ob es sich bei § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB i.d.F. des Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB lediglich um eine Konkretisierung der auch nach § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB zulässigen Kündigungsmöglichkeiten handele.

Beide Rechtsfragen wären indes nur dann im Streitfall klärungsfähig, wenn § 613a BGB überhaupt auf die im Streitfall gegebene Konstellation anwendbar ist, in der nach dem Willen aller Beteiligten der bisher als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer der R-GmbH i.L. tätige A bei der Klägerin in ein Dienstverhältnis als Geschäftsführer eintreten sollte, mithin im Zuge des Betriebsübergangs ein Statuswechsel vom Arbeitnehmer zum Gesellschafter-Geschäftsführer beabsichtigt war. Des Weiteren käme es für die Entscheidung des Streitfalls nur dann auf die zur Klärung gestellten Rechtsfragen an, wenn der geplante Statuswechsel des A kein sachlicher Grund wäre, der die Auflösung des Arbeitsverhältnisses per Aufhebungsvertrag vom nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts —BAG— (z.B. , BAGE 43, 13) zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen anlässlich Betriebsübergängen (§ 613a Abs. 4 BGB) „aus sich heraus” rechtfertigen könnte.

Auf diese Fragen geht die Beschwerdebegründung an keiner Stelle ein. Dort ist vielmehr von einer „nahtlosen” Fortsetzung des früheren Arbeitsverhältnisses des A die Rede, als wäre A auch bei der Klägerin auf der ursprünglichen vertraglichen Grundlage als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer tätig gewesen. Zur Beurteilung der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen ist jedoch eine Befassung mit den rechtlichen Konsequenzen des Statuswechsels unerlässlich.

2. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind unbegründet. Weder ist das FG-Urteil wegen der Argumentation mit der Bestimmung des § 4 Ziffer 2 des Unternehmenskaufvertrages ein unzulässiges Überraschungsurteil noch ist ersichtlich, dass das FG etwaig entscheidungsrelevantes Vorbringen der Klägerin zu dem vom FG in seinen Entscheidungsgründen zitierten (BAGE 83, 302) nicht zur Kenntnis genommen hätte. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1820 Nr. 11
UAAAD-27985