BFH Beschluss v. - I B 221/07

Klagebefugnis bei Streit um die Höhe der Feststellung von steuerfreien ausländischen Einkünften

Gesetze: FGO § 40 Abs. 2, AO § 180 Abs. 5 Nr. 1

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitig ist die Höhe der Feststellung von steuerfreien ausländischen Einkünften gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO).

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine KG, an der die Beigeladenen als Mitunternehmer beteiligt sind. Sie war im Streitjahr 1989 an mehreren ausländischen Gesellschaften beteiligt, u.a. auch an der (in der Gesellschaftsstruktur einer deutschen KG vergleichbaren) XS-C.S. (X) mit Sitz in Frankreich. Die Klägerin (als Kommanditistin) leistete Zahlungen an X, die sie in ihrem Jahresabschluss des Streitjahres als Forderung erfasste. Eine Verzinsung unterblieb. In 1991 nahm die Klägerin an einer Kapitalerhöhung bei X durch Verrechnung mit ihrer Forderung teil.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte bei der Feststellung der (steuerpflichtigen) Einkünfte der Klägerin gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO wegen der unterbliebenen Verzinsung der Forderung eine Hinzurechnung auf der Grundlage des § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes (AStG) in Höhe von 842 542 DM. Zugleich verminderte das FA im Rahmen der hier streitgegenständlichen Feststellung der steuerfreien Einkünfte gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO (Feststellung für Zwecke des § 32b des Einkommensteuergesetzes und des § 2 Abs. 1 des AuslandsinvestitionsgesetzesAIG—) den bisher festgestellten Betrag negativer ausländischer Einkünfte um eben diesen Betrag. Gegen beide Änderungsbescheide erhob die Klägerin Klage. Das Verfahren gegen die Feststellung gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist beim Finanzgericht (FG) Nürnberg unter dem Aktenzeichen VII 29/2006 anhängig. Die Klage gegen die Feststellung gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO hat das FG —unter Ablehnung eines Antrags der Klägerin auf Aussetzung des Klageverfahrens gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO)— als unzulässig abgewiesen ().

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 FGO zuzulassen sei.

Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen (§ 116 Abs. 6 FGO). Das FG hat die Klage verfahrensfehlerhaft (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) als unzulässig abgewiesen.

Das FG hat seiner Prüfung der Klagebefugnis der Klägerin (§ 40 Abs. 2 FGO) zutreffend den Obersatz zugrunde gelegt, dass eine Klage, mit der begehrt wird, eine höhere Steuer festzusetzen, grundsätzlich unzulässig ist (z.B. Senatsurteil vom I R 75/05, BFH/NV 2007, 1506, m.w.N.). Ausnahmsweise kann ein Kläger aber auch durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung in seinen Rechten verletzt sein. Das ist der Fall, wenn nach seiner Darlegung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss, dass ihm der Vorgang, auf dem die Festsetzung beruht, bei der gleichen Steuer für spätere Steuerabschnitte steuerliche Nachteile verursachen wird, die den durch die angefochtene zu niedrige Steuerfestsetzung bewirkten Vorteil überwiegen (z.B. , BFH/NV 2002, 805; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Rz 43, m.w.N.). Diese Grundsätze gelten entsprechend im Rahmen eines Rechtsstreits, der sich auf ein (gesondertes) Feststellungsverfahren bezieht.

Auf dieser Grundlage war der Klägerin eine Klagebefugnis nicht abzusprechen. Die Klägerin hat schon im Klageverfahren darauf verwiesen, dass mit Blick auf das spätere Erzielen von positiven Einkünften aus der (ausländischen) Beteiligung an X eine Feststellung dieser Einkünfte bevorsteht, die bei ihren Gesellschaftern —je nach der Ausübung des Wahlrechts des § 2 AIG— eine Nachversteuerung von nach § 2 AIG abgezogenen ausländischen Verlusten auslösen könne. Es ist auch nicht auszuschließen, dass damit (bei der Besteuerung der Gesellschafter) Effekte verbunden sind, die den auf das Streitjahr bezogenen Vorteil der (höheren) Verlustverrechnung übersteigen. Jedenfalls reicht insoweit eine gewisse Wahrscheinlichkeit aus. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Gesellschafter der Klägerin wegen des zeitlich verzögerten Ergehens des Feststellungsbescheids die Möglichkeit gehabt hätten, die Vorteilhaftigkeit eines Antrags gemäß § 2 AIG zu kalkulieren, so dass eine spätere Nachversteuerung keine den punktuellen Vorteil im Streitjahr übersteigende Nachteile in späteren Jahren zur Folge hätte. Die Möglichkeit, die finanziellen Folgen einer Wahlrechtsausübung abzuwägen, beseitigt eine (abstrakte) Wahrscheinlichkeit des Eintritts bestimmter Folgen nicht.

Zum Verhältnis des angefochtenen Bescheids zu dem im Parallelverfahren des FG (VII 29/2006) streitgegenständlichen Feststellungsbescheid gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO hat das FG zu Recht ausgeführt, dass die beiden Bescheide zueinander nicht als Grundlagen-/Folgebescheide anzusehen sind. Die faktische Wechselwirkung zwischen den Feststellungsgrundlagen —die Änderung des hier angefochtenen Bescheids ist auf den Umstand zurückzuführen, dass die Höhe der steuerpflichtigen Einkünfte der Klägerin verändert wurde— kann aber bei der Beurteilung, ob der Klägerin eine rechtsschutzeröffnende Beschwer zuzusprechen ist, nicht außer Betracht bleiben. Die Klägerin zeichnet mit ihrem gegen beide Feststellungen gerichteten Rechtsschutzbegehren diese Wechselwirkung nach, um zugleich dem Einwand zu begegnen, die Rechtsbeeinträchtigung durch die geänderte Feststellung der steuerpflichtigen Einkünfte werde durch die geänderte Feststellung der steuerfreien Einkünfte kompensiert.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 2037 Nr. 12
YAAAC-94758