Was ist Bier ? Zwischenprodukt zur Herstellung eines alkoholischen Mischgetränkes ist kein Bier
Leitsatz
Ein im Brauverfahren hergestelltes Erzeugnis, das sich nach einer Ultrafiltration als klare, farblose, nach Ethylalkohol riechende, schwach bitter schmeckende Flüssigkeit darstellt und das unter der Bezeichnung „malt beer base” als Zwischenprodukt zur Herstellung eines alkoholhaltigen Mischgetränkes vertrieben wird, kann zolltariflich nicht als Bier der Pos. 2203 KN angesehen werden.
Gesetze: BranntwMonG § 144 Abs. 1BranntwMonG § 130 Abs. 2BierStG 1993 § 1 Abs. 2ZK Art. 12 Abs. 2
Instanzenzug: VBr (ZFZ 2004, 422)
Gründe
I.
Zur Herstellung eines alkoholhaltigen Mischgetränkes bezieht die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) von der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Firma A eine sogenannte „malt beer base”. Das von A zur Herstellung der „malt beer base” verwendete Bier weist einen Alkoholgehalt von ca. 14 % Vol. und nahezu keinen Restextrakt mehr auf. Dieses Bier wird in einer Zentrifuge geklärt, zunächst über Kieselgur filtriert und danach einer Ultrafiltration unterzogen. Das mit insgesamt elf begleitenden Verwaltungsdokumenten unter der Unterpos. 2203 00 10 der Kombinierten Nomenklatur (KN) als Bier angemeldete Erzeugnis reihte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt —HZA—) als Branntwein der Unterpos. 2208 9091 000 KN ein und unterwarf es nach § 130 Abs. 2 des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG) der Branntweinsteuer. Mit insgesamt elf Steuerbescheiden setzte das HZA gegenüber der Klägerin Brannntweinsteuer fest. In einem Gutachten und einer ergänzenden Stellungnahme der zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) wurde hierzu ausgeführt, dass es sich bei der als „malt beer base” bezeichneten Ware um eine farblose, klare, nach Ethylalkohol riechende, schwach bitter schmeckende Flüssigkeit handle. Aufgrund dieser für Bier aus Malz untypischen Beschaffenheitsmerkmale komme für das Erzeugnis eine Einreihung als Bier nicht in Betracht. Eine Einreihung als Mischung aus Bier und nichtalkoholischen Getränken der Pos. 2206 KN scheide ebenfalls aus, da das Erzeugnis weder die typischen Merkmale eines fertigen Getränkes aufweise, noch als solches verwendet werden solle; die Ware besitze vielmehr den Charakter einer Alkohol-Wasser-Mischung und sei daher als unvergällter Ethylalkohol mit einem Alkoholgehalt von weniger als 80 % Vol. einzureihen.
Die nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass es sich bei dem von der Klägerin bezogenen Erzeugnis um Bier aus Malz i.S. von § 1 Abs. 2 des Biersteuergesetzes (BierStG 1993) handle. Der Bestimmung des Steuergegenstandes Bier sei ein rein steuerliches Verständnis zu Grunde zu legen. Ein entscheidendes Auslegungskriterium sei den Erläuterungen zur KN zu entnehmen, nach denen Bier ein alkoholhaltiges Getränk sei, das durch Vergären einer durch Kochen gewonnenen Würze aus Gersten- oder Weizenmalz, Wasser und üblicherweise Hopfen hergestellt werde. Unstreitig erfülle das von A zur Herstellung von „malt beer base” verwendete Ausgangserzeugnis (Rohbier) die Kriterien der Pos. 2203 KN. Die Eigenschaft „Bier” werde durch die von A durchgeführten Filtrationsprozesse nicht aufgehoben. Denn zu keiner Zeit finde eine Erhöhung der Alkoholkonzentration oder eine Destillation statt. An dieser Einschätzung ändere auch der Umstand nichts, dass „malt beer base” im Gegensatz zum Ausgangsprodukt einen niedrigeren Bitterwert sowie einen milderen Geschmack habe und nunmehr klar und farblos sei. Zwar lasse der optische Eindruck keineswegs vermuten, dass es sich um Bier handle, doch komme es darauf nicht an. In einem von der Klägerin eingereichten Gutachten werde die Auffassung vertreten, dass die Bierrohstoffe, wie Malz, Hopfen und Hefe, nachgewiesen werden könnten, so dass eine Zuordnung zu anderen Getränken als Bier, insbesondere zu destillierten alkoholischen Getränken, analytisch nicht vertretbar sei. Dieser Auffassung sei deshalb zuzustimmen, weil die Erläuterungen der KN dem Aussehen, dem Geruch und dem Geschmack nur eine untergeordnete Bedeutung beimäßen. Aussehen und Geschmack müssten nicht zwingend dem traditionellen Verständnis von Bier entsprechen. Jedenfalls müssten diese Kriterien zurücktreten, wenn der Herstellungsprozess und die Beschaffenheit für eine Einreihung als Bier sprächen.
Auch könne der Ansicht des HZA nicht gefolgt werden, dass es sich bei der „malt beer base” nicht um ein Getränk handele. Denn es stünde fest, dass dieses Erzeugnis als notwendiger Bestandteil des von der Klägerin unter Zusatz von Limonade hergestellten Mischgetränkes von Konsumenten getrunken werde. Bei diesem Befund brauche der Frage nicht mehr nachgegangen zu werden, ob die der Klägerin von den niederländischen Zollbehörden erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte (vZTA), nach denen es sich bei der „malt beer base” um Bier handele, überhaupt hätten erteilt werden dürfen. Im Übrigen würde die Einreihung des Erzeugnisses als Branntwein nach § 99b BranntwMonG dazu führen, dass es in Deutschland zu Trinkzwecken nicht verwendet werden dürfte.
Mit der Revision macht das HZA geltend, dass das von der Klägerin bezogene Erzeugnis nicht als Bier der Pos. 2203 KN angesehen werden könne. Da es lediglich ein Zwischenprodukt zur Herstellung eines Mischgetränkes sei, sei es zum direkten Verzehr weder bestimmt noch geeignet und könne deshalb nicht als Getränk angesehen werden. Hierzu müsse es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH— (Urteil vom VII R 20/01, BFH/NV 2004, 1305) in derselben, identischen Beschaffenheit ohne weitere Behandlung oder Zusätze unmittelbar dem Verbraucher zum Verzehr angeboten werden. Eine Deutung der das allgemeine Verständnis des Verbrauchers hinsichtlich der typischen Beschaffenheit von Bier beschreibenden Erläuterungen zur Pos. 2203 KN dahin gehend, dass Bier nicht nur hell oder dunkel, sondern auch farblos sein könne, komme nicht in Betracht. In Bezug auf das Aussehen und den Geschmack weise „malt beer base” keine biertypischen Charaktermerkmale auf. Zudem sei die Auffassung des FG unzutreffend, dass das Erzeugnis nach den Filtrationsprozessen gegenüber dem eingesetzten Rohbier nahezu unverändert sei. Insbesondere durch die Ultrafiltration, die im Gegensatz zur konventionellen Filtration nicht nur Hefen und Trübungsstoffe, sondern in der Flüssigkeit gelöste makromolekulare Stoffe abtrennen könne, würden den Biercharakter bestimmende Merkmale, wie z.B. höhere Alkohole, Proteine und Bitterstoffe, weitgehend entfernt. Die im Erzeugnis noch verbleibenden und nur durch feinste Messmethoden analytisch nachweisbaren biertypischen Stoffe könnten für das Erzeugnis nicht mehr charakterprägend sein. Untersuchungen der ZPLA Berlin hätten ergeben, dass durch die Ultrafiltration die im Rohbier enthaltenen Proteine praktisch vollständig entfernt und der Extraktgehalt auf 1/20 des Extraktgehalts des eingesetzten Rohbieres zurückgeführt werde. Der Glyceringehalt erreiche nur 1/3 und die Bitterstoffe erreichten lediglich 1/8 des ursprünglichen Gehalts. Diese Ergebnisse belegten, dass dem Rohbier die charakterbestimmenden Inhaltsstoffe weitgehend entfernt würden. Damit bestimme nur noch der Gehalt an Ethylalkohol den Charakter des Erzeugnisses als Alkohol-Wasser-Mischung.
Die von der Klägerin vorgelegten vZTA könnten im Streitfall deshalb nicht als bindend angesehen werden, weil sie nicht im Hinblick auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben erteilt worden seien und inzwischen ein Widerruf der niederländischen Zollverwaltung vorliege, der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht bekannt gewesen sei. Mittlerweile habe die Europäische Kommission einen Entwurf für eine Einreihungsverordnung vorgelegt, in dem ein als „malt base” bezeichnetes und dem Streitfall entsprechendes Erzeugnis der Pos. 2208 KN zugewiesen werde. Im Übrigen habe es das FG verfahrensfehlerhaft unterlassen, zur exakten Bestimmung der Inhaltsstoffe des streitgegenständlichen Erzeugnisses ein ergänzendes Gutachten einzuholen.
Die Klägerin schließt sich im Wesentlichen der Urteilsbegründung an. Ergänzend führt sie aus, dass zur Bestimmung des Erzeugnisses nicht auf die allgemeine Verkehrsanschauung, sondern auf die mengenmäßig überwiegenden Komponenten abzustellen sei. Auch die mittlerweile im Handel anzutreffenden Weinmischgetränke unterschieden sich nicht von den Biermischgetränken und Spirituosen. Das vom HZA angeführte Senatsurteil in BFH/NV 2004, 1305 könne auf den Streitfall nicht übertragen werden, da es andere Positionen der KN und ein Erzeugnis betroffen habe, das aufgrund der mangelnden Stabilität nicht vermarktungsfähig gewesen sei. Bei jedem Filtrationsprozess, so auch bei der in der Brauindustrie im Vordringen befindlichen Ultrafiltration, ergäben sich Veränderungen, wie z.B. die Ausdünnung von Inhaltsstoffen. Rechtsverbindliche Vorgaben, wie stark sich diese Verfahren auf die Reduzierung der Bierfarbe auswirken dürften, bestünden indes nicht. Der Frage einer Bindungswirkung der von der niederländischen Zollverwaltung erteilten vZTA hätte das FG aufgrund der fehlenden Entscheidungserheblichkeit nicht weiter nachzugehen brauchen. Sollte die „malt beer base” als Branntwein einzureihen sein, würde dies in Anlehnung an das 3 C 5.04 (BVerwGE 123, 82) eine gegen Art. 12 des Grundgesetzes (GG) und damit verfassungsrechtlich unzulässige Berufsausübungsregelung darstellen. Denn das Erzeugnis dürfte dann nicht mehr zur Herstellung des von der Klägerin vertriebenen Biermischgetränkes eingesetzt werden. Mit Gemeinwohlzwecken sei es nicht zu vereinbaren, filtriertes Bier nicht mehr als Bier, sondern als Branntwein zu klassifizieren.
II.
Die Revision des HZA ist begründet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO) und ist daher aufzuheben. Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Erzeugnis um Bier der Pos. 2203 KN handelt. Vielmehr ist das von der Klägerin bezogene Erzeugnis als Branntwein der Pos. 2208 KN einzureihen und gemäß § 144 Abs. 1 BranntwMonG als Branntwein zu versteuern. Infolgedessen erweisen sich die von der Vorinstanz aufgehobenen Verwaltungsentscheidungen als frei von Rechtsfehlern, so dass die Klage abzuweisen ist.
1. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG entsteht die Steuer für aus dem freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken bezogene Erzeugnisse u.a. dadurch, dass der Bezieher die Erzeugnisse im Steuergebiet in Empfang nimmt. Im Zeitpunkt der Erfüllung des Steuerentstehungstatbestandes muss eine Ware vorliegen, die den in § 130 Abs. 2 BranntwMonG festgelegten Kriterien entspricht, d.h. ein Erzeugnis der Pos. 2207 oder 2208 KN mit einem Alkoholgehalt über 1,2 % Vol. oder der Pos. 2204, 2205 oder 2206 KN mit einem Alkoholgehalt über 22 % Vol. Im Streitfall handelt es sich bei den aus einem anderen Mitgliedstaat in das Steuergebiet verbrachten und von der Klägerin in Deutschland in Empfang genommenen Waren um solche der Pos. 2208 KN (unvergällter Ethylalkohol mit einem Alkoholgehalt von weniger als 80 % Vol.) und damit um Branntwein i.S. von § 130 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG, so dass die Steuer nach § 144 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG entstanden ist.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— (vgl. Urteil vom Rs. C-276/00, EuGHE 2002, I-1389 Rdnr. 21) und des erkennenden Senats (, BFH/NV 2004, 1309, und vom VII R 11/02, BFHE 201, 352, 355) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind. Daneben stellen die vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens für das Harmonisierte System (HS) bzw. die von der Europäischen Kommission für die KN ausgearbeiteten Erläuterungen ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen dar (vgl. EuGH-Urteil in EuGHE 2002, I-1389 Rz. 22). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Position oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (, EuGHE 1991, I-1895 Rdnr. 9).
b) Zur Pos. 2208 KN der im Streitfall maßgeblichen KN 1991 (vgl. § 130 Abs. 5 BranntwMonG) gehört Ethylalkohol mit einem Alkoholgehalt von weniger als 80 % Vol., unvergällt, in Behältnissen mit einem Inhalt von 2 Litern oder weniger (Unterpos. 2208 9091 000) und von mehr als 2 Litern (Unterpos. 2208 9099 000 KN). Nach den Feststellungen des FG ist das streitgegenständliche Erzeugnis farblos; es weist einen Gehalt von aus der alkoholischen Gärung entstandenem Ethylalkohol von ca. 14 % Vol. auf. Dabei lässt der optische Eindruck nicht vermuten, dass es sich bei der Flüssigkeit um ein Bier aus Malz handeln könnte. Im Unterschied zu dem eingesetzten Rohbier hat das Erzeugnis einen deutlich niedrigeren Bitterwert und einen milderen Geschmack. Aufgrund dieser Beschaffenheit gelangt der erkennende Senat zu der Auffassung, dass es sich um eine Alkohol-Wasser-Mischung handelt, für die nur eine Einreihung in die Pos. 2208 KN in Betracht kommt.
2. Einer Einreihung als Bier der Pos. 2203 KN steht insbesondere der Umstand entgegen, dass es sich nicht um ein fertiges Getränk, sondern um ein Zwischenprodukt handelt, das die Klägerin zur weiteren Verarbeitung, d.h. zur Herstellung des von ihr vertriebenen Mischgetränkes einsetzt.
Bier sind nach § 1 Abs. 2 BierStG 1993 Erzeugnisse der Pos. 2203 KN sowie Mischungen von Bier mit nichtalkoholischen Getränken, die der Pos. 2206 KN zuzuordnen sind. Zu Recht hat das FG eine Zuordnung der „malt beer base” zur Pos. 2206 KN ausgeschlossen. Denn es handelt sich offensichtlich nicht um ein Mischgetränk, das unter Verwendung von Bier und anderen Getränken hergestellt worden ist. Aber auch eine Einreihung als Bier der Pos. 2203 KN (Bier aus Malz) kommt nicht in Betracht.
a) Eine Definition des Begriffes Bier ist weder dem BierStG 1993 noch dem Wortlaut der Pos. 2203 KN zu entnehmen. Lediglich aus dem Hinweis „aus Malz” ergibt sich die Voraussetzung, dass das Erzeugnis unter Verwendung eines Getreideprodukts hergestellt sein muss. In den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) wird Bier als ein alkoholhaltiges Getränk bezeichnet, das durch Vergären einer durch Kochen gewonnenen Würze aus Gerstenmalz oder Weizenmalz, Wasser und üblicherweise Hopfen hergestellt wird. Weiter wird ausgeführt, dass für die Würze ggf. auch bestimmte Anteile von nicht gemälztem Getreide (z.B. Mais oder Reis) verwendet werden können und dass der Zusatz von Hopfen den bitteren und würzigen Geschmack bewirkt und die Haltbarkeit des Bieres verbessert. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass Bier hell oder dunkel, süß oder bitter, leicht oder stark sein kann und im Allgemeinen in Fässern, Flaschen oder in luftdicht verschlossenen Dosen vertrieben wird. Eine Zusammenschau dieser Erläuterungen ergibt, dass es sich bei Bier um ein alkoholisches Getränk handeln muss, das einen durch den Hopfen hervorgerufenen typischen Geschmack aufweist. Damit wird zugleich auf den Verwendungszweck des Erzeugnisses abgestellt, nämlich als Getränk genossen zu werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung der Tarifnr. 22.02 des Gemeinsamen Zolltarifs —GZT— (jetzt Pos. 2202 KN) sind als Getränke solche Flüssigkeiten anzusehen, die zum menschlichen Genuss geeignet und bestimmt sind, ohne dass es auf die eingenommene Menge oder die besonderen Zwecke ankommt, denen die verschiedenen Arten genießbarer Flüssigkeiten dienen ( 114/80, EuGHE 1981, 895, 903). Zu fordern ist nicht nur die generelle Genießbarkeit, sondern auch die Bestimmung als trinkfertiges Erzeugnis dem Verbraucher angeboten zu werden. Zwar ist diese Rechtsprechung zur Deutung des Begriffes „nichtalkoholische Getränke” der Tarifnr. 22.02 GZT ergangen, doch sind die vom EuGH entwickelten Grundsätze nach der Rechtsprechung des Senats auch bei der Beurteilung von anderen Getränken des Kap. 22 GZT (jetzt Kap. 22 KN) anzuwenden. Die Eignung und Bestimmung eines Erzeugnisses zum menschlichen Genuss und die damit verbundene Zuordnung als Getränk i.S. des Kap. 22 KN stellen Eigenschaften dar, die zur Bestimmung der objektiven Beschaffenheit der Ware herangezogen werden können (Senatsurteil in BFH/NV 2004, 1305, 1308).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vermag der erkennende Senat die Einschätzung des FG, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Erzeugnis um Bier der Pos. 2203 KN und damit um ein trinkfertiges Erzeugnis handelt, nicht zu teilen. Zwar ist die farblose und alkoholhaltige Flüssigkeit grundsätzlich zum menschlichen Genuss geeignet und trinkbar, jedoch ist sie nicht dazu bestimmt, ohne vorherige weitere Verarbeitung dem Verbraucher angeboten zu werden und als Getränk zu dienen. Ein entscheidendes Kriterium für die Einstufung eines Erzeugnisses als Bier ist zwar seine Herstellung im Brauverfahren. Doch kann im Streitfall entgegen der Auffassung des FG nicht ausschließlich auf den Herstellungsprozess des Ausgangsproduktes (Rohbier) abgestellt und unberücksichtigt gelassen werden, dass das Ausgangsprodukt neben der üblichen Filtration über Kieselgur einer zusätzlichen Ultrafiltration ausgesetzt worden ist. Mit diesem Membrantrennverfahren ist unstreitig eine Ausdünnung der Inhaltsstoffe (Bitterstoffe, Proteine ect.) erfolgt, die sich auch auf die Eigenschaften des eingesetzten Rohbieres (Farbe, Schaumbildung, Geschmack) und damit auf den Verwendungszweck ausgewirkt hat. Den ErlHS ist zu entnehmen, dass nicht nur auf das Herstellungsverfahren und die verwendeten Ausgangsstoffe, sondern auch auf den biertypischen Geschmack und die biertypische Färbung abzustellen ist. Denn ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass Bier hell oder dunkel sein kann und üblicherweise aus Hopfen hergestellt wird, dessen Zusatz den bitteren und würzigen Geschmack bewirkt. In diesem Zusammenhang vermag der Senat der Auffassung des FG nicht zu folgen, dass es für die steuerliche Qualifizierung als Bier nicht darauf ankomme, wie das Erzeugnis schmeckt, wie es aussieht und ob es nach herkömmlichem Verständnis überhaupt als Bier angesehen werden kann. Vielmehr belegen die Erläuterungen zur Pos. 2203 KN das Gegenteil. Denn mit ihnen wird der Versuch unternommen, die von Verbraucherkreisen geprägte Verkehrsauffassung wiederzugeben, um das als Bier angesprochene Erzeugnis von anderen alkoholischen Getränken abzugrenzen.
Ein Erzeugnis, dem wie im Streitfall sowohl die biertypische Farbe, als auch in erheblicher Menge die geschmacksprägenden Bitterstoffe entzogen worden sind, und das sich nach dieser Behandlung lediglich als Zwischenprodukt zur Herstellung eines Mischgetränkes darstellt, kann danach nicht mehr als Bier angesprochen werden. Auch das FG räumt ein, dass der optische Eindruck des Erzeugnisses keineswegs vermuten lässt, dass es sich um Bier aus Malz handeln könnte. Diese Feststellung bestärkt die Annahme, dass es sich zwar um eine trinkbare Flüssigkeit handelt, die jedoch nicht dazu bestimmt ist, als Bier oder als ein anderes trinkfertiges alkoholisches Getränk dem Konsumenten angeboten zu werden. Auch hat die Klägerin nicht dargelegt, dass das streitgegenständliche Erzeugnis dem Endverbraucher dargeboten wird und im Einzelhandel erhältlich ist. Schließlich weist die Bezeichnung „malt beer base” darauf hin, dass es sich um einen Ausgangsstoff für die Herstellung eines Getränkes handelt.
Ein Getränk i.S. der Erläuterungen liegt auch nicht deshalb vor, weil das Erzeugnis von der Klägerin mit Limonade gemischt und das Mischgetränk den Konsumenten angeboten und von ihnen getrunken wird. Denn zum menschlichen Genuss bestimmt ist nicht die „malt beer base”, sondern nur das fertige Endprodukt.
c) Unerheblich für die Einreihung der „malt beer base” ist auch, dass das zu ihrer Produktion verwendete Ausgangserzeugnis in einem herkömmlichen Brauverfahren hergestellt wurde und unstreitig als Bier der Pos. 2203 KN einzureihen wäre. Denn bei der Beurteilung, ob für ein Erzeugnis die Biersteuer entstanden ist, ist auf seine Beschaffenheit im Zeitpunkt der Erfüllung des Steuerentstehungstatbestandes abzustellen. Ein im Brauverfahren hergestelltes Bier kann physikalischen Behandlungen unterworfen werden, die seine Eigenschaft als Steuergegenstand aufheben. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass der Alkoholgehalt eines Bieres durch ein auf Umkehrosmose beruhendes Verfahren oder durch Destillation auf 0,5 % Vol. oder weniger herabgesetzt wird. Aufgrund dieser Behandlung ist es nicht mehr in die Pos. 2203 KN einzureihen und damit kein Steuergegenstand i.S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BierStG 1993, selbst wenn es in den Augen des Verbrauchers noch als Bier —nämlich als alkoholfreies Bier— angesehen werden sollte. Im Streitfall ist Bier ebenfalls einem Membrantrennverfahren unterzogen worden. Diese Behandlung hat zwar keine Senkung des Alkoholgehalts bewirkt, doch wurden geschmacksbildende und farbgebende Inhaltsstoffe in einem Ausmaß entzogen, dass das derart veränderte Erzeugnis nicht mehr als ein Getränk angesehen werden kann, das als Bier zum menschlichen Genuss bestimmt ist. Auch in diesem Fall hat die Anwendung eines technischen Verfahrens den Verlust der Eigenschaft als Steuergegenstand Bier bewirkt, obwohl als Ausgangsstoff ein im Brauverfahren hergestelltes Bier eingesetzt worden ist.
3. Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich aus dem Urteil des BVerwG in BVerwGE 123, 82, nach dem für die Herstellung und das Inverkehrbringen von mit Invertzucker versetztem Bier eine Genehmigung nach § 9 Abs. 7 des Vorläufigen Biergesetzes zu erteilen ist, für die Einreihung des streitgegenständlichen Erzeugnisses nichts entnehmen. Denn selbst wenn es zuträfe, dass die unter Pos. 2208 KN eingereihte „malt beer base” nach § 99b BranntwMonG in Deutschland nicht zur Herstellung von Mischgetränken verwendet werden dürfte, und es sich bei § 99b BranntwMonG um eine Regelung der Berufsausübung handeln sollte, könnte die Annahme eines Verstoßes gegen die in Art. 12 GG garantierte Berufsfreiheit nicht dazu führen, dass das Erzeugnis entgegen den Vorgaben der KN als Bier eingereiht werden müsste. Allenfalls wäre durch die als verfassungswidrig erkannte Rechtslage eine Änderung von § 99b BranntwMonG oder eine verfassungskonforme Interpretation dieser Vorschrift mit dem Ziel veranlasst, eine Verwendung der „malt beer base” zu den in § 99b BranntwMonG genannten Verwendungszwecken zu ermöglichen. Im Übrigen steht es den Herstellern von alkoholhaltigen Mischgetränken frei, für eine solche Produktion aus nach § 99b BranntwMonG zugelassenen landwirtschaftlichen Rohstoffen hergestellten und als Branntwein versteuerten Alkohol einzusetzen, auch wenn dabei leichte Veränderungen im Geschmack des Endproduktes in Kauf genommen werden müssten.
4. Schließlich kann sich die Klägerin nicht auf die von den niederländischen Behörden erteilten vZTA berufen, in denen das streitgegenständliche Erzeugnis nach den Angaben der Klägerin als Bier eingereiht worden ist. Denn nach Art. 12 Abs. 2 Satz 2 des Zollkodexes (ZK) bindet eine vZTA die Zollbehörden nur hinsichtlich der Waren, für welche die Zollförmlichkeiten nach dem Zeitpunkt der Auskunftserteilung erfüllt werden. Dabei gilt die zolltarifliche Einreihung nur für die Festsetzung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, der Berechnung von Ausfuhrerstattungen und sonstigen Beträgen oder für die Verwendung von Einfuhr- oder Ausfuhrlizenzen (Art. 12 Abs. 7 ZK). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin die vZTA nicht in Vorbereitung einer Einfuhr oder Ausfuhr des streitgegenständlichen Erzeugnisses beantragt hat. Vielmehr ging es ihr um die Einreihung eines verbrauchsteuerpflichtigen Erzeugnisses, das sie aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates zu beziehen beabsichtigte bzw. bereits bezogen hatte. Ebenso wenig wie eine vZTA für reine Umsatzsteuerzwecke erteilt werden kann (vgl. Senatsentscheidungen vom VII R 99/96, BFH/NV 1997, 727, und vom VII R 47/96, BFHE 182, 466, BStBl II 1997, 481), kann sie für reine Verbrauchsteuerzwecke erteilt werden.
Im Übrigen verweisen die nationalen Verbrauchsteuervorschriften (§ 1 Abs. 2 BierStG 1993, § 130 BranntwMonG) nur auf die Positionen der KN und nicht auf die im ZK angelegten Bestimmungen über die Erteilung von vZTA. Auch aus diesem Grund kann den von einem anderen Mitgliedstaat erteilten vZTA hinsichtlich der Festsetzung einer nationalen Verbrauchsteuer keine Bindungswirkung zuerkannt werden (vgl. zur Umsatzsteuer , BFHE 178, 262). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vZTA bereits vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem FG von der niederländischen Zollverwaltung widerrufen worden sind.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 1786 Nr. 33
BFH/NV 2006 S. 1732 Nr. 9
DStRE 2007 S. 49 Nr. 1
DStZ 2006 S. 573 Nr. 17
HFR 2006 S. 964 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2006 S. 2643
StB 2006 S. 327 Nr. 9
StBW 2006 S. 5 Nr. 17
IAAAB-91045