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NWB Nr. 37 vom Seite 2564

Besteht nun Einigkeit in der Kryptobesteuerung?

Überlegungen zu Kryptowerten und BTC-Mining

Oliver Christian Schroen

[i]Schroen, NWB 12/2025 S. 756Nach einigen FG-Urteilen, dem (BStBl 2023 II S. 571) und dem aktualisierten (BStBl 2025 I S. 658) scheint die Einigkeit über die Wirtschaftsguteigenschaft von bestimmten digitalen Wert-/Rechtedarstellungen, neuerdings nur noch als Kryptowerte bezeichnet, und deren grundsätzliche Ertragsbesteuerung in Veräußerungsfällen nunmehr manifestiert zu sein. Andere Sachverhalte bzgl. solcher Kryptowerte sind hingegen nach wie vor ungeklärt. Beispielsweise ist die Einschätzung des BMF, dass das sog. Mining von z. B. Bitcoin grundsätzlich gewerblich (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG) sei, noch nicht gerichtlich überprüft. Ob diese Einschätzung des BMF zutreffend ist, wird nachfolgend diskutiert.

I. Zur Wirtschaftsguteigenschaft bestimmter digitaler Wert-/Rechtedarstellungen

1. Einigkeit bei BFH, Finanzgerichten und BMF: Kryptowerte sind Wirtschaftsgüter

[i]BMF-Schreiben v. 6.3.2025, BStBl 2025 I S. 658Im (BStBl 2022 I S. 668) zu Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token wurde in Rz. 2 definiert, was unter Token zu verstehen sei: „Die Bezeichnung „Token“ ist ein Oberbegriff für digitale Einheiten, denen bestimmte Ansprüche oder Rechte zugeordnet sind, deren Funktionen variieren.“ Diese wurden dann in Rz. 3 aufgeteilt in Token, „die als Zahlungsmittel eingesetzt werden“ (virtuellen Währungen), und Token ohne Zahlungsmitteleinsatz (sonstige Token). Somit musste die Finanzverwaltung vor Anwendung der weiteren Regelungen dieses BMF-Schreibens eine zwingende Prüfung der digitalen Einheiten auf diesen „zugeordnete bestimmte Ansprüche oder Rechte“ vorschalten. Durch das neue (BStBl 2025 I S. 658) zu Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung bestimmter Kryptowerte erübrigt sich diese Prüfung plötzlich, weil in Rz. 1 nunmehr gem. § 1 Abs. 1a Satz 10 Nr. 3 KWG mit Verweis auf Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 der MICA-Verordnung (EU) 2023/1114 definiert wird: „Ein Kryptowert ist die digitale Darstellung eines Wertes oder eines Rechts, der bzw. das unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) oder einer ähnlichen Technologie S. 2565elektronisch übertragen und gespeichert werden kann.“ In den Rz. 31 und 41 erfolgt dann die allgemeingültige Feststellung, „Die einzelnen Kryptowerte sind Wirtschaftsgüter (, BStBl 2023 II S. 571).“ und „Kryptowerte sind nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter materieller Art, [...]“.

[i]FG Nürnberg, Urteil v. 22.1.2025 - 3 K 760/22, NWB AAAAJ-90257 Auch das , NWB AAAAJ-90257, Rz. 238) verwendet den Begriff Kryptowert, wobei es für das Gericht nicht entscheidend ist, ob es sich bei Krytpowerten um Currency Token, Utility Token, Security Token oder Mischformen handelt. Vielmehr sei entscheidend, dass sie (einzeln und in kleinere Untereinheiten teilbar) übertragbar und tauschbar sind, ihnen im Geschäftsverkehr ein selbständiger Wert beigelegt wird, sie auf speziellen Handelsplattformen bzw. Börsen gehandelt werden und über jederzeit abrufbare zeitaktuelle Kurse verfügen, die insoweit die Realisierbarkeit belegen. Und in Rz. 204 heißt es: „Die für den jeweiligen Token und die jeweilige Transaktion ermittelbaren „(Kurs-)Werte“ belegen nach Auffassung des , a.a.O.) dessen Realisierbarkeit. Der Senat folgt dieser Rechtsprechung.“

Ganz allgemein wird vom FG Nürnberg in Rz. 205 konstatiert, Kryptowerte würden insoweit wie alle Wirtschaftsgüter bemessen, denen ein Wert zukommt und für die ein Markt besteht. Denn, so führt es in Rz. 237 weiter aus, unbeschadet der im Einzelnen komplexen technischen Zusammenhänge des jeweiligen DLT-Systems ergebe sich für den Inhaber eines Kryptowerts ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil. Als nicht entscheidungserheblich stufte das Finanzgericht in Rz. 238 die Frage ein, ob Kryptowerten – in Gestalt von Signaturketten – Ansprüche i. S. des § 194 BGB bzw. Rechte (wie noch im BStBl 2022 I S. 668, in Rz. 2 gefordert) zugeordnet sind oder nicht.

[i]Kryptowert = WirtschaftsgutInsoweit sind sich BFH, Finanzgerichte und BMF nun einig, dass eine Signaturkette „als digitale Darstellung eines Wertes oder eines Rechts“ als „Kryptowert“ zu bezeichnen ist und dieser Kryptowert als Wirtschaftsgut zu gelten hat. Der jeweils dargestellte „Wert“ wird an Börsen (CEX/DEX) durch Angebot und Nachfrage gefunden und ist auf diversen Seiten im Internet einsehbar.

[i]Arbeitserleichterung für FinanzverwaltungDiese Einigkeit stellt für die Finanzverwaltung eine erhebliche Vereinfachung und Arbeitserleichterung dar, weil sie zur Feststellung der Wirtschaftsguteigenschaft nur noch zu prüfen hat, ob tatbestandlich eine digitale Darstellung eines Werts oder eines Rechts, also ein Kryptowert, vorliegt, zu dem ein Marktpreis im Internet zu finden ist oder war. Auch, ob es überhaupt einen „use case“ für diesen Kryptowert gibt oder nicht (z. B. Dogecoin „DOGE“, Jesus Coin „JC“ oder Official Trump „TRUMP“), ist steuerlich völlig unerheblich. Anders als früher, kommt es für die Beurteilung einer Wirtschaftsguteigenschaft nicht mehr auf die Einschätzung eines Kaufmanns an, sondern nur „auf die Verkehrsanschauung der an diesen Geschäften beteiligten Kreise“ (, BStBl 2023 I S. 571, Rz. 25, und , NWB AAAAJ-90257, Rz. 202), welche durch die entgeltliche Anschaffung dieses Kryptowerts dessen Wirtschaftsguteigenschaft sozusagen unwiderlegbar tatbestandlich beweisen.

2. Keine Einigkeit bei der Verwendungsreihenfolge

[i]BMF: FiFo, FG Nürnberg: auch LiFo möglichNicht einig sind sich BMF und FG Nürnberg allerdings, wenn es um die Verwendungsreihenfolge geht. Das Rz. 61) bleibt bei seiner Ansicht: „Ist eine Einzelbetrachtung nicht möglich, gelten für die Zwecke der Haltefrist die zuerst angeschafften Kryptowerte einer Handelsbezeichnung (z. B. Bitcoin oder Ether) als veräußert [...]. Aus Vereinfachungsgründen kann für die Zwecke der Wertermittlung unterstellt werden, dass die zuerst angeschafften Kryptowerte einer Handelsbezeichnung zuerst veräußert wurden (First in First out, FiFo).“ Das FG Nürnberg hält dagegen S. 2566auch Last in First out (LiFo) für anwendbar, wenn es in Rz. 271 feststellt: „Jedoch ist die vom Kläger gewählte Methode [Einfügung d. Verf.: LiFo] (Währungs- und Walletbezogen) gesetzlich zulässig (keine gesetzliche Sonderregelung, § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG wie bei Fremdwährungsgeschäften) und wurde vom Finanzamt im Streitfall akzeptiert.“ S. hierzu weiterführend Andres/Schmidt, DStR 2025 S. 1632.

II. Zur Frage der Gewerblichkeit des sog. Mining im Proof-Of-Work-Verfahren

Nicht einig könnten sich der BFH, Finanzgerichte und das BMF allerdings auch in den Fällen sein, in denen es um die Frage der Gewerblichkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG) des sog. Mining im Proof-Of-Work-Verfahren, wie bspw. bei Bitcoin, geht. Nachfolgend werden Argumente, die gegen die Gewerblichkeit sprechen, anhand des notwendigen Erfordernisses aus § 15 Abs. 2 EStG, nämlich der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, dargestellt. Wenn es sich für die ertragsteuerliche Beurteilung erweisen ließe, dass dem Mining die einkommensteuerrechtlich relevanten Kriterien von Glücksspiel zukämen, müsste aus beiden Tatbeständen dieselbe Folge gezogen werden, nämlich die Nichtsteuerbarkeit.