BAG Urteil v. - 9 AZR 256/23

Kostenbeteiligung des Flugschülers - Pilotenausbildung - Risiko einer wertlosen Teilschulung - unangemessene Benachteiligung

Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 9 Ca 135/21 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 11 Sa 294/22 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Entgeltansprüche des Klägers und in diesem Zusammenhang über die Wirksamkeit eines Darlehens zur Finanzierung seiner Schulung zum Flugzeugführer.

2Der Kläger ist seit dem im Konzern der Beklagten als Flugzeugführer beschäftigt. Seine fliegerische Grundschulung zum Flugzeugführer hatte er auf der Grundlage eines mit der L GmbH (LFT) am abgeschlossenen Schulungsvertrags begonnen. Unternehmensgegenstand der LFT bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin, der A GmbH (LAT), ist die Aus- und Weiterbildung fliegerischen Personals. Sie ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten.

3Der Schulungsvertrag enthält ua. folgende Regelungen:

4Ebenfalls unter dem schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag. Dieser lautet auszugsweise:

5Die Beklagte und die LFT bzw. die spätere LAT verwendeten den Darlehensvertrag und den Schulungsvertrag gleichlautend als Vertragsgrundlagen bei Schulungen einer Vielzahl von Nachwuchsflugzeugführern.

6Die mit dem Schulungsvertrag vereinbarte Grundschulung dauert in der Regel ca. 23 Monate. Die vollständige MPL-Ausbildung erfordert die in § 13 des Schulungsvertrags bezeichneten weiteren Schulungen der Phase 3 (Flight Training, Intermediate Phase) und Phase 4 (Flight Training, Advanced Phase) sowie das sog. Line Flying Under Supervision (LIFUS). Dieses erfolgt regelmäßig im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.

7Am endete die fliegerische Schulung des Klägers mit dem Ende der sogenannten Citation-Phase. Die G GmbH, die eine zu 100 % beherrschte Tochtergesellschaft der Beklagten ist und bei der der Kläger zunächst als Flugzeugführer eingestellt wurde, behielt für die Beklagte ab Januar 2016 monatlich 255,65 Euro vom Nettoentgelt des Klägers ein.

8Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nicht zur Rückzahlung des zum Zweck der Finanzierung seiner Schulung zum Flugzeugführer gewährten Darlehens verpflichtet zu sein. Der Darlehensvertrag zum Schulungsvertrag benachteilige ihn unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB. Darlehens- und Schulungsvertrag bildeten ein rechtlich einheitliches Vertragskonstrukt, bei dem ihm aufgrund der bei Vertragsabschluss noch geltenden Operatorbindung das Kostenrisiko für eine wertlose Teilschulung auferlegt worden sei. Die Schulungskosten seien in erster Linie eine Investition im Interesse der Beklagten gewesen. Die Regelungen des Darlehensvertrags verstießen zudem gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Zudem hat der Kläger in Abrede gestellt, dass die Beklagte den Darlehensbetrag an die LFT gezahlt hat.

9Der Kläger hat - soweit für die Revision noch relevant - beantragt,

10Die Beklagte hat zu ihrem Antrag auf Abweisung der Klage die Auffassung vertreten, der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag sei weder intransparent noch benachteilige er den Kläger unangemessen. Die in Anspruch genommenen Schulungsleistungen seien werthaltig und hätten ihm Vorteile auf dem Markt eröffnet. Angesichts der Kosten von etwa 140.000,00 Euro bis 160.000,00 Euro für eine vergleichbare Flugzeugführerschulung auf dem allgemeinen Markt sei eine Kostenbeteiligung von 60.000,00 Euro nicht unangemessen. Selbst wenn sich der Darlehensvertrag als unwirksam erwiese, sei der Kläger jedenfalls zum Wertersatz verpflichtet. Die LFT und die Beklagte hätten alle vertraglichen Verpflichtungen aus dem Schulungsvertrag umfassend erfüllt. Dies schließe auch die Valutierung des Darlehensbetrags von 60.000,00 Euro ein, den die Beklagte an die LFT gezahlt habe.

11Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung.

Gründe

12Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten nicht zurückweisen. Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die Klage begründet ist. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

13I. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte sei zur Zahlung der einbehaltenen Vergütung des Klägers verpflichtet. Mit dem Einbehalt und der Abführung der Beträge durch die als Einzugsstelle fungierende G GmbH an die Beklagte sei diese auf sonstige Weise auf Kosten des Klägers ohne Rechtsgrund bereichert worden. Der Einbehalt sei zu Unrecht erfolgt, weil der Kläger nicht zur Zahlung der von der Beklagten beanspruchten Darlehensraten verpflichtet gewesen sei. Die Regelungen über die Kostenbeteiligung im Schulungsvertrag und die Rückzahlung des Darlehens hielten einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand. Schulungsvertrag und Darlehensvertrag bildeten ein einheitliches Rechtsgeschäft. Die Klauseln über die Kostenbeteiligung des Klägers gemäß § 10 Abs. 1 des Schulungsvertrags und die Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich des zur Finanzierung der Schulung vereinbarten Darlehens in § 3 des Darlehensvertrags seien unwirksam. Bei wechselseitiger Berücksichtigung und Bewertung der anzuerkennenden Interessen der Vertragspartner benachteiligten Kostenbeteiligung und Rückzahlungsverpflichtung den Kläger unangemessen, weil diesem nach §§ 1, 13 Abs. 2 des Schulungsvertrags das Risiko einer wertlosen Teilschulung aufgebürdet worden sei. Der Kläger solle auch dann zur Rückzahlung verpflichtet sein, wenn die Beklagte ihm aus betrieblichen Gründen nach der Grundschulung keine Fortsetzung der MPL-Ausbildung anbiete. Wegen der sog. Operatorbindung sei es ihm nicht möglich, die begonnene Ausbildung bei einem anderen Anbieter fortzusetzen.

14II. Die Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.

151. Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Schulungsvertrag und der Darlehensvertrag bildeten ein einheitliches Rechtsgeschäft.

16a) Von einem einheitlichen Rechtsgeschäft ist auszugehen, wenn äußerlich selbständige Rechtsgeschäfte durch den Willen der Parteien miteinander verknüpft sind. Ein sog. „Einheitlichkeitswille“ liegt vor, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt ist, die möglicherweise äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte also miteinander stehen und fallen sollen. Ein einheitliches Rechtsgeschäft kann - bei einem dahingehenden Parteiwillen - auch dann vorliegen, wenn einzelne Rechtsgeschäfte in mehreren Urkunden niedergelegt sind und unterschiedlichen Geschäftstypen angehören. Die Geschäftseinheit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass an den Rechtsgeschäften verschiedene Personen beteiligt sind (vgl.  - Rn. 17;  -). Ob es sich aufgrund eines entsprechenden Willens der Vertragsparteien um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt, ist aufgrund des objektiv erkennbaren Parteiwillens festzustellen. Als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung unterliegt die diesbezügliche Auffassung des Landesarbeitsgerichts nur einer eingeschränkten Überprüfung (vgl.  - Rn. 18;  - Rn. 16).

17b) Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von einem einheitlichen Rechtsgeschäft auszugehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat den Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt und dabei insbesondere berücksichtigt, dass die Verträge in mehrfacher Hinsicht inhaltlich aufeinander Bezug nehmen (§ 2 des Darlehensvertrags und umgekehrt § 10 Abs. 1 des Schulungsvertrags). Der Umstand, dass es sich um eine dreiseitige Vertragsbeziehung handelt, steht der Annahme eines engen rechtlichen Zusammenhangs zwischen beiden Regelwerken nicht entgegen (ausführlich  - Rn. 18).

182. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass der einheitliche Vertrag einer AGB-Kontrolle anhand der Vorgaben in § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen ist.

19a) Auf den Vertrag findet § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls gemäß § 310 Abs. 3 BGB Anwendung. Der Kläger war als Flugschüler Verbraucher (vgl. zu Verbraucherverträgen mit Arbeitnehmern:  - Rn. 14 ff.; - 5 AZR 253/09 - Rn. 21 ff.). Es handelt sich um von der Beklagten und der LFT vorformulierte Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen verwendet wurden und auf deren Inhalt der Kläger keinen Einfluss nehmen konnte.

20b) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB stehe einer Inhaltskontrolle nicht entgegen. Diese beschränkt sich auf Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Hauptleistungspflichten sind danach ausgenommen. Vertragliche Regelungen, die die Kostenbeteiligung und Rückzahlungsverpflichtung des Klägers zum Gegenstand haben (§ 10 Abs. 1 des Schulungsvertrags und § 3 des Darlehensvertrags) gestalten jedoch keine Hauptleistungspflichten des einheitlichen Vertrags, die die Durchführung der Schulung betreffen, sondern beziehen sich allein auf die Finanzierung des Erwerbs der MPL-Lizenz (ausf.  - Rn. 21).

213. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Bestimmungen in § 10 Abs. 1 des Schulungsvertrags und zur Rückzahlungspflicht in § 3 des Darlehensvertrags benachteiligten den Kläger unangemessen, beruht auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

22a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

23aa) Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dazu bedarf es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen ( - Rn. 24; - 9 AZR 144/21 - Rn. 26).

24bb) Vereinbarungen über die Beteiligung eines Arbeitnehmers an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Dies gilt auch für Klauseln, die eine unbedingte Kostenbeteiligung zum Gegenstand haben ( - Rn. 25; - 9 AZR 144/21 - Rn. 27).

25b) Das Landesarbeitsgericht ist danach rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger werde unangemessen benachteiligt, weil er auch dann zur Rückzahlung verpflichtet sei, wenn die Beklagte ihm nach Abschluss der Grundschulung aus betrieblichen Gründen (§ 13 Abs. 2 des Schulungsvertrags) keine Folgeschulung anbiete. Bei der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen hat es - worauf die Revision zu Recht hinweist - übersehen, dass in diesem Fall der Rückzahlungsverzicht nach § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags greift ( - Rn. 26).

26aa) Nach § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags verzichtet die Beklagte auf eine Rückzahlung des Darlehens, wenn dem Kläger aus betrieblichen Gründen, insbesondere mangels Bedarfs an Flugzeugführern, nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Schulung die Übernahme in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis angeboten wird. Werden dem Kläger aber keine „weiteren Schulungen“ nach § 13 des Schulungsvertrags angeboten, dann wird ihm auch keine Übernahme in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis angetragen werden können, sodass der Kläger gemäß § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags keiner Rückzahlungspflicht unterliegt ( - Rn. 27).

27bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts trägt der Vertragspartner der Beklagten kein unmittelbares wirtschaftliches Risiko, wenn ihm keine „weiteren Schulungen“ nach § 13 des Schulungsvertrags angeboten werden. Bis zu dem Angebot, ihn in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis zu übernehmen, ist der Vertragspartner nicht zur Rückzahlung verpflichtet. § 3 Abs. 1 des Darlehensvertrags bestimmt, dass die Darlehensforderung für die Schulungsdauer und darüber hinaus bis zum Beginn eines Arbeitsverhältnisses als Flugzeugführer innerhalb oder außerhalb des L-Konzerns zins- und tilgungsfrei gestellt wird. Auch danach setzt die Rückzahlungspflicht nicht ein, bevor nicht dem Piloten, der auch die Phasen 3 und 4 der Schulung erfolgreich absolviert hat, ein Arbeitsvertrag angeboten wird ( - Rn. 28).

28c) Die weitere Begründung des Landesarbeitsgerichts, die Grundschulung biete wegen der bei Abschluss der Verträge geltenden sog. Operatorbindung keine angemessenen Vorteile für den Vertragspartner, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand.

29aa) Das Landesarbeitsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Durchführung der MPL (A)-Ausbildung § 20 Abs. 2 Nr. 1 LuftVZO iVm. den Bestimmungen über die Lizenzierung von Piloten (Flugzeug) (JAR-FCL 1 deutsch) vom (BAnz. Nr. 13a vom ) galt.

30bb) Die Schlussfolgerung des Landesarbeitsgerichts, nach diesen Regelungen sei eine Fortsetzung der Ausbildung bei einem anderen Anbieter rechtlich nicht möglich gewesen, trifft indes nicht zu. Ein Wechsel der Flugschule während der Ausbildung war aufgrund der Bestimmungen über die Lizenzierung von Piloten von Flugzeugen (JAR-FCL 1 deutsch) vom (BAnz. Nr. 13a vom ) zumindest rechtlich nicht ausgeschlossen (auf.  - Rn. 31 ff.).

31III. Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

321. Die Rückzahlungsverpflichtung ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, weil der Kläger sein Rückzahlungsrisiko nicht abschätzen konnte. Die Regelung in § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags iVm. § 13 Abs. 2 des Schulungsvertrags verstößt nicht gegen das AGB-rechtliche Transparenzgebot, soweit sie den unbestimmten Rechtsbegriff der „betrieblichen Gründe“ verwendet (vgl.  - Rn. 38 ff.).

33a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Vertragsklausel nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach muss die Klausel die tatbestandlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber als Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Zugleich dürfen die Anforderungen an die Konkretisierung einer Rückzahlungsvereinbarung nicht überzogen werden. Im Sinne eines Ausgleichs widerstreitender Interessen von Klauselverwender und Vertragspartner müssen die Angaben so beschaffen sein, dass der Vertragspartner sein Rückzahlungsrisiko abschätzen kann. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen darf sich juristischer Fachausdrücke und unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen, soweit dies im konkreten Kontext nicht den Verständnishorizont des durchschnittlichen Vertragspartners übersteigt. Dies gilt auch für in AGB geregelte Rückzahlungsverpflichtungen (ausf.  - Rn. 39 f.).

34b) Aus § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags iVm. § 13 Abs. 2 des Schulungsvertrags ist für den durchschnittlichen Darlehensnehmer zweifelsfrei erkennbar, dass seine Rückzahlungspflicht entfällt, wenn die Beklagte ihm aus in ihrer Sphäre liegenden Gründen innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Schulung kein Cockpit-Arbeitsverhältnis anbietet. Die Verwendung des unbestimmten Begriffs trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht von vornherein vollständig abzusehen ist, welche betrieblichen Gründe auftreten und diese deshalb nicht abschließend benannt werden können. Es liegt allein im Interesse des Klägers, dass nicht namentlich bezeichnete betriebliche Gründe zum Wegfall der Rückzahlungspflicht führen können. Das Merkmal der betrieblichen Gründe eröffnet deshalb für die Beklagte keinen ungerechtfertigten Beurteilungsspielraum ( - Rn. 42).

352. Die Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes stehen der Wirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung ebenfalls nicht entgegen.

36a) Nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG hat der Ausbildende dem Auszubildenden die Ausbildungsmittel kostenlos zur Verfügung zu stellen. Insbesondere ist es nicht zulässig, den Auszubildenden zu verpflichten, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG). Das Gesetz gilt nach § 1 Abs. 1 BBiG für die Berufsbildung. Sie umfasst die Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung. Die berufliche Fortbildung soll es ermöglichen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten und anzupassen oder zu erweitern und beruflich aufzusteigen (§ 1 Abs. 4 BBiG).

37b) Das BBiG zielt darauf ab, die finanziellen Belastungen, die dem Auszubildenden und seinen Eltern aus der Berufsausbildung erwachsen, möglichst gering zu halten. Der Zugang zu einer durch das Berufsbildungsgesetz geregelten Ausbildung soll nicht von dem finanziellen Leistungsvermögen und -willen des Auszubildenden abhängen. Aus diesem Grund legt die Rechtsprechung die Vorschriften der § 12 Abs. 2 Nr. 1 und § 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG weit aus und betont, dass dem Auszubildenden keine Kosten auferlegt werden dürfen, die ihm bei der Ausbildung entstehen ( - Rn. 23).

38c) Diese Grundsätze finden auf das Rechtsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

39aa) Die im Streitfall maßgebenden Vertragsbestimmungen unterfallen nicht dem Verbot, den Auszubildenden an den Kosten seiner Ausbildung zu beteiligen. Bei der fliegerischen Grundschulung handelt es sich zwar um einen Teil der Berufsausbildung iSd. § 1 Abs. 3 BBiG, nicht aber um den Teil einer betrieblichen Berufsausbildung. Auf eine rein schulische Berufsausbildung - wie die im Streitfall - ist der Zweite Teil des BBiG nicht anwendbar ( - Rn. 47 ff.).

40bb) Die Anwendbarkeit der § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG und § 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG folgt auch nicht aus § 26 BBiG in seiner bis zum geltenden Fassung (BBiG aF).

41(1) Diese Bestimmung ordnet die Anwendbarkeit der für das Berufsausbildungsverhältnis geltenden Vorschriften der §§ 10 bis 23 und § 25 BBiG für andere Vertragsverhältnisse unter der Voraussetzung an, dass es sich um Personen handelt, „die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben“. Eine Einstellung nach § 26 BBiG aF setzt voraus, dass der Vertragspartner durch ein Mindestmaß an Pflichtenbindung am arbeitstechnischen Zweck des Betriebs des anderen Teils mitwirkt ( - Rn. 24, BAGE 123, 255 zur Vorgängernorm). Dies ist bei einer Flugausbildung an einer Flugschule nicht der Fall (vgl.  - Rn. 50 ff.).

42(2) Zudem setzt § 26 BBiG aF voraus, dass es sich nicht um eine „Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes“ handelt. Vorliegend geht es um eine Berufsausbildung, nur eben nicht um eine betriebliche.

43IV. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist der Senat nicht in der Lage, eine abschließende Entscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

441. Das Landesarbeitsgericht wird die Interessenabwägung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB erneut vorzunehmen haben. Im Hinblick auf die von Art. 12 Abs. 1 GG ausgehende Schutzfunktion muss die Angemessenheit der Rückzahlungsverpflichtung unter Berücksichtigung der Beteiligung beider Parteien an den Kosten, des Grades der Werthaltigkeit der Ausbildung sowie des Umstands, dass Menschen im Ausbildungsalter ohne anderweitigen Abschluss durch die Beteiligung an Ausbildungskosten typischerweise in besonderer Weise belastet sind, beurteilt werden. Die Rückzahlungsverpflichtung wird umso eher noch als angemessen betrachtet werden können, je höher die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Teilschulung einzustufen ist (vgl.  - Rn. 46). Soweit das Landesarbeitsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - nicht weitergehend geprüft hat, ob und inwieweit der Kläger durch die Teilnahme an der Grundschulung einen geldwerten Vorteil erlangt hat, den er innerhalb oder außerhalb eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten hätte nutzen können, wird es die erforderlichen Feststellungen zu treffen und in die Interessenabwägung einzubeziehen haben (vgl.  - Rn. 56 f.).

452. Das Landesarbeitsgericht wird zudem zu prüfen haben, ob es auf die streitige Frage der Valutierung des Darlehens ankommt (ausf. zur Relevanz der Valutierung im Fall der Wirksamkeit der Rückzahlungspflicht  - Rn. 46 ff.). Feststellungen zur Verfügungsstellung des Darlehens hat das Landesarbeitsgericht bisher nicht getroffen. Der Vortrag der Beklagten, wie das Darlehen zwischen den Gesellschaften behandelt wurde, bedürfte für den Fall, dass es auf die Valutierung ankäme, näherer Aufklärung.

463. Schließlich wird das Landesarbeitsgericht ggf. zu berücksichtigen haben, dass das von der G GmbH einbehaltene und an die Beklagte abgeführte Entgelt des Klägers eine Leistung desselben an die Beklagte darstellt (vgl. st. Rspr. des Bundesgerichtshofs zu Anweisungsfällen:  - Rn. 16 ff.; - IV ZR 7/15 - Rn. 61; - XI ZR 243/13 - Rn. 17 ff.). Die G GmbH nahm den Einbehalt für die Beklagte vor. Sie selbst fungierte lediglich als Einzugsstelle. Ein Zahlungsanspruch des Klägers könnte sich daher nur nach den Grundsätzen der Leistungskondiktion ergeben (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB).

474. Sofern das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die unwirksamen Vertragsklauseln als Rechtsgrund für eine Leistung iSv. § 812 Abs. 1 BGB ausscheiden, kann sich ein solcher nicht daraus ergeben, dass die Beklagte ihrerseits einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Wertersatz gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., § 818 Abs. 2 BGB hätte. Die Unwirksamkeit der Klauseln würde nicht dazu führen, dass die Schulungsvereinbarung auch insgesamt unwirksam würde (§ 306 Abs. 1 BGB), sodass keine Leistung ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Mit Sinn und Zweck der AGB-Kontrolle wäre es nicht vereinbar, wenn der Verwender unwirksamer Klauseln über den Weg des Bereicherungsrechts dennoch sein Ziel erreichen könnte ( - Rn. 42; - 3 AZR 103/12 - Rn. 28).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:200824.U.9AZR256.23.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-82947