Decluttering, 300 n. Chr.
[i]Angebot des Auktionshauses Sotheby's: Tafel, Marmor, 115 Pfund schwer, 300?800 n. Chr., Mindestgebot 1. Mio. USDZum Ausklang des Jahres wird es spekulativ! Während ich dies schreibe, ist noch unklar, ob eine von Sotheby's New York auf mindestens 1 Mio. Dollar taxierte Marmortafel den Zuschlag bekommen wird. Etwas Spekulatives hätte auch der Erwerb, denn angeblich kann am 18. Dezember die älteste existierende Tafel mit vollständigen Zehn Geboten ersteigert werden. Das Original vom Berg Sinai ging mit der Bundeslade spätestens bei der Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahr 70 n. Chr. verloren. Es handelt sich bei diesem Los aber um einen Text in althebräischer Sprache aus der Zeit ab 300 n. Chr.
Ursprünglich gehörte die Tafel wohl in eine Synagoge oder ein Privathaus, wo sie während der römischen Invasionen von 400–600 n. Chr. oder während der ersten Kreuzzüge herausgerissen wurde und sich ihre Spur verlor. Die 52 Kilo schwere Steintafel wurde 1913 bei Eisenbahnarbeiten an der südlichen Küste Israels entdeckt. Bevor ein Gelehrter ihren Inhalt und Wert erkannte, diente sie viele Jahre als Gehwegbefestigung.
[i]Was bedeuten die zehn biblischen Gebote heute?Der eingravierte Text darauf ist eng an die biblische Verse aus dem 2. Buch Mose angelehnt, die uns sowohl aus der christlichen als auch aus der jüdischen Tradition vertraut sind. Für einen Experten des Auktionshauses ist die Tafel durchaus zu Recht eine „greifbare Verbindung zu den Glaubensvorstellungen, die die westliche Zivilisation geprägt haben.“ Um das Steuerrecht geht es in diesem Moralkodex bekanntlich nicht. Doch vielleicht ist die Geschichte der Versteigerung kurz vor Weihnachten auch eine Mahnung, an den Feiertagen nicht um das goldene Kalb zu tanzen.
[i]Weitaus umfangreichere Normen beherrschen das Internationale SteuerrechtDie Aufsätze dieser IWB sind naturgemäß kein bisschen spekulativ und drehen sich vollständig um das Internationale Steuerrecht. Anger/Görges stellen die Änderungen durch aktualisierte BMF-Schreiben zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns nach den DBA v. vor. Frei befasst sich mit zum Teil neuen Kriterien für die Ansässigkeit natürlicher Personen in Italien ab 2024. Die Anknüpfungsmerkmale wurden teilweise erweitert und sie stehen nicht immer im Einklang mit den Kriterien der internationalen Praxis. Eine kritische Einordnung erfährt auch die Funktionsverlagerungsbesteuerung und ihre Genese durch Rasch ab , vor allem mit Blick auf drei jüngere Urteile des BFH und des Niedersächsischen FG.
Vielleicht lassen sich die zehn biblischen Gebote auch als ein Beispiel für das seit einiger Zeit geforderte Decluttering einer immer feiner ausdifferenzierten Normsetzung und überbordender Dokumentations- und Anzeigepflichten deuten. Weniger ist mehr! Eine solche „Entschlackung“ wird auch 2025 ein Thema bleiben. Ganz sicher!
Ich wünsche Ihnen einen guten Rutsch und ein gesundes neues Jahr
Nils Henrik Feddersen
Fundstelle(n):
IWB 24 / 2024 Seite 1
TAAAJ-81679