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StuB Nr. 16 vom Seite 613

Zahlungsunfähigkeit vor dem Hintergrund der jüngeren BGH-Rechtsprechung

Aktualisierte Verlautbarung nach IDW S 11

Prof. Dr. habil. Robin Mujkanovic

Nach Auslaufen der während Covid19 geschaffenen und anlässlich des Ukrainekriegs fortentwickelten gesetzlichen Instrumente zur Insolvenzvermeidung und vor dem Hintergrund der aktuellen Krisensituation der deutschen Wirtschaft gewinnt das Thema der Eröffnungsgründe für ein Insolvenzverfahren erheblich an Bedeutung. Die Feststellung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit als i. d. R. zeitlich spätester Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren wirft seit vielen Jahren zahlreiche Fragen auf. Wegen der hohen Relevanz des Eintritts der Insolvenzantragspflicht, u. a. ex post auch bei Klärung haftungs- und strafrechtlicher Verantwortlichkeiten, landen viele Fragen beim BGH. Im Hinblick auf das Instrument der Messung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ergab sich bisher eine Divergenz zwischen BGH und IDW. Zuletzt hat der BGH verdeutlicht, seine diesbezügliche bisherige Rechtsprechung nicht als generelle Festlegung des Messinstruments verstehen zu wollen. Unter anderem vor diesem Hintergrund hat das IDW seinen Standard IDW S 11 zur Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzgründen überabeitet.

Gehrmann, Insolvenzverfahren, infoCenter, NWB BAAAB-05672

Kernfragen
  • Welche Instrumente lässt der BGH zur Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit von der Zahlungsstockung zu?

  • Welche Bedeutung erlangt der 10 %-Grenzwert für die Zahlungsunfähigkeit?

  • Welche Bedeutung hat die Betrachtung ex ante und ex post?

I. Insolvenzreife eines Schuldners

[i]Mujkanovic, Feststellung von Insolvenzgründen unter Berücksichtigung von IDW S 11 (2021), StuB 7/2022 S. 241, NWB BAAAI-58240 Für ein Insolvenzverfahren ist das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes nach § 16 InsO Voraussetzung. Trotz aller in den letzten Jahren unternommenen Bemühungen des Gesetzgebers, eine Sanierung von Unternehmen mit neuen Instrumenten außerhalb des Regelinsolvenzverfahrens zu ermöglichen, stellt sich immer wieder die Frage, ob und ggf. wann bei Unternehmen ein Insolvenzeröffnungsgrund vorliegt bzw. vorlag (zu den Antragspflichten und -rechten vgl. die nachfolgende Übersicht). Dies betrifft insbesondere die Antragspflichten der gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft oder organschaftlichen Vertreter einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der keine natürliche Person als Vollhafter vorhanden ist (atypische Personenhandelsgesellschaft). Dabei stellt sich die Frage nach dem Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit einerseits im Hinblick auf die Beachtung der Antragspflicht. Andererseits können ex post haftungs- und strafrechtliche Folgen einer Verletzung der Antragspflicht sowie Anfechtungsgründe zu prüfen sein, wobei die Frage nach dem Zeitpunkt der Insolvenzreife von zentraler Bedeutung für eine etwaige Pflichtverletzung ist.