BMF - IV B 5 - S 1308/22/10008 :004 BStBl 2024 I S. 1086

Grundsätze zur Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes

Bezug: BStBl 2010 I S. 1350

Bezug: BStBl 2022 I S. 997

Bezug: BStBl 2023 I Sondernummer 1/2023 S. 2

Bezug: BStBl 2020 I S. 1060

Bezug: BStBl 2021 I S. 301

Bezug: BStBl 2019 I S. 527

Bezug: BStBl 2020 I S. 1325

Bezug:

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes (StAbwG) Folgendes:

I. Umsetzung der Maßnahmen der Gruppe Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)

1Mit dem StAbwG werden die in der Europäischen Union von der Gruppe Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung) verhandelten und vom Rat gebilligten Verwaltungs- und Legislativmaßnahmen im Verhältnis zu solchen Steuerhoheitsgebieten angewendet, die auf der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke (EU-Liste) geführt werden.

II. Nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete und Ansässigkeit

2Ein Steuerhoheitsgebiet ist gemäß § 2 Absatz 1 StAbwG nicht kooperativ, wenn es eine der Voraussetzungen des § 4 Absatz 1, § 5 Absatz 1 oder § 6 StAbwG erfüllt. Die für die Anwendung der §§ 7 bis 12 StAbwG als nicht kooperativ eingestuften Steuerhoheitsgebiete werden in der Verordnung zur Durchführung des § 3 des Steueroasen-Abwehrgesetzes (Steueroasen-Abwehrverordnung; StAbwV) veröffentlicht. Allein die in der StAbwV genannten Hoheitsgebiete sind für die Anwendung der Maßnahmen des StAbwG maßgebend. Eine gesonderte Prüfung der §§ 4 bis 6 StAbwG durch die örtlich zuständigen Finanzbehörden erfolgt nicht.

3In § 2 StAbwV werden diejenigen Steuerhoheitsgebiete benannt, welche aufgrund der Vorgaben des § 2 Absatz 1 StAbwG nicht kooperativ sind und die gleichzeitig als solche in die Anlage I der Schlussfolgerungen des Rates zur überarbeiteten EU-Liste aufgenommen wurden. Bei Änderungen wird § 2 StAbwV regelmäßig zum Ende eines Kalenderjahres aktualisiert.

4Für die Bestimmung der Ansässigkeit für Zwecke des StAbwG ist auf den Wohnsitz (§ 8 AO), gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO), Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder den Sitz (§ 11 AO) abzustellen. Bei einer doppelten Ansässigkeit in zwei Steuerhoheitsgebieten ist das Tatbestandsmerkmal der Ansässigkeit i. S. d. StAbwG erfüllt, wenn eines der vorstehend genannten Merkmale im nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet erfüllt ist, vgl. § 2 Absatz 2 StAbwG.

III. Anwendungsbereich

1. Persönlicher Anwendungsbereich

5Die Vorschriften des StAbwG sind auf natürliche Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen (§ 14a Absatz 2 AO) und Vermögensmassen ungeachtet deren steuerlichen Ansässigkeit anzuwenden (§ 1 Absatz 1 StAbwG).

2. Sachlicher Anwendungsbereich

6Das StAbwG ist auf Steuern einschließlich der Steuervergütungen anzuwenden, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind und durch Bundesfinanzbehörden, Landesfinanzbehörden oder Gemeinden verwaltet werden, ausgenommen die Umsatzsteuer, einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer, Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern (§ 1 Absatz 2 StAbwG).

3. Zeitlicher Anwendungsbereich

a) Allgemeines

7Wird nach § 3 Absatz 1 StAbwG ein Steuerhoheitsgebiet in der StAbwV als nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet genannt, finden die im Abschnitt 3 des StAbwG vorgesehenen Abwehrmaßnahmen und die gesteigerten Mitwirkungspflichten nach § 12 StAbwG in Bezug auf dieses Steuerhoheitsgebiet grundsätzlich ab dem Beginn des Folgejahres des Inkrafttretens der StAbwV, in der das betreffende Steuerhoheitsgebiet erstmals aufgenommen wurde, Anwendung (§ 3 Absatz 2 Satz 1 StAbwG).

8Der Anwendungsbeginn der im Abschnitt 3 des StAbwG vorgesehenen Abwehrmaßnahmen erfolgt allerdings stufenweise. Die Abwehrmaßnahmen nach §§ 9 und 10 StAbwG finden ab dem Beginn des Folgejahres des Inkrafttretens der StAbwV Anwendung, die das betreffende nicht kooperative Steuerhoheitsgebiet erstmalig nennt (§ 3 Absatz 2 Satz 1 StAbwG). So ist beispielsweise die StAbwV vom (BGBl 2021 I S. 5236) am in Kraft getreten. Damit finden die Abwehrmaßnahmen der §§ 9 und 10 StAbwG erstmalig ab dem Anwendung auf Steuerpflichtige, die Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu den in dieser StAbwV genannten nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten unterhalten. Für die Maßnahmen der §§ 8 und 11 StAbwG gelten Ausnahmen, wodurch diese erst zu einem späteren Zeitpunkt Anwendung finden (§ 3 Absatz 2 Satz 2 StAbwG, vgl. Rn. 11 f.).

9Weicht das Wirtschaftsjahr der Person, die Adressat der Abwehrmaßnahme ist, vom Kalenderjahr ab, ist insoweit grundsätzlich auf den Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres abzustellen (siehe § 3 Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 StAbwG). Adressaten der §§ 8 bis 12 StAbwG sind grundsätzlich die im Inland unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Personen. Für die erstmalige Anwendung der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung nach § 9 StAbwG ist im Hinblick auf die Grundsätze der §§ 7 ff. AStG auf das Wirtschaftsjahr der ausländischen Zwischengesellschaft abzustellen. In den Fällen des § 10 StAbwG ist die Quellensteuer aufgrund des regelmäßig kalenderjahrgleichen Gewinnermittlungszeitraums für beschränkt Steuerpflichtige bereits ab dem Beginn des Folgejahres des Inkrafttretens der StAbwV einzubehalten, die das betreffende nicht kooperative Steuerhoheitsgebiet erstmalig nennt.

10Wird ein zunächst in der StAbwV aufgeführtes nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet nicht länger in dieser genannt, werden die Abwehrmaßnahmen in Bezug auf dieses Steuerhoheitsgebiet bereits ab dem 1. Januar dieses Kalenderjahres nicht mehr angewendet (§ 3 Absatz 3 StAbwG, begünstigende Rückwirkung).

b) Anwendung des § 8 StAbwG

11Die Abwehrmaßnahme des § 8 StAbwG (Versagung des Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzugs) findet gemäß § 3 Absatz 2 Satz 2 i. V. m. Absatz 1 Satz 2 StAbwG mit Bezug auf ein Steuerhoheitsgebiet erstmals ab dem Beginn des vierten Jahres nach Inkrafttreten derjenigen Fassung der StAbwV Anwendung, die das nicht kooperative Steuerhoheitsgebiet erstmalig (wieder) aufführt. In Bezug auf die StAbwV vom (BGBl 2021 I S. 5236) ist dies der . Dabei muss das betreffende nicht kooperative Steuerhoheitsgebiet bis zu diesem Zeitpunkt durchgängig in der StAbwV genannt werden.

c) Anwendung des § 11 StAbwG

12Die Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen nach § 11 StAbwG finden gemäß § 3 Absatz 2 Satz 2 i. V. m. Absatz 1 Satz 2 StAbwG mit Bezug auf ein bestimmtes Steuerhoheitsgebiet erstmals ab dem Beginn des dritten Jahres nach Inkrafttreten derjenigen Fassung der StAbwV Anwendung, die das nicht kooperative Steuerhoheitsgebiet erstmalig (wieder) aufführt. In Bezug auf die StAbwV vom (BGBl 2021 I S. 5236) ist dies der . Dabei muss das betreffende nicht kooperative Steuerhoheitsgebiet bis zu diesem Zeitpunkt durchgängig in der StAbwV genannt werden.

IV. Betroffene Geschäftsvorgänge, § 7 StAbwG

13Die in Abschnitt 3 des StAbwG vorgesehenen Abwehrmaßnahmen knüpfen gemäß § 7 Satz 1 StAbwG an Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet (Geschäftsvorgänge) an. Ob ein solcher Geschäftsvorgang vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Voraussetzungen der §§ 8 bis 12 StAbwG zu bestimmen. Erfasst werden alle Geschäftsvorgänge, die einen Berührungspunkt zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet aufweisen. Umfasst sind insbesondere Zahlungen, die aus nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten heraus- (Outbound) oder hineinfließen (Inbound), vgl. BT-Drs. 19/28901 S. 25.

14Der Begriff Geschäftsbeziehung entspricht grundsätzlich dem des § 1 Absatz 4 AStG (BT-Drs. 19/28901 S. 25), d. h., es muss sich um einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge handeln, die Teil einer Tätigkeit sind, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind. Im Kontext des StAbwG kommt es dabei ausschließlich auf die Tätigkeit des Steuerpflichtigen i. S. d. § 7 StAbwG an, der wirtschaftliche Vorgänge zum nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet unterhält; auf eine etwaige Tätigkeit der übrigen an den wirtschaftlichen Vorgängen Beteiligten kommt es nicht an. Nicht von Bedeutung ist insoweit, ob die Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen bestehen und ob es sich um schuldrechtliche oder gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen handelt.

15Eine Geschäftsbeziehung in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet wird insbesondere dann unterhalten, wenn einer der an der Geschäftsbeziehung Beteiligten in diesem Steuerhoheitsgebiet ansässig ist. So ist beispielsweise bei Versicherungsverhältnissen auf die Ansässigkeit der Vertragsparteien (Versicherungsgeber und Versicherungsnehmer) und nicht auf die Risikobelegenheit abzustellen. Treten Kreditinstitute als Zahlungsabwickler bzw. Dienstleister auf (z. B. Ausführung einer Überweisung in ein nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet oder Erwerb eines Wertpapiers aus einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet), liegen regelmäßig für das Kreditinstitut als Zahlungsabwickler keine Geschäftsvorgänge in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet vor, wenn der Vertragspartner (Kunde) außerhalb eines nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiets ansässig ist.

Beispiel 1:

Das inländische Unternehmen A erwirbt eine Maschine von der in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Gesellschaft X. Zur Finanzierung der Maschine nimmt A ein Darlehen von einem inländischen Kreditinstitut auf.

Der Erwerb der Maschine stellt eine Geschäftsbeziehung i. S. v. § 7 StAbwG dar. Das Darlehen zur Finanzierung der Maschine hat dagegen keinen ausreichenden Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet und ist daher keine Geschäftsbeziehung, die von § 7 StAbwG erfasst wird.

16Erfasst sind nach § 7 Satz 2 StAbwG auch anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen i. S. d. § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 AStG sowie Vorgänge, die auf einer gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung beruhen.

17Ein Steuerpflichtiger i. S. d. § 7 StAbwG kann auch eine rechtsfähige Personenvereinigung nach § 14a Absatz 2 AO sein (vgl. Rn. 5). Danach kann insbesondere eine rechtsfähige Personengesellschaft Geschäftsvorgänge in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet unterhalten. Entsprechende Geschäftsvorgänge können auch über Betriebsstätten unterhalten werden.

Beispiel 2:

Die in einem ausländischen kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen natürlichen Personen A und B sind Mitunternehmer einer inländischen Personengesellschaft. Im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit bezieht die Personengesellschaft Waren von einer Körperschaft, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist.

Es liegt eine Geschäftsbeziehung in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet i. S. v. § 7 StAbwG vor. Die Personengesellschaft ist als Vergütungsschuldnerin (Rn. 40 des BStBl 2010 I S. 1350) nach Maßgabe des § 10 Absatz 1 Nummer 4 StAbwG zum Einbehalt und zur Abführung der Quellensteuer verpflichtet.

Beispiel 3:

Eine ausländische Personengesellschaft unterhält eine Betriebsstätte in Deutschland. Die Mitunternehmer der ausländischen Personengesellschaft sind nicht im Inland ansässig. Es werden Waren für die in Deutschland belegene Betriebsstätte aus einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet bezogen.

Es liegt eine Geschäftsbeziehung in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet i. S. v. § 7 StAbwG vor. Die ausländische Personengesellschaft ist als Vergütungsschuldnerin (Rn. 40 des a. a. O.) nach Maßgabe des § 10 Absatz 1 Nummer 4 StAbwG zum Einbehalt und zur Abführung der Quellensteuer verpflichtet.

Beispiel 4:

A ist Mitunternehmer einer inländischen Personengesellschaft. Er erwirbt Wirtschaftsgüter aus einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet, die seinem Sonderbetriebsvermögen zuzurechnen sind.

Es liegt eine Geschäftsbeziehung in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet i. S. v. § 7 StAbwG vor. A ist als Vergütungsschuldner nach Maßgabe des § 10 Absatz 1 Nummer 4 StAbwG zum Einbehalt und zur Abführung der Quellensteuer verpflichtet.

Beispiel 5:

Die inländische A GmbH unterhält eine Betriebsstätte in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet. Für diese Betriebsstätte werden Waren in dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet bezogen.

Es liegt eine Geschäftsbeziehung in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet i. S. v. § 7 StAbwG vor. Ein etwaig bestehendes Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) mit dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet schließt die Anwendung der Abwehrregelungen des StAbwG nicht aus und berührt keine deutschen Besteuerungsrechte (§ 1 Absatz 3 StAbwG, vgl. Rn. 95 ff.). Die A GmbH ist als Vergütungsschuldnerin nach Maßgabe des § 10 Absatz 1 Nummer 4 StAbwG zum Einbehalt und zur Abführung der Quellensteuer verpflichtet.

Beispiel 6:

Die im Inland ansässige A GmbH erhält ein Darlehen von einer in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Personengesellschaft, die sowohl im Inland als auch im betreffenden Steuerhoheitsgebiet als steuerlich transparent behandelt wird. Einer der beiden zu gleichen Teilen an der Personengesellschaft beteiligten ausländischen Gesellschafter ist in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig.

Die A GmbH unterhält in Gestalt des Darlehensvertrags mit der Personengesellschaft eine Geschäftsbeziehung in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet. Soweit die Zinszahlungen auf den in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Gesellschafter der Personengesellschaft entfallen (= zu einem Anteil von 50 %), führen diese nach Maßgabe des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StAbwG zu beschränkt steuerpflichtigen Einkünften des Gesellschafters; insoweit ist die A GmbH als Vergütungsschuldnerin zum Steuerabzug verpflichtet. Soweit die Zinszahlungen auf den anderen Gesellschafter entfallen (= zu einem Anteil von 50 %), begründen diese keine beschränkte Steuerpflicht nach § 10 StAbwG. Insoweit greift jedoch bei der A GmbH ein Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 8 StAbwG.

18Allein die Ansässigkeit der Teilhaber einer rechtsfähigen Personenvereinigung nach § 14a Absatz 2 AO oder eines strukturell vergleichbaren Rechtsträgers nach ausländischem Recht in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet führt nicht dazu, dass ein Geschäftsvorgang in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet i. S. d. § 7 StAbwG vorliegt.

Beispiel 7:

Die im Inland ansässige A GmbH erhält ein Darlehen von einer niederländischen Personengesellschaft, die sowohl im Inland als auch in den Niederlanden als steuerlich transparent behandelt wird. Die A GmbH leistet Zinszahlungen. Einer der beiden zu gleichen Teilen an der Personengesellschaft beteiligten ausländischen Gesellschafter ist in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig.

Die A GmbH unterhält keine Geschäftsbeziehung in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet, da die niederländische Personengesellschaft als Vertragspartnerin der Steuerpflichtigen nicht in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist. Auf die Ansässigkeit der Gesellschafter kommt es nicht an. Für die A GmbH besteht weder die Verpflichtung zum Quellensteuereinbehalt nach § 10 StAbwG noch unterliegen die Zinszahlungen dem Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 8 StAbwG.

19Öffentlich-rechtliche Leistungspflichten sowie mit diesen in einem engen sachlichen Zusammenhang stehende, obligatorische und nicht abdingbare Nutzungs- und Dienstleistungsbeziehungen begründen keine Geschäftsbeziehungen i. S. d. § 7 StAbwG.

Beispiel 8:

In dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet P befindet sich ein Schifffahrtskanal. Für die Nutzung des Kanals wird von der Kanalbehörde ein Nutzungsentgelt für das Durchfahren des Kanals oder eine Gebühr für die Ausstellung einer Durchfahrtsgenehmigung in Höhe von 100.000 US-Dollar erhoben. Die Durchfahrt ist nur mit der Unterstützung beim Manövrieren durch Schlepper zulässig, wofür ein Entgelt von 10.000 US-Dollar anfällt. Ein Schiff der in Deutschland ansässigen Reederei A durchfährt den Kanal und entrichtet die Gebühr an die Kanalbehörde sowie das Entgelt an das Schlepperunternehmen.

Es liegen keine Geschäftsbeziehungen i. S. d. § 7 StAbwG vor.

20Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet sind gegeben, wenn die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i. S. d. §§ 1, 3 KStG, an der eine Beteiligung besteht, in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist. Dies gilt auch dann, wenn die Beteiligung über einen vermittelnden in- oder ausländischen Rechtsträger besteht (mittelbare Beteiligung).

V. Abwehrmaßnahmen

1. Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs, § 8 StAbwG

21Nach § 8 Satz 1 StAbwG dürfen Aufwendungen aus Geschäftsvorgängen i. S. d. § 7 StAbwG die Einkünfte nicht mindern. Auf einen mittelbaren oder unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Erträgen aus Geschäftsvorgängen i. S. d. § 7 StAbwG kommt es nicht an. Von § 8 Satz 1 StAbwG werden Aufwendungen i. S. v. § 4 Absatz 4 EStG bzw. § 9 Absatz 1 EStG erfasst. Zu diesen Aufwendungen gehören auch Absetzungen für Abnutzung, Teilwertabschreibungen und Buchwertabgänge von Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens. Es wird nicht beanstandet, wenn Teilwertzuschreibungen bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns spiegelbildlich durch außerbilanzielle Abrechnung außer Ansatz bleiben, soweit vorangegangene Teilwertabschreibungen dem Abzugsverbot nach § 8 StAbwG unterlegen haben. Zum Verhältnis des § 8 StAbwG zu anderen Abzugsbeschränkungen vgl. Rn. 99.

Beispiel 9:

Die in Deutschland ansässige A GmbH gewährt einer Person, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist, im Jahr 01 ein Darlehen. Der Nennwert des Darlehens beträgt 100.000 €. Im Jahr 02 sind die Voraussetzungen für den Ansatz eines niedrigeren Teilwerts der Darlehensforderung bei der A GmbH gegeben (Teilwert 80.000 €). Im Jahr 04 beträgt der Teilwert der Darlehensforderung unstreitig 50.000 €. Im Jahr 05 liegt keine dauernde Wertminderung mehr vor. Das nicht kooperative Steuerhoheitsgebiet wird im Jahr 00 erstmals in der StAbwV aufgeführt (Inkrafttreten im Jahr 00).

Die Darlehenshingabe stellt eine Geschäftsbeziehung in Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet dar. Die Teilwertabschreibung im Jahr 02 unterliegt wegen § 3 Absatz 2 StAbwG (vgl. Rn. 11) nicht dem Abzugsverbot des § 8 StAbwG. Die Teilwertabschreibung im Jahr 04 (30.000 €) ist hingegen nach § 8 StAbwG außerbilanziell hinzuzurechnen. Es wird nicht beanstandet, wenn der Ertrag aus der Teilwertzuschreibung im Jahr 05 korrespondierend in Höhe von 30.000 € durch eine außerbilanzielle Kürzung neutralisiert wird.

22Bei Aufwendungen, die aus der Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern (insbesondere Absetzungen für Abnutzung) resultieren, ist für die Frage, ob diese dem Abzugsverbot nach § 8 StAbwG unterfallen, auf den Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts abzustellen. War das betreffende Steuerhoheitsgebiet zu diesem Zeitpunkt nicht als nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet in der Verordnung nach § 3 StAbwG aufgeführt, unterfallen auch Aufwendungen in Zeiträumen nach der Aufnahme des Steuerhoheitsgebiets in die Verordnung nicht dem Abzugsverbot nach § 8 StAbwG.

23Bei Schuldverhältnissen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und während deren Laufzeit fortwährend Leistungspflichten bestehen oder entstehen (insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen), erstreckt sich der Geschäftsvorgang i. S. d. § 7 StAbwG auf die gesamte Dauer des Schuldverhältnisses. Deshalb kommt es für die Anwendung des § 8 StAbwG nicht auf den Zeitpunkt der Begründung des Schuldverhältnisses, sondern auf den Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung der Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten an.

24§ 8 Satz 1 StAbwG greift nicht, soweit die den Aufwendungen entsprechenden Erträge der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes oder des StAbwG unterliegen (§ 8 Satz 2 Nummer 1 StAbwG). In Bezug auf Aufwendungen durch Absetzungen für Abnutzung oder Teilwertabschreibungen scheidet eine Anwendung von § 8 StAbwG aus, soweit die den Aufwendungen aus der Anschaffung entsprechenden Erträge unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind, z. B. nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StAbwG.

25Bei anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen i. S. d. § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 AStG zwischen dem inländischen Unternehmen und seiner in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet belegenen Betriebsstätte unterliegen die Aufwendungen des Unternehmens nicht dem Abzugsverbot nach § 8 Satz 2 Nummer 1 StAbwG, wenn die korrespondierenden Erträge der unbeschränkten Steuerpflicht nach den Vorschriften des Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetzes unterliegen (bei sog. Anrechnungsbetriebsstätten oder bei Ausschluss der Freistellung wegen § 1 Absatz 3 Satz 2 StAbwG).

26Für Arbeitslohn von Beschäftigten, die in einer Betriebsstätte in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet eingesetzt werden, kommt § 8 StAbwG nicht zur Anwendung, soweit der Arbeitslohn gemäß Auslandstätigkeitserlass ( BStBl 2022 I S. 997) von der Besteuerung ausgenommen ist. Die diesen Aufwendungen entsprechenden Erträge sind grundsätzlich steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Bei diesen wird lediglich nach einer auf Grundlage des § 34c Absatz 5 EStG ergangenen Verwaltungsanweisung von der Besteuerung abgesehen.

27Die Regelungen des § 8 StAbwG sind auch im Rahmen der Veranlagung eines Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds zu berücksichtigen. Außerdem sind diese Regelungen bei der Ermittlung der Einkünfte von Anlegern eines Spezial-Investmentfonds beim Abzug von Direktkosten i. S. d. § 39 InvStG und beim Abzug von Allgemeinkosten i. S. d. § 40 InvStG anzuwenden. Nicht abziehbare Allgemeinkosten liegen beispielsweise vor, wenn ein Investmentfonds eine Performance Fee gegenüber einem Portfoliomanager erbringt, der in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist. Dagegen ist eine Performance Fee in vollem Umfang abziehbar, die gegenüber einem Portfoliomanager geleistet wird, der im Inland oder einem kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist, auch wenn der Investmentfonds Vermögensgegenstände hält, die Teil eines Geschäftsvorgangs i. S. d. § 7 StAbwG sind.

28Der Ausnahmetatbestand des § 8 Satz 2 Nummer 2 StAbwG enthält den Vorrang der Hinzurechnungsbesteuerung. Demnach gilt das Abzugsverbot des § 8 Satz 1 StAbwG nicht, soweit auf Grund der aus den Aufwendungen resultierenden Einnahmen ein Hinzurechnungsbetrag i. S. d. § 10 Absatz 1 Satz 1 AStG anzusetzen ist. Dies betrifft gleichermaßen Fälle der allgemeinen Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 12 AStG), der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung (§ 13 AStG) und der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG).

2. Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung, § 9 StAbwG

29Zur Anwendung der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung siehe Rn. 201 bis 209 des BStBl I Sondernummer 1/2023.

3. Quellensteuermaßnahmen, § 10 StAbwG

a) Allgemeines

30§ 10 StAbwG betrifft natürliche Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind. Eine mögliche Besteuerung durch einen anderen Staat ist unbeachtlich. § 10 Absatz 1 Satz 1 StAbwG erweitert die Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht des § 49 EStG. Unter § 10 Absatz 1 Satz 1 StAbwG fallen:

  • Finanzierungsbeziehungen. Inhaberschuldverschreibungen, die durch eine Globalurkunde verbrieft und im Rahmen der Girosammelverwahrung bei einem Zentralverwahrer verwahrt werden und mit diesen vergleichbare Schuldtitel, die an einer anerkannten Börse i. S. d. § 138 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b Satz 2 AO handelbar sind, gelten nicht als Finanzierungsbeziehungen (Nummer 1),

  • Versicherungs- oder Rückversicherungsprämien (Nummer 2),

  • die Erbringung von Dienstleistungen, soweit sie nicht bereits von den Nummern 1 und 2 erfasst sind. Nutzungsüberlassungen gelten nicht als Erbringung von Dienstleistungen (Nummer 3),

  • der Handel mit Waren oder Dienstleistungen im Sinne der Nummer 3 (Nummer 4),

  • die Vermietung und Verpachtung oder die Veräußerung von Rechten, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind (Nummer 5).

31In entsprechender Anwendung des § 50a Absatz 5 Satz 1 EStG entsteht gemäß § 10 Absatz 2 Satz 1 StAbwG die Steuer in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung dem Gläubiger zufließt. Der Vertragsschluss des zugrundeliegenden Vertrags ist für diesen Zeitpunkt nicht relevant.

32Maßgeblicher Zeitpunkt für die Verwirklichung des Tatbestands des § 10 StAbwG ist der Tag des Zuflusses der Vergütung, die bei dem in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Vergütungsgläubiger zu beschränkt steuerpflichtigen Einkünften nach § 10 Absatz 1 Satz 1 StAbwG führt (§ 10 Absatz 2 Satz 1 StAbwG i. V. m. § 50a Absatz 5 Satz 1 EStG). Auch bei sog. Sperrkonten ist der Zeitpunkt der Gutschrift maßgebend. Kann der Zeitpunkt des Zuflusses der Vergütung beim Vergütungsgläubiger durch den inländischen Vergütungsschuldner nicht bestimmt werden, ist hilfsweise auf den Zeitpunkt des Abflusses der Vergütung beim Vergütungsschuldner abzustellen.

33Ist ein Steuerhoheitsgebiet nicht kooperativ i. S. d. StAbwG und liegen die Voraussetzungen des § 10 StAbwG vor, ist der Vergütungsschuldner verpflichtet, die Steuer beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) anzumelden und an das BZSt abzuführen, § 50a Absatz 5 EStG i. V. m. § 73e EStDV. Wird ein Steuerhoheitsgebiet im Laufe eines Jahres rückwirkend zum 1. Januar als kooperativ angesehen (§ 3 Absatz 3 StAbwG), können Vergütungsschuldner und/oder Vergütungsgläubiger beim BZSt die Änderung der Steueranmeldung (§ 168 AO) nach § 164 Absatz 2 Satz 2 AO beantragen. Es wird nicht beanstandet, wenn bereits vor der regelmäßig zum Ende eines Kalenderjahres erfolgenden Aktualisierung des § 2 StAbwV keine Quellensteuern nach § 10 StAbwG bei Geschäftsvorgängen in oder mit Bezug zu nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten einbehalten und abgeführt werden, die nicht mehr in der Anlage I der Schlussfolgerungen des Rates zur überarbeiteten EU-Liste der nicht kooperativen Länder und Gebiete für Steuerzwecke genannt sind.

34Die Steuerpflicht nach § 10 StAbwG ist gegenüber der Steuerpflicht nach § 1 Absatz 4 i. V. m. §§ 49 ff. EStG subsidiär. Entsprechend kommt § 10 StAbwG nicht zur Anwendung, soweit bereits Einkünfte nach § 49 EStG vorliegen. Die inländischen Einkünfte nach § 49 EStG unterliegen nicht dem Steuerabzug nach § 10 Absatz 2 StAbwG. Der Steuerabzug soll aber von den Finanzämtern immer dann nach § 50a Absatz 7 EStG angeordnet werden, wenn die Steuerpflicht nach § 10 StAbwG nur wegen der Subsidiarität des § 10 StAbwG gegenüber § 49 EStG entfällt. In diesem Fall kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Anordnung der Sicherung des deutschen Besteuerungsaufkommens dient. Sofern mit dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ein DBA besteht, sind die Ausführungen der Rn. 95 ff. zu beachten.

Beispiel 10:

Das inländische Unternehmen A nimmt bei der in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Gesellschaft X ein Darlehen auf. Zur Absicherung dieses Kredits wird ein Grundpfandrecht an einer in Deutschland belegenen Immobilie bestellt. A zahlt im Rahmen des Darlehensvertrags Zinsen an die X. Wegen der Besicherung des Darlehens durch inländisches Grundvermögen besteht eine beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Absatz 1 Nummer 5 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa EStG. § 10 StAbwG findet daher aufgrund der Subsidiaritätsanordnung keine Anwendung. Ein Steuerabzug erfolgt nicht aufgrund dieser Vorschrift, ist aber vom örtlich zuständigen Finanzamt in der Regel nach § 50a Absatz 7 EStG anzuordnen, soweit Zinsen in ein nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet gezahlt werden und diese schon nach § 49 EStG steuerpflichtig sind.

35Einkünfte nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 StAbwG unterliegen nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 10 Absatz 1 Satz 2 StAbwG der beschränkten Steuerpflicht (zu Einzelheiten vgl. Rn. 61 ff.). Bei Einkünften i. S. d. § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 StAbwG greift die beschränkte Steuerpflicht allein beim Vorliegen von Einkünften aus der Vermietung und Verpachtung oder der Veräußerung von Rechten, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind, die einem Vergütungsgläubiger zufließen, der in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist. Weitere Voraussetzungen bestehen nicht, soweit nach allgemeinen Grundsätzen eine Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt (vgl. BStBl 2020 I S. 1060).

36Soweit die Voraussetzungen des § 10 Absatz 1 StAbwG vorliegen, werden die betreffenden Einkünfte einem Steuerabzug in entsprechender Anwendung des Steuerabzugsverfahrens des § 50a EStG unterworfen (§ 10 Absatz 2 Satz 1 StAbwG, zu Einzelheiten vgl. Rn. 64 ff.). Der Steuersatz beträgt einheitlich 15 % (§ 10 Absatz 2 Satz 2 StAbwG) zuzüglich Solidaritätszuschlag (§ 3 Absatz 1 Nummer 6 i. V. m. § 4 Satz 1 Solidaritätszuschlaggesetz 1995).

b) Einzelne Tatbestände, § 10 Absatz 1 Satz 1 StAbwG

37Der Katalog des § 10 Absatz 1 Satz 1 StAbwG ist abschließend. Soweit Einkünfte nicht den hier aufgezählten Einkünften zugerechnet werden können, besteht keine beschränkte Steuerpflicht nach dem StAbwG und auch keine Verpflichtung zur Einbehaltung einer Abzugsteuer nach § 10 Absatz 2 StAbwG i. V. m. § 50a EStG.

aa) Finanzierungsbeziehungen

38Nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StAbwG unterliegen sämtliche Einkünfte aus Finanzierungsbeziehungen, die einer in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Person zufließen, der beschränkten Steuerpflicht und führen zu einem Quellensteuerabzug nach § 10 Absatz 2 StAbwG.

aaa) Allgemeines

39Unter den Begriff der Finanzierungsbeziehungen fallen alle Geschäftsvorgänge, bei denen Kapital überlassen wird, welches der Finanzierung des Kapitalnehmers dient. Hierunter fallen insbesondere Darlehensverhältnisse und das Finanzierungsleasing. Beim Finanzierungsleasing unterliegen auf eine etwaige Nutzungsüberlassung entfallende Vergütungen nicht der beschränkten Steuerpflicht nach § 10 StAbwG. In Fällen des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an dem Leasinggegenstand auf den Leasingnehmer unterliegen der beschränkten Steuerpflicht des § 10 StAbwG hingegen diejenigen Vergütungsbestandteile, die auf Zinsen und Entgelte für Serviceleistungen oder Versicherungsprämien entfallen. Das Einlagengeschäft i. S. d. § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Kreditwesengesetzes (KWG) im üblichen Umfang stellt keine Finanzierungsbeziehung dar. Auch fallen solche Kapitalüberlassungen nicht unter den Begriff der Finanzierungsbeziehung, die von § 11 StAbwG umfasst sind. Hierbei handelt es sich um Beziehungen, die beim Empfänger der Zahlungen zu Bezügen i. S. d. § 20 Absatz 1 Nummer 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG führen. Darunter fallen insbesondere gesellschaftsrechtliche Beteiligungen am Eigenkapital einer Gesellschaft. Beteiligungen an (Spezial-)Investmentfonds sind in der Regel keine Finanzierungsbeziehungen i. S. d. § 10 StAbwG.

Beispiel 11:

Die in Deutschland ansässige B AG nimmt bei ihrer in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Muttergesellschaft A Limited ein fremdvergleichskonformes, nicht mit inländischem Grundbesitz besichertes Darlehen in Höhe von 1 Mio. € auf. Der Zinssatz beträgt 3 % p. a. Im Jahr 01 zahlt die B AG vertragsgemäß 30.000 € an die A Limited.

Zwischen der B AG und ihrer Muttergesellschaft A Limited liegt eine Finanzierungsbeziehung in Form eines Darlehens vor. Die A Limited erzielt hieraus Einkünfte, die von § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StAbwG erfasst werden und dem Quellensteuerabzug unterliegen. Dies gilt unabhängig davon, ob Regelungen des AStG Anwendung finden.

Abwandlung:
Wie Beispiel 11, es wird aber ein nicht fremdvergleichskonformer Zinssatz von 8 % vereinbart. Der fremdvergleichskonforme Zinssatz beträgt 3 % p. a. Im Jahr 01 zahlt die B AG vertragsgemäß 80.000 € an die A Limited.

Auch hier liegt zwischen der B AG und ihrer Muttergesellschaft A Limited eine Finanzierungsbeziehung in Form eines Darlehens vor. Die nicht fremdvergleichskonformen Zinsen stellen eine verdeckte Gewinnausschüttung der B AG an ihre Muttergesellschaft dar. Damit unterliegt die Zahlung in Höhe von 50.000 € der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Absatz 1 Nummer 5 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa i. V. m. § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 EStG.

Die übrigen 30.000 € unterliegen wie im Beispiel 11 der beschränkten Steuerpflicht nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StAbwG.

bbb) Inhaberschuldverschreibungen und vergleichbare Schuldtitel

40Nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 2 StAbwG sind Inhaberschuldverschreibungen vom Anwendungsbereich der Steuerpflicht ausgenommen, wenn diese

Die Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Der Verwahrung bei einem Zentralverwahrer steht es gleich, wenn dieser gemäß § 5 Absatz 4 Depotgesetz (DepotG) die Inhaberschuldverschreibungen einem ausländischen Verwahrer zur Sammelverwahrung anvertraut hat.

41Elektronische Wertpapiere sind nur dann unter diese Regelung zu fassen, wenn sie dem Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) unterfallen und in einer Sammeleintragung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 eWpG vorliegen.

42Inhaberschuldverschreibungen gewähren dem Inhaber der Urkunde einen Anspruch auf das in der Urkunde verbriefte abstrakte Schuldversprechen (vgl. § 793 Absatz 1 Satz 1 BGB).

43Eine Globalurkunde ist ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, die jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein können (§ 9a Absatz 1 Satz 1 DepotG).

44Zentralverwahrer ist nach Artikel 2 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nummer 909/2014 eine juristische Person, die ein Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem betreibt und die wenigstens eine weitere Kerndienstleistung (erstmalige Verbuchung von Wertpapieren im Effektengiro, Bereitstellung und Führung von Depotkonten auf oberster Ebene) erbringt. Zentralverwahrer bedürfen, da es sich bei der Tätigkeit als Zentralverwahrer nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 KWG um ein Bankgeschäft handelt, grundsätzlich der Erlaubnis nach § 32 Absatz 1 KWG, die jedoch von der Zulassung nach Artikel 16 der Verordnung (EU) Nummer 909/2014 umfasst ist.

45Inhaberschuldverschreibungen müssen nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 2 StAbwG auch an einer anerkannten Börse i. S. d. § 138 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b Satz 2 AO handelbar sein. Zugelassene Börsen i. S. d. § 138 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b Satz 2 AO sind Börsen in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens oder Börsen, die in einem anderen Staat nach § 193 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugelassen sind. § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 2 StAbwG setzt keinen regelmäßigen Handel, sondern nur die Handelbarkeit an diesen Börsen voraus. Für die Handelbarkeit genügt es, dass die Zulassungsvoraussetzungen zum Börsenhandel an einer der oben genannten Börsen für die konkrete Inhaberschuldverschreibung vorliegen und diese damit gehandelt werden können. Einer Zulassung bedarf es nicht. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen liegt beim Vergütungsschuldner bzw. beim Vergütungsgläubiger (§ 90 Absatz 2 AO).

46§ 10 StAbwG findet auf Staatsanleihen keine Anwendung.

47Die Ausnahme des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 2 StAbwG umfasst auch vergleichbare Schuldtitel. Die Vergleichbarkeit bezieht sich dabei auf die Inhaberschuldverschreibung, die in den gesetzlichen Vorgaben entsprechender Weise verbrieft und verwahrt ist. Namensschuldverschreibungen sind mit Inhaberschuldverschreibungen vergleichbar, wenn sie auf den Namen eines Kreditinstituts ausgestellt sind, da auch hier die Anonymität des Inhabers gegeben ist (vgl. Gründe für Ausnahme in: BT-Drs. 20/3879, S. 131). Vergleichbare Schuldtitel i. S. d. § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 2 StAbwG umfassen insbesondere auch nach ausländischem Recht begründete Wertpapiere, die der Inhaberschuldverschreibung i. S. d. § 793 BGB vergleichbar sind. Die Vergleichbarkeitsprüfung ist im Einzelfall durchzuführen und hat insbesondere die Fungibilität und die Anonymität des Inhabers des Schuldtitels zu berücksichtigen. Vergleichbare Schuldtitel müssen wie Inhaberschuldverschreibungen an einer Börse handelbar sein. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Vergleichbarkeit liegt in diesen Fällen beim Vergütungsschuldner und/oder beim Vergütungsgläubiger (§ 90 Absatz 2 AO).

bb) Versicherungs- und Rückversicherungsprämien, § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StAbwG

48Einkünfte aus Versicherungs- oder Rückversicherungsprämien, die einer in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Person zufließen, unterliegen der beschränkten Steuerpflicht (§ 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StAbwG). Der Begriff der Versicherungs- und Rückversicherungsprämien ist qualitativ zu beurteilen; auf die Bezeichnung kommt es nicht an. Darunter fallen insbesondere sämtliche Gegenleistungen eines (Rück-)Versicherungsnehmers für den in einem (Rück-)Versicherungsvertrag vom (Rück-)Versicherer gewährten (Rück-)Versicherungsschutz (vgl. § 1 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes). Erfasst sind nicht nur die eigentlichen Prämien, sondern auch die üblichen mit dem Versicherungsverhältnis zusammenhängenden und vom Versicherten zu tragenden Nebenleistungen.

49Zahlungen für den Eintritt des Versicherungsfalls (Versicherungsleistungen) unterliegen nicht der beschränkten Steuerpflicht des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StAbwG. Die Rückzahlung einer Versicherungsprämie, Rückversicherungsprovisionen sowie alle sonstigen vom Rückversicherer im Rahmen der Rückversicherungsabrechnung erstatteten Kosten (beispielsweise Akquisitionskosten oder interne Verwaltungskosten) an eine in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässige Person führen nicht zu einer Steuerpflicht nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StAbwG.

50Die Rückerstattung einer aufgrund § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StAbwG steuerpflichtigen Versicherungsprämie vom Versicherer an den Versicherungsnehmer kann nur dann zu einer Reduktion der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte für die Prämienzahlung an den in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Gläubiger der Prämie führen, wenn die Rückerstattung zu einer Verminderung der anfänglichen Prämienzahlung führt und damit in der Höhe der Rückerstattung keine beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte mehr vorliegen. Insbesondere sind hiervon solche Beitragsrückerstattungen erfasst, die wegen des Nichteintritts eines Schadens geleistet werden. Soweit ein solcher Fall vorliegt, ist die zunächst erfolgte Steueranmeldung (§ 10 Absatz 2 StAbwG) nach § 164 AO zu korrigieren.

51Bonuszahlungen des Versicherers führen regelmäßig nicht zu einer (nachträglichen) Reduktion der beschränkt steuerpflichtigen Prämie nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StAbwG, sondern stellen eine selbstständige Leistung des Versicherers dar.

cc) Dienstleistungen, § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StAbwG

52Einkünfte, die aus der Erbringung einer Dienstleistung entstehen, unterliegen der beschränkten Steuerpflicht, wenn derjenige, dem die Einkünfte zuzurechnen sind, in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist (§ 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StAbwG). Der Dienstleistungsbegriff umfasst dabei sämtliche Dienstleistungen aller Branchen und Wirtschaftszweige. Eine Beschränkung auf Rechts- und Beratungsdienstleistungen oder Onlinewerbung ist nicht gegeben. Dabei ist wesentliches Element einer Dienstleistung, dass sie keine Warenproduktion darstellt. Ein typisches Merkmal von Dienstleistungen ist weiter die Gleichzeitigkeit von Produktion und Verbrauch. Zudem stellt eine Tätigkeit des Leistungserbringers regelmäßig den wesentlichen Inhalt der Erbringung einer Dienstleistung dar.

53Bloße Nutzungsüberlassungen sind nicht vom Dienstleistungsbegriff erfasst (§ 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Satz 2 StAbwG). Nutzungsüberlassungen sind dabei die Vermietung und Verpachtung im privaten und gewerblichen Bereich. Hierunter fallen insbesondere die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, Gebäuden, Gebäudeteilen (wie einzelne Räume), aber auch die Nutzungsüberlassung von Gegenständen, die nicht den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen. Auch die Nutzungsüberlassung von Rechten führt für sich genommen nicht zu einer beschränkten Steuerpflicht. Diese entsteht nur unter den Voraussetzungen des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 StAbwG (beispielsweise im Fall der Eintragung in ein inländisches öffentliches Register). Die Nutzungsüberlassung von Rechten ist aber von § 49 Absatz 1 Nummer 2 und 6 EStG erfasst und unterliegt unter den Voraussetzungen des § 50a Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 EStG dem Quellensteuerabzug.

54Sind sowohl Nutzungsüberlassungen als auch Dienstleistungen Gegenstand eines gemischten Vertrages, unterliegen regelmäßig nur die Leistungen der beschränkten Steuerpflicht, die als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen geleistet werden. Bei einheitlichen Zahlungen ist ggf. im Schätzwege aufzuteilen. Soweit die Nutzungsüberlassung von insgesamt untergeordneter Bedeutung ist und sich nicht von der Dienstleistungserbringung trennen lässt, unterfällt die gesamte Gegenleistung für die erbrachten Leistungen der beschränkten Steuerpflicht. Soweit die Dienstleistung im Verhältnis zur Nutzungsüberlassung von insgesamt untergeordneter Bedeutung ist und sich nicht von der Nutzungsüberlassung trennen lässt, unterfällt die gesamte Gegenleistung für die erbrachten Leistungen nicht der beschränkten Steuerpflicht. Die Abgrenzung erfolgt nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls.

Beispiel 12:

Der Reiseveranstalter R kauft bei Anbietern in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet verschiedene touristische Leistungen für sein Unternehmen ein, um diese seinen Kunden als Pauschalreisen anzubieten und zahlt hierfür an verschiedene in dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässige Anbieter. Die Leistungen beinhalten sowohl die Unterbringung und Verpflegung der (End-)Kunden als auch verschiedene Leistungen für die Freizeitgestaltung (Gestellung eines Mietwagens, Führungen zu Sehenswürdigkeiten, Transferfahrten u. Ä.).

Frage 1: Unterliegen die Zahlungen an die Anbieter in dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet einer beschränkten Steuerpflicht nach § 10 Absatz 1 StAbwG?

Die von R an die in dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Anbieter entrichteten Zahlungen unterliegen nur insoweit einer beschränkten Steuerpflicht nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StAbwG, als sie auf Dienstleistungen entfallen. Dies ist etwa bei Führungen zu Sehenswürdigkeiten und Transferfahrten der Fall.

Dagegen unterliegen die Nutzungsüberlassungen durch Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Gebäude(-teilen) nicht der beschränkten Steuerpflicht, da sie nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Satz 2 StAbwG keine Dienstleistung darstellen. Gleiches gilt für die Überlassung von Kraftfahrzeugen.

Soweit Gegenstand der Überlassung eine Hotelleistung (ohne Verpflegungsleistungen) ist, kann aus Vereinfachungsgründen in der Regel davon ausgegangen werden, dass die gesamte Vergütung auf die Überlassung der Unterkunft entfällt, es sei denn, es werden Dienstleistungen, die über das allgemein übliche Maß hinausgehen, mitvergütet. Wird neben der Hotelleistung auch eine Verpflegung (etwa Vollpension oder All-inclusive) angeboten, ist diese Verpflegungsleistung nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StAbwG als Dienstleistung steuerpflichtig.

Frage 2: Wie ist die Vergütung zwischen den Dienstleistungen (steuerpflichtig nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StAbwG) und den bloßen Nutzungsüberlassungen (nicht steuerpflichtig) aufzuteilen?

Die Aufteilung bestimmt sich nach dem Einzelfall. Die Aufteilung ist anhand der für die einzelnen Leistungen gezahlten Beträge vorzunehmen. Soweit eine einheitliche Zahlung für ein Leistungsbündel vorliegt, ist anhand von geeigneten Maßstäben aufzuteilen.

Soweit bei einer Hotelleistung neben der Übernachtung und den damit verbundenen Leistungen auch eine Verpflegung als einheitliche Leistung angeboten wird, ist, soweit kein anderer Aufteilungsmaßstab nachgewiesen wird, wie folgt aufzuteilen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Nur Frühstück:
Wegen untergeordneter Bedeutung kann hier aus Vereinfachungsgründen davon ausgegangen werden, dass der Anteil weniger als 10 % beträgt und ein Steuerabzug insgesamt unterbleiben kann.
Halbpension:
Der Anteil der steuerpflichtigen Verpflegungsdienstleistungen beträgt 20 %.
Vollpension:
Der Anteil der steuerpflichtigen Verpflegungsdienstleistungen beträgt 25 %.
All-inclusive:
Der Anteil der steuerpflichtigen Verpflegungsdienstleistungen beträgt 30 %.

55Ist Gegenstand eines Vertrages das Leasing von Gegenständen (etwa von Fahrzeugen wie beispielsweise Kraftfahrzeugen oder Seeschiffen) ist zwischen dem sog. Dry-Lease und dem sog. Wet-Lease zu unterscheiden:

  • Bei einem Dry-Lease wird lediglich der Gegenstand – ohne weitere Leistungen – zur Verfügung gestellt. Hierbei handelt es sich um eine bloße Nutzungsüberlassung, soweit keine weiteren Dienstleistungen Teil des Vertrages sind.

  • Bei einem Wet-Lease werden neben der Nutzungsüberlassung des überlassenen Gegenstands auch weitere Leistungen seitens des Leasinggebers erbracht (etwa Gestellung von Crew, Service-Leistungen, Bereitstellung von Kraftstoff etc.). In diesem Fall ist zwischen der Nutzungsüberlassung und den steuerpflichtigen Dienstleistungen (§ 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StAbwG) und dem steuerpflichtigen Warenhandel (§ 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StAbwG) aufzuteilen. Für die anteilige Vergütung der steuerpflichtigen Dienstleistungen und des steuerpflichtigen Warenhandels ist ein entsprechender Steuerabzug nach § 10 Absatz 2 StAbwG i. V. m. § 50a EStG vorzunehmen.

Diese Grundsätze gelten auch für Vermietungen eines für die Beförderung von Passagieren oder Fracht im internationalen Seeverkehr eingesetzten, vollständig ausgerüsteten und bemannten Seeschiffs im Rahmen eines Zeitchartervertrags und Vermietungen eines für die Beförderung von Passagieren oder Fracht im internationalen Seeverkehr eingesetzten Seeschiffs an eine andere Geschäftseinheit (Bareboat-Charter). Bei einer Bareboat-Charter liegt lediglich eine Nutzungsüberlassung vor; bei der Überlassung eines vollständig ausgerüsteten und bemannten Seeschiffs im Rahmen eines Zeitchartervertrags ist wie beim Wet-Lease eine Aufteilung in einen steuerpflichtigen (steuerpflichtige Dienstleistungen und ggf. Warenhandel) und einen steuerfreien (Überlassung des Schiffes) Anteil vorzunehmen.

56Der Handel mit Waren oder Dienstleistungen stellt selbst keine Dienstleistung dar, ist aber von § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StAbwG erfasst.

dd) Handel mit Waren oder Dienstleistungen, § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StAbwG

57Nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StAbwG unterliegen Einkünfte, die eine in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässige Person aus dem Handel mit Waren oder Dienstleistungen erzielt, der beschränkten Steuerpflicht.

58Warenhandel i. S. d. § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StAbwG ist grundsätzlich auf den Ein-und Verkauf von im Wesentlichen unveränderten Waren beschränkt. Auch mit Daten kann Handel getrieben werden, soweit sie an- und verkauft werden. Bei einer Produktionstätigkeit, Rohstoffgewinnung oder vergleichbaren Tätigkeit (des Händlers) liegt regelmäßig kein Warenhandel i. S. d. § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StAbwG vor. Ein Ausnahmefall kann gegeben sein, wenn die Produktionstätigkeit oder Rohstoffgewinnung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nur eine untergeordnete Bedeutung darstellen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer untergeordneten Bedeutung liegt in diesen Fällen beim Vergütungsschuldner und/oder beim Vergütungsgläubiger. Der Handel mit Grundstücken und Häusern (Immobilienhandel) und der Handel mit Rechten und Dienstleistungen ist nicht vom Begriff Warenhandel umfasst.

Beispiel 13:

Das in dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet X ansässige Unternehmen A erwirbt von verschiedenen Zulieferern Waren in großen Stückzahlen als Palettenware. A konfektioniert die Waren und vertreibt diese in kleineren Gebindegrößen in einer spezifischen Verpackung im Corporate Design des Unternehmens. Das in Deutschland ansässige Unternehmen B erwirbt von A verschiedene Waren im Wert von 100.000 € und verwendet diese für seinen Betrieb.

Das Unternehmen A erzielt in vollem Umfang Einkünfte aus Warenhandel, die § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StAbwG unterliegen. Die Neukonfektionierung der Waren stellt keine eigenständige Tätigkeit dar, da diese nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nur eine untergeordnete Bedeutung darstellt.

Beispiel 14:

Das in dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet X ansässige Unternehmen A baut in dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet X einen zur Herstellung von Straßenbelägen verwendeten Rohstoff ab. Dieser wird an das in Deutschland ansässige Unternehmen B verkauft und geliefert, welches ihn betrieblich verwendet.

Das Unternehmen A erzielt keine Einkünfte aus Warenhandel. Der bloße Verkauf von selbst gewonnenen Rohstoffen stellt keinen Warenhandel i. S. d. § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StAbwG dar.

59Der Handel mit Dienstleistungen muss sich auf Dienstleistungen i. S. d. § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StAbwG beziehen (zu Einzelheiten, siehe Rn. 52 ff.). Ein Handel mit Dienstleistungen liegt dann vor, wenn neben dem Erwerb und Verkauf der Dienstleistungen keine eigenen Dienstleistungen (etwa Zusammenstellung mehrerer Dienstleistungen zu einem Dienstleistungsbündel) erfolgen. Auch wenn weitere eigene Dienstleistungen erbracht werden, unterliegt die Tätigkeit vollumfänglich der beschränkten Steuerpflicht und führt zu einer Steuerabzugsverpflichtung (dann schon nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StAbwG).

ee) Registerfälle, § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 StAbwG

60Die a. a. O., und vom , BStBl 2021 I S. 301, sind mit der folgenden Maßgabe auch auf die beschränkte Steuerpflicht nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 StAbwG anzuwenden:

  • Eine Steuerpflicht nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 StAbwG besteht immer dann, wenn der Vergütungsschuldner ein sonstiges Recht von einer in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen nicht nahestehenden Person i. S. d. § 1 Absatz 2 AStG mietet, pachtet oder erwirbt und der einzige inländische Anknüpfungspunkt die Eintragung in ein inländisches öffentliches Buch oder Register ist. In den übrigen Fallkonstellationen mit Inlandsbezug liegen regelmäßig schon inländische Einkünfte nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe f oder Nummer 6 EStG vor. Ein Freistellungsantrag oder der Zugang zum vereinfachten Verfahren nach dem a. a. O., ist in keinem Fall möglich.

  • Im Falle der Veräußerung unterliegt die gesamte Vergütung dem Steuerabzug nach § 10 Absatz 2 StAbwG, soweit keine inländischen Einkünfte nach § 49 EStG vorliegen.

c) Weitere Voraussetzungen, § 10 Absatz 1 Satz 2 StAbwG

61§ 10 Absatz 1 Satz 2 StAbwG setzt voraus, dass die Einkünfte i. S. d. § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 StAbwG nach § 2 Absatz 1 Satz 1 EStG bei unbeschränkt Steuerpflichtigen der Besteuerung unterlägen. Sie müssen damit auch bei Vorliegen einer unbeschränkten Steuerpflicht grundsätzlich steuerbar sein. Damit scheiden insbesondere solche Einkünfte aus, die aufgrund fehlender Einkünfteerzielungsabsicht nicht der Besteuerung unterliegen (Liebhaberei). Dies gilt auch für Einkünfte nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 StAbwG.

62Für die Tatbestände des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 StAbwG ist über das Vorliegen einer der dort genannten Tatbestandsmerkmale hinaus erforderlich, dass die gewährten Vergütungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten von unbeschränkt Steuerpflichtigen bei deren Veranlagung berücksichtigt werden können. Damit scheidet die Anwendung des § 10 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 StAbwG aus, wenn ein anderweitiges Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzugsverbot für die gesamten – den Zahlungen an beschränkt Steuerpflichtige korrespondierenden – Betriebsausgaben oder Werbungskosten greift. Es ist hierbei darauf abzustellen, dass die Betriebsausgaben oder Werbungskosten grundsätzlich im Rahmen einer Veranlagung von unbeschränkt Steuerpflichtigen vollumfänglich zum Abzug gebracht werden können. Dies gilt auch dann, wenn die Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung bei Personengesellschaften berücksichtigt werden können. Dabei ist nicht erforderlich, dass das Jahr des Quellensteuerabzugs deckungsgleich mit dem Jahr des Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzugs ist. Die Wahl der Gewinnermittlungsart (z. B. nach § 4 Absatz 1, § 4 Absatz 3 oder § 5a EStG) ist unbeachtlich. Erforderlich ist nur, dass die Betriebsausgaben bei einer der möglichen und zulässigen Gewinnermittlungsarten berücksichtigt werden können.

Beispiel 15:

Das in dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet X ansässige Unternehmen A erbringt Dienstleistungen i. S. d. § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StAbwG an die inländische Kapitalgesellschaft G, welche ihren Gewinn nach § 5a EStG ermittelt. Aufgrund der pauschalen Gewinnermittlung nach § 5a EStG können die Vergütungen für die Dienstleistungen tatsächlich nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Da die Vergütungen aber abgezogen werden könnten, wenn G ihren Gewinn nach § 4 Absatz 1 EStG ermitteln würde, erzielt das Unternehmen A in vollem Umfang Einkünfte aus der Erbringung von Dienstleistungen, die § 10 StAbwG unterliegen.

63Temporäre Abzugsbeschränkungen, wie z. B. die Zinsschranke nach § 4h EStG, schließen die Anwendung des § 10 StAbwG nicht aus. § 10 StAbwG bleibt bei einem nur anteiligen Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs für die den Vergütungen i. S. d. § 10 Absatz 1 Satz 1 StAbwG korrespondierenden Betriebsausgaben vollumfänglich anwendbar. Eine Aufteilung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil kommt nicht in Betracht.

d) Rechtsfolgen, § 10 Absatz 2 StAbwG
aa) Allgemeines

64Nach § 10 Absatz 2 Satz 1 StAbwG ist § 50a Absatz 1, 2 Satz 1 und 2 und Absatz 3, 4 und 5 EStG für die Vergütungen des § 10 Absatz 1 Satz 1 StAbwG entsprechend anzuwenden. Das a. a. O., ist mit den folgenden Maßgaben anzuwenden:

65Der Abzug von Werbungskosten und Betriebsausgaben richtet sich nach § 10 Absatz 2 Satz 1 StAbwG i. V. m. § 50a Absatz 3 EStG. § 50a Absatz 3 EStG kann nach dem Wortlaut des Verweises dem Grunde nach anwendbar sein. Jedoch müssen hierzu die weiteren Voraussetzungen der Norm vorliegen. Insbesondere muss die Ansässigkeit in einem EU-/EWR-Staat gegeben sein. Damit kann § 50a Absatz 3 EStG nur in Fällen Anwendung finden, in denen eine Doppelansässigkeit vorliegt. Ob darüber hinaus eine Vergleichbarkeit der steuerpflichtigen Einkünfte des § 10 Absatz 1 Satz 1 StAbwG mit denen des § 50a Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4 EStG gegeben ist, ist im Einzelfall zu prüfen. Die Höhe des Steuersatzes richtet sich in diesem Fall nach § 50a Absatz 3 EStG und nicht nach § 10 Absatz 2 Satz 2 StAbwG i. V. m. § 50a Absatz 2 Satz 1 EStG.

bb) Nettovereinbarung

66Nettovereinbarungen sind auch für den Steuerabzug nach § 10 StAbwG grundsätzlich möglich. Eine solche Nettovereinbarung liegt vor, wenn der Schuldner der Vergütung die Abzugsteuer nach § 10 StAbwG i. V. m. § 50a Absatz 1 EStG und den Solidaritätszuschlag übernimmt bzw. selbst trägt. Eine Nettovereinbarung muss in der Regel von den Parteien gewollt sein. Dies ist anhand der objektiv gegebenen Umstände des Einzelfalls festzustellen. Sie kann nicht allein deshalb unterstellt werden, weil der Steuerabzug unterblieben ist. Der Steuersatz für den Steuerabzug beträgt in diesen Fällen 17,82 % zzgl. Solidaritätszuschlag auf den Steuerabzug.

cc) Haftung (Anwendung des § 50a Absatz 5 Satz 5 EStG)

67Nach § 10 Absatz 2 Satz 1 StAbwG i. V. m. § 50a Absatz 5 Satz 5 EStG haftet der Vergütungsschuldner für die Einbehaltung und Abführung der Steuer, wenn er den Steuerabzug nicht vorschriftsmäßig vorgenommen hat. Die im a. a. O., in Rn. 56 bis 58 dargelegten Grundsätze sind anzuwenden.

dd) Nachforderungsbescheid gegenüber dem Vergütungsschuldner

68Das BZSt hat ein Wahlrecht, den Haftungsschuldner durch Haftungsbescheid oder durch Nachforderungsbescheid in Anspruch zu nehmen, wenn dieser seine Anmeldepflicht nicht erfüllt hat (, BStBl II 2001 S. 67; vom – VI R 171/00, BStBl II 2004 S. 1087; vom – I R 29/07, BStBl II 2010 S. 142; vom – I R 85/08, BStBl II 2011 S. 758). Wenn der Haftungsschuldner durch Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen wird, sind keine besonderen Ermessenserwägungen des BZSt erforderlich (, a. a. O.).

ee) Nachforderung gegenüber dem Vergütungsgläubiger, § 10 Absatz 2 Satz 1 StAbwG i. V. m. § 50a Absatz 5 Satz 6 EStG analog

69§ 50a Absatz 5 Satz 6 EStG ist analog anzuwenden (§ 10 Absatz 2 Satz 1 StAbwG). Der Steuerschuldner (Vergütungsgläubiger) kann in Anspruch genommen werden, wenn der Vergütungsschuldner den Steuerabzug nicht vorschriftsmäßig vorgenommen hat. In der Regel ist jedoch die Haftungsinanspruchnahme des nicht in dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Vergütungsschuldners erfolgversprechender, da in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet die Durchsetzung des Anspruchs regelmäßig aussichtslos ist. Diese Erwägung führt in der Regel dazu, dass zunächst der Vergütungsschuldner in Haftung zu nehmen ist (vgl. , BStBl II 1993 S. 407). Etwas anderes kann insbesondere gelten, wenn ein Fall des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 StAbwG vorliegt, da diese Vorschrift auch dann greift, wenn der Vergütungsschuldner nicht im Inland ansässig ist.

ff) Steuerbescheinigung (Anwendung des § 50a Absatz 5 Satz 7 EStG)

70§ 50a Absatz 5 Satz 7 EStG findet mit der Maßgabe Anwendung, dass dem nach § 10 Absatz 1 Satz 1 StAbwG beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubiger eine Bescheinigung über die einbehaltene und abgeführte Steuer auf seinen Antrag nicht vom Vergütungsschuldner, sondern vom BZSt auszustellen ist. Um die Ausstellung mehrfacher Steuerbescheinigungen für denselben Zahlungsfluss zu vermeiden, sollte in der Regel nur eine Steuerbescheinigung durch das BZSt ausgestellt werden. Dies ist aber nur dann möglich, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass er ein berechtigtes Interesse an der Bescheinigung hat. Ein solches ist in der Regel nur dann gegeben,

  • wenn der Vergütungsgläubiger eine Steuerbescheinigung für Zwecke der Anrechnung auf im Ausland erhobene Steuern benötigt oder

  • soweit eine Berücksichtigung der Steuer im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht i. S. d. § 2 AStG erfolgen soll.

Der Antrag kann vom Vergütungsgläubiger oder in dessen Auftrag vom Vergütungsschuldner formlos beim BZSt gestellt werden.

4. Versagung der Steuerbefreiung für Dividenden und Veräußerungsgewinne, § 11 StAbwG

71Nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StAbwG ist die Steuerbefreiung nach § 8b Absatz 1 Satz 1 KStG für Gewinnausschüttungen und andere Bezüge i. S. d. § 20 Absatz 1 Nummer 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG ausgeschlossen, die von einer in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Körperschaft geleistet werden.

72§ 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StAbwG schließt Steuerbefreiungen für Gewinnausschüttungen und andere Bezüge i. S. d. § 20 Absatz 1 Nummer 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG aufgrund von DBA aus, wenn die Vorschriften des DBA mit § 8b Absatz 1 Satz 1 KStG vergleichbar sind.

73§ 11 Absatz 1 Satz 2 StAbwG schließt die Steuerfreiheit nach § 8b Absatz 2 Satz 1 KStG und vergleichbare abkommensrechtliche Steuerbefreiungen für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Bezügen i. S. d. § 20 Absatz 1 Nummer 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG führen, aus.

74§ 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 StAbwG gilt auch, wenn der Steuerpflichtige Bezüge von einer nahestehenden Person i. S. d. § 1 Absatz 2 AStG erhält und diese Bezüge aus Ausschüttungen oder Veräußerungsgewinnen resultieren, die die nahestehende Person unmittelbar oder mittelbar von einer Körperschaft i. S. d. Satzes 1 erhalten hat (§ 11 Absatz 1 Satz 3 StAbwG). Dies gilt nicht, wenn bereits auf Ebene der nahestehenden Person § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 StAbwG oder vergleichbare Regelungen angewendet worden sind. Gewinne der nahestehenden Person aus Ausschüttungen oder Veräußerungsgewinnen i. S. d. § 11 Absatz 1 Satz 3 Halbsatz 1 StAbwG, auf die § 11 Absatz 1 Satz 3 Halbsatz 2 StAbwG keine Anwendung findet, gelten bei der Anwendung des § 11 Absatz 1 Satz 3 StAbwG als vorrangig an den Steuerpflichtigen ausgeschüttet. Entsprechendes gilt im Fall der Veräußerung einer Beteiligung an der nahestehenden Person durch den Steuerpflichtigen.

75Die Regelungen zur Abgeltungsteuer und zum Teileinkünfteverfahren sind gemäß § 11 Absatz 2 StAbwG auf Einkünfte i. S. d. § 11 Absatz 1 StAbwG nicht anzuwenden.

76Da für die Besteuerung von Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds die Anwendung des § 8b KStG nach § 6 Absatz 6 InvStG ohnehin ausgeschlossen ist, können sich bei der Besteuerung auf Fondsebene insoweit keine Anwendungsfälle des § 11 StAbwG ergeben. Bei Spezial-Investmentfonds ist nach § 29 Absatz 3 Satz 2 InvStG auch die Freistellung aufgrund eines DBA ausgeschlossen. Für die Anleger eines Investmentfonds sind nach § 16 Absatz 3 und 4 InvStG die Steuerbefreiungen nach § 8b KStG und aufgrund eines DBA weitestgehend ausgeschlossen. Somit können sich im Wesentlichen nur im Rahmen der Besteuerung von Anlegern eines Spezial-Investmentfonds Anwendungsfälle ergeben (Ausschluss der Steuerbefreiung für Gewinnausschüttungen gemäß § 42 Absatz 2 Satz 1 i. V. m. § 30 Absatz 2 InvStG und Veräußerungsgewinne gemäß § 42 Absatz 2 Satz 2 InvStG).

77Wenn ein Spezial-Investmentfonds Gewinnausschüttungen und andere Bezüge i. S. d. § 20 Absatz 1 Nummer 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG aus Beteiligungen an Körperschaften erzielt, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, sind diese Bezüge in der Ertragskategorie 4 der Anlage 1 des BStBl 2019 I S. 527, in der jeweils gültigen Fassung, zu erfassen. Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen an Körperschaften, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, sind in der Ertragskategorie 8 zu berücksichtigen. Die Direkt- und Allgemeinkosten, die durch die Beteiligung an solchen Körperschaften veranlasst sind, sind nach § 39 Absatz 2 InvStG und § 40 Absatz 5 InvStG ausschließlich den Veräußerungsgewinnen (Ertragskategorie 8) zuzuordnen. Die Abziehbarkeit der Direkt- und Allgemeinkosten kann jedoch nach § 8 StAbwG ausgeschlossen sein (siehe Rn. 27). § 11 StAbwG ist nur auf Erträge anzuwenden, die dem Spezial-Investmentfonds ab dem Zeitpunkt zufließen, in dem die Voraussetzungen für die Anwendung des § 11 StAbwG erfüllt sind. Für bereits vor diesem Zeitpunkt zugeflossene oder als zugeflossen geltende Erträge sind die Regelungen unabhängig davon, ob die Erträge dem Anleger bereits zugeflossen sind oder bisher nur auf Ebene des Spezial-Investmentfonds vereinnahmt wurden, nicht anzuwenden.

78Beteiligungen an Körperschaften, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, sind aufgrund des Ausschlusses von § 8b KStG und § 3 Nummer 40 EStG nicht im Aktiengewinn eines Spezial-Investmentfonds zu berücksichtigen. Unrealisierte Gewinne aus Beteiligungen an Körperschaften, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, sind daher mit der Anwendbarkeit des § 11 StAbwG vollständig nicht mehr im Aktiengewinn zu berücksichtigen. Vor der Anwendbarkeit des § 11 StAbwG bereits realisierte Gewinne bleiben weiterhin im Aktiengewinn enthalten.

79Beteiligungen an Körperschaften, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, sind weiterhin bei der Ermittlung der Teilfreistellung zu berücksichtigen, wenn diese die Voraussetzungen nach § 2 Absatz 8 InvStG erfüllen.

5. Verhältnis der Abwehrmaßnahmen untereinander

80Bezogen auf den jeweiligen Geschäftsvorgang findet grundsätzlich nur eine Abwehrmaßnahme Anwendung. Die Maßnahmen der §§ 8 und 10 StAbwG sind so angelegt, dass insbesondere bei Anwendbarkeit einer erweiterten Quellensteuermaßnahme nach § 10 StAbwG die Anwendbarkeit des Abzugsverbots nach § 8 StAbwG ausgeschlossen ist (vgl. § 8 Satz 2 Nummer 1 StAbwG). Zu einem Abzugsverbot nach § 8 StAbwG kommt es danach nur, soweit weder eine beschränkte Steuerpflicht nach § 10 StAbwG noch eine unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht nach dem Einkommen- oder Körperschaftsteuergesetz vorliegt.

81Auch im Hinblick auf die Anwendung der §§ 8 und 9 StAbwG findet nur eine Maßnahme Anwendung. So findet § 8 StAbwG keine Anwendung, soweit aufgrund der aus den Aufwendungen resultierenden Einnahmen ein Hinzurechnungsbetrag i. S. d. § 10 Absatz 1 Satz 1 AStG anzusetzen ist (§ 8 Satz 2 Nummer 2 StAbwG).

82Das Verhältnis der Maßnahmen nach den §§ 9 und 10 StAbwG ist so geregelt, dass bei der Anwendung der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung nach § 9 StAbwG die aufgrund von § 10 StAbwG gezahlten Quellensteuern bei der Besteuerung des Hinzurechnungsbetrags angerechnet werden.

83§ 11 StAbwG findet keine Anwendung auf die dort genannten Bezüge oder Gewinne, soweit diese aus Beträgen resultieren, auf die bereits § 8 oder § 10 StAbwG angewendet wurden (§ 11 Absatz 3 StAbwG). Sofern sich im Einzelfall keine eindeutige Verwendungsreihenfolge ergibt, kann aus Gründen der Vereinfachung für die Anwendung des § 11 Absatz 3 StAbwG davon ausgegangen werden, dass diese Beträge vorrangig an den Steuerpflichtigen ausgeschüttet wurden. Die Nachweispflicht des Steuerpflichtigen bleibt hiervon unberührt.

Beispiel 16:

Die in Deutschland ansässige A GmbH ist Alleingesellschafterin einer Kapitalgesellschaft, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist. Die Einkünfte der Kapitalgesellschaft werden in dem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet nicht niedrig besteuert. Die A GmbH unterhält zusätzliche Geschäftsbeziehungen zu dieser Kapitalgesellschaft. Im Zuge dessen leistet die A GmbH im Jahr 01 eine Zahlung an die Kapitalgesellschaft in Höhe von 1.000 €, die dem Quellensteuerabzug nach § 10 StAbwG unterlag. Im Jahr 02 erhält die A GmbH eine Ausschüttung in Höhe von 1.600 €.

Auf die Ausschüttung findet § 8b Absatz 1 Satz 1 KStG gemäß § 11 Absatz 1 StAbwG grundsätzlich keine Anwendung. Vorliegend gilt dies nicht für die anteilige Ausschüttung in Höhe von 1.000 €, da dieser Betrag bei der leistenden Kapitalgesellschaft (im Jahr 01) bereits der Besteuerung nach § 10 StAbwG unterlegen hat (§ 11 Absatz 3 StAbwG).

6. Gesteigerte Mitwirkungspflichten, § 12 StAbwG

84Nach § 12 Absatz 1 StAbwG haben die Steuerpflichtigen, die Geschäftsvorgänge i. S. d. § 7 StAbwG zum nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet unterhalten, über die nach § 90 AO bestehenden Mitwirkungspflichten hinaus (siehe dazu auch Verwaltungsgrundsätze 2020, BStBl 2020 I S. 1325) eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Für diesen Zweck bestimmt § 12 Absatz 2 Satz 1 StAbwG einen Katalog von zusätzlichen Aufzeichnungspflichten, die auch für Geschäftsvorgänge zwischen nicht nahestehenden Personen gelten. Die gesteigerten Mitwirkungspflichten sind nur zu erfüllen, wenn mindestens eine der in §§ 8 bis 11 StAbwG aufgeführten Maßnahmen greift. Diese zusätzlichen Pflichten umfassen insbesondere Aufzeichnungen über die Geschäftsbeziehung, die zugrunde liegenden Verträge, die ausgeübten Funktionen, die Geschäftsstrategien und die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse. Zu beachten ist, dass gerade in Bezug auf unabhängige Dritte gewisse Aufzeichnungen nicht zwingend erstellt und verlangt werden können; beispielsweise die von den Beteiligten im Rahmen der Geschäftsbeziehungen ausgeübten Funktionen und übernommenen Risiken sowie deren Veränderungen innerhalb des Wirtschaftsjahres oder die eingesetzten wesentlichen Vermögenswerte.

85Nach § 12 Absatz 2 Satz 2 StAbwG sind die Aufzeichnungen nach Satz 1 spätestens ein Jahr nach Ablauf des betreffenden Kalenderjahres oder Wirtschaftsjahres zu erstellen und an die örtlich zuständige Finanzbehörde sowie in den Fällen der Verpflichtung zum Country-by-Country Reporting (§ 138a AO) auch an das BZSt zu übermitteln. Bei Verletzung der gesteigerten Mitwirkungspflichten wird nach § 162 Absatz 2 Satz 3 AO widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten nicht erklärt wurden oder höher als erklärt sind. Des Weiteren werden bei einem nicht entschuldbaren oder nicht nur geringfügigen Verletzen der gesteigerten Mitwirkungspflichten gemäß § 162 Absatz 4a AO Zuschläge gemäß § 162 Absatz 4 AO erhoben.

86Sofern ein Finanzinstitut die Anforderungen an die KYC-Prozesse [1] gemäß Bestimmungen zur Geldwäschebekämpfung, vergleichbaren Dokumentationsanforderungen nach der AO oder Pflichten, die sich aus dem Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG) ergeben, vollumfänglich erfüllt und im Rahmen dieser Dokumentation keine Ansässigkeit in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet festgestellt wird, ist dies auch für Zwecke des StAbwG ausreichend. In diesem Fall genügt es etwa, wenn die gemäß § 6 Absatz 1 FKAustG festgestellte steuerliche Ansässigkeit im Ausland dokumentiert ist und sich diese nicht in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet befindet.

87Bei Vermögensgegenständen, die unter den Anwendungsbereich des § 7 StAbwG fallen, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds nur die Bezeichnung, die Art des Investments (z. B. Anleihe oder Aktie) und eine etwaig vergebene ISIN dem für ihn zuständigen Finanzamt mitteilt und weitere Unterlagen erst nach Aufforderung nachgereicht werden (vgl. § 12 Absatz 2 Satz 3 StAbwG). Gleiches gilt für andere nach § 12 Absatz 1 StAbwG Meldepflichtige, soweit diese vergleichbare Vermögensgegenstände halten und mit diesen eine vergleichbare Tätigkeit ausüben.

88Um eine effiziente Erfüllung der gesteigerten Mitwirkungspflichten zu ermöglichen, ist es im Einzelfall nicht zu beanstanden, wenn die entsprechenden Aufzeichnungen – abweichend von der Frist des § 12 Absatz 2 Satz 2 StAbwG – erst bis zum Ablauf des 14. Monats nach Ablauf des Kalenderjahres oder Wirtschaftsjahres, in dem der mitzuteilende Sachverhalt verwirklicht worden ist, der zuständigen Finanzbehörde übermittelt werden. Insbesondere Kapitalverwaltungsgesellschaften wird so die Möglichkeit gegeben, für sämtliche von ihnen verwalteten Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds die gesteigerten Mitwirkungspflichten zu einem einheitlichen Termin zu erfüllen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds regelmäßig unterschiedliche Geschäftsjahre (GJ) haben.

Beispiel 17:
  • Fonds 1 (Ende GJ ) > Fristablauf nach § 12 StAbwG am

  • Fonds 2 (Ende GJ ) > Fristablauf nach § 12 StAbwG am

  • Fonds 3 (Ende GJ ) > Fristablauf nach § 12 StAbwG am

Für eine einheitliche Abgabe der Aufzeichnungen für alle Fonds mit einem Geschäftsjahresende im Jahr 01 bliebe der Kapitalverwaltungsgesellschaft nur ein Monat Zeit. Maßgebend wäre der Fristablauf für Fonds 1 zum . Dieser Zeitraum erscheint zu kurz, um für eine Vielzahl von Fonds die Aufzeichnungen erstellen zu können. Es wird nicht beanstandet, wenn die Aufzeichnungen für Fonds 1 erst am übermittelt werden.

89Bei Konten, die bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten unterhalten werden, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn im ersten Schritt nur die Kundendaten (Name, Anschrift, bei natürlichen Personen Geburtsdatum, Kontonummer) und die Art des Geschäftsvorgangs in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet an die Finanzbehörde übermittelt und weitere Unterlagen erst nach Aufforderung durch die Finanzbehörde nachgereicht werden. Wird ein Konto im Laufe eines Jahres aufgelöst und hat das Kreditinstitut für das vorangegangene meldepflichtige Jahr bereits eine Meldung zu dem Konto an die Finanzbehörde übermittelt, ist eine Übermittlung nach § 12 Absatz 1 StAbwG für das Jahr der Kontoauflösung entbehrlich. Die Möglichkeit zur jederzeitigen Anforderung weiterer Unterlagen nach § 12 Absatz 2 Satz 3 StAbwG bleibt davon unberührt.

90Bei Aufzeichnungen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 StAbwG ist es im ersten Schritt nicht zu beanstanden, wenn seitens des Steuerpflichtigen eine Auflistung von Verträgen samt ihren Änderungen und der wesentlichen Bestandteile (Vertragsliste) eingereicht wird; vgl. auch § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 StAbwG. Auf Anforderung der Finanzbehörde sind jedoch die Vertragsunterlagen umfassend seitens des Steuerpflichtigen bereitzustellen.

91Für Geschäftsjahre, die vor dem begonnen haben, wird es nicht beanstandet, wenn die Aufzeichnungen erstmals zum abgegeben werden (vgl. BStBl 2024 I S. 915).

VI. Verhältnis zu anderen Regelungen

1. Verhältnis von §§ 8, 9 und 10 StAbwG zu § 10 AStG

92Das Abzugsverbot nach § 8 StAbwG kommt nicht zur Anwendung, soweit aufgrund der aus den Aufwendungen resultierenden Einnahmen ein Hinzurechnungsbetrag i. S. d. § 10 Absatz 1 Satz 1 AStG anzusetzen ist (§ 8 Satz 2 Nummer 2 StAbwG).

Beispiel 18:

Die D GmbH (ansässig in DEU) ist an der Oasen Corp. (ansässig in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet; Ertragsteuersatz 0 %; nach Rechtstypenvergleich einer deutschen Kapitalgesellschaft entsprechend) zu 100 % beteiligt. Die Oasen Corp. erzielt jährlich 100.000 € aus aktiven Einkünften mit fremden Dritten. Zusätzlich erzielt sie jährlich Zinseinnahmen in Höhe von 900.000 € aus einer Geschäftsbeziehung mit der D GmbH. Es handelt sich um eine Darlehensbeziehung und entsprechend um passive Einkünfte i. S. d. § 8 Absatz 1 AStG. Es werden keine Dividenden ausgeschüttet.

Das Steuerhoheitsgebiet wird im Jahr 01 nach Maßgabe des § 2 Absatz 1 StAbwG als ein nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet eingestuft und schließlich in der StAbwV (§ 3 Absatz 1 StAbwG) genannt. Diese tritt im Jahr 01 in Kraft.

In den Jahren 02, 03 und 04 sind die §§ 9, 10 und 12 StAbwG anzuwenden. Nach § 10 Satz 1 Nummer 1 StAbwG unterliegen die auf das Darlehen entfallenden Einkünfte der Oasen Corp. der beschränkten Steuerpflicht. Die inländische D GmbH hat 135.000 € der jährlichen Zinszahlung einzubehalten und an das BZSt abzuführen (Steuerabzug von 15 %).

Die Einkünfte der Oasen Corp. in Höhe von 1 Mio. € unterliegen bei der D GmbH nach § 9 StAbwG der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung (durchschnittliche Unternehmenssteuerbelastung ca. 30 % = 300.000 €). Auf Antrag der D GmbH werden im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung die deutschen Quellensteuern auf die Zinserträge der Oasen Corp. angerechnet (§ 12 Absatz 1 AStG; im Beispiel: 135.000 €).

Ab dem Jahr 05 finden die §§ 8 bis 10 und 12 StAbwG Anwendung. Die Zinsaufwendungen der D GmbH in Höhe von 900.000 € bleiben nach § 8 Satz 2 Nummer 2 StAbwG grundsätzlich als Betriebsausgaben abzugsfähig. Ansonsten gilt die Lösung für die Jahre 02 bis 04 entsprechend.

2. Verhältnis von § 10 StAbwG zu § 2 AStG

93Die Regelungen des § 10 StAbwG können neben der erweiterten beschränkten Steuerpflicht nach § 2 AStG grundsätzlich anwendbar sein (siehe Rn. 13 des a. a. O.).

3. Verhältnis von § 11 StAbwG zu § 11 AStG

94Werden Bezüge von einer in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Zwischengesellschaft geleistet, deren Einkünfte der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung nach § 9 StAbwG unterlegen haben, kann ein Kürzungsbetrag nach § 11 AStG anzusetzen sein, wenn die Vorschriften über die (anteilige) Beteiligungsertragsbefreiung nach § 11 StAbwG ausgeschlossen werden (vgl. auch a. a. O., Rn. 629).

4. Verhältnis des StAbwG zu bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen

95§ 1 Absatz 3 Satz 1 StAbwG regelt den Vorrang der Bestimmungen des StAbwG vor entgegenstehenden Vorschriften in etwaigen DBA. Dieser Vorrang ist nicht auf DBA beschränkt, die mit einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet abgeschlossen wurden. Damit sind die Vorschriften des StAbwG in vollem Umfang auch anzuwenden, soweit ein DBA besteht. Die Rechtsfolgen des StAbwG treten also selbst dann ein, wenn in einem DBA ausdrücklich etwas anderes geregelt ist (sog. Treaty Override).

96§ 1 Absatz 3 Satz 2 StAbwG regelt über die Anwendung der Maßnahmen des StAbwG hinaus, dass deutsche Besteuerungsrechte durch mit nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten bestehende DBA nicht berührt werden. Dies gilt im Zeitraum, in dem die Abwehrmaßnahmen nach dem 3. und 4. Abschnitt des StAbwG bezogen auf dieses Steuerhoheitsgebiet Anwendung finden. Demnach sind DBA-Vorschriften nicht anzuwenden, wenn eine der in dem 3. und 4. Abschnitt des StAbwG geregelten Maßnahmen Anwendung findet; also zeitlich ab dem Jahr nach der erstmaligen Listung des nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiets in der StAbwV. Soweit ein deutscher Besteuerungsanspruch gegeben ist, wird dieser nicht durch die abkommensrechtlichen Regelungen beschränkt.

Beispiel 19:

Der Staat X ist nicht kooperativ i. S. d. § 2 StAbwG und wird zum 1. Januar des Jahres 01 auf die EU-Liste aufgenommen. Am 1. November des Jahres 01 wird der Staat auch in die StAbwV aufgenommen. Mit dem Staat X besteht ein DBA, welches dem Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Körperschaft ein auf 15 % beschränktes Besteuerungsrecht für Streubesitzdividenden gewährt.

Am 2. November des Jahres 01 schüttet die in Deutschland ansässige A AG an die im Staat X ansässige natürliche Person B, die an der A AG mit 5 % beteiligt ist, eine Dividende aus, die B noch im Jahr 01 zufließt. Die Kapitalertragsteuer wird vorschriftsmäßig einbehalten. Am 1. September des Jahres 02 stellt B beim BZSt einen Antrag auf Erstattung der über 15 % hinausgehenden Kapitalertragsteuer.

Dem Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer ist (sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen) stattzugeben. Die Beschränkung des deutschen Quellenbesteuerungsrechts durch das DBA ist zu beachten. Erst ab dem Jahr 02 finden das deutsche Besteuerungsrecht beschränkende Vorschriften des DBA keine Anwendung mehr, da ab diesem Zeitpunkt die Maßnahmen des StAbwG Anwendung finden. Für die Beurteilung kommt es auf die Verwirklichung des unter die Vorschriften des DBA fallenden Tatbestandes (hier die Ausschüttung der Dividende) und nicht auf die Antragstellung beim BZSt an.

Abwandlung:
Wie Beispiel 19, allerdings erfolgt die Ausschüttung der A AG am .

Der Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer ist abzulehnen. Die Beschränkung des Quellenbesteuerungsrechts auf 15 % durch das DBA ist nicht anzuwenden, da das DBA die Besteuerungsrechte Deutschlands einschränkt und der Treaty Override des § 1 Absatz 3 Satz 2 StAbwG greift.

Sollte der Staat X im Laufe des Jahres 02 als kooperativ eingestuft und konsequenterweise noch im Jahr 02 von der StAbwV gestrichen werden, sind die Maßnahmen des StAbwG mit Wirkung zum nicht anzuwenden.

97§ 1 Absatz 3 Satz 2 StAbwG führt nicht zu einem abkommenslosen Zustand. Sofern das einschlägige DBA die Anwendung der Anrechnungsmethode vorsieht, erfolgt die Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Steuer bzw. ihr Abzug bei der Ermittlung der Einkünfte nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze (§ 34c Absatz 6 Satz 2 EStG ggf. in Verbindung mit § 26 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 KStG oder anderen Vorschriften – u. a. § 32d Absatz 5 Satz 1 EStG). Die Anrechnung bzw. der Abzug ist mithin der Höhe nach auf den DBA-Quellensteuersatz begrenzt. Sofern das einschlägige DBA die Freistellung der ausländischen Einkünfte von der deutschen Besteuerung vorsieht und Deutschland die ausländischen Einkünfte aufgrund der Anwendung des § 1 Absatz 3 Satz 2 StAbwG besteuert, erfolgt die Anrechnung bzw. der Abzug der ausländischen Steuer in analoger Anwendung des § 34c Absatz 6 Satz 5 EStG nach § 34c Absatz 1 bis 3 und Absatz 6 Satz 6 EStG.

98In den Fällen des § 1 Absatz 3 Satz 2 StAbwG ist § 50d Absatz 8 EStG nicht anzuwenden.

5. Verhältnis zu anderen Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzugsverboten

99Die Regelungen des § 8 StAbwG sind grundsätzlich neben anderen Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzugsverboten, wie z. B. § 4k EStG, anzuwenden. § 8 StAbwG ist vorrangig vor dem temporären Abzugsverbot der Zinsschranke nach § 4h EStG anzuwenden.

BMF v. - IV B 5 - S 1308/22/10008 :004

Fundstelle(n):
BStBl 2024 I Seite 1086
ErbStB 2024 S. 222 Nr. 8
IAAAJ-68857

1KYC (Know Your Customer)-Prozesse sind Prozesse, bei denen Unternehmen die Identität ihrer Kunden überprüfen, um Geldwäsche, Betrug und andere illegale Aktivitäten zu verhindern. Dies geschieht durch die Sammlung und Überprüfung von persönlichen Informationen und Dokumenten, um sicherzustellen, dass die Kunden legitim und vertrauenswürdig sind.