Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 8 Ca 2019/21 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 11 Sa 1432/21 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer im Zusammenhang mit der Schulung des Klägers zum Flugzeugführer getroffenen Darlehensvereinbarung und über Zahlungsansprüche des Klägers.
2Der Kläger ist bei der Beklagten nach Maßgabe des Arbeitsvertrags vom als Flugzeugführer beschäftigt. Seine fliegerische Grundschulung hatte er auf der Grundlage eines mit der L GmbH (LFT) am abgeschlossenen Schulungsvertrags begonnen. Unternehmensgegenstand der LFT bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin, der A GmbH (LAT), ist die Aus- und Weiterbildung fliegerischen Personals. Sie ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten.
3Der Schulungsvertrag enthält ua. folgende Regelungen:
4Ebenfalls unter dem schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag. Dieser lautet auszugsweise:
5In Ziff. 5 des Arbeitsvertrags der Parteien heißt es zur Rückzahlung des Darlehens:
6Die Beklagte und die LFT bzw. die spätere LAT verwendeten den Darlehensvertrag und den Schulungsvertrag gleichlautend als Vertragsgrundlagen bei Schulungen einer Vielzahl von Nachwuchsflugzeugführern.
7Die mit dem Schulungsvertrag vereinbarte Grundschulung dauert in der Regel ca. 23 Monate. Die vollständige MPL-Ausbildung erfordert die in § 13 des Schulungsvertrags bezeichneten weiteren Schulungen der Phase 3 (Flight Training, Intermediate Phase) und Phase 4 (Flight Training, Advanced Phase) sowie das sog. Line Flying Under Supervision (LIFUS). Dieses erfolgt regelmäßig im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.
8Am endete die Grundschulung des Klägers. Die Beklagte beschäftigt den Kläger als Flugzeugführer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses seit dem . Seit Februar 2020 behielt sie vom Nettoentgelt des Klägers 500,00 Euro monatlich ein.
9Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Darlehensvertrag sei unwirksam und der Einbehalt seiner Vergütung daher ohne Rechtsgrundlage erfolgt. Der Darlehensvertrag zum Schulungsvertrag benachteilige ihn unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die beiden Verträge bildeten ein einheitliches Vertragskonstrukt. Sie bürdeten ihm vor dem Hintergrund der sog. Operatorbindung, dh. der Bindung an einen Ausbilder während der gesamten MPL-Ausbildung, das Risiko einer wertlosen Teilschulung auf. Die Schulungskosten seien in erster Linie eine Investition im Interesse der Beklagten gewesen. Die Regelungen des Darlehensvertrags verstießen zudem gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die vereinbarte Kostenbeteiligung sei auch nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBiG nichtig.
10Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
11Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, die Rückzahlungsklausel unterliege keiner umfassenden AGB-Kontrolle, da sie eine Hauptleistungspflicht regele. Jedenfalls halte die Vereinbarung einer AGB-Kontrolle stand. Die Beklagte hat behauptet, der allgemeine Marktwert für vergleichbare Flugzeugführerschulungen belaufe sich auf 140.000,00 Euro bis 160.000,00 Euro. Gemessen daran werde der Kläger in relativ geringem Umfang an den tatsächlichen Kosten beteiligt. Auch seien die Schulungsleistungen für den Kläger werthaltig gewesen und hätten ihm Vorteile auf dem Arbeitsmarkt eröffnet. Die Schulungsinhalte seien für das Luftfahrt-Bundesamt standardisiert gewesen, so dass sie an einer anderen Flugschule hätten anerkannt werden können. Damit seien wesentliche Grundlagen gelegt worden, die nicht nur im Rahmen der MPL-Schulung bei der Beklagten, sondern auch bei anderen Flugschulen im Rahmen einer weiteren Schulung hätten genutzt werden können.
12Das Arbeitsgericht hat der Klage bezüglich des Zahlungsbegehrens stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Anschlussberufung des Klägers teilweise abgeändert und dem Kläger insgesamt 13.500,00 Euro nebst Zinsen zugesprochen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.
Gründe
13Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten nicht zurückweisen und der als zulässige Klageerweiterung (§ 264 Nr. 2 ZPO) auszulegenden Anschlussberufung des Klägers stattgeben. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die Klage begründet ist. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
14I. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte sei zur Zahlung der einbehaltenen Vergütung des Klägers verpflichtet. Schulungsvertrag und Darlehensvertrag bildeten ein einheitliches Rechtsgeschäft. Die Klauseln über die Kostenbeteiligung des Klägers gemäß § 10 Abs. 1 des Schulungsvertrags und des zu diesem Zweck getroffenen Darlehensvertrags mit der Rückzahlungsverpflichtung des Klägers seien gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Bei wechselseitiger Berücksichtigung und Bewertung der anzuerkennenden Interessen der Vertragspartner benachteiligten Kostenbeteiligung und Rückzahlungsverpflichtung den Kläger unangemessen, weil diesem nach §§ 1, 13 Abs. 2 des Schulungsvertrags das Risiko einer wertlosen Teilschulung aufgebürdet worden sei. Der Kläger solle auch dann zur Rückzahlung verpflichtet sein, wenn die Beklagte ihm aus betrieblichen Gründen nach der Grundschulung keine Fortsetzung der MPL-Ausbildung anbiete. Wegen der sog. Operatorbindung sei es dem Kläger nicht möglich, die begonnene Ausbildung bei einem anderen Anbieter fortzusetzen.
15II. Die Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
161. Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Schulungsvertrag und der Darlehensvertrag bildeten ein einheitliches Rechtsgeschäft.
17a) Von einem einheitlichen Rechtsgeschäft ist auszugehen, wenn äußerlich selbständige Rechtsgeschäfte durch den Willen der Parteien miteinander verknüpft sind. Ein sog. „Einheitlichkeitswille“ liegt vor, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt ist, die möglicherweise äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte also miteinander stehen und fallen sollen. Ein einheitliches Rechtsgeschäft kann - bei einem dahingehenden Parteiwillen - auch dann vorliegen, wenn einzelne Rechtsgeschäfte in mehreren Urkunden niedergelegt sind und unterschiedlichen Geschäftstypen angehören. Die Geschäftseinheit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass an den Rechtsgeschäften verschiedene Personen beteiligt sind (vgl. - Rn. 17; -). Ob es sich aufgrund eines entsprechenden Willens der Vertragsparteien um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt, ist durch Ermittlung und Auslegung des - objektiv erkennbaren - Parteiwillens festzustellen. Als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung unterliegt die diesbezügliche Auffassung des Landesarbeitsgerichts nur einer eingeschränkten Überprüfung (vgl. - Rn. 18; - Rn. 16).
18b) Danach ist das Auslegungsergebnis des Landesarbeitsgerichts, dem zufolge es sich im Streitfall um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat den Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt und dabei insbesondere berücksichtigt, dass die Verträge in mehrfacher Hinsicht inhaltlich aufeinander Bezug nehmen. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger den Schulungsvertrag mit der LFT und den Darlehensvertrag mit der Beklagten abgeschlossen hat, es sich also um eine dreiseitige Vertragsbeziehung handelt. Der enge rechtliche Zusammenhang zwischen beiden Regelwerken ist dennoch gegeben. Die beiden Regelwerke hängen rechtlich zusammen. Denn der Darlehensvertrag setzt den Abschluss des Schulungsvertrags voraus (§ 2 des Darlehensvertrags) und umgekehrt (§ 10 Abs. 1 des Schulungsvertrags).
192. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass der einheitliche Vertrag einer AGB-Kontrolle anhand der Vorgaben in § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen ist.
20a) Auf den Vertrag findet § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls gemäß § 310 Abs. 3 BGB Anwendung. Der Kläger war als Flugschüler Verbraucher (vgl. zu Verbraucherverträgen mit Arbeitnehmern: - Rn. 14 ff.; - 5 AZR 253/09 - Rn. 21 ff.). Es handelt sich um von der Beklagten und der LFT vorformulierte Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen verwendet wurden und auf deren Inhalt der Kläger keinen Einfluss nehmen konnte.
21b) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB stehe einer Inhaltskontrolle nicht entgegen. Diese beschränkt sich auf Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden (vgl. - Rn. 22). Die Klauseln, die die Rückzahlungsverpflichtung des Klägers zum Gegenstand haben, gestalten keine Hauptleistungspflichten des einheitlichen Vertrags, die die Durchführung der Schulung betreffen, sondern beziehen sich allein auf die Finanzierung des Erwerbs der MPL-Lizenz. Auch der Umstand, dass es sich um ein dreiseitiges Vertragsverhältnis handelt, führt nicht dazu, dass die Zahlungspflicht des Klägers zur Hauptleistungspflicht wird. Die LFT, die die Flugschule betreibt, ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten. Beide Gesellschaften sind im Rahmen der AGB-Kontrolle wie eine Vertragspartei anzusehen. Andernfalls könnte sich die Beklagte durch entsprechende Konzernstruktur- und Vertragsgestaltung einer vollen AGB-Kontrolle entziehen.
223. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass Ziff. 5 des Arbeitsvertrags kein Schuldanerkenntnis des Klägers zugunsten der Beklagten enthält.
23a) Ein selbständig verpflichtendes (abstraktes) Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB setzt voraus, dass der Anerkennende eine selbständige, von den zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen losgelöste Verpflichtung übernimmt (vgl. - Rn. 25). Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist ein vertragliches kausales Anerkenntnis, mit dem eine bestehende Schuld lediglich bestätigt wird. Ein solches Schuldanerkenntnis setzt voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen und es endgültig festlegen wollen (vgl. - Rn. 30; - 6 AZR 931/12 - Rn. 40).
24b) Davon ausgehend regelt Ziff. 5 des Arbeitsvertrags weder ein abstraktes noch ein deklaratorisches Anerkenntnis. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von einer bloßen Verweisung auf den Darlehensvertrag ausgegangen. Dafür spricht, dass die Regelung auf die Vereinbarung zur Rückzahlung des Darlehens im Darlehensvertrag hinweist, ohne selbst auch nur einen bestimmten Betrag zu bezeichnen. Entgegen der Auffassung der Revision lässt der Umstand, dass es der Verweisung nicht bedurft hätte, nicht darauf schließen, die Parteien hätten bestimmte weitergehende Rechtswirkungen gewollt. Es ist vielmehr nicht unüblich, in Arbeitsverträgen auch schlichte Wiederholungen - etwa gesetzlicher Regelungen - oder bloße Hinweise aufzunehmen. Dies ist offenbar auch Hintergrund der hier vorliegenden Klausel, die konkret die Wahl des Tilgungsmodells aufgreift, also einen Punkt, an den der Kläger nach Abschluss des Arbeitsvertrags denken musste, da er noch eine entsprechende Wahl vorzunehmen hatte.
254. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Bestimmungen in § 10 Abs. 1 des Schulungsvertrags und zur Rückzahlungspflicht in § 3 des Darlehensvertrags benachteiligten den Kläger unangemessen, beruht hingegen auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
26a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
27aa) Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dazu bedarf es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen ( - Rn. 26; - 9 AZR 383/18 - Rn. 23, BAGE 164, 316).
28bb) Vereinbarungen über die Beteiligung eines Arbeitnehmers an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Dies gilt auch für Klauseln, die eine unbedingte Kostenbeteiligung zum Gegenstand haben ( - Rn. 27).
29b) Das Landesarbeitsgericht ist danach rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger werde unangemessen benachteiligt, weil er auch dann zur Rückzahlung verpflichtet sei, wenn die Beklagte ihm nach Abschluss der Grundschulung aus betrieblichen Gründen (§ 13 Abs. 2 des Schulungsvertrags) keine Folgeschulung anbiete. Bei der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen hat es - worauf die Revision zu Recht hinweist - übersehen, dass in diesem Fall der Rückzahlungsverzicht nach § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags greift.
30aa) Nach § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags verzichtet die Beklagte auf eine Rückzahlung des Darlehens, wenn dem Kläger aus betrieblichen Gründen, insbesondere mangels Bedarfs an Flugzeugführern, nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Schulung die Übernahme in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis angeboten wird. Werden dem Kläger aber keine „weiteren Schulungen“ nach § 13 des Schulungsvertrags angeboten, dann wird ihm auch keine Übernahme in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis angetragen werden können, sodass der Kläger gemäß § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags keiner Rückzahlungspflicht unterliegt.
31bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts trägt der Vertragspartner der Beklagten kein unmittelbares wirtschaftliches Risiko, wenn ihm keine „weiteren Schulungen“ nach § 13 des Schulungsvertrags angeboten werden. Bis zu dem Angebot, ihn in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis zu übernehmen, ist der Vertragspartner nicht zur Rückzahlung verpflichtet. § 3 Abs. 1 des Darlehensvertrags bestimmt, dass die Darlehensforderung für die Schulungsdauer und darüber hinaus bis zum Beginn eines Arbeitsverhältnisses als Flugzeugführer innerhalb oder außerhalb des L-Konzerns zins- und tilgungsfrei gestellt wird. Auch danach setzt die Rückzahlungspflicht nicht ein, bevor nicht dem Piloten, der auch die Phasen 3 und 4 der Schulung erfolgreich absolviert hat, ein Arbeitsvertrag angeboten wird. Dies ergibt sich bereits aus dem Schulungsvertrag, der begrifflich zwischen einer „Schulung“ und „weiteren Schulungen“ unterscheidet. Hinzu kommt, dass die letzte Phase der Ausbildung, das LIFUS, bereits im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses angeboten wird, § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags aber gerade den Fall regelt, dass kein Arbeitsverhältnis angeboten wird. Schließlich ist die Regelung auch in der Praxis bei der Beklagten in diesem Sinne verstanden und gehandhabt worden, was zwischen den Parteien unstreitig ist.
32III. Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
331. Die Rückzahlungsverpflichtung ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Die Regelung in § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags iVm. § 13 Abs. 2 des Schulungsvertrags verstößt nicht gegen das AGB-rechtliche Transparenzgebot, soweit sie den unbestimmten Rechtsbegriff der „betrieblichen Gründe“ verwendet.
34a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Vertragsklausel nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach muss die Klausel die tatbestandlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber als Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (vgl. - Rn. 34; - 9 AZR 442/12 - Rn. 13). Dabei brauchen die notwendig generalisierenden Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht einen solchen Grad an Konkretisierung anzunehmen, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen ausreichend flexibel bleiben, um künftigen Entwicklungen und besonderen Fallgestaltungen Rechnung tragen zu können (vgl. - Rn. 39). Die Anforderungen an die Konkretisierung einer Rückzahlungsvereinbarung dürfen daher nicht überzogen werden. Im Sinne eines Ausgleichs widerstreitender Interessen von Klauselverwender und Vertragspartner müssen die Angaben aber so beschaffen sein, dass der Vertragspartner sein Rückzahlungsrisiko abschätzen kann (vgl. - Rn. 19, BAGE 143, 30).
35b) § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags ist in dieser Hinsicht ausreichend klar und verständlich. Der dort geregelte Verzicht der Beklagten auf Rückzahlung des Darlehens ist an die Voraussetzung gebunden, dass dem Darlehensnehmer nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Schulung „aus betrieblichen Gründen, insbesondere mangels Bedarfs an Flugzeugführern“ die Übernahme in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis angeboten wird.
36aa) Der unbestimmte Begriff der betrieblichen Gründe bezeichnet die Risikosphäre der Beklagten, in der eine Nichtübernahme des Klägers in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis zum Erlöschen des Rückzahlungsanspruchs führt. Damit wird eine Abgrenzung zu den Gründen vorgenommen, die ihre Ursache in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers haben. Diese Abgrenzung entspricht einem allgemeinen Verständnis betrieblicher Gründe, mit denen das vom Arbeitgeber zu tragende Wirtschafts- und Betriebsrisiko beschrieben wird (vgl. dazu - Rn. 17 ff. mwN). Dieses normative Verständnis schließt es zwar nicht aus, dass sich der in Verträgen verwendete Begriff der betrieblichen Gründe als intransparent erweist. Die Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ein Arbeitgeber einseitig vorgibt, unterliegt nicht denselben Maßstäben wie die Kontrolle von Gesetzen, die an der Verfassung und am Gebot der Normenklarheit zu messen sind. Insbesondere der Regelungsbereich von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist in der Regel enger und branchenbezogener zu verstehen als der von Gesetzen, sodass vom Verwender durchaus konkretere Formulierungen verlangt werden können ( - Rn. 27, BAGE 158, 81). Allerdings gilt dies mit der Maßgabe, dass sich der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen grundsätzlich juristischer Fachausdrücke und unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen darf, soweit dies im konkreten Kontext nicht den Verständnishorizont des durchschnittlichen Vertragspartners übersteigt (vgl. Staudinger/Wendland (2022) BGB § 307 Rn. 198).
37bb) Danach ist aus § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags iVm. § 13 Abs. 2 des Schulungsvertrags für den durchschnittlichen Darlehensnehmer zweifelfrei erkennbar, dass seine Rückzahlungspflicht entfällt, wenn die Beklagte ihm aus in ihrer Sphäre liegenden Gründen innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Schulung kein Cockpit-Arbeitsverhältnis anbietet. Die Verwendung des unbestimmten Begriffs trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht von vornherein vollständig erkennbar ist, welche betrieblichen Gründe auftreten und diese deshalb nicht abschließend benannt werden können. Dies liegt im Interesse des Klägers. Auch nicht namentlich bezeichnete betriebliche Gründe können zum Wegfall der Rückzahlungspflicht führen, ohne dass damit für die Beklagte ein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum eröffnet wäre. Der jeweils wichtigste Fall eines betrieblichen Grundes, nämlich der Mangel des Bedarfs an Flugzeugführern (§ 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags) bzw. ein entsprechender Bedarf an Copiloten (§ 13 Abs. 2 des Schulungsvertrags), ist explizit genannt. Wegen aller weiteren denkbaren betrieblichen Gründe gehen Zweifel bei der Auslegung zu Lasten der Beklagten als Klauselverwenderin (§ 305c Abs. 2 BGB) und führen damit zu einem für den Kläger günstigen, weiten Verständnis des Begriffs der betrieblichen Gründe.
382. Die Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes stehen der Wirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung ebenfalls nicht entgegen.
39a) Nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG hat der Ausbildende dem Auszubildenden die Ausbildungsmittel kostenlos zur Verfügung zu stellen. Insbesondere ist es nicht zulässig, den Auszubildenden zu verpflichten, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG). Das Gesetz gilt nach § 1 Abs. 1 BBiG für die Berufsbildung, definiert als Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung. Die berufliche Fortbildung soll es ermöglichen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten und anzupassen oder zu erweitern und beruflich aufzusteigen (§ 1 Abs. 4 BBiG aF).
40b) Das BBiG zielt darauf ab, die finanziellen Belastungen, die dem Auszubildenden und seinen Eltern aus der Berufsausbildung erwachsen, möglichst gering zu halten. Der Zugang zu einer durch das Berufsbildungsgesetz geregelten Ausbildung soll nicht von dem finanziellen Leistungsvermögen und -willen des Auszubildenden abhängen. Aus diesem Grund legt die Rechtsprechung die Vorschriften der § 12 Abs. 2 Nr. 1 und § 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG weit aus und betont, dass dem Auszubildenden keine Kosten auferlegt werden dürfen, die ihm bei der Ausbildung entstehen ( - Rn. 23).
41c) Diese Grundsätze finden auf das Rechtsverhältnis der Parteien keine Anwendung.
42aa) Die im Streitfall maßgebenden Vertragsbestimmungen unterfallen nicht dem Verbot, den Auszubildenden an den Kosten seiner Ausbildung zu beteiligen. Bei der fliegerischen Grundschulung handelt es sich zwar um einen Teil der Berufsausbildung iSd. § 1 Abs. 3 BBiG, nicht aber um den Teil einer betrieblichen Berufsausbildung. Auf eine rein schulische Berufsausbildung - wie die im Streitfall - ist der Zweite Teil des BBiG nicht anwendbar.
43(1) Die ständige Rechtsprechung zur Fassung des Berufsbildungsgesetzes vor seiner Novellierung im Jahr 2005 ging davon aus, das Verbot, den Auszubildenden an den Kosten seiner Ausbildung zu beteiligen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG aF) gelte ebenso wie der gesamte Zweite Teil des Gesetzes nur bei betrieblicher, nicht aber bei rein schulischer Ausbildung ( - zu I 1 der Gründe, BAGE 100, 13; - 5 AZR 575/73 - zu I 2 a der Gründe). Nach dieser Judikatur ließen die Reglungen in § 1 Abs. 2 iVm. § 3 Abs. 2 BBiG aF keinen Zweifel daran zu, dass das Berufsbildungsgesetz die vertraglichen Beziehungen zwischen Auszubildendem und Ausbildendem nur insoweit ordnen wollte, als es sich um die betriebliche Berufsausbildung handelte ( - aaO).
44(2) Die dieser ständigen Rechtsprechung zugrundeliegenden Regelungen befinden sich auch nach der Gesetzesnovellierung genauso oder nur geringfügig modifiziert im Berufsbildungsgesetz. Dies gilt insbesondere für § 1 Abs. 2 BBiG aF (inzwischen leicht geändert in § 1 Abs. 3 BBiG) und § 3 Abs. 2 BBiG aF (jetzt identisch in § 10 Abs. 2 BBiG). An der ständigen Rechtsprechung ist festzuhalten. Jedenfalls die Vorschriften des Ersten Kapitels des Zweiten Teils des Berufsbildungsgesetzes sind weiterhin erkennbar auf die betriebliche Berufsausbildung ausgerichtet und damit nicht auf das Rechtsverhältnis der Parteien anzuwenden.
45bb) Die Anwendbarkeit der § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG und § 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG folgt auch nicht aus § 26 BBiG.
46(1) Diese Bestimmung ordnet die Anwendbarkeit der für das Berufsausbildungsverhältnis geltenden Vorschriften der §§ 10 bis 23 und § 25 BBiG für andere Vertragsverhältnisse unter der Voraussetzung an, dass es sich um Personen handelt, „die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben“. Eine Einstellung nach § 26 BBiG setzt voraus, dass der Vertragspartner durch ein Mindestmaß an Pflichtenbindung am arbeitstechnischen Zweck des Betriebs des anderen Teils mitwirkt ( - Rn. 24, BAGE 123, 255 zur Vorgängernorm des § 19 BBiG aF). Dies ist bei einer Flugausbildung an einer Flugschule nicht der Fall.
47(2) Zudem setzt § 26 BBiG voraus, dass es sich nicht um eine „Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes“ handelt. Vorliegend geht es um eine Berufsausbildung, nur eben nicht um eine betriebliche.
48IV. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist der Senat nicht in der Lage, eine abschließende Entscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
491. Das Landesarbeitsgericht wird die Interessenabwägung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB erneut vorzunehmen haben. Im Hinblick auf die von Art. 12 Abs. 1 GG ausgehende Schutzfunktion muss die Angemessenheit der Rückzahlungsverpflichtung unter Berücksichtigung der Beteiligung beider Parteien an den Kosten, des Grades der Werthaltigkeit der Ausbildung sowie des Umstands, dass Menschen im Ausbildungsalter ohne anderweitigen Abschluss durch die Beteiligung an Ausbildungskosten typischerweise in besonderer Weise belastet sind, beurteilt werden. Die Rückzahlungsverpflichtung wird umso eher noch als angemessen betrachtet werden können, je höher die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Teilschulung einzustufen ist (vgl. - Rn. 46). Soweit das Landesarbeitsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - nicht weitergehend geprüft hat, ob und inwieweit der Kläger durch die Teilnahme an der Grundschulung einen geldwerten Vorteil erlangt hat, den er innerhalb oder außerhalb eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten hätte nutzen können, wird es die erforderlichen Feststellungen zu treffen und die Interessenabwägung unter Berücksichtigung folgender Gesichtspunkte nachzuholen haben.
50a) Zwar trägt der Flugschüler kein Kostenrisiko für den Fall, dass ihm nach der Grundschulung keine weiteren Ausbildungsabschnitte angeboten werden. Der Rückzahlungsverzicht nach § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags greift allerdings erst, wenn dem Flugschüler aus betrieblichen Gründen nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Schulung die Übernahme in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis angeboten wird. Als unangemessen benachteiligend könnte sich das von ihm zu tragende Kostenrisiko erweisen, wenn ihm nach Abschluss der Grundschulung zunächst weder die Beklagte noch eine andere Konzerngesellschaft die Fortsetzung der Pilotenausbildung anbietet (§ 13 Abs. 2 des Schulungsvertrags) und er deshalb eine andere Ausbildung aufnimmt. Wird dem Flugschüler später die Fortsetzung der Pilotenausbildung angetragen und lehnt er dieses Angebot ab, weil er zunächst die zwischenzeitlich aufgenommene Ausbildung abschließen möchte, muss er einen wesentlichen Teil der Ausbildungskosten für die nicht abgeschlossene Pilotenausbildung tragen. Das hat zur Folge, dass er für einen mehrjährigen Zeitraum mit einem Kostenrisiko belastet wird, ohne die Gewissheit zu haben, seine Ausbildung bei der Beklagten oder einer ebenfalls unter den Konzerntarifvertrag fallenden Gesellschaft beenden zu können.
51b) Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Rückzahlungsverpflichtung in § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit es dem Kläger tatsächlich und rechtlich möglich war, seine weitere, auf der Grundschulung aufbauende Ausbildung zum Piloten in einer anderen Ausbildungsorganisation zu absolvieren. Nach Ziff. 2 der Anlage 5 des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 vom ist der integrierte MPL-Lehrgang bei einer Ausbildungsorganisation durchzuführen. Zugleich eröffnet Ziff. 2 der Anlage 3 des Anhangs I der Verordnung Raum für einen Wechsel der Ausbildungsorganisation während eines Ausbildungslehrgangs für die Erteilung der Pilotenlizenzen CPL und ATPL. Da laut § 1 des Schulungsvertrags die Grundschulung die theoretische ATPL (A)-Schulung umfasst, ist eine Verwertbarkeit im Rahmen eines Ausbildungslehrgangs für die Erteilung der Pilotenlizenz ATPL zu klären. Das Landesarbeitsgericht wird daher zu prüfen haben, ob und ggf. in welchem Umfang andere Fluggesellschaften zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereit waren, Flugschüler anderer Einrichtungen nach absolvierter Grundschulung zu übernehmen. Es wird dabei auch zu bewerten haben, ob die Verwertung der Grundschulung außerhalb des Konzerns der Beklagten aus tatsächlichen Gründen unmöglich oder zumindest so erschwert war, dass sie sich als wenig realistische Option darstellte.
522. Das Landesarbeitsgericht wird zudem zu prüfen haben, ob es auf die streitige Frage der Valutierung des Darlehens ankommt. Nach § 488 Abs. 1 BGB setzt ein Darlehensvertrag voraus, dass der Darlehensgeber sich verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen und dieser sich zur Rückzahlung des „zur Verfügung gestellten Darlehens“ verpflichtet. § 2 Satz 2 des Darlehensvertrags regelt, dass die Beklagte den Darlehensbetrag an die LFT auszuzahlen hat. Feststellungen zur Verfügungsstellung des Darlehens hat das Landesarbeitsgericht bisher nicht getroffen. Der Vortrag der Beklagten, wie das Darlehen zwischen den Gesellschaften behandelt wurde, bedürfte für den Fall, dass es auf die Valutierung ankäme, näherer Aufklärung.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:050923.U.9AZR351.22.0
Fundstelle(n):
SAAAJ-59105