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Zuschläge für Bereitschaftsdienst in Nachtstunden, an Sonntagen und an Feiertagen
Reichweite und Grenzen der Einkommensteuerbefreiung nach § 3b EStG
Nach § 3b EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit an einen Arbeitnehmer gezahlt werden, in bestimmten Grenzen von der Einkommensteuer befreit. Der nachfolgende Beitrag, der auf einer Anfrage aus der Praxis beruht, erörtert die Voraussetzungen, die Reichweite und die Grenzen der Steuerbefreiung nach § 3b EStG speziell für die Konstellation, dass Zuschläge der genannten Art für einen Bereitschaftsdienst des Arbeitnehmers gezahlt werden.
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I. Einführung und Problemstellung
[i]In welchen Fällen liegt Bereitschaftsdienst vor?Viele Arbeitnehmer sind nach ihrem Arbeitsvertrag, nach einem anwendbaren Tarifvertrag oder als Beamte zum Bereitschaftsdienst verpflichtet. Bereitschaftsdienst kommt in der Praxis häufig z. B. im Gesundheits- und Pflegesektor, im Bereich der öffentlichen und privaten Sicherheits- und Rettungsdienste oder in der Energieversorgungsbranche vor. Für den Bereitschaftsdienst ist kennzeichnend, dass der Arbeitnehmer nicht durchgehend im Betrieb des Arbeitgebers tatsächlich seine Arbeitstätigkeit ausübt, sondern sich vielmehr auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle – dies kann der Betrieb, aber auch ein anderer vom Arbeitgeber festgelegter Ort sein – aufhält, um im Bedarfsfall die Arbeit tatsächlich aufzunehmen. Die Zeiten der Bereitschaftsdienste liegen für gewöhnlich ganz oder teilweise in den Nachtstunden, an Wochenenden und an Sonn- und Feiertagen.
[i]Fällt Bereitschaftsdienst an Sonn- und Feiertagen auch unter § 3b EStG?Für die Zeiten des Bereitschaftsdienstes in den Nachtstunden, an Sonntagen und an Feiertagen steht den betreffenden Arbeitnehmern üblicherweise nach dem Arbeitsvertrag, einem anwendbaren Tarifvertrag oder öffentlich-rechtlichen Besoldungsvorschriften eine zusätzliche, zu dem regulären Grundlohn hinzutretende Vergütung zu. In steuerrechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in S. 3497welchen Grenzen solche Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge für einen Bereitschaftsdienst nach § 3b EStG von der Einkommensteuer befreit sind. Dieser Frage wird im Folgenden nachgegangen.
II. Die Vorschrift des § 3b EStG im Überblick
[i]Zuschläge sind nur steuerfrei, wenn sie neben dem Grundlohn gezahlt werdenNach § 3b Abs. 1 EStG sind bei Arbeitnehmern Zuschläge steuerfrei, „die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden“, soweit die Zuschläge die in § 3b Abs. 1, 3 EStG festgelegten Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen. Im Schrifttum wird die Regelung verbreitet kritisiert. So hält Valta sie für „rechtspolitisch verfehlt“; sie bereite „Anreize, die zu mehr „Arbeitsleid“ führen“ (Valta in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Stand: 160. Erg.-Lfg. Dezember 2021, § 3b EStG Rz. 5; kritisch auch Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach [HHR], EStG/KStG, Stand: 317. Erg.-Lfg. März 2023, § 3b EStG Rz. 6; Tipke, FR 2006 S. 949, 950 ff.).
[i]Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit in bestimmten Berufsgruppen unverzichtbar für ein funktionsfähiges GemeinwesenEntgegen diesen kritischen Stimmen ist die Vorschrift des § 3b EStG jedoch im Grundsatz positiv zu bewerten. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit in bestimmten Berufsbranchen zur Gewährleistung eines funktionsfähigen Gemeinwesens unverzichtbar ist und mithin im Allgemeininteresse liegt (s. BT-Drucks. 11/2157 S. 138). Mit der Steuerbefreiung gewährt der Staat den betroffenen Arbeitnehmern zum Ausgleich für die im Interesse der Allgemeinheit liegende, aber für sie persönlich belastende Arbeitsleistung außerhalb der üblichen Arbeitszeiten eine steuerliche Vergünstigung (s. , BStBl 1985 II S. 57, 58; v. - VI R 11/21, NWB NAAAJ-51033) und schafft zugleich einen sinnvollen Anreiz für eine Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, ohne die die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens gefährdet wäre (s. auch , BStBl 2011 II S. 43, Rz. 11).
[i]Höhe des GrundlohnsIn Bezug auf die nach § 3b EStG steuerfreien Zuschläge ist vom Arbeitgeber im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens nach §§ 38 ff. EStG keine Lohnsteuer einzubehalten (Bergkemper in HHR, EStG/KStG, Stand: 317. Erg.-Lfg. März 2023, § 3b EStG Rz. 12). Als Grundlohn definiert § 3b Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 EStG den laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Der Arbeitslohn ist nach § 3b Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG in einen Stundenlohn umzurechnen; dieser darf nicht höher als 50 € als absolute Obergrenze angesetzt werden.
III. Erfordernis der tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit
[i]Steuerfreie Zuschläge nur bei tatsächlich geleisteter ArbeitDie Steuerbefreiung setzt nach § 3b Abs. 1 EStG voraus, dass die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, für die die Zuschläge gewährt werden, tatsächlich geleistet worden ist (Rüsch in Frotscher/Geurts, EStG, Stand: 236. Erg.-Lfg. August 2023, § 3b Rz. 25). Mit diesem Erfordernis will der Gesetzgeber jene Fälle von der Steuerbefreiung ausschließen, in denen der Arbeitnehmer zwar Zuschläge erhält, die an Sonntags-, Feiertags- oder Nachtzeiten anknüpfen, der Arbeitnehmer aber tatsächlich nicht an Sonn- oder Feiertagen oder zur Nachtzeit gearbeitet hat.
[i]Vergütungen, die den Charakter einer generell erhöhten Entlohnung haben, fallen nicht unter die SteuerbefreiungSo hat der BFH die Steuerbefreiung nach § 3b EStG in einem Fall verwehrt, in dem die Arbeitnehmerin nach der heute in § 18 MuSchG (Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts v. , BGBl 2017 I S. 1228) enthaltenen gesetzlichen Regelung weiterhin Arbeitsentgelt erhielt, das zwar ursprünglich als Zuschlag für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden war, für das die Arbeitnehmerin aber wegen eines Beschäftigungsverbots nach der jetzt in §§ 5, 6 MuSchG enthaltenen gesetzlichen Regelung tatsächlich keine Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit geleistet hatte (, BStBl 2009 II S. 730). Auch im Fall, dass ein angestellter S. 3498Krankenhausarzt für den ärztlichen Bereitschaftsdienst einen pauschalen Zeitzuschlag von 15 % erhielt, der ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt wurde, hat der BFH eine Steuerbefreiung nach § 3b EStG verneint (, BStBl 1990 II S. 315; s. zu einem ähnlichen Sachverhalt auch , BStBl 2017 II S. 718, Rz. 18 ff.).