Der EuGH muss über den Kern der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft entscheiden
Besteuerung von Innenleistungen: das Ende der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft?
Am 1. Dezember hatte der EuGH ( und ) bestätigt, dass die Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit Blick auf die Frage des Steuerschuldners EU-konform ausgestaltet ist. Und dennoch kommt die Organschaft nicht zur Ruhe. Nunmehr steht der Kern der Organschaft auf dem Prüfstand und der EuGH muss entscheiden, ob Innenleistungen nicht steuerbar sind. Verneint der EuGH dies, widerspricht er damit dem jahrzehntelangen Verständnis der Organschaft.
Ausgangspunkt des Vorlageverfahrens sind die Äußerungen des EuGH ( ), wonach Mitglieder eines Organkreises weiterhin eine selbständige unternehmerische Tätigkeit ausüben. Hieraus leitet der V. Senat ( ) ab, dass auch steuerpflichtige Leistungen innerhalb des Organkreises möglich sind. Dies käme dem Ende der Organschaft gleich. Denn die Nichtsteuerbarkeit der Innenleistungen ist ein Hauptgrund für die Nutzung der Organschaft. Nicht voll vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer (z. B. Banken, Krankenhäuser, jPöR) können bislang steuerpflichtige Tätigkeiten auf Tochtergesellschaften auslagern, ohne dass dies zu einer Verteuerung der Leistung führt. Die Tochtergesellschaft gilt faktisch als interne Abteilung des Unternehmens.
Der V. Senat geht in seinem Beschluss von der Steuerbarkeit der Innenleistungen aus. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Organschaft sollen die Nichtsteuerbarkeit rechtfertigen. Ferner soll § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG richtlinienkonform auslegbar sein, sodass sich eine Besteuerung der Innenleistungen unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Stimmt der EuGH der Rechtsauffassung des BFH zu, droht damit eine Besteuerung aller Innenleistungen im Organkreis, sofern kein Vertrauensschutz greift. Die Bauträgerfälle haben jedoch gezeigt, dass § 176 AO im Umsatzsteuerrecht „verhandelbar“ zu sein scheint. Unternehmen sollten sich daher für ein mögliches negatives Urteil wappnen. Hierzu sind für Leistungen im Organkreis Rechnungen mit Steuerausweis zu erzeugen. Sind die Leistungen aus Sicht des EuGH nicht umsatzsteuerbar, liegen lediglich unbeachtliche Abrechnungsbelege vor ( ). Teilt der EuGH die Auffassung des V. Senats, liegt dem Leistungsempfänger eine ordnungsgemäße Rechnung vor. Steuerentstehung und Vorsteuerabzug fallen zeitlich zusammen und es droht kein Zinsschaden. Zwangsläufig ist eine Besteuerung von Innenleistungen jedoch nicht. Bereits an der im Urteil aufgeworfenen Vergleichsgruppe (Steuerbelastung bei Organschaft im Vergleich zu Leistungen zwischen fremden Dritten) sind Zweifel angebracht. Denn die Organschaft ist regelmäßig als Alternative zur internen und nicht zur externen Leistungserbringung zu sehen. Dann wäre eine Besteuerung der Innenleistungen jedoch nicht mehr rechtsformneutral. Insofern ist die erneute EuGH-Vorlage zu begrüßen, um diese zentrale Rechtsfrage zeitnah zu klären. Allerdings wird das Vorlageverfahren wohl dazu führen, dass der Gesetzgeber die seit Jahren notwendige Reform der Organschaft aufschiebt. Dies ist aus Praxissicht sehr zu bedauern, da eine Überarbeitung der Organschaft längst überfällig ist.
Andreas Fietz
Fundstelle(n):
NWB 2023 Seite 881
BAAAJ-36545