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BBK Nr. 6 vom Seite 269

Wahlrecht zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung

BFH stellt die Betriebsaufgabe der Betriebsveräußerung gleich

Wolfgang Eggert

[i]BFH, Urteil v. 29.6.2022 - X R 6/20 NWB VAAAJ-28648 Das in den EStR verankerte und bewährte Wahlrecht zwischen der Sofort- und der gestreckten Zuflussbesteuerung im Rahmen einer Betriebsveräußerung gibt es seit langem in R 16 Abs. 11 EStR. Dieses ist u. a. für Steuerpflichtige wichtig, denen die notwendige Liquidität für eine sofortige Steuerzahlung nicht zur Verfügung steht. Nunmehr hat der BFH ein solches Wahlrecht auch bei einer Betriebsaufgabe bejaht.

I. Gesetzliche Grundlagen

1. Betriebsveräußerung und -aufgabe

[i]Gesetzliche Gleichbehandlung von Betriebsveräußerung und BetriebsaufgabeDie Betriebsveräußerung ist u. a. in § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für die Veräußerung des gesamten Betriebs geregelt. Die Betriebsaufgabe findet sich in § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG und „gilt“ als Veräußerung im Sinne des Abs. 1 der Vorschrift. Beide Vorgänge werden somit vom Gesetzgeber gleich behandelt. Auf den ersten Blick liefert § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG lediglich die Erkenntnis, dass auch Veräußerungs- (und Aufgabe-)gewinne zu den gewerblichen Einkünften gehören. Die eigentliche Relevanz liegt aber in der steuerlichen Begünstigung (siehe dazu Abschnitt I.2).

[i]AufgabezeitraumDie Besteuerung des Gewinns nach § 16 EStG erfolgt zum Zeitpunkt der Veräußerung oder im Zeitraum der Aufgabe. Dieser Zeitraum wird von der Finanzverwaltung mit bis zu achtzehn Monaten akzeptiert. Die Rechtsprechung des BFH hatte in Ausnahmefällen auch schon zwei Jahre anerkannt. Die Betriebsveräußerung und die Betriebsaufgabe lassen sich im Grundsatz wie folgt differenzieren:


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Betriebsveräußerung
Betriebsaufgabe
Definition: Verkauf des Betriebs an einen Erwerber
Definition: Verkauf der Wirtschaftsgüter an mehrere Erwerber und/oder Überführung ins Privatvermögen
Konsequenz: Die wirtschaftliche Einheit „Gewerbebetrieb“ ist noch vorhanden.
Konsequenz: Die wirtschaftliche Einheit „Gewerbebetrieb“ existiert nicht mehr. S. 270

2. Steuerliche Begünstigungen für Betriebsveräußerung und -aufgabe

2.1 Freibetrag

[i]Freibetrag 45.000 €, Abschmelzung ab 136.000 €Ist ein unter § 16 EStG zu subsumierender Vorgang gegeben, gewährt der Gesetzgeber den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG. Dieser beträgt 45.000 € und wird abgeschmolzen, soweit der Veräußerungsgewinn die Grenze von 136.000 € übersteigt. Der Freibetrag

  • muss beantragt werden,

  • wird nur einmal im Leben gewährt und

  • kommt nur in Frage bei Vollendung des 55. Lebensjahres oder dem Vorliegen einer dauernden Berufsunfähigkeit.

2.2 Fünftelregelung und ermäßigter Steuersatz

[i]Fünftelregelung oder ermäßigter SteuersatzNeben dem Freibetrag kommt für Gewinne nach § 16 EStG auch noch die sog. Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 EStG) zur Anwendung. Dabei beträgt die Einkommensteuer für den begünstigten Gewinn das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte.

Die Regelung ist besonders attraktiv, wenn das nicht begünstigte Einkommen gering oder sogar negativ ist.

[i]Hänsch, Veräußerung eines Betriebs, eines Teilbetriebs bzw. eines Mitunternehmeranteils gemäß § 16 EStG, Grundlagen NWB SAAAE-58871 Deutlich häufiger relevant ist der nach § 34 Abs. 3 EStG ermäßigte Steuersatz: Dieser wird auf Antrag gewährt und beträgt 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre, mindestens jedoch 14 %.

Hinweis:

Als Faustformel eignet sich die Aussage, dass bei hohen Einkünften die ermäßigte Steuer rund ein Viertel der begünstigten Einkünfte beträgt. Die Begünstigung ist aber auf einen Betrag von 5 Mio. € gesetzlich begrenzt und von den identischen Voraussetzungen abhängig wie der Freibetrag (siehe Abschnitt I.2.1).

II. Wahlrecht bei Betriebsveräußerung

[i]Geißler, Betriebsveräußerung, infoCenter NWB XAAAB-05656 Bei einer Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge räumen die EStR in R 16 Abs. 11 EStR dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht ein.

Diese wiederkehrenden Bezüge können in Form einer Leib- oder einer Zeitrente, aber auch bei einer Ratenzahlung vorliegen. Die Ratenzahlung ist im Sinne des Wahlrechts dann geeignet, wenn die Raten während eines mehr als zehn Jahre dauernden Zeitraums zu zahlen sind und die Ratenvereinbarung sowie die sonstige Ausgestaltung des Vertrags eindeutig die Absicht des Veräußerers zum Ausdruck bringen, sich eine Versorgung zu verschaffen (H 16 Abs. 11 „Rentenzahlungen“ EStH).