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NWB-BB Nr. 3 vom Seite 70

Bilanzanalyse von Bauträgern – ein Praxisbeispiel

Herausforderungen durch Lieferengpässe, steigende Zinsen und Bauverzögerungen

Dr. Carola Rinker

Die Baubranche wird derzeit mit großen Herausforderungen konfrontiert: Sowohl die Baukosten als auch die Zinsen sind in diesem Jahr deutlich angestiegen. Dazu kommen die Lieferengpässe bzw. Lieferverzögerungen von Rohstoffen sowie die steigende Inflationsrate. Die Nachfrage ist zwar immer noch sehr hoch, dennoch gibt es aufgrund des schwierigen Marktumfeldes auch Bauträger, die Projekte auf Eis legen. Welche Herausforderungen dies für die Analyse der Bilanzen von Bauträgern mit sich bringt, zeigt der folgende Beitrag anhand eines Praxisbeispiels. Übrigens: Bei der Bilanz- bzw. Jahresabschlussanalyse unterstützen wir Sie mit zwei Tools, einer Checkliste sowie dem Online-Buch „Praktische Jahresabschlussanalyse“ – abrufbar in der NWB Datenbank unter NWB JAAAF-87036.

Jahresabschlussanalyse: Tools, Checkliste und Online-Buch, NWB JAAAF-87036

Kernaussagen
  • Durch die Verzögerung der Fertigstellung von Bauprojekten wird der Jahresüberschuss maßgeblich beeinflusst, was oftmals nicht im Einflussbereich des Unternehmens liegt.

  • Aufgrund der derzeit sehr dynamischen Entwicklungen sollten nicht nur die Jahresabschlüsse, sondern unterjährig auch die BWAs regelmäßig analysiert werden.

  • Die Struktur der Bilanz kann aufgrund der hohen Auftragssummen bereits durch ein Projekt nicht unerheblich beeinflusst werden.

I. Aktuelle Herausforderungen für Bauträger

In den aktuellen Gesprächen zwischen Projektentwicklern, Bauträgern und den finanzierenden Banken bzw. Geldgebern dominieren derzeit Fragen nach der nahen und mittleren Zukunft. Dabei spielt beispielsweise die Frage, wie sowohl Projektentwickler als auch Bauträger mit den Herausforderungen steigender Herstellungskosten umgehen, eine wichtige Rolle.

Nach den Aussagen von Projektentwicklern und Bauträgern hat sich auf der Kostenseite im Herbst 2022 eine leichte Entspannung gezeigt. Die Nachfrage bei Projektentwicklern ist gesunken, dennoch gibt es noch keinen Verhandlungsspielraum für Festpreis-Absprachen in den Bauverträgen mit den Endverbrauchern. Damit tragen die Projektentwickler das daraus entstehende Risiko einer signifikanten Baupreissteigerung über die Kalkulation hinaus. Da die Einkaufspreise bereits auf einem hohen Niveau sind und diese derzeit nur moderat steigen, wird seitens der Projektentwickler das Risiko als beherrschbar gesehen.

Die Entwicklung der Kaufpreise von Neubauvorhaben hängt nicht unerheblich von der Nutzungsart der Immobilie ab. Projekte mit einem Verkaufsfaktor einer über 30-fachen Jahresmiete werden derzeit in der Branche als kritischer angesehen als Objekte, die sich unterhalb dieser Grenze bewegen.

Darüber hinaus ist die Beschaffung von Fremdkapital deutlich teurer als noch vor einem Jahr. Die steigenden Zinsen treffen private Käufer sowie auch Kapitalanleger von Wohneinheiten gleichermaßen – und dies nicht unerheblich. Daneben lässt sich eine restriktivere Kreditvergabepolitik von Kreditinstituten beobachten. Diese Tatsachen führen dazu, dass sich die Investitionsentscheidungen für beide Käufergruppen verlangsamen.

II. Praxisbeispiel: Vorstellung des Unternehmens

Bei der Ermittlung der Kennzahlen und der Beschreibung der Herausforderungen anhand der wesentlichen Themen des Jahresabschlusses wurden die Zahlen eines real existierenden Bauträgers herangezogen. Dadurch sollen die Erläuterungen möglichst praxisnah gestaltet werden. Das Unternehmen firmiert als GmbH und wurde 2007 gegründet. Der gewählte S. 71Firmenname ist allerdings fiktiv: Das Unternehmen wird in diesem Beitrag als Solide-Bauen GmbH bezeichnet.

Zunächst werden in diesem Abschnitt sowohl das Geschäftsmodell als auch Auszüge des Jahresabschlusses 2020 dargestellt. Anschließend erfolgt eine Betrachtung einiger relevanter Themen des Jahresabschlusses 2021 für den Bauträger, bevor in einem Ausblick die Ereignisse des Jahres 2022 sowie 2023 skizziert werden.

Der Jahresabschluss für 2022 liegt bisher nur auszugsweise vor. Aufgrund von Personalausfällen, u. a. durch die Pandemie, und einer Personalknappheit sowohl beim Bauträger als auch bei der für die Erstellung des Jahresabschlusses verantwortlichen Steuerkanzlei, verzögert sich die Fertigstellung des Jahresabschlusses über die gesetzliche Frist hinaus. Aus diesen Gründen muss noch geprüft werden, ob die Jahresabschlussbuchungen alle korrekt erfasst wurden und unterjährig alle Geschäftsvorfälle gebucht werden. Da die BWAs in diesem Fall dann nicht aussagekräftig wären und die Ergebnisse verfälschen könnten, wird auf eine genauere Analyse verzichtet. Dieses praktische Problem zeigt, wie wichtig die korrekte Verbuchung aller Geschäftsvorfälle für die Aussagekraft der BWA ist.

Zur Beurteilung der Herausforderungen der Branche werden einige Auszüge aus dem Lagebericht vorgestellt. Darauf aufbauend werden im Abschnitt III einige Kennzahlen dargestellt, berechnet sowie interpretiert.

1. Geschäftsmodell

Die Solide-Bauen GmbH ist ein führender Bauträger für hochwertige Eigentumswohnungen sowie Seniorenwohnanlagen auf Baulückengrundstücken in Orts- und Stadtkernen. Die Bauvorhaben des Unternehmens zeichnen sich sowohl durch die Architektur als auch durch eine hohe Bauqualität aus.

Aufgrund des Erfolges des Bauträgers wurde der Radius der Kundenprojekte immer weiter ausgedehnt. Anfangs wurden hauptsächlich Projekte im Raum Freiburg realisiert, seit mehr als zehn Jahren werden nun auch Projekte im Großraum Karlsruhe und Stuttgart umgesetzt.S. 72

2. Darstellung ausgewählter Angaben aus dem Jahresabschluss 2020

Für ein besseres Gesamtbild der Entwicklung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des betrachteten Unternehmens werden in diesem Abschnitt zunächst einige Daten aus dem Jahresabschluss vorgestellt. Dazu werden die Daten der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung der letzten zwei Geschäftsjahre dargestellt (vgl. Übersichten 1 und 2). Es werden lediglich einige Punkte herausgegriffen, so dass die Erläuterungen in diesem Abschnitt nicht als abschließende Bilanzanalyse zu verstehen sind.

Aus der Bilanz der letzten zwei Geschäftsjahre (vgl. Übersicht 1) lassen sich folgende Schlüsse ziehen: