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NWB-EV Nr. 2 vom Seite 57

Tax-CMS für Family-Offices als System sui generis?

Eine aktuelle Untersuchung zur Grundausrichtung

Andreas Hakberdi und Bahar Yigit

Family-Offices als Gegenstand steuerlicher Compliance-Forschung wurden bislang nur am Rande durch das Schrifttum aufgegriffen, wenngleich die Thematik schon aufgrund der bearbeiteten Vermögenshöhen sowie typischen -strukturierung äußerst praxisrelevant ist. Eine empirische Untersuchung zu den grundsätzlichen Eigenschaften zeigt, dass sich ein entsprechendes Tax-Compliance-Management-System (Tax-CMS) schon anhand der Risiken deutlich vom klassischen unternehmerischen Mandatsbereich abgrenzt.

Kernaussagen
  • Trotz des Ausgangspunktes im ganzheitlichen Vermögenscontrolling sind folgende Voraussetzungen elementar für die Effektivität eines spezifischen Tax-CMS für Family-Offices: Ausstattung mit rechnungswesensexternen Akzenten, Integration externalisierter Dienstleistungen, Einbeziehung privater Lebensführung der Vermögensinhaber.

  • Die zentrale Herausforderung vollständiger steuerlicher Erfassung samt agenturtheoretischer Besonderheiten gebietet eine vom klassischen Unternehmensbereich abzugrenzende Grundausrichtung.

I. Zunehmende Bedeutung von Steuer-Compliance für Family-Offices

Die spätestens durch das (BStBl 2016 I S. 490) entfachte Debatte über die Einrichtung eines steuerlichen CMS und die damit verbundene indizielle Wirkung gegen vorsätzliche oder leichtfertige Steuerverkürzung, hatte bislang vorrangig Steuerabteilungen von Großkonzernen zum Adressaten und wurde nur vereinzelt auf professionell organisierte private Großvermögen übertragen. Anekdotische Praxiserfahrungen wie „Single Family Offices vermeiden den Bereich Compliance gern, weil dieser oft mit Bürokratie und (teilweise als ‚sinnlos' empfundenen) gesetzlichen Vorgaben in Verbindung gebracht wird“ konterkarieren deren eigene Präferenz für steuerlich etablierte Strukturen mit hoher Rechtssicherheit, welche sich gerade durch die Abminderung von Straf- und Reputationsrisiken motivieren.

Dabei bietet schon die zunehmende Bedeutung von Family-Offices in Deutschland, verbunden mit der stetigen Verschärfung steuerstraf- und bußgeldrechtlicher Risiken, nebst Änderungsdynamik des Steuerrechts, ausreichend Anlass zur detaillierten Auseinandersetzung mit der Qualitätssicherung und deren steuerlichen Datenverarbeitung. Schätzungen zufolge existieren in Deutschland etwa 50 bis 60 Multi-Family-Offices und 450 Büros, welche exklusiv eine Familie betreuen. Die typischerweise bearbeiteten Vermögenshöhen bedingen dabei ein außerordentliches Grundrisiko, da selbst auf Einzeltransaktionsebene sämtliche von der Rechtsprechung entwickelten Betragshöhen in ihrer Steuerrelevanz überschritten werden können, ohne dass ein rechnungslegungsäquivalenter Wesentlichkeitsgrundsatz existiert.

Erste einschlägige Beiträge liefern Angermann (2018), Betz (2019) und Holly (2020), welche heterogene Anlagestrategien, (steuer-)rechtliche Vermögensstrukturentscheidungen sowie Outsourcing als Bestimmungsfaktoren für den Aufbau des Kontrollsystems auf Basis ganzheitlich digitalem Vermögenscontrollings identifizieren, auf Internationalisierung von Vermögen und Familie als Komplexitätstreiber, aber auch steuerplanerische Potenziale und Reputationswahrung vermögender Privatpersonen eingehen und diverse Compliance-Risiken beispielhaft benennen. Bislang nicht zusammengetragen wurden allgemeine Anforderungen an ein Tax-CMS für Family-Offices. Mit welchen praktischen Spannungsfeldern dieses behaftet sein kann, hat eine wissenschaftliche Befragung von Steuerberatern ergeben, die schwerpunktmäßig vermögende Privatkunden oder Family-Offices betreuen.

II. Ergebnisse