Besitzen Sie diesen Inhalt bereits,
melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.
Bindung von Schlussbesprechungen nach Betriebsprüfungen
Teil 3: Treu und Glauben
[i]Zu Teil 1 (verbindliche Auskunft/Zusage) s. Wenzel, NWB 44/2022 S. 3120Nachdem in den ersten beiden Teilen der Aufsatzreihe „Bindung von Schlussbesprechungen nach Betriebsprüfungen“ (s. Wenzel, NWB 44/2022 S. 3120; ders., NWB 45/2022 S. 3182) die verbindliche Zusage/verbindliche Auskunft und die tatsächliche Verständigung vorgestellt wurden, widmet sich der dritte und letzte Teil der Aufsatzreihe der Bindungswirkung einer mündlichen Abrede. [i]Zu Teil 2 (tatsächliche Verständigung) s. Wenzel, NWB 45/2022 S. 3182Als vermeintlich einfacherer und schnellerer Weg, Einigkeit über einen streitigen Sachverhalt zu erzielen, wird in der Schlussbesprechung gern eine mündliche Abrede getroffen. Regelmäßig wird diese Verabredung im Rahmen des Fair Play in den schriftlichen Schlussbericht überführt und anschließend im Änderungsbescheid übernommen. Es ist allerdings fraglich, ob die Finanzverwaltung an mündliche Abreden außerhalb einer tatsächlichen Verständigung im Zuge der Schlussbesprechung gebunden ist.
.
Die weiteren Teile der Aufsatzreihe „Bindung von Schlussbesprechungen nach Betriebsprüfungen“ von Wenzel finden Sie hier:
Teil 1: Verbindliche Auskunft und verbindliche Zusage, .
Teil 2: Tatsächliche Verständigung,
I. Funktion der Schlussbesprechung
[i]Beyer, Außenprüfung: Ein Leitfaden, Grundlagen, NWB FAAAE-82166 Während der Außenprüfung kommen dem Außenprüfer, dem Steuerberater sowie dem Steuerpflichtigen unterschiedliche Funktionen, Aufgaben und Rechte zu, was zu einem strukturellen Spannungsverhältnis führt (vgl. Prinz, Ubg 2018 S. 36, 39). Vielfach sind Steuerberater und Außenprüfer um ein konsensuales Arbeitsverhältnis bemüht. Bei S. 3253einem solchen fairen, transparenten und verlässlichen Umgang bestehen sehr gute Aussichten, in der Schlussbesprechung eine geeinte, streitschlichtende Lösung zu finden, selbst wenn die Reizschwelle des Steuerpflichtigen verständlicherweise niedrig liegen sollte.
[i]Gesetzliche FunktionDer Gesetzgeber hat die Außenprüfung durch die §§ 193 ff. AO geregelt. Die Schlussbesprechung ist im Kontext zum Prüfungsbericht zu sehen, wobei sie dem Abschluss der Sachverhaltsermittlung und damit der Prüfungshandlung dient (vgl. Ellermann/Peter, BB 2001 S. 550, 551). Mit ihr wird dem Steuerpflichtigen angezeigt, dass das Finanzamt grundsätzlich keine weiteren Prüfungshandlungen mehr für erforderlich hält (vgl. , NWB AAAAE-15580, Leitsatz 2) und zugleich wird mit ihr dem Steuerpflichtigen vor Erstellung des Prüfungsberichts die Möglichkeit des allgemeinen rechtlichen Gehörs eingeräumt (Liehr, StBW 2011 S. 226, 230). Der Steuerpflichtige kann sich in der Schlussbesprechung umfassend zu den Prüfungsfeststellungen inklusive der rechtlichen Einschätzung einlassen (vgl. Pieske-Kontny, StBp 2020 S. 210).
[i]BefriedungsfunktionDiese Möglichkeit der Einlassung soll zu einer Diskussionsmöglichkeit von strittigen Fragestellungen, zu einzelnen Sachverhalten oder rechtlichen Beurteilungen führen, um ein Überdenken der eigenen Position und ein Anschließen an die jeweils andere Meinung zu ermöglichen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 201 AO Rz. 5). Die problematischen Fragestellungen sollen möglichst bereits während der Schlussbesprechung (vollständig) erledigt werden (vgl. , Rz. 206), um das nachfolgende Verwaltungsverfahren zu entlasten. In diesem Sinne hat sie mit der Schaffung eines geeinten Ergebnisses eine Befriedungsfunktion (vgl. , NWB MAAAE-60035).
[i]Keine gesetzliche VerbindlichkeitTrotz dieser gesetzgeberisch weitreichenden Funktion der Schlussbesprechung ist keine gesetzliche Verbindlichkeit vorgesehen. Die Schlussbesprechung bildet nicht den Abschluss der Außenprüfung, sondern ist lediglich der Abschluss der Prüfungshandlungen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 201 AO Rz. 11). Die Besprechung dient der inhaltlichen Vorbereitung des Betriebsprüfungsberichts (vgl. Niewerth in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 202 Rz. 2), wobei dieser lediglich eine Dokumentationsfunktion sowie eine Informationsfunktion zu den Prüfungsfeststellungen beinhaltet und als Grundlage einer ändernden Veranlagung dient (vgl. Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO/FGO Kommentar, § 202 AO Rz. 2). Er hat selbst keine Bindungswirkung, die Veranlagungsstellen können im Nachgang vom Bericht noch abweichen (Hendricks/Wedel in Gosch, AO/FGO Kommentar, § 199 AO Rz. 51). Demzufolge erlangen die (geeinten) Ergebnisse der Schlussbesprechung grundsätzlich erst durch den Verwaltungsakt ihre Bindungswirkung.
Wurde keine Bindung durch § 89 Abs. 2, § 204 AO herbeigeführt oder in der durchgeführten Schlussbesprechung keine tatsächliche Verständigung abgeschlossen, ist der Steuerpflichtige insoweit auf das Fair Play der Finanzverwaltung angewiesen. Beim Abweichen von diesem Fair Play kann sich der Steuerpflichtige grundsätzlich nicht auf ein verbindliches Handeln der Finanzverwaltung berufen.
Fraglich ist m. E. allerdings, ob hiervon Ausnahmen aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben zulässig und geboten sind.