Sanierungsabsicht bei Erlass durch nur einen Gläubiger
Leitsatz
Erlässt der einzige gesellschaftsfremde Gläubiger einer sanierungsbedürftigen und sanierungsgeeigneten Besitzpersonengesellschaft einen Teil ihrer Schulden, so ist davon auszugehen, dass er in Sanierungsabsicht handelt, wenn zugleich eine Gesellschafterin auf den ihr gegenüber der Gesellschaft zustehenden Rentenanspruch verzichtet und der Hauptlieferant der Betriebsgesellschaft an diese einen nicht rückzahlbaren Zuschuss leistet.
Gesetze: EStG § 3 Nr. 66 a. F.
Instanzenzug: FG Bremen (EFG 2000, 723) (Verfahrensverlauf),
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG. Sie war im Streitjahr (1986) lediglich Besitzgesellschaft. Betriebsgesellschaft war die A-GmbH. An der Klägerin waren die Beigeladene und B als Komplementäre sowie D als Kommanditistin beteiligt. Die Beigeladene nahm am Ergebnis lt. Handelsbilanz der Klägerin nicht teil; sie bezog von der Klägerin lediglich eine Leibrente, die steuerlich als Sonderbetriebseinnahme erfasst wurde.
Im Verlauf des Streitjahres waren zu Lasten der Klägerin bei ihrer Hausbank, der E-Bank, Verbindlichkeiten in Höhe von 1 305 448 DM entstanden, die in Höhe von ca. 1 025 000 DM gesichert waren. Im Sommer 1986 erklärte die E-Bank, sie sei aufgrund der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der Klägerin nicht mehr bereit, ihr Engagement in der bestehenden Form fortzuführen. Der Klägerin gelang es in der Folgezeit, die F-Bank dazu zu gewinnen, an Stelle der E-Bank unter bestimmten Voraussetzungen ihre Finanzierung zu übernehmen. Die F-Bank verlangte eine Umschuldung, die im Wesentlichen darauf beruhen sollte, dass die E-Bank einen Teil ihrer Forderungen erließ und dass die Beigeladene auf den ihr gegenüber der Klägerin zustehenden Leibrentenanspruch verzichtete. Außerdem sollte der Hauptlieferant C einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von 150 000 DM gewähren, den allerdings nach dem Vorbringen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) die Betriebs-GmbH erhielt.
Nachdem die Klägerin gegenüber der E-Bank zunächst einen Forderungsverzicht in Höhe von 350 000 DM angeregt hatte, erklärte sich die Bank mit Schreiben vom bereit, 250 000 DM zu erlassen, korrigierte jedoch diesen Betrag mit Schreiben vom auf 200 000 DM.
Mit Erklärung vom verzichtete die Beigeladene auf die ihr zustehende Rentenforderung. Gleichzeitig schied sie als Gesellschafterin aus der Klägerin aus. Zu diesem Zeitpunkt war für sie in einer negativen Ergänzungsbilanz der Betrag von 593 695 DM ausgewiesen. Die negative Ergänzungsbilanz hatte bei Gründung der KG dazu gedient, einen Einbringungsgewinn der Beigeladenen bzw. ihres verstorbenen Ehemannes zu vermeiden.
Gegen Übergabe der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Sicherheiten übernahm die F-Bank die verbliebenen Kredite der Klägerin von der E-Bank. Der in deren Schreiben vom zugrunde gelegte Teilverzicht von 200 000 DM reduzierte sich durch eine Zahlung aus dem Privatvermögen des Komplementärs B an die E-Bank auf 157 220 DM.
Diesen Betrag betrachtete die Klägerin zusammen mit dem Forderungsverzicht der als Gesellschafterin ausgeschiedenen Beigeladenen in Höhe von 195 787 DM als steuerfreien Sanierungsgewinn gemäß § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG a. F.) und reichte eine entsprechende Gewinnfeststellungserklärung für das Streitjahr ein.
Die Klägerin wies in ihrer Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 1986 einen laufenden Verlust in Höhe von 151 049 DM aus, den sie in Höhe von 149 519 DM B und in Höhe von 1 530 DM D zurechnete. Für die Beigeladene errechnete sie einen Aufgabegewinn von 397 907 DM. Das FA ermittelte demgegenüber einen Aufgabegewinn der Beigeladenen in Höhe von 376 327 DM, der auf der Auflösung des negativen Kapitalkontos in der Ergänzungsbilanz beruhte. Die hieraus resultierende Einkommensteuer wurde der Beigeladenen später in vollem Umfang erlassen. Als laufenden Verlust der Klägerin berücksichtigte das FA lediglich einen Betrag von 829 DM, den es in Höhe von 821 DM B und in Höhe von 8 DM D zurechnete. Es behandelte zwar den Verzicht der Beigeladenen auf ihren Rentenanspruch gewinnneutral als Einlage, erkannte jedoch den Forderungsverzicht der E-Bank nicht als steuerfreien Sanierungsgewinn an. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2000, 723).
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt wird.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA vom den Feststellungsbescheid 1986 vom dahin gehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb einschließlich Veräußerungsgewinn mit 271 861 DM angesetzt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Änderung des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides.
Bei der Ermittlung des steuerlichen Ergebnisses, das die Klägerin im Streitjahr erzielt hat, muss der von der E-Bank gewährte Schulderlass in Höhe von 157 220 DM außer Betracht bleiben. Es handelt sich insoweit um einen steuerfreien Sanierungsgewinn.
Nach § 3 Nr. 66 EStG a. F. waren Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstanden, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen wurden, von der Einkommensteuer befreit. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind unter einer Sanierung Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, ein Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns setzt danach im Einzelnen voraus, dass das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, die Gläubiger in Sanierungsabsicht handeln und der Schulderlass sanierungsgeeignet ist (, BFHE 143, 531, BStBl II 1985, 504). Fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, ist das Vorliegen eines steuerfreien Sanierungsgewinns zu verneinen (, BFHE 140, 521, BStBl II 1984, 472; vom III R 79/91, BFH/NV 1993, 536).
1. Das FG ist mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass die Klägerin sanierungsbedürftig war. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Unternehmen ist als sanierungsbedürftig anzusehen, wenn ohne die Sanierung die für eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebs und die Abdeckung der bestehenden Verpflichtungen erforderliche Betriebssubstanz nicht erhalten werden könnte (, BFHE 78, 308, BStBl III 1964, 122). Die Umstände des Streitfalls lassen den Schluss zu, dass die Klägerin für ihr Weiterbestehen auf Bankkredite angewiesen war, die die F-Bank nur unter der Voraussetzung eines Teilerlasses seitens der E-Bank, des Verzichts der Beigeladenen auf ihren Leibrentenanspruch und eines Zuschusses des Hauptlieferanten an die Betriebs-GmbH zu gewähren bereit war.
2. Die vom FG festgestellten Umstände reichen auch aus, um von der Sanierungseignung der Klägerin ausgehen zu können. Sanierungseignung bedeutet nach der Rechtsprechung, dass das Unternehmen im Zeitpunkt des Erlasses als lebensfähig angesehen werden konnte (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 3 Nr. 66 EStG Anm. 62). Im Streitfall konnte die Überlebensfähigkeit der Klägerin daraus hergeleitet werden, dass die F-Bank bereit war, die Geschäftstätigkeit der Klägerin im Falle des Entgegenkommens der E-Bank, der Beigeladenen und des Hauptlieferanten der Betriebs-GmbH weiter zu finanzieren. Dieser Umstand zeigt zugleich, dass konkret der Forderungsverzicht der E-Bank zusammen mit dem Verzicht der Beigeladenen auf ihren Rentenanspruch und der Gewährung eines Zuschusses an die Betriebs-GmbH seitens des Hauptlieferanten geeignete Maßnahmen waren, um das Überleben der Klägerin zu sichern.
3. Unter diesen Umständen ist entgegen der Auffassung des FG davon auszugehen, dass die E-Bank in Sanierungsabsicht gehandelt hat, als sie der Klägerin Schulden in Höhe von 157 220 DM erlassen hat. Nach § 3 Nr. 66 EStG a. F. war die Voraussetzung der Steuerfreiheit, dass Schulden ,,zum Zwecke der Sanierung'' erlassen wurden. Dieses als ,,Sanierungsabsicht'' bezeichnete Erfordernis ließ sich - anders als die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungseignung - unmittelbar dem Gesetzeswortlaut entnehmen. Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungseignung konnten daher nur als Anhaltspunkte für das Vorliegen der Sanierungsabsicht verstanden werden (Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O.). Umgekehrt wird daher in der Regel davon auszugehen sein, dass eine Schuld ,,zum Zwecke der Sanierung'' erlassen wird, wenn der Schuldner sanierungsbedürftig ist und der Erlass geeignet ist, die Sanierung herbeizuführen.
a) In diesem Sinne versteht der Senat die Rechtsprechung, wenn sie an das Vorliegen der Sanierungsabsicht keine strengen Anforderungen stellt (, BFHE 132, 72, BStBl II 1981, 181). Es liegt auf der Hand, dass regelmäßig auch eigennützige Motive des Gläubigers eine Rolle spielen werden, wie etwa die Rettung eines Teils der Restforderung oder der Erhalt von Geschäftsverbindungen. Solche Erwägungen sind indessen unschädlich, sofern die Sanierungsabsicht mitentscheidend war (, BFHE 146, 549, BStBl II 1986, 672; vom III R 257/84, BFH/NV 1989, 436, und in BFH/NV 1993, 536). Die Rechtsprechung hat daher das Vorliegen der Sanierungsabsicht unterstellt, wenn sich mehrere Gläubiger an einem Schuldenerlass beteiligen (, BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810). In einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, dass das gleichgerichtete Vorgehen mehrerer nicht allein von deren jeweiligen Interessen geleitet wird. Auf der anderen Seite ist aber auch im Falle des Erlasses durch nur einen Gläubiger nicht schlechthin ausgeschlossen, dass dieser in Sanierungsabsicht gehandelt hat. Es ist dann lediglich anhand anderer Indizien zu prüfen, ob dem Schulderlass die Absicht zugrunde gelegen hat, den Schuldner vor dem Zusammenbruch zu bewahren (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom I A 305/36, RFHE 41, 111, RStBl 1937, 626; BFH-Urteil in BFHE 132, 72, BStBl II 1981, 181).
b) Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so ist zunächst zu beachten, dass die Klägerin als Besitzgesellschaft offenbar keine anderen gesellschaftsfremden Gläubiger hatte als die E-Bank. Deshalb sind in die Betrachtung auch der Verzicht der Beigeladenen auf ihren Rentenanspruch und der Zuschuss des Hauptlieferanten an die Betriebs-GmbH einzubeziehen. Beide Maßnahmen deuten - wie in anderen Fällen der Erlass durch eine Vielzahl von Gläubigern des Schuldners - darauf hin, dass der Sanierung ein Akkord mehrerer Beteiligter zugrunde lag. Nur bei erfolgreicher Fortführung der Betriebs-GmbH konnte die Klägerin als Besitzunternehmen gesunden. Der Verzicht der Beigeladenen auf ihren Rentenanspruch führte zwar nicht - wie der Erlass durch einen gesellschaftsfremden Gläubiger - zu einer Gewinnerhöhung. Vielmehr handelte es sich, wie das FA richtig erkannt hat, um eine Einlage. Gleichwohl befreite der Verzicht der Beigeladenen die Klägerin von einer Verpflichtung zu regelmäßigen gewinnunabhängigen Leistungen. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es, diese Maßnahme in die Betrachtung, ob ein Akkord mehrerer Beteiligter zur Herbeiführung der Sanierung vorgelegen hat, einzubeziehen. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die Beigeladene habe für ihren Verzicht eine Gegenleistung in Form der Freistellung vom ,,Ausgleich ihres negativen Kapitalkontos'' erhalten. Ein negatives Kapitalkonto der Beigeladenen wies nur die für sie aufgestellte Ergänzungsbilanz aus. Eine solche negative Ergänzungsbilanz gibt jedoch keine Verbindlichkeit des Gesellschafters gegenüber anderen Gesellschaftern oder Gläubigern der Gesellschaft wieder. Sie dient vielmehr ausschließlich dazu, den in der Gesellschaftsbilanz vorgenommenen Ansatz des eingebrachten Betriebsvermögens mit dem Teilwert für einen oder mehrere Gesellschafter zu neutralisieren (vgl. etwa Blümich/Wolff, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 24 UmwStG Rz. 27). Es handelt sich um einen rein steuerlichen Korrekturposten.
c) Auch wenn man die Interessenlage der E-Bank betrachtet, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass für den von ihr ausgesprochenen Erlass die Absicht, die Klägerin vor dem Konkurs zu bewahren, nicht zumindest mitentscheidend war. Dass die E-Bank ihre Geschäftsbeziehungen mit der Klägerin beenden wollte, spricht entgegen der Auffassung von FG und FA nicht gegen das Bestehen einer Sanierungsabsicht. Die Rechtsprechung hält eine Sanierung auch dann für möglich, wenn ein Einzelunternehmer in die Lage versetzt wird, sein Unternehmen aufzugeben, ohne von weiter bestehenden Schulden beeinträchtigt zu sein (vgl. z. B. BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 536, Nr. 3 der Gründe); in einer solchen Situation werden die Geschäftsbeziehungen mit den Gläubigern regelmäßig nicht mehr fortgeführt. Sicher lag der Bank mehr daran, einen möglichst großen Teil ihrer eigenen Forderung zu retten als den Betrieb der Klägerin zu erhalten. Es musste ihr aber klar sein, dass nur bei Fortführung des Betriebs der Klägerin bzw. des Betriebsunternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten würden ausgeglichen werden können.
4. Die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr einschließlich des Veräußerungsgewinns der Beigeladenen sind antragsgemäß auf 271 861 DM festzustellen.
Damit wirkt sich die Steuerfreiheit der durch den Erlass der E-Bank eingetretenen Vermögensmehrung nicht in vollem Umfang aus. Der Senat ist jedoch an den Klageantrag gebunden. Bei der Ergebnisverteilung ist von der nicht angegriffenen Feststellung des Veräußerungsgewinns der Beigeladenen seitens des FA auszugehen.
Mithin sind folgende Berechnungen anzustellen:
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a) Veräußerungsgewinn der Beigeladenen 376 327 DM Sonderbetriebseinnahmen der Beigeladenen und Gewinne aus der Ergänzungsbilanz 35 793 DM Gewinn der Beigeladenen (unverändert) 412 120 DM ./. Gesellschaftsgewinn lt. Klageantrag ./. 271 861 DM -------------- Differenz = Verluste B und D 140 259 DM ./. Ergänzungsbilanzverlust B 3 789 DM -------------- Differenz 136 470 DM ./. 1 v. H. Anteil D 1 364 DM -------------- Anteil B 135 106 DM b) Das Ergebnis verteilt sich demnach wie folgt: Gesamt B 271 861 DM ./. 138 895 DM (135 106 DM + 3 789 DM) Beigeladene D 412 120 DM ./. 1 364 DM davon Veräußerungsgewinn 376 327 DM |
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 854
BB 2002 S. 2315 Nr. 45
BFH/NV 2002 S. 1636 Nr. 12
BFHE S. 278 Nr. 199
DB 2002 S. 2305 Nr. 44
DStR 2002 S. 2028 Nr. 47
DStRE 2002 S. 1417 Nr. 23
FR 2003 S. 17 Nr. 1
INF 2003 S. 4 Nr. 1
KÖSDI 2002 S. 13487 Nr. 11
LAAAA-89376