,,Unentgeltlich'' i. S. des § 4 Satz 2 EigZulG ist nur eine Wohnungsüberlassung, für die keinerlei Entgelt gezahlt wird
Leitsatz
,,Unentgeltlich'' i. S. des § 4 Satz 2 EigZulG ist nur eine Wohnungsüberlassung, für die keinerlei Entgelt gezahlt wird; eine Gegenleistung gleich welcher Art und Höhe ist förderungsschädlich.
Gesetze: EigZulG § 4 Satz 2
Instanzenzug: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1999, 322) (Verfahrensverlauf),
Tatbestand
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) - Eheleute - erwarben im Bauträgermodell mit Vertrag vom ein Wohnhaus in der Heimatstadt der Klägerin für 399 000 DM, das vom Bruder der Klägerin (B) und dessen Ehefrau genutzt wird. Ab 1997 bewohnte auch ein studierender Sohn der Kläger ein Zimmer in diesem Wohnhaus, das den Klägern auch als Zweitwohnsitz dient.
Mit Verträgen vom nahmen die Kläger zur Finanzierung des Wohnhauses drei Darlehen bei der Sparkasse auf, und zwar
- ein Darlehen in Höhe von 40 000 DM (Zinssatz 6 % p. a.), das bei Fälligkeit des abgetretenen auf B lautenden Sparkassenbriefs in dieser Höhe zurückgezahlt wurde,
- ein Darlehen in Höhe von 163 000 DM (Zinssatz 6 % p. a.), das u. a. mit Sonderzahlungen aus dem Verkaufserlös einer Eigentumswohnung der Eheleute B in Höhe von 150 000 DM abgelöst wurde und
- ein Darlehen in Höhe von 100 000 DM (Zinssatz 7 % p. a.), worauf Sondertilgungen in Höhe von maximal 10 000 DM pro Jahr geleistet werden konnten.
Von den Eheleuten B erhielten die Kläger im Oktober 1996 zunächst 14 278,76 DM und dann weitere 46 869,96 DM, insgesamt also 61 148,72 DM. Hierauf zahlten die Kläger den Eheleuten B in bar 11 148,72 DM zurück. Über den verbliebenen Betrag in Höhe von 50 000 DM schlossen die Kläger Anfang Januar 1997 einen Darlehensvertrag, der sich darüber hinaus auf die Gewährung weiterer Darlehen in Höhe von insgesamt 190 000 DM (40 000 DM aus dem abgetretenen Sparkassenbrief, 150 000 DM aus dem Verkaufserlös einer Eigentumswohnung) erstreckte. Bezüglich aller dieser Darlehen war ein Zinssatz von 2,5 % p. a. über dem bei Beginn einer Abrechnungsperiode (= Kalenderjahr) geltenden Bundesbank-Diskontsatz vereinbart die Zinsen waren zum Ende der Abrechnungsperiode fällig. Die Darlehen sollten auf unbestimmte Zeit gewährt werden; sie konnten vom Darlehensgeber jederzeit mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende eines Kalendermonats und vom Darlehensnehmer jederzeit ganz oder teilweise schriftlich gekündigt bzw. ganz oder teilweise zurückgezahlt werden. Sicherheiten wurden nicht vereinbart. Die danach für 1997 zu zahlenden Zinsen beliefen sich bei einem zugrunde gelegten Zinssatz von 5 % p. a. auf 10 847,69 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die Gewährung der Eigenheimzulage ab, da wegen der Mitfinanzierung des Wohnhauses durch die Eheleute B keine unentgeltliche Überlassung an Angehörige vorliege.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt mit der Begründung, dass keine Mittelverwendungsbestimmung zwischen Darlehensgeber und -nehmer getroffen worden sei; mangels fehlender ,,synallagmatischer Verknüpfung'' liege - auch im Fall der Nichtanerkennung des bestehenden Darlehensverhältnisses - in der Mitfinanzierung der Baukosten durch Angehörige keine Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung, da zum Umfang des Abwohnens nichts vereinbart worden sei (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1999, 322).
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Satz 2 des Eigenheimzulagengesetzes - EigZulG -).
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
II.
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG ist ohne insoweit hinreichende tatsächliche Feststellungen von einer unentgeltlichen Wohnungsüberlassung i. S. von § 4 Satz 2 EigZulG ausgegangen.
1. Gemäß §§ 1, 4 Satz 1 EigZulG ist Voraussetzung für die Gewährung der Eigenheimzulage u. a., dass der anspruchsberechtigte Steuerpflichtige die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Nach § 4 Satz 2 EigZulG liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vor, soweit eine Wohnung unentgeltlich an einen Angehörigen i. S. des § 15 der Abgabenordnung (AO 1977) zu Wohnzwecken überlassen wird.
,,Unentgeltlich'' i. S. des § 4 Satz 2 EigZulG ist nur eine Wohnungsüberlassung, für die keinerlei Entgelt gezahlt wird; denn die den Nebensatz einleitende restriktive Konjunktion ,,soweit'' bezieht sich nicht auf das Merkmal der Unentgeltlichkeit, sondern auf das Überlassen der Wohnung. Ist dementsprechend eine Gegenleistung gleich welcher Art und Höhe förderungsschädlich (vgl. Blümich/Erhard, Eigenheimzulagengesetz, § 4 Rz. 24; Handzik/Meyer, Die Eigenheimzulage, 4. Aufl. 2001, Rz. 189; Wacker, Eigenheimzulagengesetz, 3. Aufl. 2001, § 4 Rz. 27 a. E.; Hausen/Kohlrust-Schulz, Die Eigenheimzulage, Rz. 187; Risthaus, Eigenheimzulagengesetz und Anwendungserlaß, 1998, § 4 EigZulG Tz. 10; , BStBl I 1998, 190, 194 Rz. 26, sowie zu § 10 h des Einkommensteuergesetzes - EStG - : , BFHE 194, 143, BStBl II 2001, 596; aufhebend Urteil des Hessischen FG in EFG 1997, 800; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, § 10 h Rz. 8; Kleeberg in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 10 h Rdnr. 812; Stuhrmann in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 10 h Rz. 15), so kann die Unentgeltlichkeit der Wohnungsüberlassung - entgegen der Ansicht des FG und der Kläger - nicht allein aus dem Fehlen synallagmatischer Vertragsbeziehungen, also eines Gegenseitigkeitsverhältnisses im zivilrechtlichen Sinne, hergeleitet werden.
Generell hängt die steuerrechtliche Beurteilung eines Vorgangs nicht entscheidend von der Vertragsgestaltung ab und wird nicht allein durch zivilrechtliche Vorgaben bestimmt; maßgeblich ist vielmehr das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse. Dementsprechend muss der als Gegenleistung in Betracht kommende Vorteil im wirtschaftlichen (Veranlassungs-)Zusammenhang (gerade) mit der Wohnungsüberlassung stehen.
In diesem Sinne versteht der erkennende Senat auch die Ausführungen des X. Senats zur Vorgängerregelung des § 10 h EStG (BFH in BFHE 194, 143, BStBl II 2001, 596, unter 2. b bb). Für die vorstehende Auffassung spricht auch, dass die bisherige Regelung des § 10 h EStG in § 4 Satz 2 EigZulG ohne Änderung der Rechtslage übernommen werden sollte (vgl. Stephan, Die Wohneigentumsförderung, 6. Aufl. 1999, S. 637, unter 5.2.3.; Wacker, a. a. O., § 4 Rz. 27; Wilde, Eigenheimzulagengesetz, 1998, § 4 Rz. 18; Hausen/Kohlrust-Schulz, a. a. O., Rz. 189; im Ergebnis auch BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 190 Tz. 26; a. A. Urban, Die steuerliche Förderung des Wohnungsbaus, 1998, Rdn. 513; Hildesheim, Eigenheimzulage, 2000, Rn. 78). Damit wollte der Gesetzgeber nur solche Maßnahmen als ,,unentgeltlich'' erbracht begünstigen, zu denen die Angehörigen keinen - wie auch immer gearteten - finanziellen oder wirtschaftlichen Beitrag für die Wohnungsüberlassung leisten (BFH in BFHE 194, 143, BStBl II 2001, 596).
Demgemäß kann auch bei Gewährung eines zinsverbilligten Darlehens durch einen Wohnungsnutzer an den Wohnungseigentümer in Höhe einer (möglichen) Zinsermäßigung jedenfalls dann eine - die Förderung nach § 4 Satz 2 EigZulG ausschließende - Gegenleistung vorliegen, wenn das Darlehen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Wohnungsüberlassung steht (vgl. zu § 10 h EStG: BFH in BFHE 194, 143, BStBl II 2001, 596; Paus, Steuerliche Förderung unentgeltlich überlassener Wohnungen, Die Information über Steuer und Wirtschaft - INF - 1992, 196, 199; Schmidt/Drenseck, a. a. O., § 10 h Rz. 8; Stephan, a. a. O., S. 375; ders. in Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuergesetz, § 10 h Rn. 9; Stuhrmann in Bordewin/Brandt, a. a. O., § 10 h Rz. 15; Kleeberg in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, a. a. O., § 10 h Rdnr. B 12).
2. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der erkennende Senat kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob die Kläger ihr Wohnhaus ,,unentgeltlich'' an Angehörige überlassen haben. Dazu bedarf es zunächst der Feststellung, ob überhaupt und ggf. in welchem Umfang die Kläger von den Eheleuten B eine Leistung in Gestalt eines wirtschaftlichen Vorteils (Zinsermäßigung) erhalten haben. Eine solche Zinsermäßigung wird nur insoweit vorliegen, als die Eheleute B anderweitig für eine entsprechende Darlehenshingabe einen höheren Zins hätten erzielen können. Kommt eine solche Leistung in Betracht, ist des Weiteren festzustellen, ob im Streitfall ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der zinsverbilligten Gewährung des Darlehens und der Wohnungsüberlassung gegeben ist. Diese Feststellungen zu treffen und insgesamt zu würdigen, ist Sache des FG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 77
BB 2001 S. 2519 Nr. 49
BB 2002 S. 663 Nr. 13
BFH/NV 2002 S. 92 Nr. 1
BFHE S. 481 Nr. 196
BStBl II 2002 S. 77 Nr. 3
DB 2001 S. 2530 Nr. 48
DStR 2001 S. 2067 Nr. 48
DStRE 2001 S. 1357 Nr. 24
INF 2002 S. 26 Nr. 1
KÖSDI 2002 S. 13125 Nr. 1
VAAAA-89111