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NWB Nr. 27 vom Seite 1975

Einkommensteuer/Lohnsteuer: Quartalsreport 2/2021

Aktuelle Entwicklungen und Fragestellungen mit Beratungshinweisen

Michael Seifert

[i]Quartalsreport 1/2021 s. Seifert, NWB 7/2021 S. 495Mit dem regelmäßigen Quartalsreport Einkommensteuer/Lohnsteuer werden für die Beratungspraxis wesentliche aktuelle Entwicklungen und Fragestellungen überblickartig dargestellt und praxisrelevante Hinweise gegeben. Die Darstellung orientiert sich hierbei an beratungsrelevanten Themenfeldern. Besondere Bedeutung kommt der neuen Kaufpreisaufteilung des BMF zu, die u. a. durch die Einbeziehung von Regionalfaktoren oftmals zu erhöhten Gebäude- und geringeren Bodenwerten führt. Zudem sind die BFH-Entscheidungen zur Bestimmung der ortsüblichen Miete und zur Verteilung von Erhaltungsaufwand in der laufenden Beratung zu beachten.

S. 1976

I. Die neue BMF-Kaufpreisaufteilung

1. Grundsätzliches

[i]Kaufpreisaufteilung für bebaute Grundstücke – Arbeitshilfe des BMF, NWB LAAAE-61859 Das BMF hat im Mai 2021 eine Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück in einen Anteil für Grund und Boden sowie Gebäude (Kaufpreisaufteilung) nebst Anleitung veröffentlicht. Hiermit soll eine Aufteilungsschätzung erfolgen; eine Widerlegung z. B. durch ein Gutachten ist zulässig. Die Finanzverwaltung reagiert damit auf das zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehene (NWB PAAAH-64928), wonach die bisherige Kaufpreisaufteilung die realen Wertverhältnisse insbesondere wegen der Nichtberücksichtigung von Orts- und Regionalfaktoren [i]Graf/Nacke, NWB 52/2020 S. 3874(regional unterschiedlicher Baukosten) in grundsätzlicher Weise verfehlt.

Praxishinweis:

In der Beratungspraxis sollte zunächst darauf geachtet werden, dass sich die Kaufpreisaufteilung nur auf den Grund- und Bodenanteil sowie den Gebäudeanteil bezieht. Was dem Gebäude zuzurechnen ist, bestimmt sich nach dem BGB (, BStBl 2017 II S. 437). Nicht dem Gebäude zuzurechnen sind Scheinbestandteile (§ 95 Abs. 2 BGB) wie z. B. eine Einbauküche ( BStBl 2017 I S. 775), das Zubehör (§ 97 BGB) und die Betriebsvorrichtungen (R 7.1 Abs. 3 Satz 1 EStR) wie z. B. Photovoltaikanlagen. Betriebsvorrichtungen sind selbständige Wirtschaftsgüter, weil sie nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude stehen. Bevor die BMF-Kaufpreisaufteilung anzuwenden ist, müssen die nicht dem Gebäude zuzurechnenden Kosten – bedarfsweise im Wege der sachgerechten Schätzung – aus dem Gesamtkaufpreis herausgerechnet werden. Zu empfehlen ist eine nachvollziehbare Kaufpreisaufteilung im Kaufvertrag (z. B. unter Beschreibung des Bauzustands). Dieser hat die Finanz verwaltung zu folgen, sofern der Wert nicht nur zum Schein getroffen wurde oder die Kaufpreisaufteilung Gestaltungsmissbrauch darstellt (, NWB QAAAH-80610, Rz. 60, m. w. N.).

[i]Verkehrs- oder TeilwerteNach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Gesamtkaufpreis für ein bebautes Grundstück nicht nach der Restwertmethode, sondern nach dem Verhältnis der Verkehrswerte oder Teilwerte auf den Grund und Boden einerseits sowie das Gebäude andererseits aufzuteilen (, BStBl 2001 II S. 183).

Entsprechend der ImmoWertV sind zur Ermittlung des Verkehrswerts folgende Ermittlungen im Schätzungswege möglich:

  • Vergleichswertverfahren,

  • Ertragswertverfahren,

  • Sachwertverfahren,

  • oder mehrere dieser Verfahren.

Hinweis: An der nachfolgend geäußerten Kritik an der BMF-Arbeitshilfe ändert sich nichts durch die zum in Kraft tretende Neufassung der ImmoWertV, der der Bundesrat am zugestimmt hat.

2. Vergleichswertverfahren

[i]Vergleichspreise stehen im VordergrundDas Vergleichswertverfahren ist ein Verfahren zur Wertermittlung von Immobilien. Steuerrechtlich erfolgt die Ermittlung in Anlehnung an § 15 ImmoWertV. Nach diesem Verfahren wird der Marktwert eines Grundstücks aus tatsächlich realisierten Kaufpreisen von anderen Grundstücken abgeleitet, die in Lage, Nutzung, Bodenbeschaffenheit, Zuschnitt und sonstiger Beschaffenheit hinreichend mit dem zu vergleichenden Grundstück übereinstimmen. S. 1977

Praxishinweis:

Im Rahmen der Arbeitshilfe zur typisierten Kaufpreisaufteilung weist die Finanzverwaltung darauf hin, dass bei Wohnungseigentum oder bei Ein- und Zweifamilienhäusern das Vergleichswertverfahren herangezogen werden kann, wenn vom örtlich zuständigen Gutachterausschuss für diese Grundstücks- bzw. Gebäudearten Vergleichsfaktoren vorliegen.

3. Ertragswertverfahren

[i]Gewinn/Rendite steht im VordergrundBeim Ertragswertverfahren steht nicht der Sachwert der Immobilie im Vordergrund, sondern wie viel Ertrag sich durch eine Immobilie erzielen lässt. Es kann deswegen nur bei Gebäuden angewandt werden, die in Zukunft Erträge abwerfen, also zumeist Mietimmobilien.

Praxishinweis:

Für Mietwohngrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke und Geschäftsgrundstücke wird von der Finanzverwaltung vorrangig das Ertragswertverfahren angewandt. Auch findet das Ertragswertverfahren bei Wohnungseigentum und Ein- und Zweifamilienhäusern Anwendung, sofern hier mangels Vergleichsfaktoren das Vergleichswertverfahren ausscheidet. Voraussetzung für die Anwendung des Ertragswertverfahrens ist die Kenntnis der tatsächlichen oder üblichen Miete.

Die Ertragswertermittlung erfolgt in Anlehnung an das allgemeine Ertragswertverfahren nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ImmoWertV.

4. Sachwertverfahren

[i]Nachrangige BewertungsmethodeSofern keine Daten für die Anwendung des Vergleichs- oder Ertragswertverfahrens vorliegen, wird das Sachwertverfahren herangezogen. Damit wird deutlich, dass das Sachwertverfahren nunmehr als nachrangige Bewertungsmethode angesehen wird, wenngleich die Finanzverwaltung in der Anleitung für die Berechnung zur Kaufpreisaufteilung darauf hinweist, dass die Wertermittlungsverfahren einander gleichwertig gegenüberstehen. In der Beratungspraxis sollten alle Wertermittlungsverfahren durchgerechnet und der jeweils günstigste Wert angesetzt werden.

[i]RegionalfaktorDie dem Sachwertverfahren zugrunde liegenden Normalherstellungskosten 2010 sind im Regelfall nicht mittels eines Regionalfaktors an die Verhältnisse am örtlichen Grundstücksmarkt einschließlich der regionalen Baupreisverhältnisse anzupassen. Daher wird grundsätzlich ein Regionalfaktor von 1,0 unterstellt. Insbesondere der örtlich zuständige Gutachterausschuss kann jedoch aus besonderem Grund eine Anpassung durch Festlegung eines von 1,0 abweichenden Regionalfaktors vorgeben. Sofern ein solcher Regionalfaktor vorliegt bzw. bekannt ist, wird dieser berücksichtigt.

Praxishinweis:

Der Regionalfaktor sollte im Einzelfall geprüft werden. Gerade in Großstädten liegt der Regionalfaktor über 1,0, so dass sich ein erhöhter Gebäudewert ergibt.