EuGH Urteil v. - C-846/19

Umsatzsteuer; Steuerbefreiung für soziale Tätigkeit des Anwalts (BRAK)

Leitsatz

1. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass Dienstleistungen, die zugunsten nicht geschäftsfähiger Erwachsener erbracht werden, um diese bei zivilrechtlichen Handlungen zu schützen, und deren Ausführung dem Dienstleistungserbringer von einer Justizbehörde kraft Gesetzes übertragen ist und deren Vergütung durch diese Behörde als Pauschalbetrag oder aufgrund einer Einzelfallprüfung, die u. a. die Vermögensverhältnisse der nicht geschäftsfähigen Person berücksichtigt, festgelegt wird, wobei diese Vergütung außerdem vom Staat übernommen werden kann, wenn die nicht geschäftsfähige Person nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung darstellen, wenn diese Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht werden, der Dienstleistungserbringer daraus nachhaltige Einnahmen erzielt und die Gesamthöhe der Ausgleichszahlung für diese Tätigkeit nach Kriterien bestimmt wird, die sicherstellen, dass die diesem Dienstleistungserbringer entstandenen Betriebskosten gedeckt sind.

2. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass Dienstleistungen zugunsten nicht geschäftsfähiger Erwachsener, die diese bei zivilrechtlichen Handlungen schützen sollen, „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ sind und dass nicht ausgeschlossen ist, dass einem Anwalt, der solche Dienstleistungen erbringt, für das Unternehmen, das er betreibt, und in den Grenzen dieser Dienstleistungen eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter gewährt werden kann, wobei diese Anerkennung jedoch nur dann zwingend durch eine Justizbehörde zu gewähren ist, wenn der betreffende Mitgliedstaat durch die Verweigerung dieser Anerkennung die Grenzen des ihm in diesem Zusammenhang eingeräumten Ermessens überschritten hat.

3. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verwehrt es der Finanzverwaltung nicht, auf bestimmte, auf einen bereits verstrichenen Zeitraum entfallende Umsätze Mehrwertsteuer zu erheben, wenn sie über mehrere Jahre Mehrwertsteuererklärungen des Steuerpflichtigen akzeptiert hat, in denen gleichartige Umsätze nicht als steuerbare Umsätze aufgeführt waren, und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich ist, die geschuldete Mehrwertsteuer von denjenigen wiederzuerlangen, die eine Vergütung für diese Umsätze geleistet haben, wobei diese Mehrwertsteuer dann als in den bereits gezahlten Vergütungen enthalten anzusehen ist.

Instanzenzug:

Gründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 Abs. 1 und Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen EQ und der Administration de l’Enregistrement, des Domaines et de la TVA (Einregistrierungs‑, Domänen- und Mehrwertsteuerverwaltung, Luxemburg) (im Folgenden: luxemburgische Steuerverwaltung) betreffend die Frage, ob Dienstleistungen, die ein Anwalt im Rahmen von Mandaten zum Schutz nicht geschäftsfähiger Erwachsener erbringt, die ihm von der zuständigen Justizbehörde kraft Gesetzes erteilt wurden, der Mehrwertsteuer unterliegen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3 Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“.

4 Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen“.

5 Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Als ‚Dienstleistung‘ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist“.

6 Art. 25 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Eine Dienstleistung kann unter anderem in einem der folgenden Umsätze bestehen:

a) Abtretung eines nicht körperlichen Gegenstands, gleichgültig, ob in einer Urkunde verbrieft oder nicht;

b) Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden;

c) Erbringung einer Dienstleistung auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes“.

7 Art. 73 dieser Richtlinie bestimmt:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen“.

8 Art. 131, einziger Artikel in Kapitel 1 („Allgemeine Bestimmungen“) unter Titel IX („Steuerbefreiungen“) der Mehrwertsteuerrichtlinie, lautet:

„Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen“.

9 Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“) unter Titel IX der Mehrwertsteuerrichtlinie umfasst die Art. 132 bis 134.

10 Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g dieser Richtlinie befreien die Mitgliedstaaten folgende Umsätze von der Steuer:

„eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“.

11 Art. 133 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können die Gewährung der Befreiungen nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, l, m und n für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einzelfall von der Erfüllung einer oder mehrerer der folgenden Bedingungen abhängig machen:

a) Die betreffenden Einrichtungen dürfen keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden.“

12 Art. 134 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„In folgenden Fällen sind Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen von der Steuerbefreiung des Artikels 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, 1, m und n ausgeschlossen:

a) sie sind für die Umsätze, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich;

b) sie sind im Wesentlichen dazu bestimmt, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden“.

Luxemburgisches Recht

13 Art. 4 Abs. 1 der Loi du 12 février 1979 concernant la taxe sur la valeur ajoutée (Gesetz vom über die Mehrwertsteuer) in der für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) bestimmt:

„Steuerpflichtiger gemäß Art. 2 ist, wer selbständig und regelmäßig Dienstleistungen als Teil einer jeglichen wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt, unabhängig von den Zwecken, den Ergebnissen und dem Ort dieser Tätigkeit. …“

14 Art. 5 des Mehrwertsteuergesetzes sieht vor:

„Als wirtschaftliche Tätigkeit gelten alle Tätigkeiten zur Erzielung von Einnahmen, insbesondere die Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte und der freien Berufe sowie die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

15 In Art. 15 Abs. 1 dieses Gesetzes heißt es:

„1. Als Dienstleistung gilt jeder Umsatz, der weder eine Lieferung, ein innergemeinschaftlicher Erwerb noch eine Einfuhr von Gegenständen ist.

Dieser Umsatz kann in der Abtretung eines nicht körperlichen Gegenstands, in der Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden, und in der Erbringung einer Dienstleistung kraft Gesetzes oder aufgrund einer behördlichen Anordnung bestehen.

…“

16 Art. 44 Abs. 1 Buchst. o des Mehrwertsteuergesetzes sieht vor:

„In den Grenzen und unter den Voraussetzungen, die durch Großherzogliche Verordnung bestimmt werden, sind von der Mehrwertsteuer befreit:

o) Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, die eng mit der sozialen Sicherheit, der Sozialfürsorge oder der öffentlichen Gesundheit verbunden sind und von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, Versicherungen auf Gegenseitigkeit, öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtungen, Pflegeheimen, Altenheimen, Gerontologie- oder Geriatriezentren, Krankenhaus- oder Wohltätigkeitsorganisationen und von anderen ähnlichen privaten Einrichtungen, deren sozialer Charakter von den zuständigen Behörden anerkannt wird, bewirkt werden;

…“

17 Art. 3 des Règlement grand-ducal du 23 décembre 1982 fixant les conditions de désignation d’un gérant de la tutelle (Großherzogliche Verordnung vom über die Voraussetzungen der Ernennung eines Vormunds) bestimmt:

„Das Vormundschaftsgericht kann für den Vormund eine Vergütung vorsehen, deren Höhe oder Berechnungsmethode es durch einen mit Gründen versehenen Beschluss unter Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse der nicht geschäftsfähigen Person bestimmt.

Bei dieser Vergütung handelt es sich entweder um einen festen Betrag oder um einen Anteil an den Einkünften der nicht geschäftsfähigen Person oder um ein Honorar, dessen Höhe nach Maßgabe der wahrgenommenen Aufgaben bestimmt wird.

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18 EQ ist Anwalt und seit 1994 beim Barreau de Luxembourg (Anwaltskammer Luxemburg) zugelassen. Seit 2004 übt er Tätigkeiten der Vertretung Erwachsener als Beauftragter, Pfleger und Betreuer aus.

19 Mit Bescheiden vom zur Nacherhebung der Mehrwertsteuer für die Jahre 2014 und 2015, die durch Widerspruchsbescheid vom bestätigt wurden, setzte die luxemburgische Steuerverwaltung die von EQ für diese Jahre geschuldete Mehrwertsteuer von Amts wegen fest, wobei sie davon ausging, dass die fraglichen Vertretungstätigkeiten mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistungen darstellten.

20 EQ focht den Bescheid vom beim vorlegenden Gericht an und machte u. a. geltend, dass die Tätigkeiten, die er im streitigen Zeitraum im Rahmen des Erwachsenenschutzes ausgeübt habe, keine wirtschaftlichen Tätigkeiten seien, dass diese Tätigkeiten jedenfalls gemäß der innerstaatlichen Rechtsvorschrift, mit der Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie umgesetzt werde, von der Mehrwertsteuer befreit seien und dass die luxemburgische Steuerverwaltung von 2004 bis 2013 anerkannt habe, dass die fraglichen Tätigkeiten nicht der Mehrwertsteuer unterlägen, so dass es einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes darstelle, nunmehr für die Jahre 2014 und 2015 Mehrwertsteuer auf sie zu erheben.

21 Außerdem widerspreche die Auffassung der luxemburgischen Steuerverwaltung der des Justizministeriums (Luxemburg), das die Zahlung der Honorare von mit Aufgaben des Erwachsenenschutzes betrauten Beauftragten übernehme, wenn die geschützten Personen nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügten, und anerkenne, dass diese Zahlungen nicht der Mehrwertsteuer unterlägen.

22 Die luxemburgische Steuerverwaltung tritt diesem Vorbringen entgegen. Zum einen stellten die von EQ auf dem Gebiet des Erwachsenenschutzes erbrachten Dienstleistungen durchaus eine wirtschaftliche Tätigkeit dar, da EQ diese Leistungen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Anwalt erbringe und damit beträchtliche Einnahmen erziele. Zum anderen könnten die genannten Leistungen unter den Umständen des vorliegenden Falls nicht gemäß der innerstaatlichen Rechtsvorschrift, mit der Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie umgesetzt werde, von der Mehrwertsteuer befreit werden, da die in dieser Rechtsvorschrift vorgesehene Befreiung nicht von einer Person geltend gemacht werden könne, die beruflich als Anwalt tätig sei und die Voraussetzung, eine Einrichtung mit sozialem Charakter zu sein, nicht erfülle.

23 Das vorlegende Gericht erläutert, dass für die Bedürfnisse nicht geschäftsfähiger Erwachsener, d. h. volljähriger Personen, die infolge einer Krankheit, einer Behinderung oder altersbedingter Gebrechlichkeit an einer Beeinträchtigung ihrer geistigen Fähigkeiten litten, verschiedene Schutzregelungen vorgesehen seien, darunter die Pflegschaft und die Betreuung, die es ermöglichten, diese Personen zu beraten, zu überwachen oder außergerichtlich zu vertreten, indem sie Dritten Verwaltungs- und Vertretungsbefugnisse zuwiesen. Die Einrichtung dieser Schutzregelungen könne die Ernennung eines speziellen Vertreters durch das Vormundschaftsgericht bis zum Erlass einer Entscheidung über die anzuwendende Schutzregelung sowie die Ernennung eines Ad-hoc-Vertreters bei einem Interessenkonflikt erfordern. In der Praxis würden als Pfleger, Betreuer, spezieller Vertreter und Ad-hoc-Vertreter insbesondere Familienangehörige, aber auch andere Personen wie Anwälte ausgewählt.

24 Zunächst behandelt das vorlegende Gericht die Frage, ob die fraglichen Tätigkeiten wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellen, die gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie ausgeübt werden, und führt aus, dass die in Art. 3 der Großherzoglichen Verordnung vom über die Voraussetzungen der Ernennung eines Vormunds genannten Vergütungen durchaus eine finanzielle Gegenleistung für diese Tätigkeiten implizierten.

25 Auch wenn die im vorliegenden Fall erbrachten Leistungen in allen Aspekten einer wirtschaftlichen Tätigkeit ähnelten, fragt sich das vorlegende Gericht zum einen nach der Tragweite der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorgenommenen Würdigung (vgl. u. a. Urteil vom , Nagyszénás Településszolgáltatási Nonprofit Kft., C‑182/17, EU:C:2018:91, Rn. 32), wonach eine Dienstleistung nur steuerbar ist, wenn zwischen dem Dienstleistungserbringer und dem Dienstleistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden. Auf dem Gebiet des Schutzes Erwachsener bestehe nämlich ein Dreiecksverhältnis zwischen dem Dienstleistungserbringer, dem Dienstleistungsempfänger – der geschützten volljährigen Person – und der Justizbehörde, die diesen Dienstleistungserbringer mit einer Verwaltungsaufgabe betraut habe. In diesem Zusammenhang spiele es möglicherweise auch eine Rolle, dass der Staat die Vergütung des Dienstleistungserbringers übernehme, wenn die betreffende geschützte volljährige Person die erforderlichen finanziellen Mittel nicht aufbringen könne.

26 Was zum anderen die Höhe der Vergütung betreffe, ergebe sich zwar aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es unerheblich sei, dass ein wirtschaftlicher Umsatz unter dem Selbstkostenpreis getätigt werde, aus dieser Rechtsprechung folge offenbar aber auch, dass die Vergütung im Voraus bestimmt sein und zur Deckung der Betriebskosten des Leistungserbringers ausreichen müsse (vgl. u. a. Urteil vom , Nagyszénás Településszolgáltatási Nonprofit Kft., C‑182/17, EU:C:2018:91, Rn. 38). Hier werde die Vergütung des Dienstleistungserbringers vom zuständigen Gericht im Einzelfall in Abhängigkeit von der Vermögenslage des Leistungsempfängers festgelegt, sei mithin nicht im Voraus bestimmt und stelle nicht unbedingt unter allen Umständen die Deckung der Betriebskosten dieses Leistungserbringers sicher.

27 Hinsichtlich der Frage, ob die fraglichen Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit seien, habe das vorlegende Gericht des Weiteren zu prüfen, ob diese Tätigkeiten unter den Begriff „Sozialfürsorge und … sozial[e] Sicherheit“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie fielen, und zu untersuchen, ob EQ unter den Begriff „von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ im Sinne dieser Bestimmung fallen könne und nach welchem Verfahren und durch welche Behörde diese Anerkennung erfolgen müsse.

28 Schließlich wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob der Grundsatz des Vertrauensschutzes im vorliegenden Fall Anwendung findet. In diesem Zusammenhang weist es darauf hin, dass sich der Steuerpflichtige, wenn die luxemburgische Steuerverwaltung ihm erst nach der Bewirkung der fraglichen Umsätze ihre Absicht mitteile, von ihrer bisherigen Haltung abzuweichen, wonach auf diese Umsätze keine Mehrwertsteuer anfällt, in der Situation befinde, dass er den Empfängern seiner Leistungen die Mehrwertsteuer nicht habe in Rechnung stellen können. Der Steuerpflichtige wäre also gezwungen, die vom Staat geforderte Mehrwertsteuer aus seinen eigenen Mitteln zu entrichten.

29 Unter diesen Umständen hat das Tribunal d’arrondissement (Bezirksgericht Luxemburg) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Ist der Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen, dass er Leistungen erfasst oder ausschließt, die im Rahmen eines Dreiecksverhältnisses erbracht werden, bei dem der Dienstleistende von einer Einrichtung beauftragt wird, die nicht mit dem Leistungsempfänger identisch ist?

  2. Ändert sich die Beantwortung der ersten Frage, wenn die Leistungen im Rahmen eines von einer unabhängigen Justizbehörde erteilten Auftrags erbracht werden?

  3. Ändert sich die Beantwortung der ersten Frage, je nachdem, ob die Vergütung des von einer staatlichen Einrichtung mit der Erbringung der Leistungen beauftragten Dienstleistenden vom Leistungsempfänger zu tragen ist oder vom Staat übernommen wird?

  4. Ist der Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass er Leistungen erfasst oder ausschließt, wenn die Vergütung des Dienstleistenden nicht gesetzlich vorgeschrieben ist und, wenn sie gewährt wird, ihre Höhe auf einer im Rahmen einer Einzelfallprüfung vorgenommenen Beurteilung beruht, immer von den Vermögensverhältnissen des Leistungsempfängers abhängt und entweder an einem Pauschalbetrag oder an einem Anteil der Einkünfte des Leistungsempfängers oder an den erbrachten Leistungen ausgerichtet wird?

  5. Ist der Begriff „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass er Leistungen erfasst oder ausschließt, die im Rahmen eines durch Gesetz eingeführten und der Kontrolle durch eine unabhängige Justizbehörde unterliegenden Systems der Beistandschaft für Erwachsene erbracht werden?

  6. Ist der Begriff „als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie im Hinblick auf die Anerkennung des sozialen Charakters der Einrichtung dahin auszulegen, dass er in Bezug auf die Form des Betriebs des Dienstleistenden oder der uneigennützigen oder gewinnorientierten Zielsetzung der Tätigkeit des Dienstleistenden bestimmte Anforderungen stellt, oder dahin, dass er ganz allgemein den Anwendungsbereich der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie vorgesehenen Befreiung durch weitere Kriterien oder Voraussetzungen beschränkt, oder reicht allein die Erbringung von „mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene[n]“ Leistungen, um der betreffenden Einrichtung einen sozialen Charakter zu verleihen?

  7. Ist der Begriff „als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass danach ein auf ein im Voraus festgelegtes Verfahren und ebensolche Kriterien gestützter Anerkennungsprozess erforderlich ist, oder kann im Einzelfall eine Ad-hoc-Anerkennung gegebenenfalls durch eine Justizbehörde erfolgen?

  8. Darf die mit der Einziehung der Mehrwertsteuer betraute Verwaltung nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs von einem Mehrwertsteuerpflichtigen die Zahlung der Mehrwertsteuer verlangen, die auf wirtschaftliche Vorgänge entfällt, die sich auf einen Zeitraum beziehen, der zu dem Zeitpunkt, zu dem die Verwaltung den Steuerbescheid erlassen hat, bereits verstrichen war, nachdem dieselbe Verwaltung vor diesem Zeitraum für eine lange Zeit die Mehrwertsteuererklärungen dieses Steuerpflichtigen akzeptiert hatte, in denen die gleichartigen wirtschaftlichen Vorgänge nicht bei den steuerbaren Umsätzen aufgeführt wurden? Unterliegt diese der mit der Einziehung der Mehrwertsteuer betrauten Verwaltung eröffnete Möglichkeit bestimmten Voraussetzungen?

Zu den Vorlagefragen

Zu den Fragen 1 bis 4

30 Mit den Fragen 1 bis 4, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Dienstleistungen eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung darstellen, die zugunsten nicht geschäftsfähiger Erwachsener erbracht werden, um diese bei zivilrechtlichen Handlungen zu schützen, und deren Ausführung dem Dienstleistungserbringer von einer Justizbehörde kraft Gesetzes übertragen ist und deren Vergütung durch diese Behörde als Pauschalbetrag oder aufgrund einer Einzelfallprüfung, die u. a. die Vermögensverhältnisse der nicht geschäftsfähigen Person berücksichtigt, festgelegt wird, wobei diese Vergütung außerdem vom Staat übernommen werden kann, wenn die nicht geschäftsfähige Person nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt.

31 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie der Mehrwertsteuer zwar einen sehr weiten Anwendungsbereich zuweist, diese Steuer jedoch ausschließlich Tätigkeiten wirtschaftlicher Art betrifft (Urteil vom , WEG Tevesstraße, C‑449/19, EU:C:2020:1038, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32 Insoweit hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine Tätigkeit nur dann als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie eingestuft werden kann, wenn mit ihr einer der in Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Steuertatbestände erfüllt wird (Urteil vom , Gemeente Borsele und Staatssecretaris van Financiën, C‑520/14, EU:C:2016:334, Rn. 21).

33 Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie, der die steuerpflichtigen Umsätze betrifft, unterliegen der Mehrwertsteuer u. a. Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt. Außerdem gilt gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie als „Steuerpflichtiger“, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis (Urteil vom , Lajvér, C‑263/15, EU:C:2016:392, Rn. 21).

34 Somit ist als Erstes zu bestimmen, ob Tätigkeiten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die das vorlegende Gericht als Dienstleistungen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie eingestuft hat, gegen Entgelt ausgeübt werden, wie diese Bestimmung es verlangt.

35 Zwar obliegt es letztlich dem vorlegenden Gericht, diese Prüfung durchzuführen, doch hat der Gerichtshof ihm alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Franck, C‑801/19, EU:C:2020:1049, Rn. 27).

36 Die Möglichkeit, eine Dienstleistung als Umsatz gegen Entgelt einzustufen, setzt nach ständiger Rechtsprechung nur das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dieser Leistung und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen Gegenleistung voraus. Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (Urteil vom , Saudaçor, C‑174/14, EU:C:2015:733, Rn. 32).

37 Im vorliegenden Fall geht aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts hervor, dass EQ im Rahmen der Ausübung der Verwaltungs- und Vertretungsmandate, mit denen er betraut war, tatsächlich Zahlungen erhielt.

38 Das vorlegende Gericht weist jedoch erstens darauf hin, dass EQ mit der Erbringung dieser Leistungen nicht von deren Empfängern betraut wurde, sondern von der zuständigen Behörde nach einer Regelung zum Schutz nicht geschäftsfähiger Erwachsener bei zivilrechtlichen Handlungen.

39 Der Gerichtshof hat indessen bereits entschieden, dass es für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der betreffenden Tätigkeit um Dienstleistungen gegen Entgelt handelt, unerheblich ist, dass diese Tätigkeit in der Wahrnehmung von Aufgaben besteht, die aus Gründen des Gemeinwohls durch Gesetz zugewiesen und geregelt werden (Urteil vom , Lajvér, C‑263/15, EU:C:2016:392, Rn. 42). Art. 25 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht nämlich ausdrücklich vor, dass es sich bei einer Dienstleistung um die Erbringung einer Dienstleistung auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes handeln kann.

40 Was zweitens die Frage betrifft, ob es in diesem Kontext eine Rolle spielt, dass die Vergütung für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen vom Staat übernommen werden kann, wenn die Leistungsempfänger nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen, ist darauf hinzuweisen, dass es für die Ausführung einer Dienstleistung „gegen Entgelt“ im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie, wie sich auch aus deren Art. 73 ergibt, nicht erforderlich ist, dass die Gegenleistung für die Dienstleistung unmittelbar vom Empfänger der Dienstleistung erbracht wird, sondern diese Gegenleistung auch von einem Dritten erbracht werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Le Rayon d’Or, C‑151/13, EU:C:2014:185, Rn. 34).

41 Was drittens die Modalitäten betrifft, nach denen die Vergütung für Dienstleistungen wie die von EQ erbrachten festgelegt wird, ergibt sich aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts sowie den schriftlichen Antworten von EQ und der luxemburgischen Regierung auf die vom Gerichtshof hierzu gestellten Fragen – deren sachliche Richtigkeit vom vorlegenden Gericht zu prüfen sein wird –, dass diese Vergütung aufgrund einer Einzelfallprüfung, die die finanziellen Verhältnisse der nicht geschäftsfähigen Person berücksichtigt, von der zuständigen Justizbehörde auf Antrag des Dienstleistungserbringers festgelegt wird, der dieser Behörde regelmäßig über seine Tätigkeiten Rechenschaft erstatten muss. Außerdem geht daraus hervor, dass sich die Vergütung in der Regel aus einem monatlichen Pauschalbetrag für die laufende Besorgung der Angelegenheiten der nicht geschäftsfähigen Person und bei Bedarf einem Betrag für zusätzliche Leistungen, der sich grundsätzlich auf Stundenbasis bestimmt, zusammensetzt. Die auf diese Weise gewährte Vergütung entspricht somit nicht unbedingt in jedem Fall dem tatsächlichen Wert der erbrachten Leistung.

42 In diesem Zusammenhang ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass das Entgelt für die betreffenden Dienstleistungen in Form einer Pauschale entrichtet wird, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und der empfangenen Gegenleistung nicht beeinträchtigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Le Rayon d’Or, C‑151/13, EU:C:2014:185, Rn. 37).

43 Zum anderen ist der Umstand, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit zu einem Preis über oder unter dem Selbstkostenpreis und somit zu einem Preis über oder unter dem normalen Marktpreis ausgeführt wird, unerheblich, wenn es um die Qualifizierung als entgeltliche Leistung geht, da sie den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der erbrachten oder zu erbringenden Dienstleistung und der empfangenen oder zu empfangenden Gegenleistung, deren Betrag im Voraus und nach genau festgelegten Kriterien bestimmt wird, nicht beeinträchtigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Lajvér, C‑263/15, EU:C:2016:392, Rn. 45 und 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

44 Außerdem steht die gerade beschriebene Festlegung der Vergütung, die nach Fortschritt der Tätigkeiten des fraglichen Dienstleistungserbringers und der Vorlage der Abrechnungen für seine Tätigkeiten bei der zuständigen Justizbehörde entrichtet wird, keineswegs der Annahme entgegen, dass der so festgelegte Betrag im Voraus nach genau festgelegten Kriterien im Sinne der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung bestimmt wurde, sofern die Modalitäten dieser Festlegung vorhersehbar und geeignet sind, sicherzustellen, dass dieser Dienstleistungserbringer grundsätzlich ein Entgelt für seine Leistungen enthält.

45 Nach alledem lassen die vom vorlegenden Gericht geschilderten Umstände keinen Zweifel daran erkennen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie erbracht wurden.

46 Nach dieser Feststellung müssen als Zweites die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen unter den Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen.

47 Der Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ ist in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin definiert, dass er alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe umfasst. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zeigt diese Definition klar, dass sich der Begriff „wirtschaftliche Tätigkeiten“ auf einen weiten Bereich erstreckt und dass es sich dabei um einen objektiv festgelegten Begriff handelt, da die Tätigkeit an sich, unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, betrachtet wird. Eine Tätigkeit wird im Allgemeinen also als wirtschaftliche angesehen, wenn sie nachhaltig ist und gegen ein Entgelt ausgeübt wird, das derjenige erhält, der die Leistung erbringt (Urteil vom , WEG Tevesstraße, C‑449/19, EU:C:2020:1038, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48 Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass für die Feststellung, ob eine Dienstleistung so erbracht worden ist, dass diese Tätigkeit als gegen ein Entgelt erfolgt und somit als eine wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen ist, alle Umstände zu prüfen sind, unter denen die Tätigkeit erfolgt ist (Urteil vom , Gemeente Borsele und Staatssecretaris van Financiën, C‑520/14, EU:C:2016:334, Rn. 29).

49 Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, kann insoweit von Bedeutung sein, ob die Ausgleichszahlung nach Kriterien bestimmt wird, die sicherstellen, dass sie zur Deckung der Betriebskosten des Dienstleistungserbringers ausreicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Nagyszénás Településszolgáltatási Nonprofit Kft., C‑182/17, EU:C:2018:91, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung), ebenso wie allgemeiner die Höhe der Einnahmen und weitere Gesichtspunkte wie die Zahl der Kunden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Gemeente Borsele und Staatssecretaris van Financiën, C‑520/14, EU:C:2016:334, Rn. 31).

50 Den tatsächlichen Feststellungen des vorlegenden Gerichts lässt sich entnehmen, dass die von EQ ausgeübte Tätigkeit nachhaltig ist. Wie sich aus Rn. 45 des vorliegenden Urteils ergibt, dürfte auch feststehen, dass seine Tätigkeit gegen Entgelt ausgeübt wird. Das vorlegende Gericht erläutert jedoch, dass es hieran angesichts des Umstands Zweifel hegt, dass die von diesem Dienstleistungserbringer erbrachten Leistungen nicht unbedingt unter allen Umständen so vergütet werden, dass die Deckung seiner Betriebskosten sichergestellt ist.

51 Der Umstand, dass nicht jede Dienstleistung einzeln betrachtet in einer Höhe vergütet wird, die den durch sie verursachten Kosten entspricht, genügt aber nicht, um zu belegen, dass die Tätigkeit insgesamt nicht nach Kriterien vergütet wird, die sicherstellen, dass die Betriebskosten des Dienstleistungserbringers gedeckt sind.

52 Vorbehaltlich einer Prüfung durch das vorlegende Gericht, dürfte sich das Ausgangsverfahren im vorliegenden Fall von denen unterscheiden, die den Rechtssachen zugrunde lagen, in denen die Urteile vom , Kommission/Finnland (C‑246/08, EU:C:2009:671, Rn. 50), und vom , Gemeente Borsele und Staatssecretaris van Financiën (C‑520/14, EU:C:2016:334, Rn. 33) ergangen sind; dort wurde eine wirtschaftliche Tätigkeit insbesondere mit der Begründung verneint, dass die von den Empfängern der betreffenden Leistungen gezahlten Beiträge nur zur Deckung eines kleinen Teils der den Leistenden insgesamt entstandenen Betriebskosten dienten.

53 Im Ausgangsverfahren deutet nämlich nichts darauf hin, dass die von EQ aus seiner Tätigkeit erzielten Einnahmen gemessen an seinen Betriebskosten nicht ausreichend sind. Im Übrigen können die Ergebnisse der betreffenden Tätigkeit für sich genommen für die in Rn. 48 des vorliegenden Urteils genannte Prüfung des wirtschaftlichen Charakters der in Betracht genommenen Tätigkeit nicht ausschlaggebend sein, da diese Prüfung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände vorzunehmen ist, unter denen diese Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. entsprechend Urteil vom , Enkler, C‑230/94, EU:C:1996:352, Rn. 29).

54 Vorbehaltlich einer Prüfung durch das vorlegende Gericht ist folglich nicht ersichtlich, dass die von EQ ausgeübte Tätigkeit keinen wirtschaftlichen Charakter aufweist.

55 Nach alledem ist auf die Fragen 1 bis 4 zu antworten, dass Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Dienstleistungen die zugunsten nicht geschäftsfähiger Erwachsener erbracht werden, um diese bei zivilrechtlichen Handlungen zu schützen, und deren Ausführung dem Dienstleistungserbringer von einer Justizbehörde kraft Gesetzes übertragen ist und deren Vergütung durch diese Behörde als Pauschalbetrag oder aufgrund einer Einzelfallprüfung, die u. a. die Vermögensverhältnisse der nicht geschäftsfähigen Person berücksichtigt, festgelegt wird, wobei diese Vergütung außerdem vom Staat übernommen werden kann, wenn die nicht geschäftsfähige Person nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung darstellen, wenn diese Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht werden, der Dienstleistungserbringer daraus nachhaltige Einnahmen erzielt und die Gesamthöhe der Ausgleichszahlung für diese Tätigkeit nach Kriterien bestimmt wird, die sicherstellen, dass die diesem Dienstleistungserbringer entstandenen Betriebskosten gedeckt sind.

Zu den Fragen 5 bis 7

56 Mit den Fragen 5 bis 7, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Dienstleistungen zugunsten nicht geschäftsfähiger Erwachsener, die diese bei zivilrechtlichen Handlungen schützen sollen, „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ sind und dass einem Anwalt, der solche Dienstleistungen erbringt, für das Unternehmen, das er betreibt, eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie gewährt werden kann.

57 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Begriffe, mit denen die in Art. 132 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgeführten Steuerbefreiungen umschrieben sind, eng auszulegen sind, da diese Befreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Die Auslegung dieser Begriffe muss jedoch den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, und mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden. Diese Regel einer engen Auslegung bedeutet also nicht, dass die zur Definition der Steuerbefreiungen im Sinne von Art. 132 verwendeten Begriffe in einer Weise auszulegen sind, die den Befreiungen ihre Wirkung nähme (Urteil vom , „go fair“ Zeitarbeit, C‑594/13, EU:C:2015:164, Rn. 17).

58 Wie sich aus dem Wortlaut von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt, gilt die in dieser Bestimmung vorgesehene Befreiung für Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, die zum einen „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden“ sind, und zum anderen durch „Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ bewirkt werden.

59 Was als Erstes die Voraussetzung anbelangt, dass die Dienstleistungen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sein müssen, so ist diese Voraussetzung im Licht von Art. 134 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie zu betrachten, wonach die betreffenden Lieferungen von Gegenständen bzw. Dienstleistungen jedenfalls für die der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unterfallenden Umsätze unerlässlich sein müssen (Urteil vom , Finanzamt D, C‑657/19, EU:C:2020:811, Rn. 31).

60 Hier geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen gemäß verschiedenen Regelungen bewirkt werden, die nach luxemburgischem Recht vorgesehen sind, um nicht geschäftsfähige Erwachsene bei zivilrechtlichen Handlungen zu unterstützen; die Geschäftsunfähigkeit dieser Personen kann bei einer Beeinträchtigung ihrer geistigen Fähigkeiten infolge einer Krankheit, einer Behinderung oder altersbedingter Gebrechlichkeit festgestellt werden. Nach diesen Regelungen werden einem Dritten von dem zuständigen Gericht Verwaltungs- und gegebenenfalls Vertretungsmandate für die nicht geschäftsfähige Person hinsichtlich deren zivilrechtlicher Handlungen und der Verwaltung ihres Vermögens erteilt. Hiermit beauftragt werden können u. a. Familienangehörige der geschäftsunfähigen Person, Sozialassistenten, gemeinnützige Vereine oder Anwälte.

61 Insbesondere geht aus den von EQ und der luxemburgischen Regierung eingereichten schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichtshofs hervor, dass ein Anwalt, der auf diese Weise mandatiert wurde, zugunsten der nicht geschäftsfähigen Person in der Regel vielfältige Leistungen zu erbringen hat, wie sie in den Nrn. 52 bis 57 der Schlussanträge des Generalanwalts zusammengefasst sind. Hiervon umfasst sind sowohl Leistungen, die zivilrechtliche Handlungen betreffen und der Regelung von Angelegenheiten des täglichen Lebens und der Verwaltung des Vermögens der nicht geschäftsfähigen Person dienen, als auch Leistungen, die juristischer Natur sind.

62 Zwar enthält die Mehrwertsteuerrichtlinie keine Definition der u. a. in ihrem Art. 132 Abs. 1 Buchst. g verwendeten Wendung „Sozialfürsorge und … soziale… Sicherheit“, doch hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Leistungen der Pflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, grundsätzlich eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden im Sinne dieser Bestimmung sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kügler, C‑141/00, EU:C:2002:473, Rn. 44).

63 Dies gilt auch für Dienstleistungen, die an geistig hilfsbedürftige Personen erbracht werden und zu deren Schutz bei zivilrechtlichen Handlungen dienen, wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind, für diese selbst zu sorgen, ohne Gefahr zu laufen, ihren eigenen Interessen – sei es finanzieller oder anderer Natur – zu schaden; gerade diese Gefahr rechtfertigte die Feststellung ihrer Geschäftsunfähigkeit.

64 Wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 63 und 64 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, sind diese Dienstleistungen, da sie dazu dienen, einer solchen Gefahr entgegenzuwirken, indem sie es ermöglichen, die jeweiligen Alltagstätigkeiten der Betroffenen – einschließlich jener finanziellen Natur – mit der nötigen Vorsicht zu besorgen, unerlässlich, um die Betroffenen vor Handlungen zu schützen, die ihnen schaden oder ihre würdevolle Lebensführung gefährden könnten.

65 Folglich fallen Dienstleistungen, die zugunsten nicht geschäftsfähiger Erwachsener bewirkt werden und zu deren Schutz bei zivilrechtlichen Handlungen dienen, unter den Begriff „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie.

66 Werden solche Dienstleistungen von einem Dienstleistungserbringer bewirkt, der im Rahmen der in Rn. 60 des vorliegenden Urteils genannten Mandate auch allgemeinere Tätigkeiten des Beistands oder der Beratung rechtlicher, finanzieller oder anderer Art wahrnimmt, etwa solche, die mit den speziellen Kenntnissen eines Anwalts, eines Finanzberaters oder eines Immobilienmaklers verbunden sind, ist jedoch zu präzisieren, dass Dienstleistungen, die im Rahmen der letztgenannten Tätigkeiten bewirkt werden, grundsätzlich nicht in den Bereich der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung fallen, selbst wenn sie im Kontext des einer nicht geschäftsfähigen Person geleisteten Beistands erbracht werden. In Anbetracht des Umstands, dass diese Steuerbefreiung eng auszulegen ist, können derartige Tätigkeiten nicht als für die Sozialfürsorge unerlässlich und eng mit dieser verbunden angesehen werden.

67 Diese Feststellung gebietet sich im Übrigen auch im Hinblick auf die Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität, der eine spezifische Ausprägung in Art. 134 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie findet und dem es insbesondere zuwiderläuft, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Brockenhurst College, C‑699/15, EU:C:2017:344, Rn. 35). Bewirken Dienstleistungserbringer, die mit Mandaten des Erwachsenenschutzes wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden betraut sind, nicht nur Umsätze, die mit dem Schutz nicht geschäftsfähiger Personen notwendig einhergehen, sondern auch Umsätze, die außerhalb solcher Mandate bewirkten Umsätzen ähnlich sind, verstieße es gegen diesen Grundsatz, wenn die Umsätze, die außerhalb solcher Mandate bewirkten Umsätzen ähnlich sind, bloß deshalb von der Mehrwertsteuer befreit wären, weil sie im Rahmen der Wahrnehmung solcher Mandate bewirkt werden.

68 Was als Zweites die Voraussetzung anbelangt, dass Dienstleistungen nur steuerfrei sind, wenn sie durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden, steht fest, dass EQ als bei der luxemburgischen Anwaltskammer zugelassener Anwalt nicht unter den Begriff „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ fällt, so dass er nur dann in den Genuss der fraglichen Steuerbefreiung kommen kann, wenn festgestellt werden kann, dass er unter den Begriff „andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt.

69 Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie legt weder die Voraussetzungen noch die Modalitäten einer Anerkennung des sozialen Charakters von anderen Einrichtungen als solchen des öffentlichen Rechts fest. Es ist daher grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen diesen Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann, wobei die Mitgliedstaaten über ein Ermessen verfügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Les Jardins de Jouvence, C‑335/14, EU:C:2016:36, Rn. 32 und 34).

70 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich hierzu, dass die nationalen Behörden bei der Anerkennung des sozialen Charakters von Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte mehrere Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben. Zu ihnen können das Bestehen spezifischer Vorschriften – seien es nationale oder regionale, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit –, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und der Gesichtspunkt zählen, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden, insbesondere, wenn die privaten Wirtschaftsteilnehmer vertragliche Beziehungen zu diesen Einrichtungen unterhalten (Urteil vom , Finanzamt D, C‑657/19, EU:C:2020:811, Rn. 44).

71 Nur wenn der Mitgliedstaat die Grenzen seines Ermessens nicht eingehalten hat, kann sich ein Steuerpflichtiger auf die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Steuerbefreiung berufen, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist. In einem solchen Fall ist es Sache des nationalen Gerichts, anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Zimmermann, C‑174/11, EU:C:2012:716, Rn. 28 und 32), wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 114 bis 119 seiner Schlussanträge ausgeführt hat.

72 Im vorliegenden Fall ist in Anbetracht der Fragen des vorlegenden Gerichts hervorzuheben, dass erstens die Anwendung der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung nicht nur von der Voraussetzung eines sozialen Charakters der Dienstleistungen abhängt, sondern überdies auf Dienstleistungen beschränkt ist, die durch Einrichtungen bewirkt werden, die als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind, wie in Rn. 58 des vorliegenden Urteils ausgeführt. Mit diesen beiden Voraussetzungen wäre es aber nicht vereinbar, wenn es den Mitgliedstaaten erlaubt würde, private Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht allein deshalb als Einrichtungen mit sozialem Charakter zu qualifizieren, weil sie auch Leistungen mit sozialem Charakter erbringen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C‑543/14, EU:C:2016:605, Rn. 61 und 63).

73 Zweitens schließt der Umstand, dass es sich bei dem fraglichen Dienstleistungserbringer um eine natürliche Person handelt, die mit ihrer Tätigkeit eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, nicht zwingend aus, ihr einen sozialen Charakter im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie zuzuerkennen. Der Gerichtshof hat nämlich bereits entschieden, dass der Begriff „als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ grundsätzlich weit genug ist, um auch private Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht einschließlich natürlicher Personen, die ein Unternehmen betreiben, zu umfassen, da auch sie abgegrenzte Einheiten darstellen, die eine bestimmte Funktion erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Gregg, C‑216/97, EU:C:1999:390, Rn. 17 und 18, vom , Kommission/Frankreich, C‑492/08, EU:C:2010:348, Rn. 36 und 37, sowie vom , Zimmermann, C‑174/11, EU:C:2012:716, Rn. 57).

74 Aus den dem Gerichtshof übermittelten Informationen geht im Übrigen nicht hervor, dass sich das Großherzogtum Luxemburg auf die in Art. 133 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Möglichkeit berufen hätte, die Gewährung der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g dieser Richtlinie vorgesehenen Befreiung u. a. Einrichtungen zu verweigern, die eine systematische Gewinnerzielung anstreben, so dass es dem Steuerpflichtigen, der diese Befreiung erhalten möchte, die etwaige Verfolgung eines solchen Ziels nicht entgegenhalten kann.

75 Diese Beschränkung der Befreiungsregel hat nämlich nur Eventualcharakter, und ein Mitgliedstaat, der es unterlassen hat, die insoweit erforderlichen Maßnahmen zu treffen, kann sich nicht auf sein eigenes Unterlassen berufen, um einem Steuerpflichtigen eine Steuerbefreiung zu verwehren, die dieser nach der Mehrwertsteuerrichtlinie in Anspruch nehmen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kügler, C‑141/00, EU:C:2002:473, Rn. 60). Diese Beschränkung in einem solchen Fall anzuwenden, verstieße außerdem möglicherweise gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, da die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g dieser Richtlinie genannten Leistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt würden, je nachdem, ob die sie erbringenden Einrichtungen Gewinnerzielung anstreben oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kingscrest Associates und Montecello, C‑498/03, EU:C:2005:322, Rn. 42).

76 Drittens ist die von einem Dienstleistungserbringer gewählte Betriebsform für seine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter zwar nicht ohne Bedeutung, da sie sich nicht als mit der Einstufung als „Einrichtung mit sozialem Charakter“ unvereinbar erweisen darf, doch können die Mitgliedstaaten eine solche Anerkennung nicht verweigern, ohne die konkreten Umstände des Einzelfalls genau zu prüfen, um festzustellen, ob sie den sozialen Charakter des von einem solchen Dienstleistungserbringer betriebenen Unternehmens belegen können; wenn der soziale Charakter nachgewiesen ist und soweit dieser Dienstleistungserbringer eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen erbringt, fallen diese daher unter die Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie.

77 Was konkret den Umstand betrifft, dass die betreffenden Dienstleistungen im vorliegenden Fall von einem bei der Anwaltskammer zugelassenen Anwalt erbracht wurden, hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass die Berufsgruppe der Rechtsanwälte und „avoués“ als solche im Hinblick auf ihr Gesamtziel und die fehlende Dauerhaftigkeit eines etwaigen sozialen Engagements nicht als gemeinnützig angesehen werden kann (Urteil vom , Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C‑543/14, EU:C:2016:605, Rn. 62).

78 Aus dieser Rechtsprechung folgt jedoch nicht, dass einem Steuerpflichtigen, der eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Umsätze bewirkt, unter allen Umständen von vorneherein die Möglichkeit verwehrt werden darf, als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt zu werden, nur weil er der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils definierten Berufsgruppe angehört, ohne zu prüfen, ob er sein Unternehmen unter Bedingungen betreibt, die eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie rechtfertigen. Ein solcher Ansatz könnte außerdem gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen, wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 90 und 95 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat.

79 Auch wenn sich die Berufsgruppe der Anwälte als solche nicht durch einen sozialen Charakter kennzeichnet, ist nicht ausgeschlossen, dass ein Anwalt, der eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen erbringt, in einem konkreten Fall ein dauerhaftes soziales Engagement leistet und sich im Hinblick auf die Aspekte, die bei der Feststellung des sozialen Charakters seines Unternehmens zu berücksichtigen sind, von anderen natürlichen oder juristischen Personen, die derartige Dienstleistungen erbringen, nur dadurch unterscheidet, dass er als Anwalt bei der Anwaltskammer zugelassen ist.

80 In einem solchen Fall wäre die bloße Anwaltseigenschaft des Dienstleistungserbringers ein rein formaler Aspekt, der den sozialen Charakter seines Unternehmens nicht in Frage zu stellen vermag.

81 Das vorlegende Gericht wird daher anhand sämtlicher übriger maßgeblicher Umstände, die den bei ihm anhängigen Rechtsstreit kennzeichnen, zu prüfen haben, ob das Großherzogtum Luxemburg die Grenzen seines Ermessens überschritten hat, indem es für einen Dienstleistungserbringer, der sich in der Lage des Klägers des Ausgangsverfahrens befindet, nicht die Möglichkeit vorsieht, für sein Unternehmen die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter zu erlangen. Nur wenn dieser Mitgliedstaat diese Grenzen überschritten hat, muss das vorlegende Gericht diese Anerkennung für den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zeitraum selbst erteilen, wobei es die materiellen oder prozessualen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts, die dieser Anerkennung entgegenstehen, gegebenenfalls unangewandt zu lassen hat.

82 Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist insoweit darauf hinzuweisen, dass, vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht, einige Angaben in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten von Bedeutung für die Prüfung sein dürften, ob der Kläger des Ausgangsverfahrens ungeachtet seiner Eigenschaft als Anwalt in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zeitraum im Rahmen des Betriebs seines Unternehmens ein dauerhaftes soziales Engagement geleistet hat.

83 Zum einen könnte hierbei der Umstand heranzuziehen sein, dass der Betreffende seine Umsätze, von denen jedenfalls ein Teil sozialen Charakter aufzuweisen scheint, im Rahmen von Mandaten des Erwachsenenschutzes bewirkt, mit denen er gemäß verschiedenen nach luxemburgischem Recht vorgesehenen Schutzregelungen von einer Justizbehörde betraut wurde, die ihre Durchführung im Übrigen überwacht. Dieser Umstand deutet nämlich nicht nur darauf hin, dass der betreffende Dienstleistungserbringer verpflichtet ist, diese Umsätze im Einklang mit den spezifischen Rechtsvorschriften zu bewirken, die das luxemburgische Recht hierzu vorsieht, sondern auch darauf, dass er nur tätig werden kann, nachdem von der zuständigen Justizbehörde eine ausdrückliche Entscheidung zur Ernennung der mit der Erbringung der Dienstleistungen auf dem Gebiet der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit betrauten Personen erlassen wurde.

84 Zum anderen kann auch der Umstand von Bedeutung sein, dass die Vergütung für die betreffenden Umsätze stets unter der Kontrolle dieser Justizbehörde festgelegt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Les Jardins de Jouvence, C‑335/14, EU:C:2016:36, Rn. 38) und dass diese Vergütung vom Staat übernommen werden kann, wenn der Empfänger nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt.

85 Zudem hat der Gerichtshof im Fall einer Krankenpflegerin, die eine Einpersonengesellschaft führte und sich auf die Steuerbefreiung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie berief, bereits entschieden, dass ein Mitgliedstaat grundsätzlich, ohne das ihm in diesem Zusammenhang eingeräumte Ermessen zu überschreiten, verlangen kann, dass die medizinischen Kosten und die Arzneimittelkosten eines solchen Steuerpflichtigen in mindestens zwei Drittel der Fälle ganz oder teilweise von gesetzlichen Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträgern übernommen werden müssen, damit diesem Dienstleistungserbringer ein sozialer Charakter zuerkannt werden kann (vgl. entsprechend Urteil vom , Zimmermann, C‑174/11, EU:C:2012:716, Rn. 10 und 35 bis 37).

86 Auch ist der betreffende Mitgliedstaat nicht daran gehindert, eine solche Anerkennung an die Bedingung zu knüpfen, dass der Dienstleistungserbringer zu diesem Zweck gewisse Verfahrensschritte unternimmt, die geeignet sind, es den betreffenden Behörden zu ermöglichen, den sozialen Charakter dieses Dienstleistenden zu überprüfen. Doch scheint das luxemburgische Recht in Bezug auf die Steuerbefreiung, die nach der innerstaatlichen Vorschrift zur Umsetzung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehen ist, derartige Schritte nicht vorzuschreiben, was zu überprüfen allerdings Sache des vorlegenden Gerichts ist.

87 Die Anwendung derartiger Bedingungen muss jedoch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität wahren. Somit ist im Ausgangsrechtsstreit zu prüfen, ob anderen Steuerpflichtigen, u. a. gemeinnützigen Vereinen, unter der Situation des Klägers des Ausgangsverfahrens entsprechenden Umständen bereits eine vergleichbare Anerkennung gewährt wurde. Zu diesem Aspekt haben der Kläger des Ausgangsverfahrens und die luxemburgische Regierung in ihren schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichtshofs unterschiedliche Standpunkte eingenommen.

88 Nach alledem ist auf die Fragen 5 bis 7 zu antworten, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Dienstleistungen zugunsten nicht geschäftsfähiger Erwachsener, die diese bei zivilrechtlichen Handlungen schützen sollen, „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ sind und dass nicht ausgeschlossen ist, dass einem Anwalt, der solche Dienstleistungen erbringt, für das Unternehmen, das er betreibt, und in den Grenzen dieser Dienstleistungen eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter gewährt werden kann, wobei diese Anerkennung jedoch nur dann zwingend durch eine Justizbehörde zu gewähren ist, wenn der betreffende Mitgliedstaat durch die Verweigerung dieser Anerkennung die Grenzen des ihm in diesem Zusammenhang eingeräumten Ermessens überschritten hat.

Zu Frage 8

89 Mit der achten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Grundsatz des Vertrauensschutzes es der Finanzverwaltung verwehrt, auf bestimmte, auf einen bereits verstrichenen Zeitraum entfallende Umsätze Mehrwertsteuer zu erheben, wenn sie über mehrere Jahre Mehrwertsteuererklärungen des Steuerpflichtigen akzeptiert hat, in denen gleichartige Umsätze nicht als steuerbare Umsätze aufgeführt waren, und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich ist, die geschuldete Mehrwertsteuer von denjenigen wiederzuerlangen, die eine Vergütung für diese Umsätze geleistet haben.

90 Es ist darauf hinzuweisen, dass sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes jeder berufen kann, bei dem eine Verwaltungsbehörde aufgrund bestimmter Zusicherungen, die sie ihm gegeben hat, begründete Erwartungen geweckt hat (Urteil vom , Idealmed III, C‑211/18, EU:C:2020:168, Rn. 44).

91 Aus den Akten, die dem Gerichtshof vorliegen, geht hervor, dass die luxemburgische Steuerverwaltung, nachdem sie die Nichtbesteuerung der von EQ bewirkten Umsätze seit 2004 akzeptiert hatte, diese Praxis gegenüber EQ durch ihren Nacherhebungsbescheid vom für ab 2014 bewirkte Umsätze änderte, indem sie für gleichartige Umsätze die Zahlung der Mehrwertsteuer verlangte.

92 Der bloße Umstand, dass die luxemburgische Steuerverwaltung von EQ eingereichte Mehrwertsteuererklärungen, die die auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsätze entfallenden Beträge nicht enthielten, akzeptierte, genügt jedoch – selbst wenn dies über mehrere Jahre hinweg geschah – nicht, um eine bestimmte Zusicherung der Steuerverwaltung dahin zu begründen, dass auf diese Umsätze keine Mehrwertsteuer anfalle, und vermochte daher bei diesem Steuerpflichtigen kein schutzwürdiges Vertrauen in die Steuerfreiheit der betreffenden Umsätze entstehen zu lassen.

93 Konkretisiert sich im Übrigen der vom vorlegenden Gericht genannte Fall, dass der Dienstleistungserbringer Leistungen erbracht hat, ohne dass die von ihm geschuldete Mehrwertsteuer erhoben wurde, und er die von der Steuerverwaltung später verlangte Mehrwertsteuer nicht von denjenigen wiedererlangen kann, die diese Leistungen bezahlt haben, ist die geschuldete Mehrwertsteuer als in den vom Dienstleistungserbringer hierfür erlangten Vergütungen enthalten anzusehen, so dass die Erhebung der Mehrwertsteuer mit dem Grundprinzip der Mehrwertsteuerrichtlinie im Einklang steht, nach dem nur der Endverbraucher durch das Mehrwertsteuersystem belastet werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Tulică und Plavoşin, C‑249/12 und C‑250/12, EU:C:2013:722, Rn. 34, 42 und 43).

94 Nach diesen Erwägungen ist auf die achte Frage zu antworten, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes es der Finanzverwaltung nicht verwehrt, auf bestimmte, auf einen bereits verstrichenen Zeitraum entfallende Umsätze Mehrwertsteuer zu erheben, wenn sie über mehrere Jahre Mehrwertsteuererklärungen des Steuerpflichtigen akzeptiert hat, in denen gleichartige Umsätze nicht als steuerbare Umsätze aufgeführt waren, und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich ist, die geschuldete Mehrwertsteuer von denjenigen wiederzuerlangen, die eine Vergütung für diese Umsätze geleistet haben, wobei diese Mehrwertsteuer dann als in den bereits gezahlten Vergütungen enthalten anzusehen ist.

Kosten

95 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

  1. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass Dienstleistungen, die zugunsten nicht geschäftsfähiger Erwachsener erbracht werden, um diese bei zivilrechtlichen Handlungen zu schützen, und deren Ausführung dem Dienstleistungserbringer von einer Justizbehörde kraft Gesetzes übertragen ist und deren Vergütung durch diese Behörde als Pauschalbetrag oder aufgrund einer Einzelfallprüfung, die u. a. die Vermögensverhältnisse der nicht geschäftsfähigen Person berücksichtigt, festgelegt wird, wobei diese Vergütung außerdem vom Staat übernommen werden kann, wenn die nicht geschäftsfähige Person nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung darstellen, wenn diese Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht werden, der Dienstleistungserbringer daraus nachhaltige Einnahmen erzielt und die Gesamthöhe der Ausgleichszahlung für diese Tätigkeit nach Kriterien bestimmt wird, die sicherstellen, dass die diesem Dienstleistungserbringer entstandenen Betriebskosten gedeckt sind.

  2. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass Dienstleistungen zugunsten nicht geschäftsfähiger Erwachsener, die diese bei zivilrechtlichen Handlungen schützen sollen, „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ sind und dass nicht ausgeschlossen ist, dass einem Anwalt, der solche Dienstleistungen erbringt, für das Unternehmen, das er betreibt, und in den Grenzen dieser Dienstleistungen eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter gewährt werden kann, wobei diese Anerkennung jedoch nur dann zwingend durch eine Justizbehörde zu gewähren ist, wenn der betreffende Mitgliedstaat durch die Verweigerung dieser Anerkennung die Grenzen des ihm in diesem Zusammenhang eingeräumten Ermessens überschritten hat.

  3. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verwehrt es der Finanzverwaltung nicht, auf bestimmte, auf einen bereits verstrichenen Zeitraum entfallende Umsätze Mehrwertsteuer zu erheben, wenn sie über mehrere Jahre Mehrwertsteuererklärungen des Steuerpflichtigen akzeptiert hat, in denen gleichartige Umsätze nicht als steuerbare Umsätze aufgeführt waren, und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich ist, die geschuldete Mehrwertsteuer von denjenigen wiederzuerlangen, die eine Vergütung für diese Umsätze geleistet haben, wobei diese Mehrwertsteuer dann als in den bereits gezahlten Vergütungen enthalten anzusehen ist.

ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2021:277

Fundstelle(n):
LAAAH-78449