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BBK Nr. 7 vom Seite 322

Umsatzsteuer bei uneinbringlichen Verbindlichkeiten

Dr. Volker Endert

Zu [i]Formulare: Umsatzsteuer 2021, Arbeitshilfe NWB FAAAH-67532 Beginn des Jahres 2021 hat das BMF die Vordrucke der Umsatzsteuer-Voranmeldungen angepasst und fordert nunmehr auch die Angabe der Bemessungsgrundlagen für uneinbringliche Forderungen und gleichermaßen auch Verbindlichkeiten. Beide Angaben sind lediglich rein nachrichtlich, zugleich aber inhaltlich wichtig, denn es ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung entsprechende Auswertungen vornimmt. Der Beitrag befasst sich mit der Eintragung der Bemessungsgrundlagen der Passivseite der Bilanz sowie der damit verbundenen Korrektur des Vorsteuerabzugs.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Passivierung von Verbindlichkeiten

1. Handelsbilanz

Nach [i]Schulden im Bilanzrecht§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der Jahresabschluss sämtliche Schulden des Bilanzierungspflichtigen zu enthalten. Schulden sind hierbei als bilanzieller Oberbegriff für Verbindlichkeiten und Rückstellungen zu verstehen. Dies entspricht auch dem Begriffsverständnis außerhalb des Bilanzrechts, nach dem Schulden als Oberbegriff für Verpflichtungen gelten, die mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme belegt sind.

Bilanziell [i]Unsicherheitsfaktor bei Rückstellungenerfolgt die Unterscheidung insbesondere aufgrund des im (deutschen) Bilanzrecht im besonderen Maße verankerten Vorsichtsprinzips gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, welches zugleich von dem in derselben Vorschrift normierten Imparitätsprinzip S. 323ergänzt wird. Demnach sind Risiken im Jahresabschluss bereits dann zu berücksichtigen, wenn diese drohen. Rückstellungen stellen hierbei die Kategorien von Schuldposten dar, bei denen mehr Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme sprechen, gleichzeitig aber noch ein Unsicherheitsfaktor dem Grunde und/oder der Höhe nach besteht.

Verbindlichkeiten [i]Definition von Verbindlichkeiten– auch in Abgrenzung zu Rückstellungen – stellen Verpflichtungen dar, die am Bilanzstichtag rechtlich und wirtschaftlich sicher entstanden, aber noch nicht beglichen worden sind. Mit anderen Worten besteht kein Unsicherheitsfaktor mehr; Verbindlichkeiten sind Schuldposten, die dem Grunde und der Höhe nach sicher sind. Eine Passivierungsverpflichtung besteht grundsätzlich, sofern eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten besteht, die eine wirtschaftliche Belastung darstellt, vor dem Bilanzstichtag verursacht worden ist, der Höhe nach eindeutig bestimmt werden kann und mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger zu rechnen ist.

Eine Untergliederung erfolgt in die Kategorien nach § 266 Abs. 3 C. HGB. In der Praxis dürften hierbei die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und solche aus Lieferungen und Leistungen im Hinblick auf das Volumen dominierend sein, sieht man einmal von Verbindlichkeiten im Verbundbereich ab.

Hinweis:

Eine [i]Antizipative RechnungsabgrenzungspostenBesonderheit stellen antizipative Rechnungsabgrenzungsposten dar, die auch bereits dann als Verbindlichkeit auszuweisen sind, wenn diese rechtlich noch nicht entstanden sind. Grundsätzlich hat in derartigen Fällen aber gem. § 268 Abs. 5 Satz 3 HGB eine Erläuterung im Anhang zu erfolgen.

Eine [i]Bewertung in der HandelsbilanzPassivierung hat in der Handelsbilanz gem. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB mit dem Erfüllungsbetrag zu erfolgen. Hierunter ist unter Beachtung von Preis- und Kostensteigerungen der Betrag zu verstehen, der zur Erfüllung der Verbindlichkeit aufgewendet werden muss. Typischerweise ist dies der Nominalbetrag der Verbindlichkeit. Eine Besonderheit ergibt sich – analog zu Forderungen – gem. § 256a HGB, da für kurzfristige Verbindlichkeiten in Fremdwährung der Devisenkassamittelkurs bei der Umrechnung anzuwenden ist und kurzfristige Verbindlichkeiten unter Nichtanwendung des Imparitätsprinzips auch mit einem niedrigeren Betrag in der Handelsbilanz auszuweisen sein können.

2. Steuerbilanz

In [i]Ansatz in der Steuerbilanzder Steuerbilanz gilt für die Passivierung dem Grunde nach das Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 Abs. 1 EStG. Insoweit gelten zunächst einmal dieselben Grundsätze für eine Passivierungspflicht wie in der Handelsbilanz. Darüber hinaus wird für Zwecke der Steuerbilanz allerdings gefordert, dass die Verbindlichkeiten eine betriebliche Veranlassung haben müssen und mit Gewissheit quantifiziert werden können. Eine bedeutsame Durchbrechung des Maßgeblichkeitsprinzips enthält zudem § 5 Abs. 2a S. 324EStG. Nach dieser Regelung sind Verbindlichkeiten, die nur dann anfallen, sofern künftige Gewinne oder Einnahmen erzielt werden, erst dann zu passivieren, sofern die Bedingung eintritt.

Die [i]Bewertung in der SteuerbilanzBewertung erfolgt hingegen gem. § 5 Abs. 6 i. V. mit § 6 Abs. 1 EStG insgesamt aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften. Demnach sind Verbindlichkeiten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu ihrem Teilwert anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzudiskontieren, sofern diese nicht selbst verzinslich sind, auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen oder die Restlaufzeit geringer als zwölf Monate ist. Grundsätzlich sind Verbindlichkeiten mithin ebenfalls zu ihrem Nominalwert zu passivieren, sofern die vorstehend genannten Ausnahmen nicht erfüllt sind.

Hinweis:

In [i]Zuordnung zum Betriebsvermögender Steuerbilanz kommt der persönlichen Schuldzuordnung eine besondere Bedeutung zu, da Verbindlichkeiten nur dann dem Betriebsvermögen zugeordnet werden können, sofern diese betrieblich veranlasst sind, d. h. der Betriebsvermögensminderung entsprechend Betriebsausgaben zugrunde liegen.

II. Ausbuchung von Verbindlichkeiten in Handels- und Steuerbilanz

1. Handelsbilanz

Verbindlichkeiten [i]Ausbuchung bei Erlöschen der Schuldsind in der Handelsbilanz insbesondere dann auszubuchen, wenn diese erfüllt werden. Dies erfolgt typischerweise durch Zahlung oder Aufrechnung mit einer Forderung, sofern die Voraussetzungen hierzu vorliegen. Darüber hinaus hat eine Ausbuchung zu erfolgen, falls die Verbindlichkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllt werden muss. Dies ist insbesondere der Fall, wenn gegen die Erfüllung eine (peremptorische) Einrede besteht wie z. B. die Einrede der Verjährung gem. § 214 BGB oder die Mängeleinrede gem. §§ 320 ff. BGB.

Allerdings [i]Weiterhin Passivierung bei faktischen Verbindlichkeitenkann auch bei bestehenden Gründen einer Einrede weiterhin eine Passivierungspflicht gegeben sein, sofern wirtschaftliche oder auch soziale Gründe bestehen, die eine Entziehung des Unternehmens von der Erfüllung unmöglich machen (sog. faktische Verbindlichkeiten). Eine solche Unmöglichkeit der Entziehung ist allerdings allein anhand objektiver Kriterien zu bestimmen, die Behauptung des Bilanzierungspflichtigen allein reicht hierfür nicht aus.

Hinweis:

Bei der Beurteilung, ob eine Passivierung weiterhin geboten ist, ist eine besondere Strenge erforderlich, da ansonsten die Möglichkeit einer Bilanzmanipulation eröffnet werden würde. Voraussetzung ist daher, dass der Aufwand einer vergangenen Periode eindeutig zuzuordnen ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich erfüllt wird und der faktische Zwang zur Erfüllung auch plausibel und objektiv begründet werden kann. S. 325

2. Steuerbilanz

In [i]Ausbuchung in der Steuerbilanzder Steuerbilanz gelten auch für die Ausbuchung einer Verbindlichkeit grundsätzlich keine von der Handelsbilanz abweichenden Grundsätze. Neben der Ausbuchung bei Erfüllung ist eine Verbindlichkeit in der Steuerbilanz nur auszubuchen, sofern der Gläubiger die Verbindlichkeit (aus betrieblichen Gründen) erlässt oder diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllt werden muss. Bei einer verjährten Verbindlichkeit ist dies regelmäßig der Fall, sofern keinerlei Hinderungsgründe für die Erhebung der Einrede der Verjährung ersichtlich sind.

Kann hingegen auch für Zwecke der Steuerbilanz anhand objektiver Kriterien nachgewiesen werden, dass weiterhin mit einer Inanspruchnahme zu rechnen ist, muss die Verbindlichkeit weiterhin bilanziert werden, ggf. auch in Form einer Rückstellung.

Diese steuerbilanziellen Bilanzierungsgrundsätze gelten indes nicht uneingeschränkt auch für Zwecke der Umsatzsteuer, die hiervon separat zu beurteilen ist; die Querbezüge werden im Folgenden dargestellt.

III. Exkurs: Umsatzsteuer

Eine [i]BMF, Schreiben v. 22.12.2020 - III C 3 - S 7344/19/10001 :002 NWB BAAAH-67516 besondere Bedeutung von Verbindlichkeiten ergibt sich für Zwecke der Umsatzsteuer, insbesondere nach der jüngsten Änderung der Umsatzsteuer-Voranmeldungsformulare. Ab Januar 2021 wurden die Kennziffern 50 und 37 eingefügt. Unter diesen Kennziffern sind die Bemessungsgrundlagen für Minderungen der Umsatzsteuer (Kennziffer 50) bzw. Vorsteuer (Kennziffer 37) anzugeben, die auf einer Uneinbringlichkeit beruhen.

Gründe, [i]Eckert, Uneinbringlichkeit von Verbindlichkeiten, Kontierungslexikon NWB PAAAG-35693 nach denen eine Verbindlichkeit als uneinbringlich gilt und gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i. V. mit Abs. 1 Satz 2 UStG entsprechend der Vorsteuerabzug des Schuldners zu berichtigen ist, sind grundsätzlich dieselben Gründe wie für die Uneinbringlichkeit einer Forderung. Allerdings ist der Gläubiger dem Schuldner gegenüber nicht verpflichtet mitzuteilen, wann eine entsprechende Korrektur der Umsatzsteuer erfolgt ist. Folglich hat die Finanzverwaltung sich in Abschnitt 17.1 Abs. 5 Satz 10 UStAE vorbehalten, entsprechende Kontrollmitteilungen an das für den Schuldner zuständige Finanzamt zu versenden, damit eine analoge Korrektur des Vorsteuerabzugs zur Umsatzsteuer erfolgen kann.

Fraglich ist allerdings, ob das für den Schuldner zuständige Finanzamt diese Kontrollmitteilung unmittelbar verwerten kann, da dies die Mitteilung an den Schuldner voraussetzt und dies als Verletzung des Steuergeheimnisses gewertet werden könnte. Nach anderer Auffassung kann jedoch das für den Schuldner zuständige Finanzamt sehr wohl eine Gegenkorrektur verlangen. Der Schuldner ist aber grundsätzlich nicht zu einer aufforderungslosen gleichlaufenden Korrektur verpflichtet und in der Praxis dürfte eine Korrektur durch den Schuldner auch i. d. R. später erfolgen als die Korrektur durch S. 326den Gläubiger, der möglichst zeitnah die Vorfinanzierung der Umsatzsteuer unterbinden möchte.