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BBK Nr. 2 vom Seite 89

Neue gesetzliche Regelungen zur Umsatzsteuer ab 2021

Überblick über aktuelle Änderungen mit tabellarischer Gesamtübersicht

Karl-Hermann Eckert

[i]Cremer/Eckert/ Sebast, Kontierungslexikon, Übersichtsseite NWB LAAAE-91155 Die Umsatzsteuer steht weiter im Fokus. Durch das Jahressteuergesetz 2020 vom wurden umfangreiche Änderungen im Umsatzsteuerrecht vorgenommen. Ein wesentlicher Bestandteil ist die Umsetzung der zweiten Stufe des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets. Diese Regelungen sind nicht Gegenstand dieses Beitrags, da das Inkrafttreten vom Corona-bedingt auf den verschoben wurde. Der Beitrag gibt einen kompakten Überblick über die weiteren umsatzsteuerlichen Änderungen. Eine Tabelle fasst die betroffenen Vorschriften sowie das Datum des Inkrafttretens übersichtlich zusammen.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Begriff der Freizone

[i]Begriff der FreizoneIn § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG wurde der Begriff der Freizone an die Regelung in Art. 243 des Zollkodex der Union angepasst. Im neuen Satz 2 wurde auf die entsprechende Verordnung der EU hingewiesen. Der bisherige Verweis auf das Zollverwaltungsgesetz wurde gestrichen. S. 90

II. Erweiterungen von steuerfreien Leistungen

1. Steuerbefreiung des öffentlichen Gesundheitswesens

[i]Steuerbefreiung von Sanitäts- und RettungsdienstenIn § 4 Nr. 14 Buchst. f UStG wurde eine neue Steuerbefreiungsvorschrift aufgenommen, die der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens dient. Voraussetzung ist, dass derartige Leistungen erbracht werden von

  • juristischen Personen des öffentlichen Rechts,

  • Sanitäts- und Rettungsdiensten, die die landesrechtlichen Voraussetzungen erfüllen, oder

  • Einrichtungen, die nach § 75 SGB V die Durchführung des ärztlichen Notdienstes sicherstellen.

[i]Unter den steuerfreien Leistungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts fallen z. B. Aufgaben des Rettungsdienstes, die der öffentliche Träger des Rettungsdienstes laut Rettungsdienstgesetz des Landes selbst durchführt.

Von der Neuregelung im Bereich der Sanitätsdienste werden z. B. Sanitätsdienstleistungen bei Großveranstaltungen oder Versammlungen erfasst, die von Sanitäts- und Rettungsdiensten erbracht werden, die die jeweiligen landesrechtlichen Voraussetzungen erfüllen.

Steuerfrei im Bereich des Sanitäts- und Rettungsdienstes sind u. a. solche Leistungen, die der Erstversorgung bei Verletzungen und Erkrankungen (Erste-Hilfe-Maßnahmen) einschließlich lebensrettender Sofortmaßnahmen dienen, die allgemeine Betreuung verletzter Personen, die Herstellung der Transportfähigkeit sowie die Transportbegleitung.

[i]Ärztliche NotfallpraxisIm Bereich des ärztlichen Notdienstes sind vor allem die Leistungen der Bereitstellung und des Betriebs einer Notfallpraxis i. S. des § 75 SGB V von der Umsatzsteuer befreit. Diese Leistungen umfassen neben der Organisation des Bereitschaftsdienstes auch die Leistungen des nicht ärztlichen Personals, das den diensthabenden Arzt bei der (Notfall-)Behandlung unterstützt. Begünstigte Einrichtungen sind solche, die aufgrund eines Vertrags mit der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 75 SGB V die Durchführung des ärztlichen Notdienstes sicherstellen, wofür die Kosten durch die Krankenkassen übernommen werden.

2. Steuerbefreiung für hilfsbedürftige Personen

[i]Steuerbefreiung von PflegeberatungsleistungenIn § 4 Nr. 16 UStG wurde der Eingangssatz neu gefasst und lautet nunmehr: Steuerfrei sind

„... die eng mit der Betreuung körperlich, kognitiv oder psychisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen, die erbracht werden von …“.

Durch die Änderung des Eingangssatzes wird vor dem Hintergrund des Wortlauts des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL klargestellt, dass unter den übrigen Voraussetzungen der Norm auch die Leistungen solcher Einrichtungen befreit sein können, die selbst keine Pflege- oder Betreuungsleistungen, sondern lediglich damit eng verbundene Leistungen erbringen. Dies kann Einrichtungen betreffen, die z. B. neben der Pflegeberatung nach § 7a SGB XI, der Erstellung von Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 18 SGB XI, Leistungen beim Hausnotruf nach § 40 SGB XI oder der Erteilung von Pflegekursen nach § 45 SGB XI selbst keine Pflege- oder Betreuungsleistungen erbringen.

Nach dem neuen § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG sind solche Leistungen steuerfrei, die von Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung zur Pflegeberatung nach § 7a SGB XI besteht, erbracht werden. Damit erfasst die Steuerbefreiung neben S. 91Pflegeberatungsleistungen im Auftrag der gesetzlichen Pflegekassen auch solche Pflegeberatungsleistungen, die aufgrund von Vereinbarungen mit der privaten Pflege-Pflichtversicherung nach § 7a Abs. 5 SGB XI ausgeführt werden, und andere eng damit verbundene Pflege- und Betreuungsleistungen, soweit sie hierzu von den Pflegekassen oder der privaten Pflege-Pflichtversicherung beauftragt wurden bzw. sie hierzu gesetzlich befugt sind.

Der bisherige Buchst. l wurde Buchst. m und wie folgt neu gefasst: Steuerfrei sind

„... Einrichtungen, [i]Abgrenzung der Einrichtungenbei denen die Betreuungs- oder Pflegekosten oder die Kosten für eng mit der Betreuung oder Pflege verbundene Leistungen in mindestens 25 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, den Trägern der Sozialhilfe, den Trägern der Eingliederungshilfe nach § 94 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet werden.“

[i]Leichsenring, Die Umsatzsteuerbefreiungsvorschriften für Betreiber privater Altenheime, Altenpflegeheime und Altenwohnheime, USt direkt digital 16/2017 S. 18 NWB EAAAG-51285 Nach dem darf die Anerkennung des sozialen Charakters einer Pflegeeinrichtung nicht allein daran scheitern, dass das Gesetz ausschließlich auf die Verhältnisse des vorangegangenen Kalenderjahres abstellt. Die neue Definition trägt diesem Umstand Rechnung. Bei der 25 %-Grenze ist auf die voraussichtlichen Verhältnisse des laufenden Jahres abzustellen, wenn der Unternehmer seine Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres neu aufnimmt, bzw. bei bestehenden Unternehmen zu Beginn eines Kalenderjahres. Ist absehbar, dass die 25 %-Grenze erreicht wird, bleibt die Steuerbefreiung auch dann rechtssicher erhalten, wenn sich die tatsächliche Umsatzentwicklung später anders darstellt. Darüber hinaus gilt die Sozialgrenze von 25 % ab dem Zeitpunkt als erfüllt, ab dem der Unternehmer aufgrund einer Vereinbarung mit einem Sozialträger absehbar regelmäßig die 25 %-Grenze erfüllen wird.

3. Steuerbefreiung für Beherbergungsleistungen

[i]StudentenwohnheimeNach § 4 Nr. 23 Buchst. c UStG sind neben Verpflegungsleistungen nunmehr auch Beherbergungsleistungen gegenüber Studierenden und Schülern durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts und andere nicht gewinnstrebende Einrichtungen umsatzsteuerfrei. Zu den Beherbergungsleistungen gehört insbesondere auch die kurzfristige Vermietung von Wohn- und Schlafräumen. Darüber hinaus gilt die Steuerbefreiung auch für entsprechende Leistungen an Kindertageseinrichtungen und Berufsschulheimen.

4. Steuerbefreiung in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

In [i]Verfahrensbeistand§ 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. d UStG sind Einrichtungen, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestellt worden sind, von der Umsatzsteuer befreit. Die Änderung beruht auf dem wonach ein nach § 158 FamFG gerichtlich bestellter Verfahrensbeistand sich auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen konnte.

Hinweis:

Die Steuerbefreiung umfasst auch solche Beistandsleistungen, die von freiberuflich tätigen Rechtsanwälten, Pädagogen sowie Kinder- und S. 92Jugendpsychologen als auch von Mitarbeitern von Betreuungsvereinen, die vom Familiengericht zum Verfahrensbeistand bestellt wurden, erbracht werden.

Voraussetzung ist, dass die verlangten Preise von der zuständigen Behörde genehmigt wurden bzw. die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die von gewerblichen Unternehmen üblicherweise gefordert werden.

III. Erweiterung des Reverse-Charge-Verfahrens

[i]Scholz/Nattkämper, Reverse-Charge-Verfahren, Grundlagen NWB YAAAE-26319 Als Maßnahme zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs wurde in § 13b Abs. 2 Nr. 12 (neu) UStG das Reverse-Charge-Verfahren um sonstige Leistungen, die auf dem Gebiet der Telekommunikation erbracht werden, erweitert. Einschränkend gilt nach § 13b Abs. 5 Satz 6 UStG, dass unter die Regelung nur solche Telekommunikationsleistungen fallen, die an Unternehmer ausgeführt werden, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen in deren Erbringung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung ist (sog. Wiederverkäufer). Diese beiden Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.

Der Status des Wiederverkäufers ist rechtssicher dann gegeben, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt.