Unzulässigkeit einer Rekultivierungsrückstellung bei ohne öffentlich-rechtliche Genehmigung bzw. ohne gesetzliche oder zivilrechtliche
Verpflichtung von einer Schwestergesellschaft übernommener Rekultivierungsverpflichtung für ein Tontagebauareal
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH bei unvollständiger und
nicht einwandfreier Sachverhaltsermittlung der Finanzbehörde unter anderem zur Verantwortlichkeit des Geschäftsführers trotz
Bauftragung einer Steuerberatungsgesellschaft sowie zu Tatbeiträgen früherer Mitgeschäftsführer
ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit eines Haftungsbescheids für Zinsen und Säumniszuschläge ab infolge verfassungsrechtlicher
Zweifel an der gesetzlichen Höhe von Zinsen und Säumniszuschlägen
Leitsatz
1. Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung: Die Bildung einer Rückstellung für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem
Recht ergeben (hier: Pflicht zur Rekultivierung eines bereits ausgebeuteten Tontagebauareals) setzt unter anderem voraus,
dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Die Verpflichtung muss auf ein bestimmtes Handeln
innerhalb eines bestimmten Zeitraums zielen. Das ist dann der Fall, wenn entweder eine behördliche Verfügung erlassen worden
ist oder eine konkrete gesetzliche Verpflichtung besteht. Dabei muss an die Verletzung der gesetzlichen Pflicht eine Sanktion
geknüpft sein, sodass sich der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen kann.
2. Hat eine Gesellschaft 1, die mit allen erforderlichen Genehmigungen Tontagebau betrieben hat, das Eigentum an dem Areal
auf eine Schwestergesellschaft 2 übertragen, wobei auch alle Rechte und Pflichten aus der Abbaugenehmigung (zugelassene Abschluss-,
Sonder- und Hauptbetriebspläne, Genehmigungen, wasserrechtlichen Erlaubnisse zur Sanierung und Austonung des Tontagebaus)
auf die Schwestergesellschaft 2 übertragen werden sollten, das zuständige Landesamt allerdings der Schwestergesellschaft 2
die bergbaurechtliche Genehmigung verweigert sowie die Gesellschaft 1 selbst weiter als rekultivierungsverpflichtet angesehen
hat, so ist die Schwestergesellschaft 2 nicht zur Bildung einer Rekultivierungsrückstellung berechtigt, wenn sie zwar faktisch
die Rekultivierung übernommen hat, aber selbst weder öffentlich-rechtlich noch gesetzlich zur Rekultivierung verpflichtet
ist noch eine zivilrechtlich verbindliche Vereinbarung vorlegen kann, aufgrund derer im Innenverhältnis die Schwestergesellschaft
2 die Gesellschaft 1 von der Rekultivierungspflicht freistellen sollte.
3. Sofern sich die Schwestergesellschaft 2 im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft 1 zur Rekultivierung verpflichtet
haben sollte, wären die gewinnmindernden Zuführungen zur Rekultivierungsrückstellung als verdeckte Gewinnausschüttungen zu
behandeln, sofern die Schwestergesellschaft kein (angemessenes) Entgelt für die Übernahme der Verpflichtung erhalten hat.
4. Wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schwestergesellschaft 2 einer ihrer Geschäftsführer hinsichtlich
der Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft infolge der Auflösung der unzulässigen Rekultivierungsrückstellung in Anspruch
genommen, so bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids in Bezug auf die Verwirklichung
des subjektiven Tatbestands einer Haftung des Geschäftsführers nach § 69 AO in Verbindung mit § 34 Abs. 1 AO, wenn das Finanzamt
im Haftungsbescheid zur subjektiven Seite der Verwirklichung des Haftungstatbestands in Bezug auf die Rückstellungsbildung
in den streitgegenständlichen Jahresabschlüssen so gut wie gar keine sachverhaltsbezogenen Ausführungen gemacht hat und auch
nicht auf den Einwand des Geschäftsführers eingegangen ist, bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse und der Steuererklärungen
habe stets eine von der Gesellschaft beauftragte Steuerberatungsgesellschaft mitgewirkt (Rechtsprechungshinweise zum Erfordernis
und zur Höhe einer Sicherheitsleistung bei Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung).
5. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids, wenn das Finanzamt den Sachverhalt nicht
umfassend sowie einwandfrei ermittelt und somit keine ausreichende Ermessensentscheidung im Sinne von § 5 AO vorgenommen hat
(unter anderem keine Ausführungen der Finanzbehörde zur subjektiven Verantwortlichkeit des als Haftungssschuldner in Anspruch
genommenen Geschäftsführers trotz Einschaltung einer Steuerberatungsgesellschaft bei der Erstellung der Jahresabschlüsse und
Steuererklärungen der Gesellschaft sowie zu Tatbeiträgen früherer Mitgeschäftsführer).
6. Bei einer Haftungsinanspruchnahme für Zinsen und Säumniszuschläge für Zeiträume ab bestehen ernstliche Zweifel
an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids, weil ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Zinssatzes
bzw.der gesetzlichen Regelung betreffend die Höhe der Säumniszuschläge bestehen.
7. Ein GmbH-Geschäftsführer haftet ab dem Zeitpunkt der Insolvenzreife der Steuerschuldnerin im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO
nur für maximal 50 % der ab diesem Zeitpunkt verwirkten Säumniszuschläge (vgl. , BStBl
2001 II).
Fundstelle(n): DStRE 2021 S. 372 Nr. 6 StuB-Bilanzreport Nr. 23/2020 S. 957 BAAAH-56007
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