Eine nicht unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts getroffene Ermessensentscheidung über einen Antrag auf Stundung
einer Kindergeldrückforderung ist ermessensfehlerhaft
Leitsatz
1. Eine fehlerfreie Ermessensausübung setzt voraus, dass die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt einwandfrei
und erschöpfend ermittelt. Dabei hat sie die Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen, die nach
Sinn und Zweck der Norm, die das Ermessen einräumt, maßgeblich sind.
2. Zu einer diesbezüglich erforderlichen vollständigen Ermittlung des Sachverhalts gehört zumindest die Auswertung des gesamten
Akteninhalts, ggf. einschließlich beigezogener oder beizuziehender Akten, jeweils nach dem Stand zum Zeitpunkt des Erlasses
der Einspruchsentscheidung (vgl. ). Daher ist die Ablehnung
des Antrags auf Stundung einer Kindergeldrückforderung ermessensfehlerhaft, wenn die beklagte Behörde die Akten der für die
Kindergeldfestsetzung zuständigen Familienkasse erst im Klageverfahren angefordert hat, sie also zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung
den entscheidungserheblichen Sachverhalt nur partiell gekannt hat und sie sich also nicht vor ihrer Entscheidung anhand der
vollständigen Kindergeldakte aus dem Festsetzungsverfahren selbst ein Bild über den genauen Ablauf des Verfahrens, welches
zur Aufhebung und Rückforderung des Kindergeldes geführt hat, gemacht hat. Dies gilt insbesondere, wenn es unter Berücksichtigung
des gesamten Akteninhalts nach Auffassung des Gerichts zweifelhaft ist, ob in dem Verhalten der Klägerin tatsächlich wie von
der Behörde angenommen eine grobe Pflichtverletzung gesehen werden kann, die zu einer Ablehnung ihrer Stundungswürdigkeit
berechtigen würde.
3. Stundungswürdigkeit ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige bzw. Kindergeldberechtigte seine mangelnde Leistungsfähigkeit
weder selbst herbeigeführt, noch durch sein Verhalten in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen
hat. Letzteres ist insbesondere anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige seine steuerlichen Verpflichtungen vorsätzlich oder
grob fahrlässig vernachlässigt hat. Nicht jede unterlassene Mitteilung ist automatisch vorsätzlich oder grob fahrlässig. Eine
Mitwirkungspflichtverletzung schließt eine Stundung im Allgemeinen zudem nur dann aus, wenn sie wesentliche und vorwerfbare
Ursache für die unpünktliche Rückzahlung des Kindergeldes ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): TAAAH-35158
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