Krankenversicherung - Beitragspflicht - betriebliches Ruhegeld - Leistungen eines Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer nach dessen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit Überbrückungsfunktion und ohne vorgesehene Beendigung bei Renteneintritt sind ab Renteneintritt und spätestens ab Erreichen der Regelaltersgrenze beitragspflichtige Versorgungbezüge
Leitsatz
Leistungen aus einer Direktzusage, die ein Arbeitgeber an Arbeitnehmer nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis anfänglich mit Überbrückungsfunktion unbefristet auch über den Renteneintritt hinaus zahlt, sind ab dem Zeitpunkt des Renteneintritts, spätestens ab Erreichen der Regelaltersgrenze als in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtige Versorgungsbezüge anzusehen.
Gesetze: § 226 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 5, § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5, Art 2 Abs 1 GG, § 1 Abs 1 S 2 Alt 1 BetrAVG
Instanzenzug: SG Duisburg Az: S 31 KR 43/11 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 1 KR 199/12 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten (noch) über die Berücksichtigung eines "betrieblichen Ruhegeldes" bei der Bemessung der Beiträge des Klägers zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
2Der am 11.1943 geborene Kläger war bis zum bei der A. GmbH und von August 1998 bis einschließlich Januar 2008 als Lehrer an einem Berufskolleg beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bei der A. GmbH endete - zur Vermeidung einer arbeitgeberseitigen Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen - durch einen Aufhebungsvertrag. Darin wurden dem damals 54-jährigen Kläger eine einmalige Abfindung von 184 300 DM für den Verlust des Arbeitsplatzes (Ziff 2 Aufhebungsvertrag) und ab "Erreichen des 55. Lebensjahres die Betriebsrente von 1327,55 DM monatlich" (Ziff 3 Aufhebungsvertrag) zugesagt. Tatsächlich wurde ihm ab ein "betriebliches Ruhegeld" nach der "Betriebsvereinbarung Versorgungsbestimmungen der A.-Aktiengesellschaft" vom (im Folgenden: Versorgungsbestimmungen) in dieser Höhe bewilligt (Schreiben der E. GmbH vom ) und ausgezahlt. Beiträge zur GKV wurden hierauf zunächst nicht abgeführt, weil die frühere Arbeitgeberin des Klägers diesen für privat versichert hielt, obwohl er bei der Beklagten in der GKV pflichtversichert war.
3Seit dem bezieht der Kläger eine Altersrente. Im Zusammenhang mit dem Beginn der Altersrente gab er gegenüber der Beklagten auch die Einkünfte aus dem "betrieblichen Ruhegeld" an, die seither - insoweit unstreitig - von der Beklagten bei der Bemessung der GKV-Beiträge berücksichtigt werden. Für die Vergangenheit forderte die Beklagte vom Kläger GKV-Beiträge in Höhe von (noch) 3504,45 Euro (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ), die der Kläger unter Vorbehalt gezahlt hat.
4Das SG hat - nach einem Teilanerkenntnis der Beklagten - die Klage gegen die verbliebene Beitragsforderung für die Zeit vom bis abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom ): Das Ruhegeld sei keine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung. Die Leistung sei aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses im Arbeits- wie auch im Aufhebungsvertrag zugesagt worden, ihr Beginn sei vom Eintritt eines biologischen Ereignisses (grundsätzlich Beginn der Altersrente, ausnahmsweise Vollendung des 55. Lebensjahres) abhängig gewesen. Dass die Leistung auch der Versorgung nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gedient habe, zeige die Möglichkeit der Einstellung im Falle der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die Deckelung der Gesamtversorgung bei 90 % des letzten Nettoeinkommens und insbesondere der Leistungsbeginn erst mit Vollendung des 55. Lebensjahres und nicht schon beim Ausscheiden aus dem Betrieb.
5Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V sowie von § 226 Abs 2 SGB V, § 228 SGB V und § 231 SGB V. Das betriebliche Ruhegeld sei vor Beginn der Altersrente keine beitragspflichtige Leistung der betrieblichen Altersversorgung iS des § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V gewesen. Vielmehr habe die Leistung nach den Grundsätzen des - SozR 4-2500 § 229 Nr 19) den Charakter eines Überbrückungsgeldes oder Übergangsbezuges, denn es sei nicht ergänzend zur gesetzlichen Rente geleistet worden und habe ab Vollendung des 55. Lebensjahres, also ab einem Zeitpunkt erbracht werden können, zu dem nicht mit einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu rechnen gewesen sei.
6Der Kläger beantragt,die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom und des Sozialgerichts Duisburg vom sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufzuheben.
7Die Beklagte beantragt,die Revision des Klägers zurückzuweisen.
8Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Gründe
9Die zulässige Revision des Klägers ist begründet.
10Zu Unrecht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ist auch im (noch) streitigen Umfang, nämlich der Festsetzung von Krankenversicherungsbeiträgen für die Zeit vom bis rechtswidrig.
111. Die dem Kläger von seiner früheren Arbeitgeberin aufgrund einer Direktzusage ab dem zugewandten, als "Betriebsrente" (Aufhebungsvertrag vom ) bzw "betriebliches Ruhegeld" (Ruhegeld-Bewilligungsschreiben vom ) bezeichneten laufenden Geldzahlungen sind in diesem Zeitraum keine Versorgungsbezüge in Form einer Rente der betrieblichen Altersversorgung, auf die Krankenversicherungsbeiträge zu erheben sind.
12a) Nach § 226 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB V, der seit Inkrafttreten des SGB V am unverändert geblieben ist, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten - hierzu gehörte der Kläger wegen seiner Beschäftigung als Lehrer an einem Berufskolleg im noch streitigen Zeitraum - der Beitragsbemessung in der GKV der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zugrunde gelegt. Als der Rente vergleichbare Einnahmen in diesem Sinne gelten nach § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V (ebenfalls unveränderte Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom , BGBl I 2477) auch "Renten der betrieblichen Altersversorgung", soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden.
13b) Für die Einordnung einer Leistung als Rente der betrieblichen Altersversorgung iS des § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung iS des § 1 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) handelt. Dem steht nicht entgegen, dass hier von der Zusage solcher Leistungen in den Versorgungsbestimmungen vom in Form einer unmittelbaren Versorgungszusage der Arbeitgeberin (§ 1 Abs 1 S 2 Alt 1 BetrAVG; vgl hierzu Schipp in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl 2016, Vorbem BetrAVG RdNr 65 ff) auszugehen ist. Denn der Senat hat den Begriff der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Beitragsrechts der GKV seit jeher als gegenüber dem Begriff der betrieblichen Altersversorgung im BetrAVG eigenständig verstanden (stRspr, zB - SozR 4-2500 § 229 Nr 14 RdNr 13 mwN). Wird der Bezug einer Leistung - wie hier - nicht schon institutionell (Versicherungseinrichtung, Versicherungstyp) vom Betriebsrentenrecht erfasst, sind wesentliche Merkmale einer Rente der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Beitragsrechts der GKV ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Rente und der früheren Beschäftigung sowie ihre Einkommens-(Lohn- bzw Entgelt-)Ersatzfunktion (vgl - SozR 4-2500 § 229 Nr 14 RdNr 14 mwN). Leistungen sind ua dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers im Alter bezwecken, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen sollen (vgl - SozR 4-2500 § 229 Nr 4 RdNr 11 mwN). Durch diese Zwecksetzung unterscheidet sich die betriebliche Altersversorgung von sonstigen Zuwendungen des Arbeitgebers, etwa solchen zur Überbrückung erwarteter Arbeitslosigkeit oder Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes (vgl zum Vorstehenden insgesamt - SozR 4-2500 § 229 Nr 19 RdNr 20 mwN).
14c) Zur Abgrenzung solcher "Überbrückungsgelder", "Überbrückungshilfen", "Übergangsleistungen" usw, die nicht der Beitragsbemessung in der GKV zugrunde zu legen sind, von Leistungen des Arbeitgebers, die der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen sind, hat sich der Senat an der Rechtsprechung des BAG orientiert ( - SozR 4-2500 § 229 Nr 19 RdNr 21 ff und - B 12 KR 18/14 R - Juris RdNr 19 ff), das in ständiger Rechtsprechung unabhängig von den subjektiven Vorstellungen und Beweggründen der Arbeitsvertragsparteien auf den objektiven Inhalt der Leistung blickt und vor allem dem vereinbarten Leistungsbeginn große Bedeutung beimisst (vgl - BAGE 128, 199 RdNr 24, unter Hinweis auf - DB 2004, 1624; - BAGE 90, 120, 123 f und - AP Nr 17 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung, jeweils mwN). Im Anschluss hieran hat der Senat die Eigenschaft als Versorgungsbezug dann verneint, wenn bei der Zusage von Übergangsbezügen, Überbrückungsgeldern usw nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Leistungsbeginn auf ein Lebensalter abgestellt wird, das nach der Verkehrsanschauung typischerweise nicht schon als Beginn des Ruhestands gelten kann, und wenn diese Zuwendung bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand befristet ist ( - SozR 4-2500 § 229 Nr 19 Leitsatz und RdNr 21 und - B 12 KR 18/14 R - Juris RdNr 19). Als Lebensalter, das nach der Verkehrsanschauung typischerweise nicht schon als Beginn des Ruhestands gelten kann, hat der Senat in diesen Entscheidungen ein Alter von 55 bzw 50 Jahren angesehen (BSG, aaO, RdNr 22 bzw Juris RdNr 20). Allerdings lässt sich kein fester Zeitpunkt ermitteln, von dem an eine betriebliche Altersversorgung überhaupt nur in Betracht kommt, weil die Wahl einer niedrigeren Altersgrenze wegen besonderer Beanspruchungen der Berufsgruppe auch auf sachlichen Gründen beruhen kann (BSG, aaO, RdNr 21 bzw Juris RdNr 19, jeweils unter Hinweis auf - Juris <Zusage einer befristeten "Firmenrente" für Flugbegleiter ab dem 55. Lebensjahr>, - Juris <Seeleute> sowie - AP Nr 17 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung <Verkehrsflugzeugführer>).
15d) Diese Rechtsprechung entwickelt der Senat fort. Er geht nunmehr davon aus, dass auch unbefristete Leistungen, die ein Arbeitgeber an Arbeitnehmer nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis anfänglich mit Überbrückungsfunktion auch über den Renteneintritt hinaus zahlt, zunächst keine Versorgungbezüge sind. Jedoch sind sie ab dem Zeitpunkt des Renteneintritts, spätestens ab Erreichen der Regelaltersgrenze als beitragspflichtige Versorgungsbezüge anzusehen.
16Gegen eine Beitragsbemessung unter Einbeziehung unbefristeter, auch über den Renteneintritt hinaus gezahlter Leistungen mit anfänglicher Überbrückungsfunktion spricht zunächst der mit der Versicherungspflicht und Beitragserhebung in der GKV verbundene Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG). Dieser Eingriff ist dem Gebot der grundrechtsschonenden Auslegung entsprechend bei der Bestimmung des beitragsrechtlichen Begriffs des Versorgungsbezugs möglichst gering zu halten. Im Hinblick hierauf verbietet es sich, Überbrückungsleistungen allein deshalb als Versorgungsbezug einzuordnen, weil sie auf einer Versorgungsordnung beruhen, die - wie vorliegend - im Übrigen (auch) Leistungen mit Versorgungsfunktion regelt. Zugleich kann eine der Form nach undifferenzierte Leistung mit anfänglichem Überbrückungszweck nicht allein deshalb insgesamt als beitragspflichtiger Versorgungsbezug betrachtet werden, weil zu einem späteren Zeitpunkt die Überbrückungsfunktion durch eine Versorgungsfunktion abgelöst wird. Für eine differenzierende Betrachtung solch undifferenzierter Leistungen spricht zudem bereits der Wortlaut des § 229 Abs 1 S 1 SGB V. Denn danach gelten auch Renten der betrieblichen Altersversorgung iS der Nr 5 dieses Satzes nur als der Rente vergleichbare Einnahme (= Versorgungsbezug), "soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden".
17Umgekehrt wäre es mit Wortlaut und Zweck (Gleichstellung von Beziehern gesetzlicher und betrieblicher Renten, vgl BT-Drucks 9/458 S 29, 34 zu Art 1 Nr 2 § 180 Abs 8; vgl auch - BSGE 58, 1, 7 = SozR 2200 § 180 Nr 23 S 82) des § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V nicht vereinbar, solche Leistungen auch über den Zeitpunkt des individuellen Renteneintritts oder das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus beitragsfrei zu belassen. Denn spätestens zu diesen Zeitpunkten hat sich der ursprüngliche Leistungszweck, die Zeit bis zum Beginn der gesetzlichen Rente zu überbrücken, erledigt. Die Zahlung hat nunmehr den Charakter einer die gesetzliche Rente ergänzenden Versorgung, die ihren Ursprung in einer Regelung/Zusage des Arbeitgebers hat, weshalb sie als Rente der betrieblichen Altersversorgung iS von § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V zu qualifizieren ist (vgl zu den genannten Voraussetzungen - SozR 4-2500 § 229 Nr 14 RdNr 14 mwN). Zugleich sind der Beginn des tatsächlichen Rentenbezugs sowie die gesetzlich festgelegte Regelaltersgrenze einfach festzustellende Merkmale, an welche die Krankenkassen im Rahmen der Massenverwaltung für das Ende der Beitragsfreiheit solcher Leistungen anknüpfen können.
18e) In Anwendung dieser Grundsätze stellt das in den Versorgungsbestimmungen der A. Aktiengesellschaft vom für die Zeit ab Vollendung des 55. Lebensjahres in Aussicht gestellte monatliche Ruhegeld erst ab Beginn der Altersrente des Klägers am - also erst nach Ende des noch streitigen Zeitraums - eine Einnahme dar, die iS von § 229 Abs 1 S 1 SGB V "zur Altersversorgung erzielt" wird. Dies folgt aus dem Inhalt der Versorgungsbestimmungen sowie des Schreibens vom , mit dem das Ruhegeld bewilligt wurde.
19Dem steht nicht entgegen, dass das in der Versorgungsordnung zugesagte Ruhegeld im Hinblick auf Leistungsvoraussetzungen und Sicherungszweck grundsätzlich eine starke Übereinstimmung mit Renten der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) aufweist und ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Leistung und der früheren Beschäftigung außer Zweifel steht. So konnte ein Arbeitnehmer beispielsweise ein betriebliches Ruhegeld beanspruchen, sobald er aus den Diensten der A. ausschied und entweder das 65. Lebensjahr vollendet hatte oder Sozialversicherungsrente in voller Höhe erhielt (§ 5 Abs 1 Versorgungsbestimmungen). Aber auch bei Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (§ 6 Abs 2 Versorgungsbestimmungen), bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (§ 5 Abs 2 und 4 Versorgungsbestimmungen) wie auch auf die Gewährung eines Witwen- bzw Witwergeldes (§ 12 Versorgungsbestimmungen) und eines Waisengeldes (§ 15 Versorgungsbestimmungen) bestand ein Anspruch. Ähnlich der GRV setzte der Leistungsanspruch die Erfüllung einer Wartezeit voraus (§ 3 Abs 1 Versorgungsbestimmungen). Zugleich wurde die Leistungshöhe anhand der Dienstjahre und der sich nach dem Einkommen des jeweiligen Mitarbeiters richtenden Pensionsgruppe bestimmt (§ 7 Versorgungsbestimmungen; vgl aber zur Bedeutung der Orientierung an der Entgelthöhe - SozR 4-2500 § 229 Nr 14 RdNr 23).
20Diese Rentenähnlichkeit gilt jedoch nicht im selben Maße für den in § 5 Abs 3 Versorgungsbestimmungen genannten Leistungsfall, wonach ein Ruhegeld - ausnahmsweise und ohne bindenden Anspruch - auch gewährt werden konnte, wenn ein Mitarbeiter, der das 55. Lebensjahr und das 25. Dienstjahr (bzw das 59. Lebensjahr und das 10. Dienstjahr) vollendet hatte, aus Gründen entlassen wurde, die nicht in seiner Person lagen. In diesem Fall steht eine Überbrückungsfunktion der Leistung im Vordergrund, die ihre Qualifikation als Versorgungsbezug zunächst ausschließt.
21Dies folgt zunächst aus dem weit vor dem gesetzlichen Rentenalter liegenden Leistungsbeginn. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass bei älteren Arbeitnehmern die Gefahr besonders hoch sei, nach Verlust des Arbeitsplatzes bis zum Eintritt in den Ruhestand keine neue Beschäftigung zu finden, begründet dies keine Vermutung einer Versorgungsfunktion schon weit vor diesem Zeitpunkt beginnender Leistungen. Denn das Risiko der Arbeitslosigkeit steht den in § 229 Abs 1 S 1 Teils 1 SGB V genannten Leistungszwecken - Einschränkung der Erwerbsfähigkeit, Alters- oder Hinterbliebenenversorgung - nicht gleich. Solange der Versicherte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, liegt gerade noch "kein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben" (vgl oben II 1 b) vor. Vielmehr spricht der Gesichtspunkt einer drohenden längeren Arbeitslosigkeit gerade für die Überbrückungsfunktion einer Leistung, die geeignet ist, den Entgeltausfall nach Verlust des Arbeitsplatzes oder ein geringeres Entgelt aus einer neuen Beschäftigung (teilweise) auszugleichen. Für eine (anfängliche) Überbrückungsfunktion des nach § 5 Abs 3 Versorgungsbestimmungen gewährten Ruhegeldes spricht zudem die mögliche Unterbrechung der Ruhegeldzahlung für die Dauer einer auf Erwerb gerichteten Tätigkeit, sofern der Ruhegeldempfänger diese ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung der Verwaltungskommission aufnimmt (§ 22 Versorgungsbestimmungen). Gleiches gilt für den zumindest im Bewilligungsschreiben enthaltenen Hinweis, dass der Kläger verpflichtet sei, "die Altersrente aus der gesetzlichen Sozialversicherung so früh wie möglich in Anspruch zu nehmen, spätestens zum " und dass in diesem Falle eine Neuberechnung des Ruhegeldes im Hinblick auf die Gesamtversorgungsbegrenzung gemäß § 10 Abs 1 Versorgungsbestimmungen zu erfolgen habe.
22Darüber hinaus zeigt sich die anfängliche Überbrückungsfunktion des Ruhegeldes nach § 5 Abs 3 Versorgungsbestimmungen und insbesondere deren Ablösung durch eine Versorgungfunktion bei Beginn einer Rente der GRV aus eigenem Recht, spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres, an der verbindlichen Zusage eines Ruhegeldes (erst) ab diesen Zeitpunkten (§ 5 Abs 1 Versorgungsbestimmungen). Verdeutlicht wird dies zudem durch die erst ab Beginn einer Rente der GRV eingreifende Begrenzung der "Gesamtversorgung" aus Ruhegeld und "Sozialversicherungsrente" auf 90 % des höchsten Nettoeinkommens der letzten drei Jahre vor Eintritt in den Ruhestand (§ 10 Abs 1 Versorgungsbestimmungen), die - entsprechend dem bereits erwähnten Hinweis im Bewilligungsschreiben - bei Rentenbeginn eine Neuberechnung des bereits zuvor gewährten Ruhegeldes erforderlich macht.
23Ohne Bedeutung ist schließlich, dass die dem Kläger gewährte Leistung in den Versorgungsbestimmungen als "Ruhegeld" bzw im Aufhebungsvertrag als "Betriebsrente" bezeichnet wird und - worauf die Beklagte hinweist - die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers gegenüber dem SG undifferenziert angegeben hat, die Betriebsrente werde zur Altersversorgung gezahlt. Denn die Qualität einer Arbeitgeberleistung ist ausschließlich objektiv zu bestimmen und der Disposition der Arbeitsvertragsparteien insoweit entzogen ( - SozR 4-2500 § 229 Nr 19 RdNr 21, 26 ff und - B 12 KR 18/14 R - Juris RdNr 19, 24, 26 f).
242. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2017:200717UB12KR1215R0
Fundstelle(n):
DB 2017 S. 21 Nr. 30
DB 2017 S. 2551 Nr. 43
DStR 2017 S. 12 Nr. 32
DStR 2017 S. 14 Nr. 39
DStR 2018 S. 1129 Nr. 22
NJW 2017 S. 10 Nr. 45
NJW 2017 S. 3614 Nr. 49
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2017 S. 2409
FAAAG-54406