BFH Beschluss v. - V B 227/00

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die mit notariell beurkundetem Vertrag vom gegründet worden ist und ein ...unternehmen betreibt. Ihre Gesellschafter sind die Beigeladenen.

Die Beigeladenen hatten schon vor Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages den Geschäftsbetrieb der zu gründenden GmbH aufgenommen. Nach Einschätzung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) wurden hierbei im Streitjahr 1990 nicht erklärte Einnahmen und Umsätze erzielt. Der Beigeladene zu 1. ist in diesem Zusammenhang 1997 rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden.

Das FA setzte gegenüber der Klägerin für das Streitjahr 1990 Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer fest, wobei es Hinzuschätzungen zu den von der Klägerin selbst aufgezeichneten Beträgen vornahm. Die gegen diese Steuerbescheide erhobene Klage ist noch nicht entschieden.

Im Verlauf des Klageverfahrens wies das Finanzgericht (FG) die Beteiligten darauf hin, dass die Klägerin möglicherweise im Streitjahr nicht als Steuerrechtsubjekt bestanden habe. Daraufhin beantragte das FA, die Mitglieder der Vorgründungsgesellschaft gemäß § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) zum Klageverfahren beizuladen. Diesem Antrag folgte das FG. Gegen den Beiladungsbeschluss wenden sich die Klägerin und der Beigeladene und Beschwerdeführer mit ihrer Beschwerde.

Der I. Senat des (BFH/NV 2001, 573) den Rechtsstreit wegen Beiladung zum Verfahren wegen Umsatzsteuer an den erkennenden Senat abgegeben und die Beschwerde wegen Beiladung zum Verfahren wegen Körperschaftsteuer als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Beiladungsbeschluss hinsichtlich Umsatzsteuer 1990 insoweit aufzuheben, als er sich auf den Beigeladenen und Beschwerdeführer sowie auf die Beigeladene zu 2. bezieht. Der Beigeladene und Beschwerdeführer beantragt —ebenfalls sinngemäß— die Aufhebung des gegen ihn gerichteten Beiladungsbeschlusses hinsichtlich Umsatzsteuer 1990.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist begründet. Der Beiladungsbeschluss des FG war aufzuheben, soweit er die Beiladung zum Verfahren wegen Umsatzsteuer 1990 betrifft.

1. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 können, wenn ein Steuerbescheid aufgrund irriger Beurteilung eines Sachverhalts rechtsfehlerhaft war und deshalb aufgrund eines Antrags oder Rechtsbehelfs zugunsten des Steuerpflichtigen aufgehoben oder geändert worden ist, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen Folgerungen gezogen werden. Eine solche ”korrespondierende Folgeänderung” ist gemäß § 174 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 auch einem Dritten gegenüber zulässig, wenn dieser an dem Verfahren beteiligt war, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Bescheides geführt hat. Dementsprechend ist nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren zulässig. Eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 setzt hiernach voraus,

a) dass ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist,

b) dass hieraus sich möglicherweise steuerliche Folgerungen für einen Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides ziehen lassen und

c) dass das FA die Beiladung veranlasst und beantragt hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 3/98, BFH/NV 1998, 1056, und vom V B 79/98, BFH/NV 1999, 442).

2. Im Streitfall hat zwar das FA die Beiladung beantragt und besteht die Möglichkeit, dass der gegen die Klägerin ergangene Umsatzsteuerbescheid für 1990 zu Unrecht ergangen ist, denn nach den von den Beteiligten nicht angegriffenen Feststellungen des FG hat die Klägerin im Streitjahr zivilrechtlich noch nicht bestanden, da sie noch nicht formwirksam (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung —GmbHG—) errichtet worden war. Soweit das ...unternehmen bereits 1990 für Rechnung der GmbH betrieben wurde, kommt als Unternehmensträgerin die zivil- und steuerrechtlich als Personengesellschaft zu behandelnde ”Vorgründungsgesellschaft” (z.B. Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 17. Aufl., § 11 Rz. 33) in Betracht oder eine Vorgesellschaft, die steuerrechtlich bei nachfolgender Eintragung der GmbH in das Handelsregister als Kapitalgesellschaft behandelt wird (, BFHE 169, 343, BStBl II 1993, 352; vom V R 90/74, BFHE 125, 212, BStBl II 1978, 486). Soweit die Umsätze nicht von der GmbH, sondern von der Vorgründungsgesellschaft erzielt worden sind, ist diese als Personengesellschaft —nach neuer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) auch als Gesellschaft bürgerlichen Rechts insoweit rechts- und parteifähige (vgl. , BGHZ 146, 341)— Unternehmerin. Als korrespondierende Folge einer vom FG möglicherweise ins Auge gefassten Aufhebung des gegen die GmbH gerichteten Umsatzsteuerbescheides für 1990 kommt deshalb der Erlass eines gegen die Vorgründungsgesellschaft als Unternehmerin gerichteten Umsatzsteuerbescheides für 1990, nicht dagegen die Inanspruchnahme der Gesellschafter der Vorgründungsgesellschaft als Steuerschuldner in Betracht.

Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Gesellschafter als Haftungsschuldner für die Steuerschulden der Vorgründungsgesellschaft in Anspruch genommen werden könnten, denn § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 stellt einen eigenständigen Beiladungstatbestand dar (vgl. z.B. , BFHE 151, 506, BStBl II 1988, 344; in BFH/NV 2001, 573, und vom III B 41/98, BFH/NV 1999, 156). Die Aufhebung eines Steuerbescheides rechtfertigt deshalb keine Änderung eines Haftungsbescheids nach § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 (für den umgekehrten Fall: , BFH/NV 1997, 212). Die Beiladung des Beschwerdeführers war hiernach nicht erforderlich und der Beiladungsbeschluss deshalb insoweit aufzuheben.

3. Bestehen bleibt die Beiladung der Gesellschafter, die keine Beschwerde eingelegt haben.

4. Einer Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens derjenigen Beschwerdeführer, deren Beschwerde Erfolg hat, bedarf es nicht, weil insoweit Kosten nicht angefallen sind (Nr. 3402 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 des GerichtskostengesetzesGKG—). Die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten sind aus Billigkeitsgründen gemäß § 139 Abs. 4 FGO dem FA aufzuerlegen, das die Beiladung beantragt hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 158 Nr. 2
MAAAA-67140