Antrag auf Stundung einer Kindergeldrückforderung infolge Wegzugs der Kinder zum Zweck des Schulbesuchs in die Türkei: Antragsablehnung
bei unzureichender Berücksichtigung des Akteninhalts ermessensfehlerhaft
grobe Fahrlässigkeit infolge der unterlassenen Mitteilung des Wegzugs der Kinder
Stundungsablehnung wegen Gefährdung der zu stundenden Forderung
Leitsatz
1. Die Entscheidung über den Antrag auf Stundung einer Kindergeldrückzahlung ist ermessensfehlerhaft, wenn die Familienkasse
nicht den gesamten Akteninhalt ausgewertet und damit den Sachverhalt nicht einwandfrei und erschöpfend ermittelt hat.
2. Allein die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO) wegen des der Kindergeldrückforderung
zugrunde liegenden Sachverhalts führt noch nicht zur Stundungsunwürdigkeit des Steuerpflichtigen.
3. Sind die Kinder zum Schulbesuch in die Türkei umgezogen und hat der Steuerpflichtige diesen Wegzug der Familienkasse nicht
mitgeteilt, so kann dem Steuerpflichtigen insoweit eine grobe Fahrlässigkeit nur unterstellt werden, wenn er nach Laienverstand
hätte erkennen müssen, dass hier rechtlich betrachtet eine Aufgabe des inländischen Wohnsitzes in Frage kommt. Die Familienkasse
muss daher anhand der Umstände des Einzelfalles, auch unter Berücksichtigung der persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des
Klägers, darlegen, warum sie meint, der Kindesvater habe die Unterlassung der rechtzeitigen Mitteilung des Wegzugs grob fahrlässig
begangen.
4. Hat die Familienkasse insgesamt wesentliche aus den Akten erkennbare Sachverhaltselemente für die Beurteilung des Vorliegens
von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit unbeachtet und damit ungewürdigt gelassen, wird ihre Entscheidung dadurch ermessensfehlerhaft.
5. Ein Antrag auf Stundung kann wegen Gefährdung der Forderung nur dann abgelehnt werden, wenn der jetzt beitreibbare Betrag
den Umständen nach höher ist als der ggf. nach Stundung später beitreibbare Betrag. Nur weil der Schuldner selbstständig tätig
ist und sich die beantragte Ratenzahlung über viele Jahre hinziehen würde, kann noch nicht von einer Gefährdung der Forderung
ausgegangen werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): EFG 2017 S. 1144 Nr. 14 PAAAG-50201
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