BFH Urteil v. - XI R 18/01 BStBl 2004 II S. 181

Leitsatz

Zwischen der Bildung einer Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG und der Investition muss ein Finanzierungszusammenhang bestehen. Dieser ist nicht gewahrt, wenn die Rücklage erst später als zwei Jahre nach Anschaffung des Wirtschaftsguts gebildet wird.

Gesetze: EStG § 7g Abs. 3EStG § 7g Abs. 6

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Grafikdesigner selbständig tätig; er ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1995 vom machte der Kläger mit Schreiben vom erstmals geltend, eine ”Rücklage” nach § 7g EStG in Höhe von 25 400 DM gebildet und im Jahr 1997 wieder aufgelöst zu haben; die einzelnen Wirtschaftsgüter wurden mit ihren Anschaffungsdaten im Jahr 1997 und ihren Anschaffungskosten aufgelistet. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) lehnte den begehrten Betriebsausgabenabzug in der Einspruchsentscheidung vom ab, da die Investitionsabsicht zum Stichtag nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die Klage hatte Erfolg; für die Auffassung des FA, dass eine Rücklage nicht mehr gebildet werden könne, wenn die Wirtschaftsgüter bereits angeschafft worden seien, finde sich im Gesetz keine Stütze.

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts:

Das Urteil des FG verstoße gegen § 7g Abs. 3 EStG. In dem Schreiben vom habe der Kläger lediglich dargelegt, wie die gebildete Rücklage aufgelöst worden sei. Nach § 7g Abs. 3 Nr. 3 EStG setze die Bildung der Rücklage voraus, dass sie in der Buchführung verfolgt werden könne. Die objektiven äußeren Umstände sprächen dagegen, dass der Kläger im Jahr 1995 die bezeichneten Wirtschaftsgüter habe anschaffen wollen. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens sei erstmals die Ansparabschreibung geltend gemacht worden. In diesem Zeitpunkt sei die (Einkommensteuer-)Veranlagung für 1997 abgeschlossen gewesen, so dass der Kläger eine Vergleichsrechnung angestellt habe, nach der er im Wege der Ansparrücklage eine niedrigere Steuerbelastung erreichen könne. Die Investitionsabsicht müsse aber im Jahr 1995 vorhanden gewesen sein. Die Bildung der Rücklage müsse der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts vorausgehen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als eine niedrigere Steuer als 14 292 DM beantragt wurde.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Rücklage sei für 1995 gebildet worden und beziehe sich auf Investitionen für 1997. Das Wahlrecht zur Bildung der Ansparrücklage könne bis zur Bestandskraft der Festsetzung 1995 ausgeübt werden. Der Zweck der Vorschrift liege in der Erleichterung der Finanzierung. Die formalen Voraussetzungen im Hinblick auf Bildung und Auflösung der Rücklage seien erfüllt.

II. Die Revision des FA ist gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Das FG hat zu Unrecht einen Abzug nach § 7g Abs. 6 EStG als Betriebsausgabe zugelassen, obwohl die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage (Ansparabschreibung) nicht gegeben waren. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten der zusätzliche Abzug von Betriebsausgaben in Höhe von 239,41 DM; insoweit war der Klage stattzugeben.

1. Gemäß § 7g Abs. 3 EStG (in der für das Streitjahr 1995 geltenden Fassung) können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Die Rücklage darf 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird. Sie ist gemäß § 7g Abs. 4 EStG in Höhe von 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufzulösen, sobald für das begünstigte Wirtschaftsgut Abschreibungen vorgenommen werden dürfen. Gemäß § 7g Abs. 6 EStG ist im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die Rücklage als Betriebsausgabe zu behandeln.

Der Tatbestand des § 7g Abs. 3 EStG stellt auf die künftige Anschaffung ab und verwendet den Begriff der Ansparabschreibung. Diese hat den Zweck, die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe dadurch zu verbessern, dass deren Liquidität und Eigenkapitalbildung unterstützt und deren Investitions- und Innovationskraft gestärkt werden (BTDrucks 10/336, 13, 25/26; BTDrucks 11/257, 8 f.). Mit Hilfe der Rücklage, die zu einer Steuerstundung führt, sollen Mittel angespart werden können, um dem Unternehmen die Finanzierung der Investition zu erleichtern (BTDrucks 12/4487, S. 33). Die Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG bewirkt die Vorverlagerung des Abschreibungspotentials und fördert die Innenfinanzierung einer Investition, indem der Kreditbedarf verringert wird (vgl. Lambrecht in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 7g EStG, Rdnr. A 1). Der durch die Vorverlagerung des Aufwands entstehende Steuerstundungseffekt erhöht die Liquidität und den finanziellen Spielraum des Steuerpflichtigen. Während der Steuerstundung können die liquiden Mittel produktiv verwendet oder zur Tilgung von Verbindlichkeiten eingesetzt werden.

2. Dieser Zweck der Rücklage verlangt in zeitlicher Hinsicht, dass die Rücklage die ihr zugedachte Funktion der Finanzierungserleichterung erfüllen kann. Zwischen der Bildung der Rücklage und der Investition muss ein ”Finanzierungszusammenhang” bestehen. Dieser kann im Hinblick auf die Frist von zwei Jahren für die Anschaffung oder Herstellung der Wirtschaftsgüter, für die die Rücklage gebildet wurde, zwar auch dann noch gegeben sein, wenn die Bilanz für das Jahr der Rücklage erst nach der Anschaffung oder Herstellung aufgestellt wird. Der Finanzierungszusammenhang ist aber nicht mehr gewahrt, wenn die Bildung der Rücklage —im Streitfall der Betriebsausgabenabzug— erstmals später als zwei Jahre nach Anschaffung der Wirtschaftsgüter geltend gemacht wird. In diesem Fall dient die Bildung der Rücklage nicht mehr der Investitionserleichterung. Entgegen der Auffassung des Klägers ermöglicht § 7g Abs. 3 EStG nicht eine nur durch die Bestandskraft begrenzte, im Übrigen aber voraussetzungslose Rücklagenbildung.

3. Die unter 2. vorgenommene Beurteilung beruht auf den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 7g EStG; dass verfahrensrechtlich Wahlrechte bis zur Bestandskraft der jeweiligen Bescheide ausgeübt werden können (, BFHE 193, 279, BStBl II 2001, 106), ist daher ohne Bedeutung.

Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 181
BB 2002 S. 1633 Nr. 32
BB 2002 S. 1745 Nr. 34
BFH/NV 2002 S. 1207 Nr. 9
BFH/NV 2002 S. 181 Nr. 2
BFHE S. 415 Nr. 198
BStBl II 2004 S. 181 Nr. 5
DStRE 2002 S. 1052 Nr. 17
DStRE 2002 S. 133 Nr. 3
FR 2002 S. 938 Nr. 17
KÖSDI 2002 S. 13410 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 36/2005 S. 3043
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