BMF - IV B 6 - S 1315/16/10016: 002 BStBl 2017 I S. 89

Merkblatt über koordinierte steuerliche Außenprüfungen mit Steuerverwaltungen anderer Staaten und Gebiete

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gelten in Ergänzung des Merkblatts zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen (, BStBl 2015 I S. 928) für die Durchführung koordinierter steuerlicher Außenprüfungen mit Steuerverwaltungen anderer Staaten und Gebiete die folgenden Grundsätze.

1. Allgemeines

Bei der Durchführung des Informationsaustausches haben die Finanzbehörden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den gesetzmäßigen Schutz des Steuerpflichtigen (einschließlich der Wahrung des Steuergeheimnisses) sowie die Gegenseitigkeit und die Ausgewogenheit des Informationsaustausches zu wahren (§ 117 Absatz 3 Abgabenordnung [AO]).

Bei Maßnahmen, die auf dem EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) basieren, ist Gegenseitigkeit als gegeben zu unterstellen, unabhängig davon, wie die EU-Amtshilferichtlinie (Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG) im jeweiligen Staat umgesetzt wurde. Im Rahmen des im Einzelfall auszuübenden Ermessens kann eine unterschiedliche Umsetzung der Richtlinie allerdings Berücksichtigung finden (vergleiche § 4 Absatz 4 EUAHiG).

Im Rahmen der zwischenstaatlichen Amtshilfe können neben dem Informationsaustausch auf Ersuchen, dem spontanen und automatischen Informationsaustausch auch koordinierte bi- und multilaterale steuerliche Außenprüfungen durchgeführt werden. Hierzu zählen gleichzeitige Prüfungen (Simultanprüfungen) sowie gemeinsame steuerliche Außenprüfungen (international als „Joint Audits” bezeichnet), die eine besondere Form koordinierter Außenprüfungen darstellen.

Die Entsendung eines Bediensteten der deutschen Steuerverwaltung in das Ausland zum Zwecke der Beantwortung eines Auskunftsersuchens ist nicht an bestimmte Ermittlungsverfahren der ausländischen Finanzbehörde (zum Beispiel Durchführung einer steuerlichen Außenprüfung) gebunden. Auch außerhalb koordinierter Außenprüfungen können bevollmächtigte inländische Bedienstete in andere EU-Mitgliedstaaten entsandt werden, sofern die Komplexität eines Auskunftsersuchens dies erfordert (§ 11 EUAHiG). Bedienstete dürfen, sofern sie bevollmächtigt wurden (§§ 4, 10, 11 EUAHiG), auch Besprechungen im Ausland mit Steuerpflichtigen, mit deren steuerlichen Vertretern oder mit den für den Prüfungsfall zuständigen ausländischen Bediensteten durchführen, um den grenzüberschreitenden Sachverhalt aufzuklären. Solche Maßnahmen sind nach den für koordinierte Außenprüfungen geltenden Regelungen vorzuschlagen, einzuleiten und durchzuführen (siehe auch Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen, Tz. 4.2.3).

Im Hinblick auf die Ermittlungsmöglichkeiten im Verhältnis zu Drittstaaten, auch unabhängig von der Durchführung einer steuerlichen Außenprüfung, wird auf das Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen (Tz. 4.2.3) und das , BStBl 2016 I S. 138, verwiesen. Zudem sind Artikel 8 und 9 des Übereinkommens vom über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des Protokolls zur Änderung des Übereinkommens vom (nachfolgend kurz: Amtshilfeübereinkommen, BGBl 2015 II S. 966) zu beachten.

1.1 Ziele koordinierter Außenprüfungen

Das wesentliche Ziel koordinierter Außenprüfungen (Oberbegriff), das sind sowohl die gleichzeitige steuerliche Außenprüfung (Simultanprüfung) als auch die gemeinsame steuerliche Außenprüfung, besteht darin, während der Außenprüfungen unter Beteiligung ausländischer Bediensteter zu einer einvernehmlichen Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu gelangen. Kann der Sachverhalt einvernehmlich festgestellt werden, so ziehen die beteiligten Steuerverwaltungen unabhängig voneinander jeweils ihre nationalen rechtlichen Schlussfolgerungen.

Die einvernehmliche Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts kann zugleich dazu beitragen, internationale Besteuerungskonflikte (aber auch unbesteuerte Einkünfte, so genannte „weiße Einkünfte”) und etwaig resultierende Verständigungsverfahren zu vermeiden beziehungsweise zu vereinfachen und zeitlich zu verkürzen. Zudem kann die einvernehmliche Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts die Basis für die Beantragung eines Advance Pricing Agreements (APA) seitens des Steuerpflichtigen darstellen.

Wird durch gemeinsame steuerliche Außenprüfungen, insbesondere in Verrechnungspreisfragen und Fragen der Betriebsstättengewinnaufteilung nicht nur eine einvernehmliche Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts angestrebt, sondern ist das Ziel eine rechtlich verbindliche Verständigung über die ertragsteuerliche Beurteilung des einvernehmlich festgestellten Sachverhalts mit der bzw. den anderen beteiligten Steuerverwaltungen, so ist dies nur nach entsprechendem Antrag des Steuerpflichtigen im Wege eines Verständigungsverfahrens möglich. Die Regelungen zur Einleitung und Durchführung von Verständigungsverfahren bleiben unberührt (vgl. Merkblatt zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, , BStBl 2006 I S. 461, zu APAs vgl. Merkblatt für bilaterale oder multilaterale Vorabverständigungsverfahren auf der Grundlage der Doppelbesteuerungsabkommen zur Erteilung verbindlicher Vorabzusagen über Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen (sog. „Advance Pricing Agreements” – APAs, , BStBl 2006 I S. 594, nachfolgend kurz: Merkblatt für „Advance Pricing Agreements – APAs”, und Tz. 4).

1.2 Prüfungsanordnung

Die deutschen Finanzbehörden führen eine Außenprüfung im Sinne von §§ 193 ff. AO bei dem inländischen Steuerpflichtigen durch. Folglich wird die Prüfungsanordnung im Sinne von § 196 AO nur an den inländischen Steuerpflichtigen bekanntgegeben. Die ausländischen Prüfer sind nicht namentlich in der Prüfungsanordnung zu benennen.

2. Rechtliche Grundlagen für steuerlich koordinierte Außenprüfungen

2.1 Gleichzeitige steuerliche Außenprüfungen (Simultanprüfungen)

Bei gleichzeitigen steuerlichen Außenprüfungen führen die beteiligten Finanzbehörden im eigenen Hoheitsgebiet jeweils eigenständige Steuerprüfungen nach dem für sie geltenden nationalen Steuerverfahrensrecht durch. Die deutsche Steuerverwaltung wird im Rahmen der für die nationale Außenprüfung geltenden Regelungen der Abgabenordnung tätig (§§ 193 ff. AO; Betriebsprüfungsordnung [BpO] 2000). Die so erlangten Informationen werden zeitnah ausgetauscht, soweit sie für die Durchführung des Besteuerungsverfahrens im anderen Vertragsstaat von Bedeutung sein können. Hierbei kommen die für den grenzüberschreitenden Informationsaustausch geltenden Rechtsgrundlagen und Verfahren zur Anwendung.

2.1.1 Simultanprüfungen mit anderen EU-Mitgliedstaaten

§ 12 EUAHiG sieht die Möglichkeit vor, gleichzeitige steuerliche Außenprüfungen mit Finanzbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten zu vereinbaren. Soweit dies nach § 4 EUAHiG zulässig ist, sind die hierbei erlangten Informationen auszutauschen und ebenso die Informationen und Kenntnisse, die für die Vereinbarung der steuerlichen Außenprüfung im Vorfeld erforderlich sind. Daneben ist auch ein spontaner Informationsaustausch gemäß § 8 EUAHiG möglich. Die Regelung in § 12 Absatz 1 Satz 2 EUAHiG schränkt diese Möglichkeit nicht ein.

2.1.2 Simultanprüfungen mit Drittstaaten

Gleichzeitige steuerliche Außenprüfungen kommen auch im Verhältnis zu Staaten oder Gebieten, die nicht EU-Mitgliedstaaten sind, in Betracht.

Auf Grundlage der Bestimmungen in den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), die Artikel 26 des OECD-Musterabkommens für DBA entsprechen, können gleichzeitige steuerliche Außenprüfungen durchgeführt werden, sofern die zuständigen Behörden [1] dies vereinbaren.

Zudem sieht Artikel 8 des Amtshilfeübereinkommens die Möglichkeit der Durchführung gleichzeitiger Steuerprüfungen auf Ersuchen einer der Vertragsparteien vor. Die zuständigen Behörden [2] der Vertragsparteien können danach vereinbaren, dass im jeweils eigenen Hoheitsgebiet zeitgleich steuerliche Außenprüfungen einer oder mehrerer Personen, an denen die Vertragsparteien ein gemeinsames oder ergänzendes Interesse haben, durchgeführt und die auf diesem Wege gewonnenen sachdienlichen Informationen ausgetauscht werden.

2.2 Gemeinsame steuerliche Außenprüfungen der deutschen Steuerverwaltung

Die deutschen Finanzbehörden können steuerliche Außenprüfungen mit ausländischen Steuerverwaltungen zeitgleich und gemeinsam durchführen. Dabei sind die inländischen Bediensteten im anderen EU-Mitgliedstaat und die ausländischen Bediensteten im Inland während der relevanten Prüfungsabschnitte anwesend. Die teilnehmenden Steuerverwaltungen legen die Schwerpunkte für die zeitgleich durchzuführenden gemeinsamen steuerlichen Außenprüfungen einvernehmlich fest und erarbeiten eine Strategie für die Ermittlungsmaßnahmen. Auch für gemeinsame steuerliche Außenprüfungen gilt, dass die beteiligten Steuerverwaltungen im jeweils eigenen Hoheitsgebiet eine eigenständige Außenprüfung nach dem jeweiligen nationalen Steuerverfahrensrecht durchführen.

2.2.1 Gemeinsame steuerliche Außenprüfungen mit anderen EU-Mitgliedstaaten

Für die Vereinbarung der Anwesenheit im jeweils anderen EU-Mitgliedstaat kommen die §§ 10 und 11 EUAHiG in Betracht. Sofern der Steuerpflichtige seine Zustimmung erteilt, dürfen im Beisein inländischer Bediensteter durch ausländische Bedienstete bestimmte Ermittlungshandlungen durchgeführt, wie Aufzeichnungen geprüft und Personen befragt werden (aktives Prüfungsrecht; siehe § 10 Absatz 3 EUAHiG). Die während der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung gewonnenen Informationen werden (unmittelbar) ausgetauscht, soweit sie für die Besteuerung im jeweils anderen EU-Mitgliedstaat voraussichtlich erheblich sind (§§ 1, 4, 6, 8, 12 EUAHiG).

2.2.2 Gemeinsame steuerliche Außenprüfungen mit Drittstaaten

Die Artikel 26 des OECD-Musterabkommens für DBA entsprechenden Bestimmungen sehen die Möglichkeit vor, dass Bedienstete des anderen Vertragstaates im Inland anwesend sind und während relevanter Abschnitte steuerlicher Außenprüfungen zugegen sind (siehe Tz. 2.1.2). Darüber hinaus stehen dem ausländischen Bediensteten keine weiteren Befugnisse zu, insbesondere nicht das Recht, mit Zustimmung der betroffenen Personen Fragen zu stellen und Dokumente zu prüfen (kein aktives Prüfungsrecht).

Artikel 9 des Amtshilfeübereinkommens sieht ebenfalls die Möglichkeit vor, dass Vertreter der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei im Inland anwesend sind. Darüber hinaus steht ausländischen Bediensteten, deren Anwesenheit sich auf Artikel 9 des Amtshilfeübereinkommens stützt, nicht das Recht zur Befragung von Personen und Prüfung von Dokumenten zu (kein aktives Prüfungsrecht).

2.2.3 Entsendung inländischer Bediensteter in EU-Mitgliedstaaten

Das Verfahren der Entsendung inländischer Bediensteter erfolgt innerhalb der Europäischen Union (EU) nach den Vorschriften des anderen EU-Mitgliedstaates, insbesondere nach den Bestimmungen der EU-Amtshilferichtlinie, die in das nationale Recht dieses EU-Mitgliedstaates transformiert worden sind.

Halten sich entsandte inländische Bedienstete in anderen EU-Mitgliedstaaten auf, müssen sie jederzeit eine schriftliche Vollmacht vorlegen können, aus der ihre Identität und dienstliche Stellung hervorgeht (§ 11 in Verbindung mit § 10 Absatz 4 EUAHiG).

2.2.4 Befugnisse inländischer Bediensteter in EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten

Für die Durchführung der zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch richten sich die Befugnisse der inländischen Bediensteten nach den für die Steuern im Sinne von § 1 AO geltenden Vorschriften (§ 117 Absatz 4 Satz 1 AO, § 4 Absatz 1 und 2 EUAHiG). Nimmt der Außenprüfer Prüfungshandlungen im Ausland vor, wird er im Rahmen der nach deutschem Recht angeordneten Außenprüfungen tätig (§§ 193 ff. AO).

Die erforderlichen Ermittlungen durch die ausländische Finanzbehörde werden nach dem für diese maßgebenden nationalen Recht durchgeführt (vgl. Tz. 4.2.3 Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen). Dem in das Ausland entsandten Bediensteten stehen dort lediglich die Befugnisse zu, die sich nach deutschem Recht und dem nationalen Recht des ersuchten Staates ergeben. Sollten nach dem Recht des ersuchten EU-Mitgliedstaates oder Drittstaates weitergehende Ermittlungsmöglichkeiten oder Rechte bestehen als nach deutschem Recht, kann sich der entsandte Bedienstete dieser Informationsmöglichkeiten nicht bedienen (vgl. Ziffer 15 des Musterkommentars zu Artikel 26 OECD-Musterabkommen für DBA).

Sofern der ersuchte EU-Mitgliedstaat oder Drittstaat in Kenntnis der eingeschränkten Befugnisse des anwesenden inländischen Außenprüfers gleichwohl bereit ist, seine umfangreicheren Rechte für die Sachverhaltsermittlung wahrzunehmen, müssen die entsprechenden Ermittlungen durch Bedienstete des ersuchten EU-Mitgliedstaates oder Drittstaates erfolgen. Daraus ergibt sich keine Erweiterung der Ermittlungsbefugnisse inländischer Bediensteter. Die durch den ersuchten Staat bereitgestellten Informationen unterliegen keinen Beschränkungen hinsichtlich der Auswertung durch die deutschen Finanzbehörden, da diese auch ohne Anwesenheit des in das Ausland entsandten Bediensteten hätten übermittelt werden können.

Die vom entsandten Außenprüfer zu beachtenden Verpflichtungen und Beschränkungen schließen besondere Erfordernisse aufgrund des nationalen Rechts des ersuchten Staates ein (z. B. besondere Formvorschriften für die Anforderung von Unterlagen), die zusätzlich zu den deutschen Verfahrensvorschriften zu beachten sind. Sich aus dem deutschen Verfahrensrecht ergebende Beschränkungen sind aber auch dann zu berücksichtigen, wenn das nationale Recht des ersuchten Staates keine vergleichbaren Regelungen beinhalten sollte (vgl. z. B. zu den Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechten Tz. 4.2.1 des Merkblatts zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen).

Sofern die zentralen Verbindungsbüros [3] dies vereinbaren, können inländische Bedienstete in den Amtsräumen der Finanzbehörden im anderen EU-Mitgliedstaat anwesend und bei behördlichen Ermittlungen zugegen sein, die im anderen EU-Mitgliedstaat durchgeführt werden (passives Prüfungsrecht, siehe Artikel 11 Absatz 1 EU-Amtshilferichtlinie). Hat der andere EU-Mitgliedstaat die Möglichkeit in Artikel 11 Absatz 2 EU-Amtshilferichtlinie in seinem innerstaatlichen Recht umgesetzt und haben die zuständigen zentralen Verbindungsbüros dies entsprechend vereinbart, dürfen inländische Bedienstete im Beisein ausländischer Bediensteter auch Personen befragen und Unterlagen prüfen (aktives Prüfungsrecht). Inwieweit hierfür die Zustimmung des Steuerpflichtigen/Beteiligten notwendig ist, richtet sich nach dem nationalen Recht des anderen EU-Mitgliedstaates. Über dieses aktive Prüfungsrecht hinausgehende Ermittlungsmöglichkeiten für inländische Bedienstete im anderen EU-Mitgliedstaat kommen nur nach dem Recht des anderen EU-Mitgliedstaates in Betracht.

Zur Abstimmung über die gleichzeitige oder gemeinsame steuerliche Außenprüfung und ihrer Vorbereitung dürfen alle erforderlichen Kenntnisse ausgetauscht werden, soweit dies nach § 4 EUAHiG zulässig ist. Die Ergebnisse der jeweiligen Prüfung sind während und nach der Prüfung auszutauschen (§§ 4, 6, 8 EUAHiG). Hierfür ist es erforderlich, dass den inländischen Bediensteten, insbesondere Prüfern, die Eigenschaft der für den zwischenstaatlichen Auskunftsaustausch zuständigen Behörde übertragen wurde.

Sind Informationen in Unterlagen enthalten, zu denen die ausländische Finanzbehörde Zugang hat, soll der andere EU-Mitgliedstaat dafür Sorge tragen, dass den inländischen Bediensteten Kopien dieser Unterlagen ausgehändigt werden.

Die von inländischen Bediensteten in anderen EU-Mitgliedstaaten oder Drittstaaten ermittelten Informationen und Daten unterfallen ebenso dem Steuergeheimnis gemäß § 30 AO wie im Inland ermittelte Informationen und Daten des Steuerpflichtigen oder Dritter.

2.2.5 Entsendung Bediensteter der EU-Mitgliedstaaten oder Drittstaaten in das Inland

Die im Inland anwesenden ausländischen Bediensteten sind keine Amtsträger im Sinne der §§ 7 und 30 Absatz 1 AO und des § 355 Strafgesetzbuch.

Bedienstete der entsendenden ausländischen Steuerverwaltung dürfen Ermittlungshandlungen im Inland nur vornehmen, sofern dies nach den gesetzlichen Regelungen des entsendenden EU-Mitgliedstaates oder Drittstaates und den deutschen Verfahrensvorschriften zulässig ist. Verfügt der ausländische Bedienstete nach den im entsendenden ausländischen EU-Mitgliedstaat oder Drittstaat geltenden gesetzlichen Regelungen über weitergehende Befugnisse, ergibt sich daraus keine Rechtsgrundlage für die Ermittlungen im Inland.

Außenprüfer aus anderen EU-Mitgliedstaaten oder Drittstaaten dürfen Befugnisse lediglich im Beisein inländischer Bediensteter ausüben. Gemäß § 114 AO ist der inländische Außenprüfer für die Rechtmäßigkeit der Durchführung der inländischen Ermittlungsmaßnahmen zuständig und muss darauf achten, dass Bedienstete anderer EU-Mitgliedstaaten oder Drittstaaten die ihnen im Inland zustehenden Befugnisse nicht überschreiten (siehe § 114 Absatz 2 AO).

2.2.6 Befugnisse Bediensteter der EU-Mitgliedstaaten oder Drittstaaten im Inland

Die sich nach den nationalen Vorschriften des anderen EU-Mitgliedstaates oder Drittstaates im Vergleich zu deutschen Verfahrensvorschriften ergebenden Einschränkungen bzw. Verpflichtungen hat der anwesende ausländische Bedienstete zu beachten. Seine Geheimhaltungspflicht ergibt sich aus den nationalen Vorschriften des Entsendestaates sowie den völkerrechtlichen Vereinbarungen, auf die sich der Informationsaustausch stützt, bzw. aus der EU-Amtshilferichtlinie.

Halten sich Bedienstete anderer EU-Mitgliedstaaten insbesondere zum Zweck der Durchführung von koordinierten Außenprüfungen auf deutschem Hoheitsgebiet auf, müssen diese jederzeit eine schriftliche Vollmacht vorlegen können, aus der ihre Identität und dienstliche Stellung hervorgeht (§ 10 Absatz 4 EUAHiG).

Bedienstete anderer EU-Mitgliedstaaten können in den Amtsräumen der inländischen Finanzbehörde anwesend und bei behördlichen Ermittlungen zugegen sein, sofern die zuständigen zentralen Verbindungsbüros dies vereinbaren (passives Prüfungsrecht; § 10 Absatz 1 EUAHiG). Die Vereinbarung kann auch vorsehen, dass die Bediensteten des anderen EU-Mitgliedstaates im Beisein inländischer Bediensteter Personen befragen und Dokumente prüfen dürfen. Weitere Voraussetzung für das aktive Prüfungsrecht ist, dass die Personen der Befragung und Dokumentenprüfung zustimmen (§ 10 Absatz 3 EUAHiG). Die Verpflichtungen und Beschränkungen nach den deutschen Verfahrensvorschriften gelten ebenso für die Bediensteten anderer EU-Mitgliedstaaten.

2.2.7 Steuergeheimnis und Datenschutz

Dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen grundsätzlich alle Angaben, die sich in den Steuerakten befinden, unabhängig davon, ob sich die Angaben auf den Steuerpflichtigen selbst oder auf sein persönliches oder geschäftliches Umfeld beziehen. Das Steuergeheimnis ist deshalb sowohl bei der Inanspruchnahme als auch beim Leisten von Amtshilfe zu beachten. Eine Offenbarung der erlangten Erkenntnisse ist nach § 30 Absatz 4 Nummer 2 AO zulässig, wenn ein Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. Eine ausdrückliche gesetzliche Zulassung enthält insbesondere § 117 Absatz 2 AO, wonach die Finanzbehörden auf Grund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen, innerstaatlich anwendbarer Rechtsakte der EU sowie des EUAHiG zwischenstaatliche Amtshilfe leisten können.

Zur Vorbereitung und im Zuge der koordinierten Außenprüfung dürfen alle erforderlichen Kenntnisse ausgetauscht werden, soweit dies nach § 4 EUAHiG in Verbindung mit § 117 Absatz 4 AO zulässig ist. Organisatorisch ist jedoch sicherzustellen, dass Handels-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnisse oder Geschäftsverfahren den ausländischen Bediensteten nicht offenbart werden.

Sind die für den anderen EU-Mitgliedstaat relevanten Informationen in Unterlagen enthalten, zu denen die inländische Finanzbehörde Zugang hat, kann die inländische Finanzbehörde den Bediensteten des anderen EU-Mitgliedstaates Kopien dieser Unterlagen oder Auszüge hieraus aushändigen, sofern hierdurch keine Rechte Dritter betroffen sind. Nicht relevante Inhalte sind gegebenenfalls zu schwärzen.

Eine Maßnahme, die auf § 117 Absatz 2 AO in Verbindung mit § 4 EUAHiG gestützt ist, stellt kein unbefugtes Offenbaren und damit keine Verletzung des Steuergeheimnisses dar, solange die Voraussetzungen des EUAHiG eingehalten werden. § 4 Absatz 1 Satz 1 EUAHiG regelt, dass die deutsche Finanzverwaltung alle Antworten zu erteilen hat, die für die Festsetzung von Steuern im EU-Ausland voraussichtlich erheblich sind.

Nach § 4 Absatz 6 Satz 1 EUAHiG kann ein Ersuchen aus dem Ausland nicht aus dem Grund abgelehnt werden, dass die zu übermittelnden Informationen nach deutschem Recht nicht für steuerliche Zwecke benötigt werden. Die Erheblichkeit der begehrten Auskunft für die Besteuerung im ersuchenden ausländischen EU-Mitgliedstaat muss nicht feststehen. Es reicht daher aus, wenn aus einer ex-ante-Perspektive die Information für die Steuerfestsetzung erheblich sein kann. Die ersuchten Behörden haben in Form von Berichten, Bescheinigungen und anderen Schriftstücken oder beglaubigten Kopien von Schriftstücken alle sachdienlichen Informationen, über die sie verfügen, zu übermitteln, soweit die Voraussetzungen vorliegen. Die ausländischen Bediensteten anderer EU-Mitgliedstaaten der EU sind gemäß Artikel 25 der EU-Amtshilferichtlinie – umgesetzt in deutsches Recht in § 19 EUAHiG – zum Datenschutz verpflichtet und dürfen die erlangten Informationen nur unter den dort genannten Voraussetzungen verwenden.

Ausländische Bedienstete aus Drittstaaten haben die Geheimhaltungsbestimmungen in den völkerrechtlichen Vereinbarungen, auf die der Informationsaustausch gestützt wird (Amtshilfeübereinkommen, DBA, Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch [TIEA]), und ihre jeweiligen nationalen Geheimhaltungsbestimmungen zu beachten (siehe auch Tz. 1.6.2 Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen).

3. Praktische Durchführung koordinierter Prüfungen

3.1 Zuständigkeiten

Das BZSt hat die Funktion der zuständigen Behörde auf dem Gebiet der steuerlichen Amtshilfe (§ 5 Absatz 1 Nummer 5 Finanzverwaltungsgesetz [FVG]). Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat das BZSt als zentrales Verbindungsbüro im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 der EU-Amtshilferichtlinie benannt. Zudem ist das BZSt gemäß § 5 Nummer 25 FVG die für die Verwaltung der Steuern auf Versicherungsprämien einschließlich der Durchführung von Außenprüfungen zuständige Finanzbehörde. Soweit in den nachfolgenden Bestimmungen die für die Außenprüfung zuständigen Finanzämter angesprochen werden, gelten diese sinngemäß für das für die Versicherungsteuer- und Feuerschutzsteuer-Außenprüfung zuständige Referat des BZSt. Das zentrale Verbindungsbüro übernimmt die Kommunikation mit den anderen EU-Mitgliedstaaten.

Das zentrale Verbindungsbüro nimmt Vorschläge ausländischer Steuerverwaltungen für koordinierte Außenprüfungen entgegen und übermittelt Prüfungsvorschläge der deutschen Steuerverwaltung an die betreffenden ausländischen Steuerverwaltungen. Dabei prüft das zentrale Verbindungsbüro die rechtliche Zulässigkeit eingehender und ausgehender Prüfungsvorschläge.

Das für die Außenprüfung zuständige Finanzamt bestimmt, welche Prüfungsfälle es aus welchen Gründen für eine koordinierte Außenprüfung vorschlägt (§ 12 Absatz 1 EUAHiG). Das zentrale Verbindungsbüro unterrichtet die betroffenen EU-Mitgliedstaaten über diese Vorschläge, begründet die Auswahl und gibt den Zeitraum an, in welchem die koordinierten Außenprüfungen durchgeführt werden sollen (§ 12 Absatz 2 EUAHiG). Darüber hinaus schließt das zentrale Verbindungsbüro Vereinbarungen mit anderen EU-Mitgliedstaaten über die Durchführung koordinierten Außenprüfungen (§ 12 EUAHiG, § 10 Absatz 3 EUAHiG).

Schlägt ein anderer EU-Mitgliedstaat eine koordinierte Außenprüfung vor, unterrichtet das zentrale Verbindungsbüro das für die Außenprüfung zuständige Finanzamt sowie die Bundesbetriebsprüfung zeitgleich über diesen Vorschlag. Die landesinternen Zuständigkeiten bleiben unberührt.

Das für die Außenprüfung zuständige Finanzamt entscheidet, ob es an der Prüfung teilnimmt. Das zentrale Verbindungsbüro teilt dem anderen EU-Mitgliedstaat das Einverständnis oder die begründete Ablehnung mit (§ 12 Absatz 3 EUAHiG). Die landesinternen Zuständigkeiten bleiben unberührt.

Darüber hinaus kann das BZSt (Bundesbetriebsprüfung) die Durchführung und Mitwirkung an einer koordinierten Außenprüfung gegenüber dem für die Außenprüfung zuständigen Finanzamt anregen.

Das zentrale Verbindungsbüro koordiniert jede koordinierte Außenprüfung in Abstimmung mit den zuständigen Landesfinanzbehörden (§ 12 Absatz 4 EUAHiG). Das zentrale Verbindungsbüro ist regelmäßig und zeitnah über den Verlauf der koordinierten Außenprüfung zu informieren.

Die Außenprüfung wird von den nach § 195 AO zuständigen Finanzbehörden durchgeführt, gegebenenfalls unter Mitwirkung der Bundesbetriebsprüfung des BZSt (§ 19 Absatz 1 Satz 1 FVG).

Für Prüfungen mit Drittstaaten gelten die oben gemachten Ausführungen entsprechend.

3.2 Anhörung des Steuerpflichtigen im Rahmen einer koordinierten Außenprüfung

Zwischenstaatliche Amtshilfe für koordinierte Außenprüfungen stellt einen Eingriff in die Rechte der betroffenen inländischen Beteiligten dar. Der Steuerpflichtige und alle weiteren vom Informationsaustausch betroffenen inländischen Beteiligten sind grundsätzlich rechtzeitig zu hören (§ 117 Absatz 4 Satz 3 AO in Verbindung mit § 91 AO). Hierdurch soll ihnen Gelegenheit gegeben werden, sich zu äußern und gegebenenfalls Einwände vorzubringen.

Anhörungsbedarf besteht dem Grunde nach bereits dann, wenn zwischenstaatlich Informationen ausgetauscht werden sollen mit dem Ziel, Unternehmen für koordinierte Außenprüfungen auszuwählen. Von der Anhörung des Steuerpflichtigen kann jedoch bis zur Bekanntgabe der Prüfungsanordnung abgesehen werden, wenn ansonsten der Prüfungserfolg gefährdet würde (§ 12 Absatz 5 EUAHiG). Ob darüber hinaus im Ausnahmefall auf eine Anhörung verzichtet werden kann, hat die zuständige Finanzbehörde ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des § 91 AO zu entscheiden. Die jeweilige Ermessensausübung ist aktenkundig zu machen (vgl. Tz. 3.7 zu Auswahlsitzungen).

Im Rahmen der Anhörung ist der inländische Steuerpflichtige auf Folgendes hinzuweisen:

Wurde der zu prüfende Steuerpflichtige im Hinblick auf den beabsichtigten Informationsaustausch bereits im Zusammenhang mit koordinierten Außenprüfungen gehört, so bedarf es regelmäßig keiner erneuten Anhörung, wenn im Zuge der Außenprüfung Informationen ausgetauscht oder offenbart werden sollen.

Für die Anhörung ist das die Außenprüfung durchführende deutsche Finanzamt und in den Fällen des § 19 Absatz 3 FVG das BZSt zuständig. Diese informieren das zentrale Verbindungsbüro über das Ergebnis der Anhörung bzw. das Unterlassen einer Anhörung.

Die Anhörung kann mündlich oder schriftlich erfolgen (mit Vordruck, siehe Anlage) [4]. Die Anhörung kann mit der Prüfungsanordnung verbunden werden und ebenso mit der Aufforderung zur Zustimmung nach § 10 Absatz 3 EUAHiG. Bei mündlicher Anhörung sind die Anhörung und die Stellungnahme des Beteiligten aktenkundig zu machen. Die Anhörungsfrist soll im Regelfall vier Wochen betragen, wenn nicht im Einzelfall eine längere Frist geboten erscheint.

3.3 Einwendungen des Steuerpflichtigen

Einwendungen gegen den beabsichtigten Informationsaustausch und die Anwesenheit ausländischer Bediensteter während der inländischen Ermittlungen sind gegenüber dem für die Außenprüfung zuständigen deutschen Finanzamt und in den Fällen des § 19 Absatz 3 FVG gegenüber dem BZSt geltend zu machen.

Das zuständige Finanzamt leitet die Einwendungen auf dem Dienstweg an das zentrale Verbindungsbüro weiter und fügt alle für die Entscheidung sachdienlichen Unterlagen bei. In diesem Zusammenhang kann das Finanzamt zu den Einwendungen des Steuerpflichtigen auch eine Stellungnahme abgeben. Das zentrale Verbindungsbüro entscheidet über die Einwendungen des Steuerpflichtigen und unterrichtet den Steuerpflichtigen und das für die Prüfung zuständige Finanzamt über diese Entscheidung.

Hält das zentrale Verbindungsbüro die Einwendungen des Steuerpflichtigen für begründet, so wird die koordinierte Außenprüfung nicht durchgeführt. Mit der nationalen Außenprüfung kann ungeachtet der Einwendungen gegen den Informationsaustausch und die Anwesenheit ausländischer Bediensteter begonnen werden.

Werden die Einwendungen für unbegründet gehalten, so erfolgt die Unterrichtung des Steuerpflichtigen rechtzeitig vor der Informationsweitergabe in das Ausland (siehe Tz. 3.2.1 Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen).

3.4 Zustimmung des Steuerpflichtigen nach § 10 Absatz 3 EUAHiG

Sind Bedienstete anderer EU-Mitgliedstaaten während der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfungen im Inland zugegen, so dürfen sie im Beisein inländischer Bediensteter Personen befragen sowie Dokumente prüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass die zentralen Verbindungsbüros dies vereinbaren und die Personen der Befragung und Dokumentenprüfung zustimmen. Verweigert eine Person die Mitwirkung, gilt diese Verweigerung wie eine Verweigerung gegenüber inländischen Bediensteten (§ 10 Absatz 3 Satz 3 EUAHiG). Die Zustimmung ist von dem für die Außenprüfung zuständigen deutschen Finanzamt einzuholen. Dies soll in Verbindung mit der Anhörung erfolgen.

Die Anforderung der Zustimmung kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Zwecks beweissicherer Dokumentation sollte um Zustimmung in schriftlicher Form gebeten werden. Wird die Zustimmung mündlich erteilt, ist dies zur Niederschrift aufzunehmen. Das Finanzamt informiert das zentrale Verbindungsbüro zeitnah sowohl über die Anforderung der Zustimmung als auch über die erteilte oder abgelehnte Zustimmung.

Dies gilt insbesondere auch dann, wenn eine zuvor gegebene Zustimmung – auch partiell – im Prüfungsverlauf widerrufen wird. Das zentrale Verbindungsbüro weist das zentrale Verbindungsbüro des anderen EU-Mitgliedstaates auf die verweigerte oder widerrufene Zustimmung hin. Widerruft der Steuerpflichtige seine Zustimmung nach § 10 Absatz 3 EUAHiG, bleiben die bis zu diesem Zeitpunkt erlangten Erkenntnisse dennoch uneingeschränkt verwertbar.

Verweigert der Steuerpflichtige seine Zustimmung zur Befragung und zur Dokumenteneinsichtnahme durch ausländische Bedienstete, stehen den ausländischen Bediensteten insoweit keine eigenständigen und unmittelbaren Frage- und Prüfungsrechte zu (§ 10 Absatz 3 EUAHiG). Dies beschränkt jedoch nicht die Möglichkeiten der Anwesenheit im Sinne des § 10 Absatz 1 EUAHiG. Ausländische Bedienstete dürfen daher weiterhin in den Amtsräumen und während der behördlichen Ermittlungen zugegen sein, wenn die zentralen Verbindungsbüros der beteiligten Staaten dies vereinbaren. Im Verhältnis zum Steuerpflichtigen hat der ausländische Bedienstete bei fehlender Zustimmung die Stellung eines passiven Beobachters. Gleichwohl können weiterhin die Informationen und Unterlagen eingefordert werden, die im Rahmen des Informationsaustauschs nach § 4 EUAHiG übermittelt werden dürfen (vgl. § 10 Absatz 2 EUAHiG).

3.5 Initiierung einer koordinierten Außenprüfung durch die deutsche Steuerverwaltung

Die landesinternen Zuständigkeitsregelungen für etwaige Vorschläge für eine koordinierte Außenprüfung sind zu beachten. Die inländischen Vorschläge sind an das zentrale Verbindungsbüro auf dem Dienstweg zu senden. Dazu kann der Vordruck „Auskunftsersuchen zur Zusammenarbeit der Verwaltungen im Bereich der direkten Steuern” genutzt werden [5].

Das Übersendungsschreiben soll auch eine Aussage über die Anhörung des Steuerpflichtigen entsprechend Anlage 3 des Merkblatts zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen enthalten.

Der Vorschlag über die beabsichtigte Durchführung einer koordinierten Außenprüfung muss die folgenden Punkte enthalten:

  • genaue Bezeichnung des/der im Ausland betroffenen Steuerpflichtigen,

  • Nennung des ausländischen Staates/der ausländischen Staaten, mit dem/denen die koordinierte Außenprüfung durchgeführt werden soll,

  • möglichst konkrete Benennung der Themenschwerpunkte, um die ausländischen Steuerbehörden in die Lage zu versetzen, der erbetenen koordinierten Außenprüfung zuzustimmen,

  • eigene Einschätzung, warum sich eine koordinierte Außenprüfung besonders dazu eignet, die Aufklärung der Sachverhalte und deren steuerliche Würdigung vorzunehmen,

  • Benennung der für die Prüfung in Frage kommenden Kalenderjahre/Wirtschaftsjahre.

Das zentrale Verbindungsbüro prüft die rechtliche Zulässigkeit des Vorschlags für eine gleichzeitige oder gemeinsame Außenprüfung und leitet ihn der zuständigen Behörde des/der betroffenen Staats/Staaten bzw. EU-Mitgliedstaates/Mitgliedstaaten mit der Bitte um Beteiligung an der koordinierten Außenprüfung zu. Das zentrale Verbindungsbüro setzt erforderlichenfalls einen Prüfungskoordinator ein, der die weiteren Abstimmungen mit den in- und ausländischen Behörden vornimmt. Der Prüfungskoordinator übernimmt dann für den Einzelfall die Aufgaben des zentralen Verbindungsbüros (siehe Tz. 3.6).

Stimmt die zuständige Behörde des anderen Staates bzw. EU-Mitgliedstaates der Teilnahme an der Prüfung zu, überträgt das zentrale Verbindungsbüro auf dem Dienstweg die Zuständigkeit für den Informationsaustausch auf die von der zuständigen Landesfinanzbehörde benannten Außenprüfer und den gegebenenfalls beteiligten Bundesbetriebsprüfer.

Gemeinsame steuerliche Außenprüfungen eignen sich zur Klärung sämtlicher Sachverhalte mit grenzüberschreitendem Bezug, insbesondere aber für Verrechnungspreisfragen, Betriebsstättenfragen, Ermittlung grenzüberschreitender Steuergestaltungs- und Steuervermeidungsmodelle und zur Ermittlung komplexer Unternehmensumstrukturierungen.

3.6 Initiierung einer koordinierten Außenprüfung durch ausländische Finanzbehörden

Das zentrale Verbindungsbüro prüft den ausländischen Vorschlag für koordinierte Außenprüfungen und setzt erforderlichenfalls einen Prüfungskoordinator ein, der die weiteren Abstimmungen mit den zuständigen Landesbehörden und dem BZSt (Bundesbetriebsprüfung) vornimmt. Der Prüfungskoordinator übernimmt dann für den Einzelfall die Aufgaben des zentralen Verbindungsbüros.

Die zuständige Finanzbehörde des Landes übermittelt dem zentralen Verbindungsbüro auf dem Dienstweg die Zustimmung oder die begründete Ablehnung zur Weiterleitung an die ausländische Finanzbehörde (§ 12 Absatz 3 EUAHiG). Stimmt die zuständige Finanzbehörde der Teilnahme an der Prüfung zu, überträgt das zentrale Verbindungsbüro die Zuständigkeit für den Informationsaustausch auf die vom zuständigen Finanzamt benannten Außenprüfer und die gegebenenfalls beteiligten Bundesbetriebsprüfer. Entsprechendes gilt in Drittstaatenfällen.

3.7 Auswahlsitzungen

Wollen zwei oder mehrere EU-Mitgliedstaaten Informationen mit dem Ziel austauschen, Unternehmen für koordinierte Außenprüfungen auszuwählen, kann ein Treffen zu einer Auswahlsitzung stattfinden (§ 12 Absatz 1 Satz 2 EUAHiG). In dieser soll unter Teilnahme der Vertreter der anderen EU-Mitgliedstaaten, der zuständigen inländischen Bediensteten sowie des zentralen Verbindungsbüros geklärt werden, ob koordinierte Außenprüfungen rechtlich zulässig und praktisch mit angemessenem Aufwand durchführbar sind. Entsprechendes gilt in Drittstaatenfällen.

Die Initiierung einer Auswahlsitzung erfolgt durch formlose Mitteilung an das zentrale Verbindungsbüro.

Bereits im Vorfeld, während der Vorbereitung koordinierter Außenprüfungen und insbesondere während der Auswahlsitzungen werden Informationen, die voraussichtlich steuerlich erheblich sind, ausgetauscht (§§ 4 bzw. 6 EUAHiG in Verbindung mit § 117 Absatz 4 AO). Die Bediensteten dürfen Informationen in den Auswahlsitzungen nur austauschen, sofern ihnen die Zuständigkeit für den Informationsaustausch durch das zentrale Verbindungsbüro oder den Prüfungskoordinator bereits übertragen wurde.

Grundsätzlich ist der vom Datenaustausch betroffene Beteiligte rechtzeitig über den Datenaustausch zu unterrichten und vorher anzuhören (§ 117 Absatz 4 Satz 3 AO). Von der vorherigen Anhörung kann im Ausnahmefall abgesehen werden, wenn der Informationsaustausch nach dem EUAHiG stattfindet oder die Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist (§ 91 Absatz 2 und 3 AO) und der Verzicht auf die Anhörung nach einer pflichtgemäßen Ermessensausübung gemäß § 91 AO erfolgt (siehe Tz. 3.1.2 Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen).

Zudem kann von der vorherigen Anhörung bis zur Bekanntgabe der Prüfungsanordnung abgesehen werden, wenn durch die vorherige Anhörung der Prüfungserfolg gefährdet würde (§ 12 Absatz 5 EUAHiG).

Erzielen die beteiligten EU-Mitgliedstaaten eine Einigung über die Durchführung einer koordinierten Außenprüfung, so kann die Sitzung auch als Auftaktsitzung (Tz. 3.8) fortgeführt werden, sofern die Anhörung des Steuerpflichtigen die koordinierte Außenprüfung bereits mit erfasst hat.

3.8 Auftaktsitzung zur koordinierten Außenprüfung

Im Rahmen der Auftaktsitzung soll Einvernehmen über die Ziele und den Rahmen der koordinierten Außenprüfung zwischen den beteiligten Steuerverwaltungen hergestellt werden. Ziel der koordinierten Außenprüfung ist die gemeinsame einvernehmliche Feststellung des Sachverhalts. Weiteres Ziel einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung kann eine rechtlich verbindliche Verständigung über die ertragsteuerliche Beurteilung des einvernehmlich festgestellten Sachverhalts im Wege eines Verständigungsverfahrens sein (siehe Tz. 1. 1).

Die Auftaktsitzung dient der Vorstellung des Prüfungsfalles. Die beteiligten Außenprüfer sollen sich über die Prüfungsschwerpunkte austauschen, die Prüfungsgesamtplanung diskutieren und entwickeln sowie Festlegungen treffen, wie die Zusammenarbeit gestaltet werden soll. Bereits im Vorfeld der Auftaktsitzung sollten möglichst viele Informationen über die zu prüfenden Steuerpflichtigen und zum Sachverhalt gesammelt werden, der Gegenstand der koordinierten Außenprüfungen sein soll.

Das Protokoll der Auftaktsitzung sollte mindestens folgende Punkte vorsehen:

  • Namen der beteiligten Steuerpflichtigen,

  • Zielsetzung der koordinierten Außenprüfung,

  • Darstellung der zu klärenden Sachverhalte und Prüfungsfelder,

  • zu prüfende Steuerart(en),

  • Prüfungszeitraum (Klärung der formellen und materiellen Änderbarkeit der Steuerfestsetzung, insbesondere unter Beachtung einseitig gegebener Zusagen eines beteiligten Staates („Rulings”),

  • Festlegung der Arbeitssprache,

  • Zeitplan und Art der geplanten Prüfungstätigkeiten (Anwesenheit des Prüferteams beim Steuerpflichtigen u. a.),

  • Kontaktinformationen der zuständigen Bediensteten.

3.9 Kommunikation und Sprache

Amtssprache für das deutsche Besteuerungsverfahren ist unverändert Deutsch. Als Arbeitssprache können im Einvernehmen mit allen Beteiligten auch Fremdsprachen bestimmt werden.

Die inländischen Bediensteten, denen die Eigenschaft der für den Informationsaustausch zuständigen Behörde übertragen wurde, erteilen den ausländischen Außenprüfern alle Auskünfte, die für die Festsetzung der Steuern im anderen EU-Mitgliedstaat/Staat voraussichtlich erheblich sind. Die inländischen Bediensteten sind nach erfolgter Zuständigkeitsübertragung zum mündlichen Austausch und zum Austausch von Dokumenten und sonstigen Gegenständen an Ort und Stelle befugt. Dies gilt auch für den Austausch von Informationen auf dem Postweg. Für die Akten und zur Information des zentralen Verbindungsbüros sind alle Vorgänge in geeigneter Weise zu dokumentieren.

Sofern eine digitale Kommunikation notwendig wird, sind alle Datenübermittlungen, welche die Belange des § 30 AO berühren können, ausschließlich über das CCN-Netzwerk [6]) oder eine vergleichbar sichere Leitung zu veranlassen.

3.10 Protokoll über die Ergebnisse der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung

Die an der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung beteiligten inländischen und ausländischen Bediensteten sollen ein abgestimmtes Ergebnisprotokoll über die gemeinsame Außenprüfung fertigen. In diesem Ergebnisprotokoll sollen insbesondere der festgestellte Sachverhalt und die jeweils nationalen rechtlichen Würdigungen dargestellt werden. Das Ergebnisprotokoll soll außerdem die jeweilige Würdigung des Sachverhalts im Hinblick auf das jeweils anwendbare DBA enthalten.

Prüfungsfeststellungen, die nicht Gegenstand der gemeinsamen Prüfungen waren, sind nicht in das gemeinsame Ergebnisprotokoll, sondern nur in den nationalen Prüfungsbericht aufzunehmen.

4. Rechtliche Grundlagen und Verfahrensablauf für das Verständigungsverfahren bzw. Vorabverständigungsverfahren

Von den Verständigungs- und Vorabverständigungsverfahren sind gemeinsame steuerliche Außenprüfungen (Tz. 2.2) abzugrenzen. Die Ausübung der Funktion der zuständigen Behörde für Verständigungs- und Vorabverständigungsverfahren wird nicht auf die an der Prüfung beteiligten inländischen Außenprüfer delegiert.

Die Rechtsgrundlagen für Verständigungsverfahren sind die Verständigungsklauseln des jeweiligen DBA (entsprechend Artikel 25 Absatz 1 des OECD-Musterabkommens für DBA) oder Artikel 6 der EU-Schiedskonvention. Diese enthalten Bestimmungen, nach denen die zuständige Behörde in Deutschland mit den zuständigen Behörden anderer Staaten eine Einigung über Einzelfälle herbeiführen kann, um einen Besteuerungskonflikt oder eine abkommenswidrige Besteuerung zu beseitigen.

Die Einzelheiten über den Ablauf eines Verständigungsverfahrens ergeben sich aus dem Merkblatt zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Enthält ein DBA eine Klausel über das Verständigungsverfahren entsprechend Artikel 25 Absatz 1 des OECD-Musterabkommens für DBA, kann auf dieser Grundlage auf Antrag des Steuerpflichtigen auch eine Vorabverständigungsvereinbarung mit dem anderen Staat abgeschlossen werden. Die Einzelheiten zum Vorabverständigungsverfahren sind im Merkblatt für „Advance Pricing Agreements – APAs”.

5. Möglicher Zusammenhang von Verständigungsverfahren bzw. Vorabverständigungsverfahren und gemeinsamen steuerlichen Außenprüfungen

Steuerpflichtige können neben oder nach gemeinsamen steuerlichen Außenprüfungen (Tz. 2.2) ein auf den Prüfungszeitraum bezogenes Verständigungsverfahren beantragen, soweit das nach einschlägigen Rechtsgrundlagen möglich ist. Ein entsprechender Antrag kommt insbesondere in Betracht, wenn

  1. sich im Verlauf der gemeinsamen Außenprüfung konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine aus der Sicht des Steuerpflichtigen abkommenswidrige Besteuerung droht,

  2. die aus Sicht des gemeinsamen Ergebnisprotokolls zutreffende Besteuerung aus Sicht des Steuerpflichtigen eine abkommenswidrige Besteuerung darstellt,

  3. die aus Sicht des gemeinsamen Ergebnisprotokolls zutreffende Besteuerung aus Sicht des Steuerpflichtigen dem DBA entspricht, eine der beteiligten Verwaltungen dies aber nicht in Steuerbescheiden umsetzt,

  4. es in den gemeinsamen steuerlichen Außenprüfungen schon nicht gelingt, den Sachverhalt einvernehmlich festzustellen, oder

  5. in den gemeinsamen steuerlichen Außenprüfungen keine gemeinsame Sichtweise der beteiligten Prüfer erreicht wird, welche Besteuerung dem DBA entspricht.

Die allgemeinen Regeln für Verständigungs- und Schiedsverfahren sind zu beachten. Darüber hinaus können gemeinsame steuerliche Außenprüfungen auch die Grundlage für ein Vorabverständigungsverfahren sein. Die Einleitung eines Vorabverständigungsverfahrens kann vom Steuerpflichtigen neben oder nach gemeinsamen steuerlichen Außenprüfungen beantragt werden. In diesem Fall ist das Merkblatt für „Advance Pricing Agreements – APAs” zu beachten. Hinsichtlich der für das Vorabverständigungsverfahren noch zusätzlich vorzulegenden Unterlagen (vgl. Tz. 3.5 des Merkblatts für „Advance Pricing Agreements – APAs”) werden die Anforderungen aber im Regelfall gering sein, wenn für den Prüfungszeitraum der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfungen

  • der Sachverhalt bereits hinreichend aufgeklärt ist,

  • die Angemessenheit der Verrechnungspreise bereits hinreichend dokumentiert ist und

  • für den von der beantragten Vorabverständigung umfassten Zeitraum keine wesentliche Änderung zu erwarten ist.

Über die schon im Rahmen der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfungen geklärten Umstände hinaus werden für eine Vorabverständigung aber im Regelfall noch zusätzlich die Vereinbarung über die Gültigkeitsbedingungen (Tz. 3.7 des Merkblatts für „Advance Pricing Agreements – APAs”), über die Laufzeit (Tz. 3.8 des Merkblatts für „Advance Pricing Agreements – APAs”) und über die Berichtspflichten (Tz. 6.1 des Merkblatts für „Advance Pricing Agreements – APAs”) erforderlich sein. Auch für Vorabverständigungsverfahren nach einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung gelten die in § 178a AO vorgesehenen Gebührenregelungen.

Wird nach einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung ein Antrag auf Durchführung eines Verständigungsverfahrens oder eines Vorabverständigungsverfahrens gestellt, leitet das zentrale Verbindungsbüro das gemeinsame Ergebnisprotokoll über die gemeinsame steuerliche Außenprüfung den für Verständigungs- und Vorabverständigungsverfahren zuständigen Referaten im BZSt zu.

BMF v. - IV B 6 - S 1315/16/10016: 002


Fundstelle(n):
BStBl 2017 I Seite 89
BB 2017 S. 853 Nr. 15
TAAAG-37679

1Zuständige Behörde nach Artikel 26 OECD-Musterabkommen für DBA ist in Deutschland das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).

2Zuständige Behörde nach Artikel 8 des Amtshilfeübereinkommens ist das BZSt.

3Zentrales Verbindungsbüro nach dem EUAHiG ist gemäß § 2 Absatz 2 EUAHiG das BZSt.

4Hier nicht abgedruckt.

5Auf elektronischem Wege an das zentrale Verbindungsbüro mit folgenden Kontaktdaten zuzuleiten: BZSt, Zentrales Verbindungsbüro, Referat St I 7, 53221 Bonn, Telefon: +49(0)228/406-2880, Fax: +49(0)228/406-3119, E-Mail: de.sia@bzst.bund.de.

6Die gemeinsame Plattform auf der Grundlage des Gemeinsamen Kommunikationsnetzes (common communication network – CCN), die von der Union für jegliche elektronische Datenübertragung zwischen den zuständigen Behörden im Bereich Zoll und Steuern entwickelt wurde (Artikel 3 Nummer 13 EU-Amtshilferichtlinie).