Neuregelung des Vertretungszwangs; Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung, wenn sich der Rechtsstreit auf eine Billigkeitsmaßnahme als streng einzelfallbezogene Maßnahme bezieht; Entscheidung über einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan des Schuldners
Gesetze: FGO § 62, FGO § 62a, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, InsO § 304, InsO § 305, InsO § 309
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Antragsteller, der Eigentümer eines eigengenutzten Hausgrundstücks in A ist, war bis Ende 2003 als Baubetreuer und Unternehmensberater selbständig tätig. Im Dezember 2003 gab er die eidesstattliche Versicherung ab. Eine die Jahre 1998 bis 2000 betreffende Außenprüfung führte zu Einkommen- und Umsatzsteuernachforderungen, die sich —einschließlich Säumniszuschläge— am auf 68 359,96 € beliefen.
Mit Schreiben vom schlug der Antragsteller dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) vor, zur Vermeidung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens die Steuerschulden mit einer Einmalzahlung vom 3 000 € zu bereinigen. Die Mittel hierfür würden von dritter Seite bereitgestellt, die aber bei Einleitung der Verbraucherinsolvenz nicht mehr zur Verfügung ständen.
Am reichte der Antragsteller die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum Antrag auf außergerichtliche Einigung im Verbraucherinsolvenzverfahren nach §§ 304, 305 der Insolvenzordnung (InsO) beim FA ein. In dem darin enthaltenen Gläubigerverzeichnis sind neben den Forderungen des FA in Höhe von 64 615,96 € Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 386 000 € aufgelistet, wobei als Hauptgläubigerin die Ehefrau des Antragstellers mit einer Forderung von knapp 360 000 € aufgeführt wurde. Die Quote der Befriedigung wurde mit 2 % angegeben. Das FA lehnte den Erlassantrag mit Schreiben vom ab. Den dagegen gerichteten Einspruch des Antragstellers wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom zurück. Zur Begründung führte es aus, es sei Sache des Schuldners, die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Schuldenbereinigungsverfahrens nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen. Da der Antragsteller die Steuererklärung 2004 und 2005 nicht eingereicht habe, könne die Höhe der bestehenden Forderungen des FA nicht ausreichend bestimmt werden. Zudem seien die Zustimmungserklärungen der übrigen Gläubiger nicht vorgelegt worden, wobei —da es sich bei den Gläubigern um Angehörige handele— erhöhte Anforderungen an den Nachweis der mündlich vereinbarten Darlehen zu stellen sei.
Am stellte der Antragsteller erneut einen Erlassantrag und reichte sowohl die Einkommensteuererklärungen der Jahre 2004 und 2005 als auch die Zustimmungserklärungen der mit ihm verwandten Gläubiger zu dem Schuldenbereinigungsplan vom ein. Gegen den wiederum ablehnenden Bescheid des FA vom legte der Antragsteller mit Schreiben vom Einspruch ein, dem er als Anlage eine Kopie der Abtretungsvereinbarung zwischen der Sparkasse und seiner Ehefrau vom beifügte. Der Abtretungsvereinbarung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Sparkasse hatte Forderungen gegen den Kläger in Höhe von etwa 335 000 €, für die auch teilweise die Ehefrau haftete. Nach Zahlung von 195 000 € durch die Ehefrau und Kündigung der bereits an die Sparkasse verpfändeten Lebensversicherung des Antragstellers sowie Gutschrift des Auszahlungsbetrages trat die Sparkasse ihre Restforderungen gegen den Antragsteller sowie die fünf Buchgrundschulden an die Ehefrau ab. Dabei wies die Sparkasse den Antragsteller und seine Ehefrau ausdrücklich darauf hin, dass das FA mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom die Rückgewähransprüche des Antragstellers aus diesen Grundschulden gepfändet habe.
Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, dass eine unmittelbare Beteiligung der Finanzverwaltung an einem außergerichtlichen Vergleich nicht möglich sei. Eine mittelbare Beteiligung anhand der gesetzlichen Bestimmungen über den Erlass nach § 227 der Abgabenordnung (AO) könne nach den Intentionen des Gesetzgebers nur bei Vorliegen persönlicher Billigkeitsgründe in Betracht kommen; diese setzten voraus, dass der Schuldner erlassbedürftig und erlasswürdig sei. Voraussetzung für einen Erlass sei daher, dass die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers vernichtet oder ernstlich gefährdet werde. Ziel dabei sei aber, den Schuldner im Rahmen eines Erlasses im Zusammenhang mit einem außergerichtlichen Vergleichsverfahren nicht besserzustellen als bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung. Der Antragsteller erziele nach eigenen Angaben keine Einkünfte, der Familienunterhalt werde durch das frei verfügbare Einkommen der Ehefrau zuzüglich Kindergeld bestritten, was das FA aber den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen könne. Durch Abtretung der Briefgrundschulden habe die Ehefrau das Recht, als Sicherungsnehmerin Befriedigung aus dem Grundstück zu suchen. Über derartige Bestrebungen lägen dem FA aber keine gesicherten Kenntnisse vor. Nach Aktenlage beliefen sich die Forderungen der Ehefrau auf 359 517,80 €, wobei dem FA nicht bekannt sei, wie sich die Höhe dieser Forderungen errechne. Darüber hinaus seien die dem FA vorliegenden Unterlagen nur sehr zögerlich eingereicht worden, so liege der vom Schuldner angesprochene Schuldenbereinigungsplan vom bis jetzt nicht vor.
Selbst bei Vorlage sämtlicher Unterlagen könne das FA einem außergerichtlichen Vergleichsverfahren nicht zustimmen, da dadurch sämtliche Ansprüche der Ehefrau durch Zahlung von 2 % der bestehenden Forderung wegfallen würden mit der Folge, dass die Grundschulden an den Antragsteller zurückgegeben werden müssten. Da das FA durch die Zustimmung zum Vergleich auf die Pfändung der Rückgewährsansprüche aus diesen Grundschulden verzichten würde, wäre das im Eigentum des Klägers stehende Grundstück nicht mehr belastet. Demgegenüber müsse der Schuldner im Insolvenzverfahren sein gesamtes Vermögen zur Befriedigung seiner Gläubiger einsetzen. Da es das Ziel des außergerichtlichen Verfahrens sei, den Schuldner nicht besserzustellen als bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung, seien die Voraussetzungen für den Erlass im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs nicht gegeben.
Mit der dagegen gerichteten Klage verfolgte der Antragsteller sein Erlassbegehren weiter und führte zur Begründung aus, er habe als knapp 52-jähriger Bauzeichner keine Aussicht auf eine Festanstellung. Blieben die Forderungen des FA bestehen, habe er keine Chancen mehr, wirtschaftlich und finanziell auf die Füße zu kommen. Das Grundstück sei seine einzige Altersvorsorge neben einem geringfügigen Rentenanspruch aus seiner Lehrzeit. Bei einer Verwertung z.B. im Insolvenzverfahren sei er gänzlich ruiniert und nach Abschluss des Verfahrens 60 Jahre alt und damit im Alter auf die Unterstützung der Allgemeinheit angewiesen. Um diese unbillige Härte zu vermeiden, habe er beantragt, die Schulden einvernehmlich zu bereinigen. Ganz unabhängig davon sei bei einer Verwertung davon auszugehen, dass das FA dann gänzlich leer ausgehen werde, wodurch der Allgemeinheit noch zusätzlicher Schaden entstehe. Mit Schriftsätzen vom 12. und trug der Antragsteller vor, er wolle als gewerblicher Kaffeeröster tätig werden. Die hierfür aufgrund des Kaffeesteuergesetzes erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung sei ihm wegen der Steuerrückstände verwehrt worden. Dies bestätige, dass ihn die Steuerrückstände daran hinderten, eine neue Erwerbstätigkeit zu beginnen, worauf er von Anfang an hingewiesen habe. Dies habe das FA jedoch nicht interessiert, so dass die mangelnde Sachverhaltsermittlung zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung führe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Das FA sei nicht verpflichtet gewesen, dem Erlassbegehren des Antragstellers zu entsprechen. Die außergerichtliche Schuldenbereinigung im Insolvenzverfahren nach §§ 304, 305 InsO erfolge im Verhandlungswege zwischen dem Schuldner und den Gläubigern auf der Grundlage eines vom Schuldner vorzulegenden Plans. Das FA habe in seiner nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Ermessensentscheidung (§ 102 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) für die Frage, ob es einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zustimmen könne, zutreffend auf die gesetzlichen Bestimmungen über den Erlass abgestellt. Zu den Gesichtspunkten, die im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren zusätzlich in die Ermessenserwägungen einzubeziehen seien, gehöre nach der Verwaltungsanweisung vom (BStBl I 2002, 132) die Zielsetzung der InsO, redlichen Schuldnern nach einer gewissen Wohlverhaltensphase und unter Einbeziehung sämtlicher Gläubiger eine Schuldenbereinigung als Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen. Bei der Entscheidung über einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan sei danach insbesondere zu beachten, dass im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren die Zustimmung eines Gläubigers durch Beschluss des Insolvenzgerichts ersetzt werden könne, wenn dieser im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern angemessen berücksichtigt und durch den Schuldenbereinigungsplan nicht schlechtergestellt werde, als er bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung von Restschuldbefreiung stünde (vgl. § 309 InsO). Andererseits solle der Schuldner im außergerichtlichen Verfahren nicht bessergestellt werden als bei einer Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung.
Der Antragsteller hätte bei Durchführung des Insolvenzverfahrens sein gesamtes Vermögen zur Verfügung stellen müssen, da das Insolvenzverfahren dazu diene, die Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Schuldnervermögen verwertet werde, und den redlichen Schuldner von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Der Vorschlag des Antragstellers laufe demgegenüber darauf hinaus, dass er sich seiner gesamten Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 450 000 € ohne Einsatz seines Vermögens, das aus dem von ihm und seiner Familie bewohnten Hausgrundstück mit einem Wert über 300 000 € bestehe, entledigen könne. Der Antragsteller sei durch den begehrten Verzicht seiner Gläubiger im außergerichtlichen Verfahren offensichtlich erheblich bessergestellt als bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung. Einem solchen Plan dürfe das FA nicht zustimmen.
Andere Gründe, die einen Billigkeitserlass rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) alten und nicht mehr erwerbsfähigen Steuerpflichtigen wenigstens so viel von ihrem Vermögen zu belassen, dass sie den Rest ihres Lebens eine bescheidene Lebensführung bestreiten könnten (, BFHE 149, 126, BStBl II 1987, 612). Da der Antragsteller sich weder im Rentenalter befinde noch erwerbsunfähig sei, läge ein solcher Fall hier nicht vor.
Das Vorbringen des Antragstellers, er wolle sich als Kaffeeröster selbständig machen, könne der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, da für die gerichtliche Prüfung des Erlassbegehrens die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich seien.
Auch könne der Umstand, dass die bestehenden Rückstände den Antragsteller hinderten, eine neue Existenz aufzubauen, einen Erlass nicht rechtfertigen. Zwar könne es unbillig sein, wenn die Durchsetzung von Steueransprüchen schon wegen des Vollstreckungsschutzes ausgeschlossen sei, die Steuerrückstände andererseits aber den Steuerpflichtigen daran hinderten, sich eine neue Existenz aufzubauen. Auch dieser Fall liege hier nicht vor, da es sich bei dem Hausgrundstück —im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers— nicht um unverwertbares Schonvermögen handele.
Innerhalb der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Antragsteller persönlich sinngemäß einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für eine noch zu erhebende Nichtzulassungsbeschwerde gegen das o.a. FG-Urteil gestellt und eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Der Antragsteller begründet sein Begehren zur Gewährung von PKH im Wesentlichen damit, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere. Das FA —und ihm folgend das FG in seinem Aussetzungsbeschluss (11 V 3327/07)— habe festgestellt, dass der Antragsteller im außergerichtlichen Vergleichsverfahren nicht bessergestellt werden solle als bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung. Dies werfe eine über den spezifisch gelagerten Einzelfall hinaus allgemein bedeutsame Rechtsfrage auf. Er, der Antragsteller, habe im Hauptverfahren in den Schriftsätzen vom 10. und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese „Sollanweisung” faktisch den Erlass von vornherein ausschließe, da jede übliche außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern den Schuldner besserstellen werde als die Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung. Dennoch habe das FG in seinem Urteil die Begründung seines Aussetzungsbeschlusses fast wörtlich übernommen. Das Ignorieren seiner Schriftsätze und diese Nichtwürdigung von Beweisen stelle einen Verfahrensmangel dar.
II. Der Antrag ist zulässig aber unbegründet und deshalb abzulehnen.
1. Der vom Antragsteller selbst gestellte Antrag ist zulässig. Für den Antrag besteht kein Vertretungszwang nach § 62a FGO (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. Beschlüsse vom VII S 13/01, BFH/NV 2002, 692; vom X S 2/02 (PKH), BFH/NV 2002, 949, und vom IX S 10/07 (PKH), BFH/NV 2007, 1918). Dabei kann der angerufene Senat es dahingestellt sein lassen, ob durch die seit dem geltende Neuregelung des Vertretungszwangs in § 62 Abs. 4 FGO und das Außerkrafttreten des § 62a FGO insofern eine Änderung eingetreten ist, dass ab jetzt auch der Antrag auf PKH vertretungspflichtig ist (vgl. dazu Spindler, Der Betrieb 2008, 1283, 1287). Der Antragsteller hat alle erforderlichen Prozesshandlungen vor dem vorgenommen; sein Antrag auf PKH samt Begründung ist am beim BFH eingegangen, seine weitere Stellungnahme am . Entsprechend der Rechtsprechung des BFH zum Verlust der Postulationsfähigkeit des mit der Prozessführung beauftragten Steuerberaters (vgl. , BFH/NV 2003, 485) bleiben die vor Eintritt der Neuregelung vorgenommenen Prozesshandlungen des Antragstellers wirksam.
2. Der Antrag auf PKH muss jedoch deshalb abgelehnt werden, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Senat kann bei der gebotenen, aber auch ausreichenden Prüfung des Vortrags des Antragstellers, des Inhalts der Akten und des vom Antragsteller beanstandeten Urteils keinen hinlänglichen Grund i.S. von § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO erkennen.
a) Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (, BFHE 184, 118, BStBl II 1998, 56). Dieses Allgemeininteresse ist auch für den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO erforderlich. Darüber hinaus setzen sowohl § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO als auch § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO voraus, dass es sich um eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage handelt.
b) Das Kriterium der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), das gerade auf ein allgemeines Interesse an der Beantwortung einer Rechtsfrage abzielt (z.B. Senatsbeschluss vom I B 79/04, BFH/NV 2005, 1232), kann zwar auch erfüllt sein, wenn sich der Rechtsstreit auf eine Billigkeitsmaßnahme (als streng einzelfallbezogene Maßnahme) bezieht (z.B. BFH-Beschlüsse vom VI B 205/99, BFH/NV 2002, 1603, und vom I B 135/05, nicht veröffentlicht). Soweit die Behörden jedoch ermächtigt sind, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu beschränken, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 FGO). Hat die Verwaltung —wie im Streitfall— in Ausfüllung des ihr zustehenden Ermessensspielraums Verwaltungsvorschriften erlassen, so haben die Gerichte grundsätzlich nur zu prüfen, ob sich die Behörden an die Verwaltungsanweisungen gehalten haben und ob die Vorschriften selbst einer sachgerechten Ermessensausübung entsprechen (vgl. z.B. , BFH/NV 2000, 691, m.w.N.). Dabei ist für die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich, wie das FG eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das FG darf daher Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf prüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (vgl. z.B. , BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460, m.w.N.).
c) Die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist vom Kläger nicht substantiiert und schlüssig vorgetragen worden und auch nach Aktenlage nicht erkennbar. Dafür reicht nach ständiger Rechtsprechung die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht aus (s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz 61). Es fehlen Darlegungen des Antragstellers, warum der Streitfall, in dem es um eine Billigkeitsmaßnahme —also um eine notwendigerweise einzelfallbezogene Maßnahme— geht, eine über diesen Einzelfall hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheit hat. Sein Vorbringen, durch die Feststellung des FA, im außergerichtlichen Verfahren solle der Schuldner nicht bessergestellt werden als bei der Durchführung eines Insolvenzverfahrens, werde generell schon von vornherein jede außergerichtliche Lösung ausgeschlossen, reicht dafür nicht aus. Der Antragsteller missversteht die von ihm als „Sollanweisung” bezeichnete Aussage, die sinngemäß auch in der Verwaltungsanweisung vom (BStBl I 2002, 132, 133) enthalten ist. Die „Sollanweisung” muss im Zusammenhang mit der davor gemachten Aussage gesehen werden, nach der das FA bei der Entscheidung über den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan insbesondere zu beachten hat, dass die Zustimmung des Gläubigers —hier des FA— durch Beschluss des Insolvenzgerichts ersetzt werden kann, wenn dieser im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern angemessen berücksichtigt und durch den Schuldenbereinigungsplan nicht schlechtergestellt wird, als er bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung von Restschuldbefreiung stünde (vgl. § 309 InsO). Diese gesetzlich geforderte Nicht-Schlechterstellung des Gläubigers sowohl im Verhältnis zu den anderen Gläubigern als auch im Vergleich zu seinen Ansprüchen aufgrund des ansonsten eintretenden Insolvenzverfahrens führt zwangsläufig dazu, dass —spiegelbildlich— der Schuldner nicht bessergestellt werden soll bzw. kann. Letztlich müssen die Leistungen nach dem Schuldenbereinigungsplan und die erzielbaren Leistungen in einem hypothetisch durchgeführten Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung gegenübergestellt werden (vgl. Hess, Insolvenzrecht, Großkommentar, § 309 Rz 95). Dass ein solches außergerichtliches Verfahren dennoch für den Schuldner vorteilhaft und von ihm anzustreben ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass der Schuldner durch ein erfolgreiches außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren einen Vergleich erzielt, auf dessen Grundlage ihm ohne die Einschränkungen der Regelungen der Verbraucherinsolvenz mit der damit verbundenen Wohlverhaltensphase ein wirtschaftlicher Neuanfang ermöglicht wird.
Dass systemimmanente Härten der Gesetzesanwendung auch im Rahmen der sachlichen Billigkeitsprüfung nach §§ 163, 227 AO prinzipiell hinzunehmen sind, kann als grundsätzlich geklärt angesehen werden (, BFH/NV 1999, 1303).
d) Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das FG-Urteil infolge schwerwiegender materiell-rechtlicher Fehler objektiv willkürlich erscheint und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. hierzu , BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; Lange, Deutsche Steuer-Zeitung 2002, 782, 784).
e) Schließlich beruht das Urteil bei der gebotenen kursorischen Prüfung auch nicht auf einem Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde zu legen; insbesondere ist der Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen. Dies bedeutet aber nicht, dass das Gericht verpflichtet ist, sich zu jedem Vorbringen der Beteiligten zu äußern und alle Umstände des Einzelfalls zu erörtern (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom X B 179/03, BFH/NV 2005, 1117). Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1117). Hinweise auf eine gegenteilige Sachbehandlung durch das FG sind nicht ersichtlich.
3. Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1701 Nr. 10
NAAAC-88889