BGH Urteil v. - IV ZR 275/06

Leitsatz

[1] a) Die Fortdauer der Testamentsvollstreckung über 30 Jahre hinaus unterliegt gemäß § 2210 BGB einer zeitlichen Begrenzung.

b) Sind seit dem Erbfall 30 Jahre verstrichen und soll die Verwaltung des Nachlasses nach dem Willen des Erblassers über 30 Jahre hinaus bis zum Tode des Testamentsvollstreckers fortdauern, verliert die Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung ihre Wirksamkeit mit dem Tode des letzten Testamentsvollstreckers, der innerhalb von 30 Jahren seit dem Erbfall zum Testamentsvollstrecker ernannt wurde.

Gesetze: BGB § 2198; BGB § 2209; BGB § 2210

Instanzenzug: LG Berlin 28 O 487/04 vom KG Berlin 12 U 54/06 vom

Tatbestand

Das Verfahren betrifft die Testamentsvollstreckung über den Nachlass des am verstorbenen ehemaligen Kronprinzen Wilhelm Prinz von Preußen (Erblasser), dem ältesten Sohn des 1941 verstorbenen ehemaligen Deutschen Kaisers Wilhelm II.. Der Beklagte ist der älteste Sohn des am 25. September 1994 verstorbenen Louis Ferdinand Prinz von Preußen, der wiederum zweitältester Sohn des Erblassers war. Die Kläger begehren unter Berufung auf ihr Amt als Testamentsvollstrecker des Erblassers mit ihrer Klage die Herausgabe von Inventar einer vom Beklagten bewohnten Villa, das nach ihrer Behauptung zum Nachlass gehört. Der Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt widerklagend festzustellen, dass die Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung des Erblassers über seinen Nachlass mit dem Tode seines zweiten Sohnes unwirksam geworden sei.

Dem Streit der Parteien um die Dauer der Testamentsvollstreckung liegen zwei letztwillige Verfügungen des Erblassers aus den Jahren 1938 und 1950 zugrunde. 1938 schloss dieser mit seinem zweiten Sohn unter Beteiligung von Wilhelm II. einen Erbvertrag. Darin wurde Louis Ferdinand Prinz von Preußen zum alleinigen Erben eingesetzt (§ 1 Abs. 1 Satz 1) mit verschiedenen Vor- und Nacherbschaftsregelungen unter Einbeziehung der Grundsätze der "alten Hausverfassung des Brandenburg-Preußischen Hauses"; die Erbfolge nach dem Erblasser ist nach wie vor umstritten. Darüber hinaus ordnete der Erblasser zur Ausführung seines letzten Willens Testamentsvollstreckung an (§ 4). Er legte fest, wer als Testamentsvollstrecker zur Verwaltung des Nachlasses berufen sein sollte (§§ 5, 8 Abs. 1 Nr. 3), und traf diesbezüglich in § 8 Abs. 2 folgende Bestimmung:

"Die Verwaltung der Testamentsvollstrecker soll solange bestehen, als es das Gesetz zuläßt (BGB § 2210), also mindestens dreißig Jahre nach dem Tode des Kronprinzen, mindestens bis zum Tode des Erben (Nacherben) und mindestens bis zum Tode der Testamentsvollstrecker oder ihrer Nachfolger."

In dem 1950 errichteten Testament hielt der Erblasser den Erbvertrag von 1938 aufrecht. Unter Ziffer 6 des Testaments bestimmte er jedoch Folgendes:

"In Abänderung des Paragraphen 5 des Erbvertrages von 1938 werden als Testamentsvollstrecker für die Ausführung des Erbvertrages von 1938 und dieser letztwilligen Verfügung ernannt:

1) C. H. Graf von H. ,

2) Dr. H. J. ,

3) Rechtsanwalt F. von S. .

Zu Ersatztestamentsvollstreckern ernenne ich:

für den Testamentsvollstrecker zu 1.): K. von S.,

für den Testamentsvollstrecker zu 2.): Herrn O. M.,

für den Testamentsvollstrecker zu 3.): Rechtsanwalt R. Graf von G. .

Sind ein oder mehrere Testamentsvollstrecker oder Ersatztestamentsvollstrecker fortgefallen oder erfolgt dies während der Dauer der Testamentsvollstreckerschaft, so soll der Präsident des Deutschen Bundesgerichts auf Vorschlag der noch vorhandenen Testamentsvollstrecker Ersatztestamentsvollstrecker ernennen."

Die vom Erblasser persönlich ernannten Testaments- und Ersatztestamentsvollstrecker sind inzwischen alle weggefallen. Die derzeit amtierenden Testamentsvollstrecker - der Kläger zu 1 (Jahrgang 1940) seit 2004, der Kläger zu 2 (Jahrgang 1948) seit 1975 - wurden vom Präsidenten des Bundesgerichtshofes in ihr Amt berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil nur über die Widerklage entschieden und diese abgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten Revision erstrebt der Beklagte insoweit die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZEV 2007, 335 ff. abgedruckt ist, hat ausgeführt: Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Dauertestamentsvollstreckung nach dem am (gemeint: ) verstorbenen Erblasser nicht beendet. Der Erblasser habe wirksam die Fortdauer der Testamentsvollstreckung kumulativ bis zum Tode des Testamentsvollstreckers oder des Erben angeordnet, und zwar je nachdem, welches dieser Ereignisse zuletzt eintrete. Die Testamentsvollstreckung solle so lange andauern, wie irgend möglich. Jedenfalls der Beendigungsgrund "Tod des Testamentsvollstreckers" sei bisher nicht eingetreten. Bei ihm komme es auf das Ableben des letzten bei Ablauf der 30-Jahres-Frist des § 2210 Satz 1 BGB amtierenden Testamentsvollstreckers an. Da der Kläger zu 2 bereits im Jahre 1975 - und damit vor Ablauf der 30-jährigen Frist am - durch Erklärung des Präsidenten des Bundesgerichtshofes zum Testamentsvollstrecker bestimmt worden sei, bestehe die Dauertestamentsvollstreckung fort.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht geht stillschweigend davon aus, dass einen Streit darüber, ob eine Testamentsvollstreckung beendet ist, das Prozessgericht und nicht das Nachlassgericht zu entscheiden hat. Damit befindet es sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 41, 23, 28).

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die im Erbvertrag angeordnete Testamentsvollstreckung nach dem Willen des Erblassers so lange wie irgend möglich andauern solle, und die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Würdigung des Landgerichts, § 8 Abs. 2 des Erbvertrages lasse keinen Zweifel daran, dass die Vertragschließenden und insbesondere der Erblasser angestrebt hätten, das "Hausvermögen" so lange wie irgend möglich als abgegrenzte Vermögensmasse rechtlich verselbständigt zu halten, stehen im Einklang mit der Auslegung des Erbvertrages durch den Senat (vgl. BGHZ 140, 118, 129).

3. Das weitere Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts, nach dem der Erblasser in § 8 Abs. 2 des Erbvertrages die Fortdauer der Dauertestamentsvollstreckung bis zum Tod des Erben oder der Testamentsvollstrecker angeordnet habe, und zwar je nachdem, welches dieser Ereignisse zuletzt eintrete, ist - entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht - ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar kann ein Erblasser letztwillig verfügen, dass die Testamentsvollstreckung endet, wenn - alternativ - entweder der "Tod des Erben" oder der "Tod des Testamentsvollstreckers" eingetreten ist (vgl. Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts Bd. V Erbrecht [1912] S. 29 Fn. 61 i.V. mit S. 27 Fn. 41). Zwingend ist dies jedoch nicht. Der Erblasser kann vielmehr das Ende der Testamentsvollstreckung nach § 2210 Satz 2 BGB ebenso gut von einer Kombination der genannten Ereignisse abhängig machen, so dass ein Ende der Testamentsvollstreckung erst anzunehmen ist, wenn beide Bedingungen erfüllt sind (vgl. Crome aaO). Wie vom Berufungsgericht und von der Revisionserwiderung zutreffend gesehen, verlangt § 2210 Satz 2 BGB einem Erblasser, der seinen Nachlass einer möglichst lange dauernden Testamentsvollstreckung unterwerfen will, zum Zeitpunkt der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung nicht die Prognose ab, ob der vorgesehene Erbe den vorgesehenen Testamentsvollstrecker überlebt oder (eher) dem Testamentsvollstrecker das längere Leben beschieden sein wird.

4. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, dass das Ereignis "Tod des Testamentsvollstreckers" im Sinne des § 2210 Satz 2 BGB und somit das Ende der Dauertestamentsvollstreckung nach § 2209 Satz 1 BGB so lange nicht eingetreten sind, wie der Kläger zu 2 noch lebt, der vom Präsidenten des Bundesgerichtshofes im Jahre 1975 und damit vor Ablauf der in § 2210 Satz 1 BGB normierten Frist von 30 Jahren seit dem Erbfall am zum Testamentsvollstrecker ernannt worden ist.

a) Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Fortdauer der Testamentsvollstreckung über 30 Jahre hinaus gemäß § 2210 BGB einer zeitlichen Begrenzung unterliegt. Das ist auch einhellige Ansicht in der Literatur. Zwar könnte man bei isolierter Betrachtung des Wortlauts des § 2210 Satz 2 BGB, wonach der Erblasser anordnen kann, dass die Verwaltung des Nachlasses bis zum Tode des Testamentsvollstreckers fortdauern soll, in Verbindung mit den §§ 2198 Abs. 1 Satz 1, 2199 Abs. 2, 2200 Abs. 1 BGB, die dem Erblasser die Möglichkeit geben, durch einen Dritten, den jeweils amtierenden Testamentsvollstrecker oder das Nachlassgericht Testamentsvollstrecker-Nachfolger ernennen zu lassen (vgl. Zimmermann in MünchKomm-BGB, 4. Aufl. § 2199 Rdn. 1), zu der Ansicht gelangen, dass das Bürgerliche Gesetzbuch einem Erblasser erlaube, die Testamentsvollstreckung über seinen Nachlass gleichsam zu verewigen. Das würde jedoch dem Zweck und der Entstehungsgeschichte des § 2210 BGB nicht gerecht, wie den Protokollen der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu entnehmen ist. Denn dort ist festgehalten:

"Was dann die Frage angehe, ob eine Testamentsvollstreckung, bei der die Verwaltung Selbstzweck sei, zeitlich beschränkt werden müsse, so würde die zeitliche Unbeschränktheit einer solchen Testamentsvollstreckung im grellen Widerspruche zu den Gründen stehen, aus welchen man bei der Nacherbschaft und dem Nachvermächtniß eine zeitliche Schranke für nothwendig erachtet habe, da alle diese Gründe auch hier zuträfen ... Der Erblasser würde ... ohne zeitliche Schranke in der Lage sein, ohne landesgesetzliche Genehmigung eine Stiftung oder, ohne den landesgesetzlichen Erfordernissen zu genügen, ein deutschrechtliches Familienfideikommiß ins Leben zu rufen" (vgl. Spahn in Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs Bd. V [1899] S. 308).

Zweck und Entstehungsgeschichte des § 2210 BGB gehen somit eindeutig dahin, die Wirksamkeit der Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung zeitlich zu begrenzen. Bei Festlegung dieser Grenzen darf zwar der einem Erblasser gesetzlich an die Hand gegebene, von ihm grundsätzlich voll ausschöpfbare Gestaltungsrahmen bei der Ernennung von Testamentsvollstrecker-Nachfolgern nicht außer Acht gelassen werden. Es findet sich aber kein Hinweis, dass ihm ausnahmsweise auch die Möglichkeit eröffnet werden soll, eine auf unbegrenzte Dauer angestrebte Testamentsvollstreckung umzusetzen.

b) Wie diese Grenzziehung gemäß § 2210 BGB bei vom Erblasser gewünschten zeitlichen Ausdehnungen einer Testamentsvollstreckung unter Beachtung seiner ihm gesetzlich eingeräumten Gestaltungsfreiheit vorzunehmen ist, wird in der Literatur uneinheitlich beurteilt.

aa) Die h.M. stellt bei der Frage, wie lange eine Testamentsvollstreckung im Sinne des § 2209 Satz 1 BGB dauern könne, wenn sie nach dem Willen des Erblassers über 30 Jahre hinaus bis zum Tode des (Ersatz-)Testamentsvollstreckers dauern solle, in Anlehnung an § 2109 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB (Nacherbschaft) und § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB (Vermächtnis) darauf ab, ob der (Ersatz-)Testamentsvollstrecker zur Zeit des Erbfalls bereits gelebt habe. Wenn dies der Fall sei, könne sich seine Verwaltung über den in § 2210 Satz 1 BGB genannten Zeitraum von 30 Jahren hinaus bis zu seinem Tode erstrecken (§ 2210 Satz 2 BGB); wenn nicht, ende die Testamentsvollstreckung spätestens mit dem Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall oder mit dem Tode des Erben oder des Nacherben (sog. Generationentheorie, vgl. Kipp in Enneccerus/Kipp/Wolff, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 2. Band 3. Abteilung: Das Erbrecht 1. und 2. Aufl. [1911] S. 320; Kipp/Coing, Erbrecht 14. Bearb. [1990] S. 396 f.; Frommhold, Das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs [1900] Anm. zu § 2210; Ritgen in Planck, BGB 1. und 2. Aufl. [1902] § 2210 Anm. 2; Herzfelder in Staudinger, BGB [1902] §§ 2209, 2210 Anm. 2; Dittmann in Staudinger, BGB 10./11. Aufl. [1960] § 2210 Rdn. 3; Reimann in Staudinger, BGB Neubearbeitung 2003 § 2210 Rdn. 11; Holtz, Die verwaltende Testamentsvollstreckung der §§ 2209 und 2210 BGB [1907] S. 10 f.; von Maercken, Der Testamentsvollstrecker mit selbständigem Verwaltungsrecht (§ 2209 BGB) [1920] S. 32 f.; Hense in Erman, BGB 3. Aufl. [1962] Anm. zu § 2210; M. Schmidt in Erman, BGB 11. Aufl. [2004] § 2210 Rdn. 3; Bund, JuS 1966, 60, 63 f.; Lange, JuS 1970, 101, 102, 105; Müller in Soergel/Siebert, BGB 10. Aufl. [1974] § 2210 Rdn. 2; Damrau in Soergel, BGB 13. Aufl. [2002/2003] § 2210 Rdn. 2; Brandner in MünchKomm-BGB 1. Aufl. [1982] § 2210 Rdn. 6; Zimmermann in MünchKomm-BGB 4. Aufl. [2004] § 2210 Rdn. 6; Offergeld, Die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers [1995] S. 171; Mayer in Bamberger/Roth, BGB [2003] § 2210 Rdn. 4; Lenzen in Deutscher Erbrechtskommentar [2003] § 2210 Rdn. 1; Edenfeld DNotZ 2003, 4, 8, 11; Edenhofer in Palandt, BGB 66. Aufl. [2007] § 2210 Rdn. 3; Schiemann in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB 2. Aufl. [2007] § 2210 Rdn. 1; Heilmann in jurisPK-BGB 3. Aufl. [2007] § 2210 Rdn. 3; Hoeren in Schulze, BGB 5. Aufl. [2007] § 2210 Rdn. 4; Weidlich in AnwK-BGB 2. Aufl. [2007] § 2210 Rdn. 6; Lorz in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht 2. Aufl. [2007] § 19 Rdn. 212).

bb) Nach einer anderen in der Literatur vertretenen Auffassung muss der (Ersatz-)Testamentsvollstrecker, wenn die Verwaltung des Nachlasses bis zu seinem Tode dauern und eine Umgehung des Gesetzes verhütet werden sollen, vor Ablauf von 30 Jahren seit dem Erbfall ernannt sein (sog. Amtstheorie, vgl. Hoffmann in RGRK-BGB 1. Aufl. [1910] § 2210 Anm. 1; Seyffarth in RGRK-BGB 3. Aufl. [1921] § 2210 Anm. 1; Buchwald in RGRK-BGB 9. Aufl. [1940] § 2210 Anm. 1; Kregel in RGRK-BGB 12. Aufl. [1975] § 2210 Rdn. 2).

cc) Nach einer weiteren im Schrifttum verbreiteten Ansicht müsse zur Verhinderung einer zeitlich unbegrenzten Testamentsvollstreckung verlangt werden, dass der (Ersatz-)Testamentsvollstrecker beim Erbfall bereits gelebt habe oder zumindest binnen 30 Jahren nach dem Erbfall zum Testamentsvollstrecker ernannt worden sei (sog. Kombinationstheorie, vgl. Rechenmacher in Palandt, BGB 17. Aufl. [1958] § 2210 Anm. 1; Keidel in Palandt, BGB 20. Aufl. [1961] § 2210 Anm. 1; Edenhofer in Palandt, BGB 42. Aufl. [1983] § 2210 Anm. 1; Finger in AK-BGB [1990] § 2210 Rdn. 4; Ebenroth, Erbrecht [1992] S. 430; Lauer, Der Testamentsvollstrecker in der Grauzone rechtlicher Befugnisse [1999] S. 143 f.; Reimann in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung 3. Aufl. [2001] S. 374; Mayer in Mayer/Bonefeld/Wälzholz/Weidlich, Testamentsvollstreckung 2. Aufl. [2005] S. 158; Stürner in Jauernig, BGB 12. Aufl. [2007] § 2210 Rdn. 1; Winkler, Der Testamentsvollstrecker 18. Aufl. [2007] S. 84 f.).

dd) Schließlich wird in der Literatur angenommen, dass zum Zweck der zeitlichen Begrenzung der Testamentsvollstreckung die in § 2210 Satz 2 BGB zugelassene Verlängerung der Frist "bis zum Tode ... des Testamentsvollstreckers" nur für den ersten Testamentsvollstrecker gelten könne (sog. Primattheorie, vgl. Peiser, Handbuch des Testamentsrechts [1902] S. 226 f. und 2. Aufl. [1907] S. 257 Fn. 91; Unzner in Planck, BGB 3. Aufl. [1908] § 2210 Anm. 3; Flad in Planck, BGB 4. Aufl. [1930] § 2210 Anm. 3; Kretzschmar, Das Erbrecht des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs [1910] S. 194; Sasse, Grenzen der Vermögensperpetuierung bei Verfügungen durch den Erblasser [1997] S. 57 f.; O. Schmidt ZEV 2000, 438, 439; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung 2. Aufl. [2003] S. 69 f.; Semmler, Die Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers [2006] S. 141 ff.). Vereinzelt wird darüber hinaus lediglich der vom Erblasser selbst namentlich bestimmte Ersatztestamentsvollstrecker (§ 2197 Abs. 2 BGB) noch in den Anwendungsbereich des § 2210 Satz 2 BGB mit einbezogen (sog. Primatersatztheorie, vgl. Zimmermann ZEV 2006, 508, 509; Reimann NJW 2007, 3034, 3037).

c) Nach § 2224 Abs. 1 Satz 3 BGB kann ein Erblasser anordnen, dass bei Wegfall eines von mehreren Testamentsvollstreckern eine andere Person nach § 2198 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 2199 Abs. 2 BGB oder § 2200 Abs. 1 BGB zum (Ersatz-)Testamentsvollstrecker ernannt werden soll (Edenhofer in Palandt, BGB 66. Aufl. [2007] § 2224 Rdn. 5; Reimann in Staudinger, BGB Neubearbeitung 2003 § 2224 Rdn. 38; Zimmermann in MünchKomm-BGB 4. Aufl. [2004] § 2224 Rdn. 21). Indem das Berufungsgericht die Verewigung der Testamentsvollstreckung dadurch verhindert, dass es die Anwendung eines Testamentsvollstreckerergänzungsverfahrens nach den genannten Vorschriften nur bis zum Tode des letzten Testamentsvollstreckers für möglich hält, der bei Ablauf der 30-Jahres-Frist des § 2210 Satz 1 BGB im Amt war, schließt es sich der Amtstheorie an.

aa) Das überzeugt schon deshalb, weil die Amtstheorie nicht nur dem Zweck des § 2210 BGB, die Wirksamkeit der Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung zeitlich zu begrenzen, gerecht wird, sondern darüber hinaus die einzige Theorie ist, die sich zwanglos mit dem Wortlaut des § 2210 Satz 2 BGB vereinbaren lässt. Soll danach bei entsprechender Anordnung des Erblassers die Verwaltung des Nachlasses "fortdauern", kann es nur um die Weiterführung der vom (letzten) Testamentsvollstrecker noch innerhalb der 30-Jahres-Frist des § 2210 Satz 1 BGB begonnenen Verwaltungstätigkeit gehen, welche dann mit dessen Tod (ebenfalls) ihr Ende findet. Infolgedessen kommt es entscheidend auf den (oder die) bei Ablauf der 30-Jahres-Frist des § 2210 Satz 1 BGB amtierenden Testamentsvollstrecker an.

bb) Die von der h.M. vertretene Generationentheorie, die für die Anwendbarkeit des § 2210 Satz 2 BGB maßgeblich darauf abstellt, ob der (Ersatz-)Testamentsvollstrecker beim Tode des Erblassers schon gelebt hat, und sich dabei an den zur Nacherbschaft in § 2109 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB und zum Vermächtnis in § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB getroffenen Regelungen ("wenn ... ein bestimmtes Ereignis eintritt, und derjenige, in dessen Person das Ereignis eintreten soll, zur Zeit des Erbfalls lebt") orientiert, kann demgegenüber zwar die Gesetzesmaterialien insoweit für sich in Anspruch nehmen, als dort zum Ausdruck gebracht ist, dass die zeitliche Unbeschränktheit einer Dauertestamentsvollstreckung "im grellen Widerspruche zu den Gründen stehen [würde], aus welchen man bei der Nacherbschaft und dem Nachvermächtniß eine zeitliche Schranke für nothwendig erachtet habe" und man einig sei, dass "die zeitliche Schranke in gleicher Weise zu bestimmen sei wie bei der Nacherbschaft" (vgl. Spahn aaO). Auch kann sie sich möglicherweise darauf stützen, dass die Gesetzgebungskommission bei der Aufstellung der Normen - gemeint sind jedenfalls die später als §§ 2109 Abs. 1, 2163 Abs. 1 BGB Gesetz gewordenen Vorschriften - "ein einheitliches Prinzip" im Auge gehabt habe, nach welchem nach Ablauf von 30 Jahren seit dem Erbfall nur Ereignisse berücksichtigt werden, "welche in der zur Zeit des Erbfalls lebenden Generation der Betheiligten eintreten" (vgl. Spahn aaO S. 237 ff., bes. S. 240).

Allerdings darf - mit dem Berufungsgericht - nicht übersehen werden, dass § 2210 BGB in Wortlaut, Aufbau und Struktur deutlich von den §§ 2109, 2163 BGB abweicht. So kann dem Wortlaut des § 2210 Satz 2 BGB nicht entnommen werden, dass die Verwaltung des Nachlasses nur dann über die 30-Jahres-Frist des § 2210 Satz 1 BGB hinaus bis zum Tode des Testamentsvollstreckers fortdauern kann, wenn dieser zur Zeit des Erbfalls bereits gelebt hat. Systematisch kommt hinzu, dass § 2210 Satz 3 BGB - ausdrücklich nur - die Vorschrift des § 2163 Abs. 2 BGB für entsprechend anwendbar erklärt; allein dieser Umstand schließt es aus, bei § 2210 BGB darüber hinaus zu einer entsprechenden Anwendbarkeit auch der §§ 2163 Abs. 1 Nr. 1, 2109 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB zu gelangen.

Schließlich wurde der ursprüngliche Ansatz der Gesetzgebungskommission, die zeitliche Schranke bei der Dauertestamentsvollstreckung in gleicher Weise zu bestimmen wie bei der Nacherbschaft, im weiteren Verlauf der Beratungen nur zum Teil verwirklicht. Denn bei der später nochmals im Zusammenhang erfolgten Erörterung der §§ 2109 (damals § 1813), 2163 (damals § 1847h) und 2210 (damals § 1910c) BGB wurde lediglich bestimmt, dass es - wie dann in den §§ 2109 Abs. 2, 2163 Abs. 2 und 2210 Satz 3 BGB auch Gesetz geworden - bei juristischen Personen jeweils bei der 30-jährigen Frist sein Bewenden habe (vgl. Gebhard in Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs Bd. VI [1899] S. 91 f.). Damit hat die von der h.M. in der Literatur bei natürlichen Personen geforderte zeitliche Koexistenz von Testamentsvollstrecker(n) und Erblasser keinen Eingang in die Vorschrift des § 2210 BGB gefunden.

cc) Dasselbe gilt für die von der Primattheorie aufgestellte Voraussetzung, eine Verlängerung der 30-Jahres-Frist des § 2210 Satz 1 BGB könne es nur für den ersten Testamentsvollstrecker geben. Auch für sie gibt es weder im Wortlaut noch in der Systematik des § 2210 BGB einen Anhalt. Die gegenteilige Argumentation, nach welcher sich aus den in § 2210 BGB enthaltenen Worten "des Testamentsvollstreckers" und der fehlenden Verweisung auf § 2199 Abs. 2 BGB ergebe, dass nur der erste Testamentsvollstrecker und nicht ein Nachfolger gemeint sein könne (Zimmermann ZEV 2006, 508, 509), vermag nicht zu überzeugen. Denn in den §§ 2201-2209, 2211-2223, 2225-2227 BGB ist ebenfalls nur vom "Testamentsvollstrecker" die Rede und eine Verweisung auf § 2199 Abs. 2 BGB nicht vorhanden; eine Verweisung auf die §§ 2197 Abs. 2, 2198 Abs. 1 Satz 1 und/oder 2200 Abs. 1 BGB existiert ebenfalls nicht. Jeder Nachfolger eines Testamentsvollstreckers hätte also, folgte man dieser Argumentation, keinerlei Aufgaben und Befugnisse (vgl. §§ 2203-2209, 2212 BGB), keinerlei Pflichten (vgl. §§ 2215-2218, 2220 BGB), haftete nicht (vgl. §§ 2219, 2220 BGB), könnte nicht kündigen (vgl. § 2226 BGB) und auch nicht entlassen werden (vgl. § 2227 BGB). Bereits das zeigt, dass trotz fehlender Verweisung auf die Vorschriften zur Ersatztestamentsvollstreckerbestimmung mit dem Wort "Testamentsvollstrecker" nicht nur der erste Testamentsvollstrecker gemeint sein kann.

Die Primattheorie beachtet darüber hinaus nicht hinreichend, dass mit den Nachfolgeregelungen der §§ 2198 ff. BGB eine "Entpersonalisierung" stattgefunden hat, indem die Möglichkeit der Nachfolgebestimmung durch außenstehende Dritte geschaffen und diese insoweit von der Person des Erblassers gerade abgekoppelt wurde - ein Umstand, der bei der Auslegung des § 2210 Satz 2 BGB nicht unberücksichtigt bleiben kann.

Der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches lässt sich ein Beleg für die Richtigkeit der Primattheorie gleichfalls nicht entnehmen. In den Gesetzesmaterialien wird, soweit ersichtlich, nirgends ausschließlich nur auf den ersten Testamentsvollstrecker abgestellt. Schließlich ist auch nach dem Zweck des § 2210 BGB keine derart radikale, über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Beschränkung der Reichweite der mit ihm konfligierenden Normen der §§ 2198 Abs. 1 Satz 1, 2199 Abs. 2, 2200 Abs. 1 BGB geboten.

dd) Aus denselben Gründen verdient auch die Primatersatztheorie keine Zustimmung. Hinzu kommt, dass eine unterschiedliche Behandlung von Ersatztestamentsvollstreckern - je nach dem, ob sie nach § 2197 Abs. 2 BGB, § 2198 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 2199 Abs. 2 BGB oder § 2200 Abs. 1 BGB in ihr Amt gelangt sind - im Bürgerlichen Gesetzbuch ersichtlich nicht vorgesehen ist. Der Erblasser kann daher beispielsweise einer ihm namentlich bekannten Person besonderes Vertrauen schenken und sie in einer letztwilligen Verfügung zum (Ersatz-)Testamentsvollstrecker ernennen, er kann aber auch einem ihm bekannten Dritten besonderes Vertrauen entgegenbringen und ihn durch letztwillige Verfügung zur Bestimmung der Person des (Ersatz-)Testamentsvollstreckers ermächtigen. Beides ist in gleicher Weise schutzwürdig (a.A. Zimmermann aaO).

d) Die Wirksamkeit der Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung nach § 2209 Satz 1 BGB ist mithin, wenn seit dem Erbfall 30 Jahre verstrichen sind und die Verwaltung des Nachlasses nach dem Willen des Erblassers gemäß § 2210 Satz 2 BGB bis zum Tode des Testamentsvollstreckers fortdauern soll, nach der Amtstheorie zu beurteilen. Da der Kläger zu 2 noch innerhalb von 30 Jahren nach dem Erbfall zum Testamentsvollstrecker ernannt wurde, war somit auf Fortdauer der Testamentsvollstreckung zu erkennen.

5. Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot ist darin entgegen der Ansicht der Revision auch mit Blick auf den von ihr geltend gemachten Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu erkennen. Zwar entspricht dem Recht des Erblassers zu vererben das Recht des Erben, kraft Erbfolge zu erwerben, so dass der begünstigte Erbe jedenfalls vom Eintritt des Erbfalls an den Schutz des Grundrechts genießt (BVerfG NJW 2000, 2495 f. m.N.). Durch die Anordnung einer erbrechtlich gestatteten zeitlichen Ausdehnung der Testamentsvollstreckung wird ihm jedoch keine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsposition entzogen. Eine Anwartschaft darauf, ohne eine solche Beschränkung Erbe zu werden, besteht nicht. Die Sicherung einer Mindestteilhabe am Nachlass sieht das Gesetz allein für Pflichtteilsberechtigte durch das Ausschlagungsrecht gemäß § 2306 BGB vor. Für eine Absicherung anderer, nicht pflichtteilsberechtigter Erbbegünstigter gibt es - auch aus verfassungsrechtlicher Sicht - keine Grundlage.

6. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision schließlich keinen wesentlichen Prozessstoff außer Acht gelassen. Insbesondere hat es, wie seine Ausführungen auf Seite 18 des Berufungsurteils und die dort in Bezug genommenen Ausführungen auf den Seiten 30 ff. des landgerichtlichen Urteils zeigen, berücksichtigt, dass die Testamentsvollstrecker von 1981 bis zum Ableben des Vaters des Beklagten im Jahre 1994 ihr Amt (faktisch) nicht ausgeübt haben. Es hat diesen Umstand jedoch zu Recht als unerheblich bezeichnet, weil eine vom Erblasser angeordnete (Dauer-)Testamentsvollstreckung nicht dadurch beseitigt oder "verwirkt" werden kann, dass eingesetzte Testamentsvollstrecker eine Zeit lang untätig bleiben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
DNotZ 2008 S. 539 Nr. 7
NJW 2008 S. 1157 Nr. 16
WM 2008 S. 180 Nr. 4
HAAAC-68822

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja