Häusliches Arbeitszimmer: Einbindung in häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen
Gesetze: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) und der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer schlüssig und substantiiert vortragen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom VII B 260/02, BFH/NV 2004, 69, und vom I B 239/04, BFH/NV 2005, 1840, beide m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28, § 116 Rz 38).
a) Mit der Behauptung, die vom Finanzgericht (FG) für die Qualifizierung von Räumlichkeiten als häusliche Arbeitszimmer angewendeten Kriterien (räumliche Nähe mit den privaten Wohnräumen des Steuerpflichtigen, Beschäftigung von fremdem Personal, Dauer und Intensität des Publikumsverkehrs) führten zu einer Verletzung von Art. 2, Art. 3, Art. 6 und Art. 12 des Grundgesetzes (GG), haben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) eine im Allgemeininteresse klärungsbedürftige und im Streitfall klärbare Rechtsfrage nicht ausreichend dargelegt (vgl. zu den Darlegungserfordernissen bei Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit z.B. , BFH/NV 2006, 303, m.w.N.).
b) Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob für die Beurteilung der Einbindung von Räumlichkeiten in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen auch dann auf die Mitarbeit von Familienangehörigen in den Büroräumen und auf das Vorhandensein eines Eingangsbereichs mit räumlicher Verbindung zum Wohnbereich abgestellt werden dürfe, wenn ein regelmäßiger und intensiver Publikumsverkehr in den Büroräumen eröffnet worden sei, ist nicht klärungsbedürftig. Denn in der Rechtsprechung des BFH ist bereits geklärt, dass sich die Frage, ob ein Arbeitszimmer in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist, nicht generell, sondern nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden lässt (vgl. z.B. , BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7). Dabei darf die räumliche Nähe mit den privaten Wohnräumen des Steuerpflichtigen und die Beschäftigung von fremdem Personal ebenso in die Würdigung einbezogen werden wie Dauer und Intensität des Publikumsverkehrs (vgl. z.B. , BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428; in BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7; vom XI R 89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185).
Die Kläger wenden sich im Kern gegen die ihrer Auffassung nach fehlerhafte Einzelfallwürdigung und tatrichterliche Überzeugungsbildung des FG und rügen damit einen (angeblichen) materiell-rechtlichen Mangel der Vorentscheidung. Materiell-rechtliche Rügen erfüllen jedoch keinen der Tatbestände des § 115 Abs. 2 FGO (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 76 und 82).
c) Mit ihrer Rüge, das FG habe übersehen, dass Büroräume, die als Beratungsstelle für einen Lohnsteuerhilfeverein genutzt werden, wegen § 28 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) nicht der Kontrollmöglichkeit der Finanzbehörde entzogen seien, werfen die Kläger keine im Allgemeininteresse klärungsbedürftige und im Streitfall klärbare Rechtsfrage auf. Die Rüge bezieht sich auf die Richtigkeit des Urteils im Einzelfall und genügt deshalb zur Darlegung eines Revisionszulassungsgrunds nicht.
Im Übrigen ist auch bei Büroräumen, die als Beratungsstelle für einen Lohnsteuerhilfeverein genutzt werden und daher gemäß § 28 Abs. 2 StBerG von der zuständigen Oberfinanzdirektion betreten werden dürfen, eine behördliche Nachprüfung der privaten Mitbenutzung wegen des engen Zusammenhangs mit der Sphäre der privaten Lebensführung und des Schutzes durch Art. 13 GG nur sehr eingeschränkt und mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand möglich, wenn die Büroräume —wie im Streitfall— in unmittelbarer räumlicher Nähe mit den privaten Wohnräumen des Steuerpflichtigen liegen. Denn auch hier könnte allein der regelmäßige Augenschein in den Wohnräumen (§ 98 f. der Abgabenordnung —AO—) ohne vorherige Benachrichtigung (vgl. § 197 Abs. 1 Satz 1 AO) im Einzelfall Klarheit schaffen. Die Begrenzung der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen bei häuslichen Arbeitszimmern, die als Beratungsstelle für einen Lohnsteuerhilfeverein genutzt werden und für die § 28 Abs. 2 StBerG gilt, ist deshalb genauso sachlich gerechtfertigt wie für andere Büroräume, die in unmittelbarer räumlicher Nähe zu den privaten Wohnräumen des Steuerpflichtigen liegen (vgl. , BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162).
d) Soweit die Kläger geltend machen, eine funktionale Einheit von mehreren beruflich genutzten Räumen, deren Anteil an der Gesamtfläche des Einfamilienhauses 36,38 v.H. betrage, könne nicht als „ein” häusliches Arbeitszimmer der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterliegen, genügen ihre Ausführungen nicht den Anforderungen, die an die Darlegung eines Zulassungsgrunds zu stellen sind.
In der Rechtsprechung des BFH ist bereits geklärt, dass auch ein Raum, der zusätzlich zum häuslichen Arbeitszimmer genutzt wird, gemeinsam mit diesem unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG fallen kann (, BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139). Eine gemeinsame Qualifizierung für mehrere in die häusliche Sphäre eines Steuerpflichtigen eingebundene Räume als häusliches Arbeitszimmer kommt in Betracht, wenn die Räume eine funktionale Einheit bilden, also nahezu identisch genutzt werden (, BFH/NV 2007, 677). Ob dies zutrifft, kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
e) Die von den Klägern sinngemäß weiter aufgeworfenen Fragen, anhand welcher konkreten Merkmale eine kleine Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins anzunehmen sei, wie diese von einer großen Beratungsstelle abzugrenzen sei, ob bzw. wann auch eine Einstufung als mittelgroße möglich sei und wie diese dann nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zu beurteilen sei (vgl. BFH-Urteile in BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7; vom IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43; in BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139), wären in einem Revisionsverfahren nicht klärbar.
Denn das FG hat seine Auffassung, dass die Räumlichkeiten im Dachgeschoss als häusliches Arbeitszimmer i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zu qualifizieren seien, unter Berücksichtigung von nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung als maßgeblich angesehenen Kriterien gewonnen. Es hat in erster Linie auf den räumlichen Zusammenhang mit den für private Wohnzwecke genutzten Räumlichkeiten im Erdgeschoss sowie darauf abgestellt, dass keine familienfremden Mitarbeiter beschäftigt worden seien und dass keine Möblierung (etwa Beratungs- oder Konferenztisch) vorhanden gewesen sei, die auf intensiven und dauerhaften Publikumsverkehr hindeute. Ergänzend hat es durch die Bezugnahme auf die für die Vorjahre ergangenen Entscheidungen darauf hingewiesen, dass der Kläger zu 1. und seine verstorbene Ehefrau aus zeitlichen Gründen keinen intensiven und dauerhaften Publikumsverkehr in der Beratungsstelle hätten betreuen können, weil sie beide ganztags in ihrem Hauptberuf beschäftigt gewesen seien. Aus der Gesamtheit dieser Umstände hat das FG gefolgert, dass im Streitfall „nur eine kleine Beratungsstelle im Sinne der BFH-Rechtsprechung zum Arbeitszimmer bei kleinen Steuerberatungs- oder Lohnsteuerhilfegesellschaften” vorliege. Eine eigenständige Bedeutung für die Qualifizierung der betroffenen Räumlichkeiten als häusliches Arbeitszimmer i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG kam dieser wertenden Schlussfolgerung jedoch nicht zu.
f) Die von den Klägern außerdem aufgeworfene Frage, in welchen Fällen von nicht mehr nur gelegentlichen Beratungsgesprächen oder sogar von einem intensiven und dauerhaften Publikumsverkehr auszugehen sei, lässt sich nicht abstrakt mittels zahlenmäßig eindeutiger Festlegung, sondern nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls beurteilen (vgl. Senatsbeschluss vom XI B 16/04, BFH/NV 2006, 268). Es handelt sich daher nicht um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Rechtsfrage i.S. von § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO.
Weiter ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt, dass Räume begrifflich keine „häuslichen Arbeitszimmer” sind, wenn sie nach außen erkennbar für den Publikumsverkehr gewidmet und für das Publikum (Patienten, Mandanten, Kunden) leicht zugänglich sind. Daran fehlt es, wenn diese Personen —wie im Streitfall— erst einen den Privatbereich betreffenden Flur durchqueren müssen, der den Zugang zu den Wohnräumen ermöglicht (vgl. , BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203). In einem solchen Fall handelt es sich bei den Räumen trotz nicht unwesentlichen Publikumsverkehrs um häusliche Arbeitszimmer i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG.
2. Mit ihrer Behauptung, die Vorentscheidung stehe im Widerspruch zu dem Urteil des (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2004, 1198) und zu dem BFH-Urteil in BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428 haben die Kläger eine Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht schlüssig dargetan.
a) Zu einer schlüssigen Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört u.a. die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angegriffenen Urteil einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen (vgl. z.B. , BFH/NV 2006, 799, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 42, m.w.N.). Hieran fehlt es im Streitfall.
b) Eine Abweichung der Vorentscheidung von den genannten Entscheidungen liegt im Übrigen auch nicht vor.
Das Niedersächsische FG hat in seinem Urteil in EFG 2004, 1198 entschieden, dass ein Büroraum, der neben der Nutzung durch den Steuerpflichtigen regelmäßig auch durch angestellte Mitarbeiter und durch das Publikum genutzt werde, nicht als häusliches Arbeitszimmer zu qualifizieren sei. Es hat damit auf die Funktion des Raums abgestellt. Auch die Vorinstanz stellt auf die Funktion der von der verstorbenen Ehefrau des Klägers zu 1. genutzten Räumlichkeiten im Dachgeschoss ihres Einfamilienhauses ab.
Nach der Entscheidung des BFH in BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428 greift die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht ein, wenn ein Steuerpflichtiger im Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses einen Raum für berufliche Zwecke nutzt, der nicht zu seiner Privatwohnung gehört, weil er nicht mit dieser zu einer gemeinsamen Wohneinheit verbunden ist. In diesem Fall erfüllt der Raum nicht das für ein häusliches Arbeitszimmer typische Merkmal der Einbindung in die häusliche Sphäre. Im Streitfall waren die von der verstorbenen Ehefrau des Klägers genutzten Räumlichkeiten wegen der offenen Bauweise über eine Treppe von der Wohnung aus zu erreichen. Aufgrund dieser Abweichung im Sachverhalt hat die Vorinstanz die Zugehörigkeit zur Wohnung und damit eine Einbindung in die häusliche Sphäre bejaht.
3. Der Erlass der vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) im Termin zur mündlichen Verhandlung am angekündigten Änderungsbescheide führt nicht zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 127 FGO entsprechend; vgl. , juris, m.w.N.). Es ist von den Klägern nicht geltend gemacht und für den Senat auch nicht ersichtlich, dass die Bescheide im Vergleich zu den durch sie geänderten eine zusätzliche Belastung enthielten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1650 Nr. 9
CAAAC-50774