BFH Beschluss v. - X B 194/05

Heilung von Bekanntgabemängel; kein Ausforschungsbeweis im finanzgerichtlichen Verfahren

Gesetze: AO § 80; FGO § 96; FGO § 115; FGO § 126

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg.

1. Soweit die Beschwerde die Einkommensteuer für das Jahr 1997 betrifft, ist sie schon deshalb unzulässig, weil der Kläger keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abschließend aufgezählten Zulassungsgründe dargelegt hat. Seine Beschwerdebegründung, mit der er Verfahrensmängel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend macht, bezieht sich ausschließlich auf die Einkommensteuer für die Jahre 1995 und 1996.

2. Auch soweit die Beschwerde die Einkommensteuer für die Jahre 1995 und 1996 betrifft, ist sie unzulässig. Die geltend gemachten Verfahrensmängel wurden nicht entsprechend den Vorgaben des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gerügt.

a) Es kann dahinstehen, ob der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag, „durch Beiziehung der entsprechenden Arbeitsanleitung Beweis zu erheben zu der Frage der maschinellen Eingabemöglichkeiten und der Verarbeitung der eingegebenen Daten im Rahmen der Bearbeitung von Einkommensteuererklärungen in Bezug auf die Jahre 1991 bis 1997, soweit es den Problemkreis Empfangsvollmacht betrifft”, ein auch im finanzgerichtlichen Verfahren unzulässiger Beweisermittlungs- oder -ausforschungsantrag (, BFH/NV 2005, 2166) war. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung durch das Finanzgericht (FG) greift jedenfalls deshalb nicht, weil der Kläger weder schlüssig dargelegt hat noch erkennbar ist, inwieweit das Urteil des FG auf dem angeblichen Verfahrensfehler beruhen kann. Das FG hat seine Würdigung, dass der Kläger seinem damaligen Steuerberater eine Generalvollmacht i.S. des § 80 der Abgabenordnung (AO 1977) erteilt und dieser sie an den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) weitergeleitet habe, auf mehrere Gesichtspunkte gestützt:

- Der frühere Steuerberater des Klägers hat bei seiner Zeugeneinvernahme nach Auffassung des FG glaubhaft bekundet, den Kläger aufgrund einer ihm übergebenen Generalvollmacht vom bis zur Beendigung des Mandats am betreut zu haben.

- Zudem hat der frühere Steuerberater des Klägers dem FG diese Vollmacht, wonach u.a. Steuerbescheide und alle sonstigen Verwaltungsakte (einschließlich förmlicher Zustellungen) sowie Urteile und gerichtliche Verfügungen ausschließlich ihm als Bevollmächtigten bekannt zu geben sind, in der mündlichen Verhandlung vom übergeben.

- Des Weiteren hat der frühere Steuerberater des Klägers bei seiner Zeugeneinvernahme erklärt, er habe die für das Besteuerungsverfahren notwendigen Anträge gestellt und Erklärungen abgegeben.

- Die Schreiben des FA und auch die für den Kläger bestimmten Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom bzw. vom seien —ebenso wie die Steuerbescheide für die Vorjahre— ihm zugegangen.

- Ausweislich des Postausgangsbuches —hiervon hat der frühere Steuerberater des Klägers dem FG Kopien überreicht— habe er die Steuerbescheide am und am an den Kläger mit einem Anschreiben weitergereicht.

- Zusätzlich stellt das FG auf das vom früheren Steuerberater verwendete Steuerprogramm ab, welches seine Aussagen bestätige.

Damit hat das FG sein Urteil entscheidend darauf gestützt, dass der Kläger seinem früheren Berater eine Generalvollmacht i.S. des § 80 AO 1977 erteilt und dieser sie an das FA weitergegeben hat. Die Überlegung des FA, wonach aus dem —aktenkundigen— Umstand, wer in den einzelnen Jahren Adressat der streitgegenständlichen Bescheide gewesen sei, zwingend auf das Vorliegen einer Empfangsvollmacht geschlossen werden könne, war offensichtlich nicht entscheidungserheblich. Die Entscheidung des FG kann damit —gleichgültig ob eine Einsichtnahme in die Arbeitsanleitung die Überlegung des FA in der mündlichen Verhandlung bestätigt hätte oder nicht— nicht auf dem angeblichen Verfahrensfehler beruhen. Im Übrigen hat das FG das FA zur Vorlage der Arbeitsanleitung aufgefordert und Letzteres hat erklärt, eine solche existiere nicht. Die vorhandenen Arbeitsanleitungen würden keine Angaben enthalten, welche Programmabläufe durch Kennzahlen und sonstige Eingaben ausgelöst würden. Die Arbeitsanleitung war als Beweismittel demnach auch nicht erreichbar.

b) Soweit mit der Beschwerde in diesem Zusammenhang auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO) gerügt wird, ist dies aus den unter a dargelegten Gründen ebenfalls nicht substantiiert.

3. Selbst wenn das FG zu Unrecht vom Vorliegen einer Empfangsvollmacht des früheren Beraters des Klägers ausgegangen wäre, könnte die Beschwerde keinen Erfolg haben. Eine dies beanstandende Revision wäre zurückzuweisen (vgl. § 126 Abs. 4 FGO, der im Verfahren der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision entsprechend anwendbar ist; BFH-Beschlüsse vom VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63, und vom VII B 268/01, BFH/NV 2002, 1595). Denn auch ein Steuerbescheid, der mit einfachem Brief einer nicht zur Empfangnahme berechtigten Person bekannt gegeben wurde, gilt in analoger Anwendung des § 9 des Verwaltungszustellungsgesetzes (—VwZG— in der bis zum geltenden Fassung) bzw. § 8 VwZG (gültig ab ) in dem Zeitpunkt als bekannt gegeben, in dem der richtige Empfänger den Bescheid erhält (vgl. z.B. , BFHE 208, 386, BStBl II 2005, 855).

Fundstelle(n):
EAAAC-28397