Gesonderte Feststellung der Einkünfte einer GbR; Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens
Gesetze: AO §§ 179, 180; FGO § 74
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 1998 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Klägerin hatte im Jahr 1991 ein im Jahr 1968 errichtetes Gebäude erworben, in dem die Kläger seit Oktober 1998 ein Sonnenstudio in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) im Erd- und Kellergeschoss betreiben. Zuvor waren diese Räume bis 1978 als Cafe genutzt und anschließend zu Wohnzwecken vermietet worden.
Im Erdgeschoss hängten die Kläger die Decken zum Teil ab, um ein einheitliches Deckenniveau zu erreichen und neu installierte Zuluftrohre zu verdecken. Zugleich zogen sie zwei Trennwände in Leichtbauweise ein, um die Sonnenbänke voneinander räumlich abzutrennen. Die Entlüftung der Sonnenbänke wurde an die Außenwand angeschlossen. Die Toilette im Keller wurde mit neuem WC und Waschbecken und einem zusätzlichen Urinal ausgestattet und neu gefliest. Entsprechend einer Auflage der Kreisverwaltung bauten die Kläger als Abschlusstür zum Treppenhaus eine Brandschutztür ein. Ferner tauschten sie vier Fenster aus und bauten an der Südseite des Gebäudes erstmals ein Fenster ein. Gleichzeitig erneuerten die Kläger auch die Innen- und Außenfensterbänke sowie die Hauseingangs- und Zimmertüren. Das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes änderte sich —abgesehen von dem zusätzlichen Fenster— nicht.
Die Kläger behandelten die Aufwendungen für die Deckenabhängung und Lüftung, das zusätzliche Fenster sowie die in Leichtbauweise erstellten Wände in Höhe von insgesamt 7 216 DM als Herstellungskosten. Die weiteren Baukosten in Höhe von 27 526 DM machten sie als Erhaltungsaufwand geltend und wiesen in der Bilanz des Sonnenstudios einen Zugang in Höhe von 6 062 DM aus.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ordnete den von den Klägern geltend gemachten Erhaltungsaufwand den Herstellungskosten mit der Begründung zu, durch die Umwidmung der bisherigen Erdgeschosswohnung in ein Sonnenstudio sei eine Änderung der Nutzungsart eingetreten.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1998 vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom dahin gehend zu ändern, dass —unter Wegfall bisher gewährter Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 275 DM— zusätzliche Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 27 526 DM berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Die Vorentscheidung verletzt § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977).
a) Nach § 179 Abs. 2 Satz 2 und § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 werden die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind, gesondert und einheitlich festgestellt. Im hier zu entscheidenden Fall erzielen die Kläger in der Rechtsform einer GbR Einkünfte aus Gewerbebetrieb und auch über die Höhe der Sonderbetriebsausgaben der Klägerin für die Räume, in denen die GbR das Sonnenstudio betreibt, muss im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung entschieden werden. Das FG hätte das Verfahren gemäß § 74 FGO aussetzen und den Abschluss eines Verfahrens der gesonderten Feststellung abwarten müssen. Der Verstoß hiergegen berührt die Grundordnung des Verfahrens. Er ist auch ohne entsprechende Verfahrensrüge zu beachten (Urteil vom IX R 85/82, BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239, m.w.N.).
b) Die Finanzbehörde kann bei Vorliegen einer Mitunternehmerschaft nach § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 nur dann von einer einheitlichen und gesonderten Feststellung absehen, wenn es sich um einen Fall von geringer Bedeutung handelt, insbesondere weil die Höhe des festgestellten Betrages, die Aufteilung und Zurechnung feststehen (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IX B 28/88, BFH/NV 1989, 87; vom VIII R 61/02, BFH/NV 2004, 27). Jedenfalls muss es sich um einen leicht überschaubaren Sachverhalt handeln (BFH-Urteile in BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239; vom X R 45/91, BFH/NV 1995, 387).
Zwar nimmt die Rechtsprechung eine „geringe Bedeutung” an, wenn es um die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eines ausschließlich zu Wohnzwecken genutzten Hauses oder einer Eigentumswohnung geht, das zusammen veranlagten Eheleuten je zur Hälfte gehört, und die Ermittlung der Einkünfte von dem FA vorgenommen wird, das auch für eine gesonderte und einheitliche Feststellung zuständig wäre (, BFH/NV 2004, 1211, m.w.N. der Rechtsprechung). Ein solcher oder ein zumindest vergleichbarer Fall liegt hier indes nicht vor. Bereits die Zulassung der Revision durch das FG zeigt, dass die Frage, ob Aufwendungen für den Umbau einer Wohnung in ein Sonnenstudio als Erhaltungsaufwand oder als Herstellungskosten zu beurteilen sind, nicht einfach gelagert ist. Es ist ferner in Betracht zu ziehen, dass einzelne der Aufwandspositionen wie etwa eine bautechnisch mit anderen Maßnahmen nicht verbundene Erneuerung von Fenstern und Türen als der zeitgemäßen Modernisierung vorhandener Bausubstanz dienend nicht die Merkmale einer Erweiterung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) erfüllen, weil hierdurch weder die Substanz des Gebäudes vermehrt oder die nutzbare Fläche vergrößert noch ein neues Wirtschaftsgut geschaffen würde (vgl. hierzu Senatsurteil vom X R 151/94, BFH/NV 1998, 1086, unter 1.a). Es ist ferner denkbar, dass die Kläger Gebäudeteile —z.B. eine Ladeneinrichtung als Bestandteil der Betriebs- und Geschäftsausstattung (vgl. Ziff. 3.7. und 6.2. der AfA-Tabelle für allgemein verwendbare Anlagegüter) oder für das Gebäude statisch unwesentliche Trennwände— geschaffen haben, die als ein selbständiges Wirtschaftsgut zu behandeln sind (R 13 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3, R 42 Abs. 6 der Einkommensteuer-Richtlinien; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom Juli 1995 S 1551 LXXII - AfA-Tabelle für den Wirtschaftszweig „Friseurgewerbe und Schönheitssalons”, juris). Darüber hinaus kann für die Zurechnung von erwerbssicherndem Aufwand von Bedeutung sein, das nur die Klägerin Eigentümerin des Grundstücks ist.
Liegen die Voraussetzungen des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 nicht vor, ist der Erlass eines Feststellungsbescheides zwingend, ohne dass der Finanzbehörde ein Ermessen zusteht (vgl. , BFH/NV 1986, 606).
c) Das FG hätte auf die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO auch nicht im Hinblick auf § 155 Abs. 2 bzw. § 162 Abs. 3 AO 1977 verzichten dürfen. Hiernach kann das FA einen Folgebescheid mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen erlassen, wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen ist. Diese Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Das FA wollte im Hinblick auf die fraglichen Einkünfte keine vorläufige Maßnahme treffen, sondern ging davon aus, dass es eines Verfahrens zur Feststellung der umstrittenen Einkünfte nicht bedurfte (vgl. Urteile in BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239; in BFH/NV 1995, 387).
Hiernach war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AO-StB 2005 S. 219 Nr. 8
BFH/NV 2005 S. 1235 Nr. 8
UAAAB-53684