Veräußerung eines im Besitzunternehmen nicht mehr verwendeten Betriebsgrundstücks keine Geschäftsveräußerung
Leitsatz
Die Veräußerung eines mit Hallen bebauten Grundstücks, das (im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft) vom Besitzunternehmen an das Betriebsunternehmen vermietet war und durch ein anderes Betriebsgrundstück ersetzt wurde, ist Veräußerung eines einzelnen Anlagegegenstands und keine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung. Das Hallengrundstück für sich ist kein fortführbarer Betrieb.
Gesetze: UStG 1993 § 1 Abs. 1 aUStG 1993 § 2 Abs. 2 Nr. 2UStG 1993 § 4 Abs. 9 Buchst. aUStG 1993 § 9UStG 1993 § 15aRichtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 8
Instanzenzug: (EFG 2003, 125) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichtete 1987 auf seinem Grundstück D-Straße 26 eine Lagerhalle mit Büroräumen. Dabei fielen Vorsteuerbeträge in Höhe von 61 737 DM an. Nach Fertigstellung der Halle am vermietete der Kläger das Grundstück an eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er war. Die GmbH verwendete die Halle zur Produktion und zum Vertrieb ihrer Produkte (Fußbodenheizungssysteme).
1990 erweiterte der Kläger das Betriebsgebäude um eine zweite Lagerhalle (D-Straße 24), wobei Vorsteuerbeträge in Höhe von 49 276 DM anfielen. Diese Halle wurde ab verwendet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ging mit dem Kläger seit 1994 von einer Betriebsaufspaltung und einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft aus.
1995 erwarb der Kläger das etwa 8 000 qm große Grundstück R-Straße 2-4 am selben Ort. Er ließ darauf einen Neubau errichten, den er ab an die GmbH vermietete. Nach Verlagerung des Betriebs der GmbH in die R-Straße veräußerte der Kläger das Grundstück D-Straße (3 000 qm) mit notariellem Vertrag vom und Übergang des Besitzes am für 1,25 Mio. DM an ein Elektronik-Unternehmen. Nach dem Text des Vertrags handelt es sich um einen Nettokaufpreis, zu dem „zuzüglich gegebenenfalls gesetzliche Mehrwertsteuer zu zahlen ist”.
Umsatzsteuer wurde dem Erwerber nicht in Rechnung gestellt. Der Kläger behandelte den Umsatz vielmehr als Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1 a des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) und damit als nicht steuerbar.
Nach einer Betriebsprüfung verneinte das FA eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung und erhöhte die Umsatzsteuerfestsetzung im geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1995 um 187 500 DM, weil es vom Vorliegen einer Option —Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG— durch den Kläger ausging. Im Einspruchsverfahren kam das FA zur Auffassung, eine Option liege nicht vor, weil für den Grundstückserwerb Umsatzsteuer an den Kläger weder gezahlt noch von diesem in Rechnung gestellt worden sei. Die Grundstücksveräußerung sei deshalb steuerfrei, andererseits ergebe sich dadurch eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG. Als Berichtigungsbetrag setzte es für das Grundstück D-Straße 24 (Berichtigungszeitraum vom bis ) 6 173,70 DM und für das Grundstück D-Straße 26 (Berichtigungszeitraum vom bis ) einen Betrag von 4 972,60 DM an. Das FA verneinte eine Geschäftsveräußerung jetzt mit der Begründung, die Besitzgesellschaft habe durch den Grundstücksverkauf und den Neukauf lediglich ein Wirtschaftsgut, mit dem sie ihr Gewerbe betrieben habe, ausgetauscht.
Im Klageverfahren erklärte der Kläger, an der hilfsweise erklärten Option nicht festzuhalten. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 125 veröffentlicht.
Das FG ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.
Mit der Revision verfolgt der Kläger weiterhin seine Auffassung, die Veräußerung des Grundstücks D-Straße sei ein nach § 1 Abs. 1 a UStG nicht steuerbarer Umsatz. Die Vermietung des Grundstücks sei in seinem (des Klägers) Unternehmen ein gesondert geführter Betrieb gewesen. § 1 Abs. 1 a UStG setze nicht voraus, dass der Veräußerer seine Tätigkeit gänzlich beende; wichtig sei nur, dass der gesondert geführte Betrieb bereits beim Veräußerer bestanden habe. Nach Kommentierungen zum UStG sei nicht ausgeschlossen, dass auch ein einzelner Gegenstand (ein Grundstück), der den gesondert geführten Betrieb ausmache, nicht steuerbar im Rahmen einer Geschäftsveräußerung übereignet werden könne, z.B. ein Mietshaus.
Der Kläger beantragt „Anwendung des § 1 Abs. 1 a UStG”.
Das FA tritt der Revision entgegen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Das angefochtene Urteil des FG ist im Ergebnis zutreffend.
1. Das FG hat die im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 1995 angesetzten Vorsteuerberichtigungsbeträge i.S. von § 15a UStG ohne Rechtsfehler bestätigt.
Ein bei Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts vorgenommener Vorsteuerabzug ist nach § 15a Abs. 1 UStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) zu berichtigen, wenn sich bei dem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb von fünf Jahren (bei Grundstücken innerhalb von zehn Jahren) seit dem Beginn der Verwendung ändern. Das gilt nach § 15a Abs. 4 UStG auch, wenn das noch verwendungsfähige Wirtschaftsgut vor Ablauf des Berichtigungszeitraums veräußert wird und dieser Umsatz anders zu beurteilen ist als die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendung.
Zwischen den Beteiligten besteht über die Voraussetzungen der Vorsteuerberichtigung kein Streit.
Die auf dem Grundstück errichteten Lagerhallen wurden ab Herstellung steuerpflichtig verwendet. Da zwischen dem Unternehmen des Klägers (sog. Besitzunternehmen mit Hallenvermietung) und der von ihm beherrschten GmbH (Betriebsunternehmen) eine Organschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestand, waren beide Unternehmensteile (Besitz- und Betriebsunternehmen) als ein Unternehmen des Klägers als Organträger zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG). Da sog. Innenleistungen zwischen den Unternehmensteilen nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG nicht als selbständige unternehmerische Tätigkeit gelten, war die Vermietung der Hallen durch den Kläger an „seine” GmbH nicht als Verwendung i.S. von § 15a Abs. 1 UStG, d.h. als Verwendungsumsatz i.S. von § 15 Abs. 2 UStG anzusehen. Verwendet i.S. des § 15 Abs. 2 UStG würden die Hallen für die —steuerpflichtigen— Ausgangsumsätze der GmbH (Vertrieb ihrer Produkte). Die steuerfreie Veräußerung des Hallengrundstücks im Streitjahr 1995 war somit eine Änderung der für den Vorsteuerabzug bei Hallenerrichtung maßgebenden Verwendungsverhältnisse.
2. Die Voraussetzungen einer „Geschäftsveräußerung” mit der Folge, dass dieser „Umsatz” nach § 1 Abs. 1 a UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegt und deshalb auch kein Verwendungsumsatz i.S. des § 15a UStG sein kann, lagen nicht vor.
Nach § 1 Abs. 1 a UStG gilt mit Wirkung vom für die Geschäftsveräußerung folgende Regelung:
„Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.”
Das FG hat —im Ergebnis zutreffend— die Auffassung des FA bestätigt, dass die Voraussetzungen der Vorschrift nicht vorlagen.
a) Entgegen der Auffassung des FG sind zur Auslegung des § 1 Abs. 1 a UStG nicht die Auslegungsgrundsätze zu § 75 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) maßgebend, auch wenn die hier streitigen Begriffe in beiden Vorschriften sich im Wesentlichen decken.
Da § 1 Abs. 1 a UStG zur Umsetzung des Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) eingeführt wurde, kann die Frage, ob ein Unternehmen oder ein gesondert geführter Betrieb im Ganzen nicht steuerbar übereignet wird, nicht nach Kriterien des nationalen Steuerrechts, sondern nur unter Berücksichtigung der Regelung der Richtlinie entschieden werden (vgl. , BFHE 200, 160, BFH/NV 2003, 436).
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat im Urteil vom C-497/01 —Zita Modes Sàrl— (BFH/NV Beilage 2004, 128) darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Nicht-Lieferung nach Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG ein autonomer gemeinschaftsrechtlicher Begriff ist, der eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems verhindern soll und dass diese Richtlinienbestimmung für die Ermittlung des Sinns und der Bedeutung des Begriffs der Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist (Rdnrn. 32 und 35 des Urteils).
b) Für die Auslegung des § 1 Abs. 1 a UStG gelten somit folgende Auslegungsgrundsätze zu Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG:
Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten „die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und dem Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Die Mitgliedstaaten treffen ggf. die erforderlichen Maßnahmen um Wettbewerbsverzerrungen für den Fall zu vermeiden, dass der Begünstigte nicht voll steuerpflichtig ist”.
Die Richtlinie enthält keine Definition des Begriffs Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens. Nach dem vorbezeichneten EuGH-Urteil Zita Modes Sàrl in BFH/NV Beilage 2004, 128 (Rdnr. 33, 40 f.) „ist der Begriff Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens…nach dem Zweck der Bestimmung dahin auszulegen, dass er die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils erfasst, die jeweils materielle und ggf. immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann; er schließt jedoch nicht die bloße Übertragung von Gegenständen wie den Verkauf einen Warenbestands ein”.
Was die Verwendung durch den Begünstigten betrifft, ergibt sich aus dem Zweck der Bestimmung, dass sie „diejenigen Übertragungen erfasst, bei denen der Begünstigte beabsichtigt, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln sowie ggf. den Warenbestand zu verkaufen” (Rdnr. 44).
c) Die vom FG dem nationalen Abgabenrecht entnommenen Auslegungsgrundsätze für die Begriffe Unternehmen bzw. Unternehmensteil decken sich, soweit im Streitfall maßgeblich, mit den vorgenannten gemeinschaftsrechtlichen Auslegungsgrundsätzen. Die darauf beruhende Würdigung durch das FG, der Kläger habe kein Unternehmen bzw. keinen in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betrieb als Ganzes übertragen, ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Zwar bezeichnet § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG die in einer Organschaft zusammengefassten Betriebe als „Unternehmensteile”. Nach Beendigung der Verwendung des Grundstücks im Rahmen des „Besitzunternehmens” durch den Kläger bildete das Hallengrundstück aber keinen „fortführbaren” selbständigen Unternehmensteil mehr.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger —als Organträger— die Vermietung des hier maßgebenden Betriebsgrundstücks D-Straße an seine Organgesellschaft (die GmbH) bereits eingestellt und durch das neu angeschaffte Grundstück R-Straße als vermietete Anlage ersetzt hatte, und dass hinsichtlich des Grundstücks keine weiteren Faktoren erkennbar waren, die es zu einem Geschäftsbetrieb gemacht hatten.
Der Senat hat es zwar mit Beschluss vom V B 112/03 (BFH/NV 2004, 1198) als nicht ernstlich zweifelhaft beurteilt, dass bei der Veräußerung verpachteter/vermieteter (Gewerbe-)Immobilien unter Fortführung des Pacht-/Mietvertrages durch den Erwerber eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1 a UStG vorliegen kann. Damit sind die Voraussetzungen im Streitfall nicht vergleichbar. Das veräußerte, mit Lagerhallen bebaute Grundstück kann zwar vom Erwerber in jeder möglichen Form unternehmerisch verwendet werden (sei es durch Vermietung, sei es als Produktionsstätte). Mit dem erworbenen Grundstück kann aber eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit nicht „fortgeführt werden”. Die Vermietungstätigkeit, auf die sich der Kläger beruft, ging nicht mit der Veräußerung des Grundstücks auf den Erwerber über. Es kann offen bleiben, ob die Veräußerung eines als Vermietungsobjekt konzipierten Gebäudes als Geschäftsveräußerung beurteilt werden könnte; denn das Hallengrundstück im Streitfall erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Grundstücksübertragung im Streitfall ist nicht anders zu beurteilen als die Übertragung von anderen Unternehmensgegenständen, wie z.B. Produktionsanlagen oder Maschinen, die wie andere Anlagevermögen oder Warenbestände weder ein selbständiges Unternehmen noch einen selbständigen Unternehmensteil darstellen. Die Grundstücksveräußerung im Streitfall ist somit keine Übertragung, die unter den Begünstigungszweck des § 1 Abs. 1 a UStG fällt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 730
BB 2005 S. 874 Nr. 16
BFH/NV 2005 S. 810 Nr. 5
BStBl II 2007 S. 730 Nr. 15
DB 2005 S. 985 Nr. 18
GStB 2005 S. 30 Nr. 8
GStB 2005 S. 318 Nr. 9
INF 2005 S. 372 Nr. 10
KÖSDI 2005 S. 14627 Nr. 5
StB 2005 S. 167 Nr. 5
UVR 2005 S. 247 Nr. 8
CAAAB-51723