EigZ bei Bestellung eines lebenslänglichen Wohnungsrechts
Gesetze: EigZulG § 2; AO § 39
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die im Jahr 1961 und 1963 geborenen, miteinander verheirateten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom gemeinsam mit den Eltern des Klägers zu je 1/4 ideellem Anteil ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Von dem Kaufpreis in Höhe von 450 000 DM für das ca. 1955 errichtete Gebäude und den Grund und Boden trugen die Kläger mindestens 125 000 DM, die sie durch ein Bankdarlehen finanzierten. In dem Kaufvertrag wurde den Klägern ein Wohnungsrecht folgenden Inhaltes eingeräumt:
"Die Erwerber räumen Herrn…(Kläger) und Frau…(Klägerin) - als Gesamtberechtigte i.S.d. § 428 BGB - das unentgeltliche lebenslängliche Wohnungsrecht an sämtlichen Räumen des auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes ein, und zwar gemäß § 1093 BGB unter Ausschluss des Eigentümers.
Das Wohnungsrecht umfasst das Recht zur Mitbenutzung aller auf dem Grundstück befindlichen Einrichtungen und Anlagen sowie das Recht zum freien Umgang auf dem Grundstück. Die Wohnungsberechtigten sind auch berechtigt, Familienangehörige sowie die zu ihrer standesgemäßen Bedienung und Pflege erforderlichen Personen in die Wohnung aufzunehmen. Dritten darf die Ausübung des Wohnungsrechts allerdings nicht überlassen werden.
Die Kosten für Schönheitsreparaturen, Strom, Wasser und Heizung sowie die Müllabfuhr-, Abwasser- und Schornsteinfegergebühr und die sonstigen Gebäudekosten, einschließlich der Instandhaltungskosten tragen die Wohnungsberechtigten.
Die Unentgeltlichkeit des Rechts und die Kostenregelung sollen nur schuldrechtlich zwischen den Beteiligten wirken.
Eine Sicherung des Wohnrechts im Grundbuch wird von den Beteiligten einvernehmlich nicht gewünscht.”
Die Kläger beantragten ab 1999 eine Eigenheimzulage (Fördergrundbetrag) in Höhe von 2 500 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) setzte im Eigenheimzulagenbescheid für die Jahre 1999 bis 2006 den Fördergrundbetrag entsprechend dem hälftigen Miteigentumsanteil der Kläger auf jährlich 1 250 DM (= 50 % des Höchstbetrages von 2 500 DM) fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte im Wesentlichen aus: Soweit die Kläger nicht bereits zivilrechtliche Miteigentümer des geförderten Objektes seien, stehe ihnen als wirtschaftlichen Eigentümern i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) der ungekürzte Fördergrundbetrag zu. Denn die Restnutzungsdauer des Gebäudes sei nicht länger als die statistische Lebenserwartung der Kläger. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1212 veröffentlicht.
Mit der Revision trägt das FA vor: Der auf fremdem Grund und Boden Bauende sei u.a. dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn ihm Substanz und Ertrag des von ihm erstellten Gebäudes für dessen voraussichtliche Nutzungsdauer zuständen und er deshalb die wirtschaftliche Verfügungs- und Sachherrschaft innehabe. Diese Voraussetzungen habe das FG unzutreffend bejaht. Denn die Kläger hätten nicht die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten für die ihnen von den zivilrechtlichen Miteigentümern zur Nutzung überlassenen ideellen Miteigentumsanteile getragen. Sie hätten daher bei vorzeitiger Beendigung des Nutzungsverhältnisses allenfalls Schadensersatz wegen entgangener Nutzungen, nicht aber Aufwendungsersatzansprüche gegenüber den Mitberechtigten geltend machen können.
Das FA beantragt, den Gerichtsbescheid des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtordnung —FGO—).
Zu Unrecht hat das FG den Klägern den vollen Fördergrundbetrag zuerkannt.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) ist u.a. die Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus begünstigt. Bei Anschaffung der Wohnung nach Ablauf des zweiten auf das Jahr der Fertigstellung folgenden Jahres (sog. Altbau) beträgt der Fördergrundbetrag jährlich höchstens 2 500 DM. Sind mehrere Anspruchsberechtigte Eigentümer einer Wohnung, kann der Anspruchsberechtigte den Fördergrundbetrag nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil in Anspruch nehmen (§ 9 Abs. 2 Sätze 2, 3 EigZulG).
2. Die Förderung setzt voraus, dass der Anspruchsberechtigte Eigentümer des begünstigten Objekts ist. Da die Kläger das Einfamilienhausgrundstück zusammen mit den Eltern des Klägers zu je 1/4 erworben haben, sind sie nur zu 1/2 zivilrechtliche Eigentümer geworden. Der Fördergrundbetrag steht ihnen daher entsprechend ihrem Miteigentumsanteil nur zur Hälfte und damit lediglich in Höhe von 1 250 DM zu.
a) Der Höchstbetrag von 2 500 DM könnte den Klägern nur unter der Voraussetzung gewährt werden, dass sie wirtschaftliches Eigentum an den zivilrechtlich den Eltern des Klägers gehörenden Anteilen erworben hätten. Denn in Fällen, in denen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum nicht übereinstimmen, steht die Förderung dem wirtschaftlichen Eigentümer zu (, BFHE 192, 415, BStBl II 2000, 652, und vom IX R 34/98, BFH/NV 2002, 761, m.w.N.). Wirtschaftliches Eigentum ist grundsätzlich auch an dem Anteil des zivilrechtlichen Miteigentümers möglich (, BFH/NV 2002, 168; , BFH/NV 2003, 1575).
Wirtschaftlicher Eigentümer ist derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977). Ein wirtschaftlicher Ausschluss in diesem Sinne liegt vor, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers besteht oder der Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (z.B. , BFH/NV 2001, 9, und vom X R 21/01, BFH/NV 2004, 306, jeweils m.w.N.).
Die Definition des wirtschaftlichen Eigentums in § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 umfasst eine Mehrzahl ungleichartiger „zivilrechtlicher Rechtslagen”, die Nichteigentümern eine eigentumsähnliche Rechtsposition verschaffen. Die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 erfordert deshalb nach der Rechtsprechung die Bildung von Fallgruppen und „deren wertende Zuordnung” (, BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97; vom X R 38/98, BFHE 190, 139, BStBl II 2000, 653, und vom VIII R 30/98, BFHE 199, 181, BStBl II 2002, 741).
Eine für das Recht der Wohneigentumsförderung wesentliche Gruppe bilden die Fälle, in denen die Personen, welche die Kosten für die Herstellung oder Anschaffung der eigengenutzten Wohnung getragen haben, nicht deren zivilrechtliche Eigentümer sind. Vom zivilrechtlichen abweichendes wirtschaftliches Eigentum liegt in diesen Fällen vor, wenn dem Nutzungsberechtigten auf Dauer Substanz und Ertrag der Wohnung wirtschaftlich zustehen. Das wird angenommen, wenn der Nutzungsberechtigte, der die Kosten für die Wohnung getragen hat, aufgrund eindeutiger im Voraus getroffener und tatsächlich durchgeführter Vereinbarungen die wirtschaftliche Verfügungsmacht und Sachherrschaft —unter dauerndem Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers— innehat, weil die Wohnung nach der voraussichtlichen Dauer des Nutzungsverhältnisses bei normalem, der gewählten Gestaltung entsprechendem Verlauf wirtschaftlich verbraucht ist oder wenn der Nutzungsberechtigte für den Fall der Nutzungsbeendigung einen Anspruch auf Ersatz des vollen Verkehrswertes der Wohnung gegen den zivilrechtlichen Eigentümer hat (z.B. , BFHE 196, 145, BStBl II 2002, 281, und vom X R 15/01, BFHE 196, 151, BStBl II 2002, 278).
b) Das FG hat zu Unrecht wirtschaftliches Eigentum der Kläger an den im zivilrechtlichen Eigentum der Eltern des Klägers stehenden Grundstücksanteilen angenommen.
Das schuldrechtlich vereinbarte unentgeltliche lebenslängliche Wohnungsrecht der Kläger an sämtlichen Räumen des Gebäudes sowie das Recht der Mitbenutzung des Grundstücks führen nicht zu wirtschaftlichem Eigentum der Kläger an den im Eigentum der Eltern des Klägers stehenden Grundstücksanteilen.
Nach der Rechtsprechung des BFH hat der schuldrechtlich und auch der dinglich Nutzungsberechtigte in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut (, BFHE 184, 179, BStBl II 1998, 203, und vom X R 15/99, BFH/NV 2002, 175, jeweils m.w.N.). Denn er ist lediglich befugt, eine fremde Sache zu nutzen, nicht aber wie ein Eigentümer mit der Sache nach Belieben zu verfahren (s.a. BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 9, m.w.N.).
Selbst das eigentumsähnlich gestaltete (veräußerliche und vererbliche) Dauerwohnrecht i.S. der §§ 31 ff. des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) wird nur als wirtschaftliches Wohnungseigentum beurteilt, wenn die vereinbarten Rechte und Pflichten wirtschaftlich den Rechten und Pflichten eines Wohnungseigentümers gleichstehen, der Wohnberechtigte die Finanzierung des Grundstückserwerbs sowie der Gebäudeerrichtung übernimmt und ihm für den Fall der Beendigung des Dauerwohnrechts eine angemessene Entschädigung zusteht (vgl. z.B. , BFHE 145, 161, BStBl II 1986, 258, und vom X R 14/97, BFHE 195, 355, BStBl II 2001, 578, m.w.N.).
c) Der Hinweis des FG und der Kläger auf ihre Aussicht, die Anteile der Eltern des Klägers im Erbwege zu erwerben, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn selbst eine testamentarische Verfügung —von der im Streitfall allerdings keine Rede ist— könnte jederzeit geändert werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 175).
Dem Anspruchsberechtigten, der zivilrechtlich nur einen Miteigentumsanteil an einer eigengenutzten Wohnung angeschafft hat, kann die Wohnung nach den Grundsätzen des wirtschaftlichen Eigentums daher nur dann in vollem Umfang zugerechnet werden, wenn er —in Erwartung des späteren Eigentums— die Kosten für die gesamte Wohnung getragen hat und ihm für den Fall der Nutzungsbeendigung ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe des anteiligen Verkehrswerts des Gebäudes gegen dem anderen Miteigentümer zusteht (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 168; BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 1575). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Die Kläger haben sich an der Finanzierung des Objekts nicht mit einem über ihren zivilrechtlichen Anteil hinausgehenden Betrag beteiligt.
Entgegen der Auffassung des FG ist wirtschaftliches Eigentum der Kläger nicht deshalb gegeben, weil sich aufgrund der Lebenserwartung der Kläger mit 37 bzw. 44 Jahren im Zeitpunkt der Bestellung des Wohnungsrechts dessen Dauer ungefähr mit der voraussichtlichen Nutzungsdauer des beim Erwerb bereits 44 Jahre alten Gebäudes deckt und die Kläger deshalb die zivilrechtlichen Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung ausschließen können. Mit der Bestellung des Wohnungsrechts auf die Lebenszeit des Nutzungsberechtigten liegt keine Bestellung für die gewöhnliche Nutzungsdauer des Gebäudes vor. Das FG beruft sich zu Unrecht auf den „normalen Verlauf der Dinge”, wonach aufgrund des lebenslänglichen Wohnungsrechts der Kläger dem aus dem Eigentum folgenden Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr zukomme. Der Streitfall liegt insoweit anders als der Fall des BFH-Urteils in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97, auf das sich das FG bezieht. Zum einen war der Nutzungsberechtigte nur entsprechend seinem Anteil an den Anschaffungskosten für das Grundstück und an den Herstellungskosten für das Gebäude als wirtschaftlicher Miteigentümer beurteilt worden. Zum anderen war das Nutzungsrecht an dem Gebäude vererblich gestellt; es endete somit —anders als ein Wohnungsrecht (§ 1093 Abs. 1, § 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1061 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)— nicht mit dem Tod des Nutzungsberechtigten. Bei einem Wohnungsrecht auf Lebenszeit ist die Nutzung auf unbestimmte Zeit vereinbart; die tatsächliche Nutzungsdauer und der wirtschaftliche Verbrauch fallen hier allenfalls zufällig zusammen (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 9).
Auch der Hinweis der Kläger, sie hätten nach dem Erwerb angefallene Umbau- und Instandsetzungsarbeiten für das gesamte Gebäude in Höhe von rund 57 000 DM getragen, führt nicht zur Annahme wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen der Eltern des Klägers. Abgesehen davon, dass es sich insoweit um im Revisionsverfahren unbeachtliches neues tatsächliches Vorbringen handelt (§ 118 Abs. 2 FGO), kann eine nur geringe Kostenübernahme kein wirtschaftliches Eigentum begründen. Im Übrigen hätten die Aufwendungen der Kläger, auch wenn zu den von ihnen getragenen Anschaffungskosten von 125 000 DM zusätzlich 57 380 DM nachträgliche Herstellungskosten hinzuzurechnen wären, insgesamt weniger als die Hälfte des Kaufpreises betragen. Die zusätzlichen Kosten können daher nicht als Aufwendungen für den Miteigentumsanteil der Eltern des Klägers beurteilt werden. Für die Anteile der Kläger wirkt sich eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage, da der Höchstbetrag von 1 250 DM (die Hälfte von 2 500 DM) ohnehin erreicht ist, nicht aus.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 164
BFH/NV 2005 S. 164 Nr. 2
HFR 2005 S. 208
MAAAB-40254