Ablehnung eines Antrags auf Terminänderung als Verfahrensmangel
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Instanzenzug: StB
Gründe
I. Die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wurde vom Finanzgericht (FG) auf Grund mündlicher Verhandlung vom , zu der der Kläger nicht erschienen war, als unbegründet abgewiesen. Am Tag vor der mündlichen Verhandlung hatte der Kläger per Telefax die Verlegung des Termins beantragt, da er wegen einer Erkrankung nicht an der Verhandlung teilnehmen könne. Dem Antrag beigefügt war eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die jedoch nur den Namen und Geburtstag des Klägers, das Ausstellungsdatum „” sowie einen handschriftlichen Vermerk „Verhandlungsunfähigkeit liegt vor” erkennen ließ.
Laut Sitzungsprotokoll des FG wurde dem Vertagungsantrag nicht entsprochen. In den Urteilsgründen führte das FG insoweit aus, dass dem Verlegungsantrag nicht habe stattgegeben werden können, weil erhebliche Gründe für eine Terminsänderung nicht glaubhaft gemacht worden seien. Die per Telefax übermittelte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lasse nicht erkennen, woran der Kläger erkrankt sei, seit wann er sich in Behandlung befinde und von wem sie ausgestellt worden sei. Dem Senat sei es auch nicht möglich gewesen, auf den Verlegungsantrag des Klägers zu reagieren, weil das Telefax von einem „Copy Shop” abgesandt worden und eine Telefonnummer des Klägers dem Gericht nicht bekannt sei.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, welche er allein auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt, rügt der Kläger zum einen, dass das FG den Antrag auf Verlegung des Termins, der vom Vorsitzenden des FG-Senats hätte beschieden werden müssen, als Vertagungsantrag behandelt habe, über den offenbar der Senat entschieden habe. Eine Beschlussfassung des Senats sei aber im Sitzungsprotokoll nicht dokumentiert. Die Begründung im Urteil reiche insoweit nicht aus. Auch eine Vorsitzendenentscheidung über den Verlegungsantrag gebe es nicht.
Zum anderen sei ihm das rechtliche Gehör versagt worden, weil der Antrag auf Terminsänderung zu Unrecht abgelehnt worden sei. Dass der dem Gericht übermittelten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Dauer der Erkrankung und der ausstellende Arzt sich nicht hätten entnehmen lassen, habe an der schlechten Übertragungsqualität des Telefax gelegen; auf dem Original der Bescheinigung seien diese Angaben lesbar. Von der in Teilen nicht vorhandenen Lesbarkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er aber nichts gewusst; vielmehr habe er geglaubt, alles für eine Terminsverlegung Erforderliche getan zu haben. Hätte das FG ihn informiert, dass die Angaben auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unzureichend seien, wäre es ihm möglich gewesen, den behandelnden Arzt telefonisch zu veranlassen, dem Gericht unmittelbar die Verhandlungsunfähigkeit glaubhaft zu machen. Obwohl er im amtlichen Telefonbuch mit seinem Namen und seiner Anschrift eingetragen sei, habe das FG jedoch nicht einmal den Versuch unternommen, ihn telefonisch zu erreichen, obwohl hierfür bis zum Termin ausreichend Zeit gewesen wäre. Es sei davon auszugehen, dass das FG über die amtlichen Telefonbücher verfüge, welche für den Gerichtsbezirk ausgegeben würden.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die von der Beschwerde als Grund für die Zulassung der Revision geltend gemachten Verfahrensmängel z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, und z.T. nicht vorliegen.
1. Mit der Rüge, dass das FG über den vom Kläger gestellten Verlegungsantrag entschieden habe, indem der FG-Senat laut Sitzungsprotokoll dem „Vertagungsantrag” nicht entsprochen habe, ohne dies zu begründen, während in der Urteilsbegründung dagegen von einem vom Senat abgelehnten „Verlegungsantrag” die Rede sei, über den aber nicht der Senat, sondern der Senatsvorsitzende hätte entscheiden müssen, wird ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann, nicht dargelegt.
Zutreffend ist zwar, dass nach § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) der Vorsitzende einen Termin vor seiner Durchführung verlegen kann, während über die Vertagung eines bereits begonnenen Termins der Senat zu entscheiden hat (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 91 Rz. 2, 7). Allerdings kommt es insoweit weder darauf an, wie die Beteiligten oder das Gericht die beantragte Terminsänderung bezeichnet haben, noch ist es ersichtlich, dass § 227 ZPO den Vorsitzenden verpflichtet, einen kurz vor Beginn des Termins gestellten Änderungsantrag sofort zu bescheiden und diesen nicht erst nach dem Beginn des Termins dem Senat zur Entscheidung vorzulegen. Auch stellt der Umstand, dass das FG die Ablehnung des als Vertagungsantrag behandelten Antrags auf Terminsänderung nicht in einem gesonderten Beschluss, sondern in seinem Urteil begründet hat, keinen Verfahrensfehler dar; soweit die Gründe für die Ablehnung des Vertagungsantrags im Urteil dargelegt worden sind, handelt es sich materiell-rechtlich um einen Beschluss (vgl. , BFH/NV 1994, 490). Darüber hinaus hat die Beschwerde im Streitfall nicht dargelegt, inwieweit das angefochtene FG-Urteil auf der ihrer Ansicht nach verfahrensfehlerhaften Entscheidung über die beantragte Terminsänderung durch den FG-Senat beruhen kann.
Jedenfalls können nach § 128 Abs. 2 FGO weder Verfügungen des Vorsitzenden noch Beschlüsse des Senats über eine beantragte Terminsänderung mit der Beschwerde angefochten werden. Da aber dem Endurteil vorangegangene Entscheidungen, die nach der FGO unanfechtbar sind, nicht der Beurteilung der Revision unterliegen (§ 124 Abs. 2 FGO), kann auch eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf eine angeblich formell fehlerhafte Entscheidung des FG über einen Terminsänderungsantrag gestützt werden.
2. Geltend gemacht werden können in solchen Fällen nur solche Verfahrensmängel, die als Folge der Ablehnung des Terminsänderungsantrags dem angefochtenen Urteil anhaften, weil die Ablehnung in der Sache zu Unrecht erfolgt ist, dem Beteiligten damit die Teilnahme an dem Termin zu Unrecht versagt und damit sein Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzt worden ist (vgl. , BFH/NV 2003, 640, m.w.N.). So kann die einen Verfahrensmangel darstellende Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs in einer sachlich unzutreffenden Behandlung eines Antrags auf Verlegung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung gesehen werden (ständige Rechtsprechung, , BFH/NV 1993, 102; , BFH/NV 2001, 1579; Senatsbeschluss vom VII B 13/02, BFH/NV 2003, 797, jeweils m.w.N.). Ein solcher Verfahrensmangel liegt jedoch im Streitfall nicht vor.
Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann aus erheblichen Gründen ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Die erheblichen Gründe für eine Aufhebung oder Verlegung sind auf Verlangen glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO). Wenn erhebliche Gründe i.S. des § 227 ZPO vorliegen, verdichtet sich das in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen zu einer Rechtspflicht, d.h. der Termin muss in diesen Fällen zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs verlegt bzw. vertagt werden (ständige Rechtsprechung, Senatsbeschluss vom VII B 81/91, BFH/NV 1993, 29; BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 102, jeweils m.w.N.).
Erhebliche —und glaubhaft gemachte— Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO, welche dem FG hätten Anlass geben müssen, den anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen bzw. nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung zu vertagen, lagen indes im Streitfall nicht vor.
Zutreffend hat das FG ausgeführt, dass mit der am Tag vor der mündlichen Verhandlung per Telefax übermittelten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhebliche Gründe für eine Terminsänderung nicht glaubhaft gemacht worden waren, da diese weder den ausstellenden Arzt noch die Art der Erkrankung oder den Beginn der Behandlung erkennen ließ (vgl. dazu: , BFH/NV 1995, 890). Wird ein Terminsänderungsantrag erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, ist der Beteiligte verpflichtet, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und zu untermauern, dass das Gericht die Frage, ob der Beteiligte verhandlungsfähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann. Ein zu diesem Zweck vorgelegtes privatärztliches Attest muss deshalb die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergeben. Würden diese Anforderungen an die Begründung des Antrags im Falle einer aus Krankheitsgründen kurzfristig begehrten Terminsänderung nicht gestellt, bestände die Gefahr, dass die Entscheidung über die Terminsverlegung allein vom Beteiligten abhängen würde. Dies wäre mit dem Ziel einer möglichst zügigen Durchführung des Verfahrens nicht vereinbar (Senatsbeschluss vom VII B 237/95, BFH/NV 1996, 902; BFH-Beschlüsse vom X B 58/99, BFH/NV 2000, 441; vom IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353). An solchen Angaben fehlte es aber im Streitfall. Abgesehen davon, dass die dem FG übersandte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keinen Aussteller erkennen ließ, konnte dem bloßen Zusatz „Verhandlungsunfähigkeit liegt vor” weder die Art oder Schwere noch die Dauer der Erkrankung des Klägers entnommen werden.
Das FG war auch nicht gehalten, den Kläger gemäß § 227 Abs. 2 ZPO zur weiteren Glaubhaftmachung der geltend gemachten Gründe aufzufordern, da ein weiterer Schriftverkehr mit dem Kläger bis zu dem für den nächsten Tag anberaumten Termin nicht erfolgen konnte und dem FG Möglichkeiten, den Kläger telefonisch oder per Telefax zu erreichen, nicht bekannt waren. Anders als die Beschwerde meint, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Gericht über sämtliche amtlichen Telefonbücher seines Gerichtsbezirks verfügt. Auch bestand aus Sicht des FG lediglich eine Möglichkeit, nicht aber ein sicherer Anhaltspunkt, dass weitere Nachforschungen hinsichtlich eines evtl. Eintrags des Klägers in einem Telefonbuch Erfolg versprechend sein könnten und der Kläger unter der dort eingetragenen Nummer auch kurzfristig erreichbar sein würde.
Der Umfang der Ermittlungspflichten des Gerichts wird insoweit durch die prozessualen Mitwirkungspflichten der Beteiligten begrenzt. Da es ohnehin Sache des Klägers war, die angegebenen erheblichen Gründe für eine Terminsänderung glaubhaft zu machen, und ihn zudem wegen des kurz bevorstehenden Termins eine gesteigerte Mitwirkungspflicht traf, oblag es ihm, dafür Sorge zu tragen, für sofortige Rückfragen seitens des FG erreichbar zu sein. Anders als die Beschwerde meint, konnte der Kläger auch nicht darauf vertrauen, mit der Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung alles Erforderliche getan zu haben, zumal der Name des ausstellenden Arztes schon auf dem Original kaum zu erkennen war und daher durch die Übermittlung per Telefax mit einer weiteren Verschlechterung der Lesbarkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gerechnet werden musste. Außerdem musste der Kläger, solange ihm vom FG eine Terminsänderung nicht mitgeteilt worden war, davon ausgehen, dass die mündliche Verhandlung am vorgesehenen Tag stattfinden würde, so dass für ihn Anlass bestanden hätte, von sich aus telefonischen Kontakt mit dem Gericht aufzunehmen und sich durch eine Rückfrage beim FG über die Entscheidung über seinen Terminsänderungsantrag zu informieren (vgl. , V B 41/98, V B 99/98, BFH/NV 1999, 647).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 64
BFH/NV 2005 S. 64 Nr. 1
RAAAB-27418