BFH Urteil v. - VII B 298/99

Tatbestand

Von dem sich aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung einer GmbH (Zedentin) für Juni 1984 ergebenden Vorsteuerüberschuss wurde mit Anzeige vom ein Teilbetrag an "S S vormals S Verkaufseinrichtungen S GmbH & Co. KG" abgetreten. Der abgetretene Betrag wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) auf das in der Abtretungsanzeige angegebene Konto überwiesen. Infolge der Änderung der Umsatzsteuer-Voranmeldung der Zedentin entfiel das Steuerguthaben in vollem Umfang und damit der Rechtsgrund für die Auszahlung des Erstattungsbetrages an den Abtretungsempfänger. Mit Rückforderungsbescheid vom forderte das FA daher -- nach einer teilweisen Tilgung der Umsatzsteuerschulden der Zedentin durch Aufrechnungen -- einen noch offenen, auf den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) entfallenden Teilbetrag der Erstattung zurück. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) richtet sich die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, die der Kläger auf grundsätzliche Bedeutung und Divergenz zu mehreren Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) stützt.

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Ungeachtet gewisser Mängel in der Darlegung der benannten Zulassungsgründe (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --; vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 61 bis 64) hat die Beschwerde deshalb keinen Erfolg, weil die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt ist und die behaupteten Divergenzen nicht vorliegen.

1. Die Beschwerde sieht eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung des FG von den Entscheidungen des BFH in den Beschlüssen vom V R 4/97 (BFH/NV 1998, 1119), vom I B 97/92 (BFH/NV 1994, 649) und vom VIII R 199-201/85 (BFH/NV 1986, 691). In diesen Entscheidungen habe der BFH die Rechtssätze aufgestellt, dass eine auf dem Briefbogen einer juristischen Person abgegebene Erklärung grundsätzlich als Erklärung der juristischen Person und nicht als persönliche Erklärung der natürlichen Person anzusehen sei. Das gelte in besonderem Maße dann, wenn dem Namenszug der natürlichen Person maschinenschriftlich der Name der juristischen Person beigefügt sei. Diesen Rechtssätzen stünde die Auffassung des FG entgegen, das FA habe zu Recht den Kläger als Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) angesehen, weil dem nicht entgegenstünde, dass die Abtretungsanzeige auf Seiten des Zessionars die auf dem Firmenstempel der S GmbH & Co. KG angebrachte Unterschrift des Klägers trage, weil die Abtretungsanzeige in der Rubrik II "Abtretungsempfänger" die Eintragung enthalte: "S S vormals S Verkaufseinrichtungen, S GmbH & Co. KG" und damit der Kläger eindeutig als Abtretungsempfänger bezeichnet sei. Dass die an der richtigen Stelle angebrachte Unterschrift des Klägers über dem Stempel der KG angebracht worden sei, könne angesichts der eindeutigen Bezeichnung des Zessionars zu keinem Missverständnis führen.

Mit diesen Rechtssätzen weicht das FG von der Rechtsprechung des BFH nicht ab. Sämtliche vom Kläger als Divergenzentscheidungen des BFH zu der Frage, ob eine Willenserklärung vom Unterzeichnenden persönlich oder namens der von diesem vertretenen Gesellschaft abgegeben worden ist, benannten Rechtssprüche des BFH heben hervor, dass diese Frage entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches anhand des Wortlautes der abgegebenen Erklärungen (so BFH in BFH/NV 1986, 691), ggf. unter Heranziehung von außerhalb der Erklärung liegenden Begleitumständen, zu beurteilen ist (BFH in BFH/NV 1994, 649). Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich eine Abweichung auch nicht im Hinblick auf die Entscheidung des BFH in BFH/NV 1998, 1119, in der der V. Senat ausführt, dass eine auf einem Briefbogen einer juristischen Person abgegebene Erklärung dem ersten Anschein nach als deren Erklärung und nicht als persönliche Erklärung der unterzeichnenden natürlichen Person anzusehen sei. Er führt jedoch weiter aus, dieser Anschein könne -- wie der Kläger unter Benennung einschlägiger Entscheidungen des BFH auch selbst einräumt -- durch weitere, insbesondere sich aus dem Inhalt der Erklärung bzw. des Schriftsatzes ergebende gegenteilige Anhaltspunkte widerlegt werden.

Das Urteil der Vorinstanz hat sich an diese Vorgaben der Rechtsprechung des BFH gehalten und die Abtretungserklärung -- zutreffend -- in Anbetracht ihres Wortlautes als eine Abtretung zugunsten des Klägers persönlich und nicht zugunsten der KG, die zudem nicht als noch bestehende Gesellschaft, sondern jeweils mit dem Zusatz "vormals ... KG" bezeichnet war, ausgelegt.

Soweit der Kläger für den Fall, dass eine Abweichung vom Senat nicht bejaht werde, die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage "ob die Unterschrift über (in) einem Firmenstempel nicht eindeutig das Handeln für die Firma dokumentiert" begehrt, fehlt es bereits an der erforderlichen schlüssigen Darlegung, aus welchen Gründen eine Klärung dieser Frage angesichts der vorliegenden gefestigten Rechtsprechung des BFH über seinen Einzelfall hinaus für die Allgemeinheit von Interesse und für die Rechtsfortentwicklung bedeutsam sein soll (vgl. , BFH/NV 1997, 192).

Mit dem Einwand, die Entscheidung des FG hätte gemessen an den Auslegungsgrundsätzen des Senatsurteils vom VII R 62/96 (BFH/NV 1998, 143) zu einem anderen Ergebnis gelangen müssen, macht der Kläger einen materiellen Rechtsfehler geltend, mit dem eine Divergenz nicht begründet werden kann.

2. Auch soweit der Kläger mit einem noch während der Rechtsmittelfrist eingegangenen Schriftsatz weitere Abweichungen des FG-Urteils zu den von ihm näher bezeichneten Entscheidungen des (BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488), vom VII B 292/98 (BFH/NV 1999, 1182), vom VII R 104/90 (BFH/NV 1993, 213) und vom VII R 73-74/91 (BFH/NV 1993, 215) rügt, bleibt der Beschwerde der Erfolg versagt.

Geltend gemacht wird die Divergenz des von der Vorentscheidung aufgestellten Rechtssatzes:

"Entgegen der klägerischen Ansicht war der Erlass des Rückforderungsbescheides nicht in das Behördenermessen gestellt. Infolge des in § 80 (gemeint ist § 85) AO zum Ausdruck gebrachten Legalitätsprinzips stand die Rückforderung der ungerechtfertigt ausgezahlten Steuervergütung nicht im Entschließungsermessen des Finanzamts, und dem Finanzamt stand im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides weder hinsichtlich der Höhe der Rückforderung noch bei der Inanspruchnahme des Rückzahlungsverpflichteten ein Auswahlermessen zu (, BFH/NV 1994, 441), weil die Regelung des § 37 Abs. 2 Satz 3 AO, die -- (mit Wirkung vom ) -- (gemeint ist ) auch den Rückgriff auf den Zedenten eröffnet, seinerzeit noch keine Gültigkeit hatte", zu der Senatsentscheidung in BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488, in der der Senat im Hinblick auf den Geschäftsführer der Zedentin ausgeführt habe, "leistet ein Finanzamt an eine GmbH auf die von ihr zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerüberschüsse Auszahlungen, so ist die Rückforderung des Staates ein Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO 1977, der bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der §§ 69, 34 AO 1977 die Haftung des Geschäftsführers begründet".

Mit dem angeführten Rechtssatz habe die Vorentscheidung in Abweichung von der angegebenen Rechtsprechung des BFH verkannt, dass Ermessenserwägungen dahin gehend hätten angestellt werden müssen, ob der Geschäftsführer der Zedentin oder der Kläger oder beide in Anspruch genommen werden sollen. Die abweichende Entscheidung des angefochtenen FG-Urteils verletze im Hinblick auf die fehlende Ermessensentscheidung auch den Rechtssatz, den der Senat im Beschluss in BFH/NV 1999, 1182 aufgestellt habe, wonach die vom FA zu treffende Ermessensentscheidung im Haftungsbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung begründet werden müsse.

Die vermeintliche Divergenz liegt nicht vor.

Das Urteil des FG entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des BFH, wonach der Rückforderungsanspruch im Falle der Abtretung des vermeintlichen oder später weggefallenen Erstattungs- oder Steuervergütungsanspruchs bis zum In-Kraft-Treten des Art. 26 Nr. 4 des Jahressteuergesetzes 1996 vom (BGBl I, 1250) eingefügten Satz 3 zu § 37 Abs. 2 AO 1977 am allein gegen den Zessionar zu richten war (s. BFH-Urteile in BFH/NV 1998, 143; vom VII R 144/92, BFHE 177, 8, BStBl II 1995, 862; vom VII R 80/94, BFH/NV 1996, 5, m.w.N.; vom VII R 129/92, BFH/NV 1994, 447, und vom VII R 3/93, BFH/NV 1994, 441). Die Rückforderung zu Unrecht erstatteter Steuerbeträge beim Zedenten bei Abtretungen, die zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung durch Einfügung des § 37 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 bereits vollzogen waren, hält der BFH im zuletzt zu dieser Frage in einem Aussetzungsverfahren ergangenen Beschluss vom V B 142/97 (BFH/NV 1999, 151) wegen des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbotes für ernstlich zweifelhaft (eine Hauptsacheentscheidung ist noch nicht ergangen).

Die von dem Kläger angefochtene Entscheidung der Vorinstanz entspricht damit sowohl mit dem von dem Kläger hervorgehobenen Rechtssatz, als auch mit den weiteren Ausführungen dazu, dass dem FA weder in Bezug auf die Person des Rückforderungsschuldners noch hinsichtlich der Höhe des zurückzufordernden Betrages ein Entschließungs- oder Auswahlermessen zustehe, der gefestigten Rechtsprechung des BFH.

Überdies übersieht der Kläger, dass die von ihm benannten angeblichen Divergenzentscheidungen in BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488, in BFH/NV 1999, 1182 ebenso wie die weiter in Bezug genommenen Entscheidungen in BFH/NV 1993, 213 und in BFH/NV 1993, 215 sämtlich zu einem anderen Sachverhalt ergangen sind. Die genannten Entscheidungen betreffen allesamt Fälle zu der Frage eines Auswahlermessens und dessen Begründung bei Inanspruchnahme eines von mehreren Haftungsschuldnern. Dass bei der Inanspruchnahme eines Haftenden durch Haftungsbescheid eine Ermessensentscheidung zu treffen ist, ergibt sich aus dem Gesetz (§ 191 Abs. 1 AO 1977). Mit dem hier zu beurteilenden Fall, in welchem der Erstattungsanspruch an einen Dritten abgetreten, an diesen ausbezahlt und schließlich von diesem auch zurückgefordert worden ist, sind diese vom Kläger als Divergenzentscheidungen bezeichneten Urteile des BFH nicht vergleichbar.

3. Die weiteren Einwände des Klägers in der Beschwerdeschrift, wonach das FG auf die nach der Rechtsprechung des BFH zu stellenden Anforderungen an die Ermessensausübung und deren Begründung bei der Inanspruchnahme eines von mehreren Haftungsschuldnern und darauf, ob dem Kläger Informationen hinsichtlich einer Inanspruchnahme des Geschäftsführers der Zedentin hätten gegeben werden müssen, nicht eingegangen ist, begründen eine Divergenz ebenfalls nicht. Da nach der Rechtsprechung des BFH bis zum In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung in § 37 Abs. 2 AO 1977 bei Auszahlung des abgetretenen Erstattungsanspruchs an den Zessionar die Inanspruchnahme eines anderen, nämlich des Zedenten, als Rückforderungsschuldner ausgeschlossen war, kam für vor diesem Zeitpunkt entstandene und durch Bescheid geltend gemachte Rückforderungsansprüche eine Haftung des Geschäftsführers der Zedentin für solche Rückforderungsansprüche nicht in Betracht.

Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nicht (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 730
BFH/NV 2001 S. 730 Nr. 6
RAAAA-97072