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Grundlagen - Stand: 06.01.2023

Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Finanzierungsaufwendungen

Thomas Schöneborn

A. Problemanalyse

I. Allgemeines

1 Die Gewerbesteuer will vom Gesetzeszweck die objektive Ertragskraft des gewerblichen Unternehmens besteuern. Deshalb wird sie auch als Objekt- bzw. Realsteuer bezeichnet (vgl. § 3 Abs.2 AO). Auf die Art der Finanzierung mit Eigen- oder Fremdkapital soll es vom Grundsatz her nicht ankommen. Da aber beispielsweise Finanzierungszinsen den steuerlichen Gewinn des Unternehmens grundsätzlich mindern, werden diese erneut nach gewerbesteuerlichen Vorschriften wieder hinzugerechnet. Dies dient der prinzipiellen Gleichstellung eines mit Eigen- oder Fremdkapital finanzierten Unternehmens.

II. Aktuelle Rechtslage

2 Hinzurechnungstatbestände

Die Hinzurechnungstatbestände werden durch § 8 Nr.1a bis f GewStG geregelt. Die Vorschrift wurde mehrfach – zuletzt durch Gesetz vom (BGBl 2020 I S. 1512) – geändert. Dort wurde im Rahmen der Corona-Gesetzgebung der Freibetrag von 100.000 € auf 200.000 € mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum 2020 verdoppelt. Davor war bereits Ende 2019 dem § 8 Nr.1d GewStG ein Satz 2 angefügt worden, der eine Begünstigung bei der Hinzurechnung bestimmter Elektro- und Hybridfahrzeuge dergestalt vorsieht, dass nur die Hälfte des Aufwands hinzuzurechnen ist. Dies erfolgt anlehnend an die Fahrzeugeinzelbesteuerung im Einkommensteuerrecht nach § 6 Abs.1 Nr.4 EStG.

3Die aktuelle Gesetzesfassung lautet:

„Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind:

  1. Ein Viertel der Summe aus

    1. Entgelten für Schulden. 2Als Entgelt gelten auch der Aufwand aus nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entsprechenden gewährten Skonti oder wirtschaftlich vergleichbaren Vorteilen im Zusammenhang mit der Erfüllung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen vor Fälligkeit sowie die Diskontbeträge bei der Veräußerung von Wechsel- und anderen Geldforderungen. 3Soweit Gegenstand der Veräußerung eine Forderung aus einem schwebenden Vertragsverhältnis ist, gilt die Differenz zwischen dem Wert der Forderung aus dem schwebenden Vertragsverhältnis, wie ihn die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Veräußerung zugrunde gelegt haben, und dem vereinbarten Veräußerungserlös als bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt,

    2. Renten und dauernden Lasten. 2Pensionszahlungen auf Grund einer unmittelbar vom Arbeitgeber erteilten Versorgungszusage gelten nicht als dauernde Last im Sinne des Satzes 1,

    3. Gewinnanteilen des stillen Gesellschafters,

    4. einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen. 2Eine Hinzurechnung nach Satz 1 ist nur zur Hälfte vorzunehmen bei

      1. Fahrzeugen mit Antrieb ausschließlich durch Elektromotoren, die ganz oder überwiegend aus mechanischen oder elektrochemischen Energiespeichern oder aus emissionsfrei betriebenen Energiewandlern gespeist werden (Elektrofahrzeuge),

      2. extern aufladbaren Hybridelektrofahrzeugen, für die sich aus der Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG oder aus der Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel EWG_VO_168_2013 Artikel 38 der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 ergibt, dass das Fahrzeug eine Kohlendioxidemission von höchstens 50 Gramm je gefahrenen Kilometer hat oder die Reichweite des Fahrzeugs unter ausschließlicher Nutzung der elektrischen Antriebsmaschine mindestens 80 Kilometer beträgt, und

      3. Fahrrädern, die keine Kraftfahrzeuge sind,

    5. der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, und

    6. einem Viertel der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen, mit Ausnahme von Lizenzen, die ausschließlich dazu berechtigen, daraus abgeleitete Rechte Dritten zu überlassen). 2Eine Hinzurechnung nach Satz 1 ist nicht vorzunehmen auf Aufwendungen, die nach § 25 KSVG (Künstlersozialversicherungsgesetz) Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe sind,

soweit die Summe den Betrag von 200.000 € (bis EHZ 2019: 100.000 €) übersteigt;“

Hinweis

Die Finanzverwaltung erläutert das Gesetz in einem koordinierten Ländererlass v. recht umfangreich. Hier finden sich viele Detailfragen beantwortet. Mit ergänzendem koordinierten Ländererlass vom sind einzelne weitere Fragen – z. T. abweichend von dem alten Erlass aus 2012 – geklärt worden.

Es sind somit nicht nur Entgelte für Darlehn von der Hinzurechnung (Buchst. a) betroffen, sondern auch Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter (Buchst. d), unbewegliche Wirtschaftsgüter (Buchst. e) und die Überlassung von immateriellen Rechten (Buchst. f). Daneben umfassen die Buchst. b und c noch die Hinzurechnung von Renten und dauernden Lasten sowie die Gewinnanteile eines stillen Gesellschafters. Diese beiden Vorschriften haben jedoch geringere praktische Bedeutung.

4 Hinzurechnungsanteil

Der vom Gesetz typisierend vorgegebene Finanzierungsanteil = Zinsanteil ist bei den einzelnen Finanzierungsarten unterschiedlich:

  • So fingiert das Gesetz bei der Überlassung von beweglichem Anlagevermögen (beispielsweise Pkw) einen Finanzierungsanteil von 1/5 = 20 %.

  • Bei der Überlassung von Immobilien liegt der Finanzierungsanteil bei 50 %; in den Jahren 2008 und 2009 lag er bei 13/20 = 65 %.

  • Bei den Lizenzen werden 25 % Zinsanteil vermutet.

  • Bei der Überlassung klassischer Darlehn ist der Zinsanteil naturgemäß 100 %.

Die zusammengefügten Beträge nach den Buchst. a bis f sind dann um den Freibetrag von 200.000 € zu kürzen und anschließend nochmals mit ¼ zu multiplizieren. Diese Reihenfolge ist einzuhalten. Es handelt sich bei den typisierten Zinssätzen um eine gesetzliche Fiktion, die den Gesetzgeber nach Ansicht des BFH nicht verpflichtet, sich an einem marktgerechten Zinsniveau auszurichten. Die unterschiedlichen Hinzurechungssätze müssen auch nicht dem strikten Folgerichtigkeitsmaßstab genügen. Dies wird teilweise in der Literatur kritisiert; insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BFH zur Höhe der Steuerzinsen.

5 Folge

Folge ist, dass aufgrund des Freibetrags viele kleinere Gewerbetreibende nicht unter die Hinzurechnung nach dieser Vorschrift fallen. Denn um den Freibetrag von 200.000 € zu erreichen, bedarf es bei einem Zinssatz von 5 % einer durchschnittlichen Verbindlichkeit von 4 Mio. € pro Jahr. Solche Beträge erreichen kleinere Gewerbetreibende regelmäßig nicht; zumal bei – in der Praxis häufig anzutreffenden noch deutlich niedrigeren Zinssätzen – die Verbindlichkeit noch weitaus höher sein kann.

Beispiel

Die X-AG hat im Erhebungszeitraum 2021 folgende steuerwirksame Aufwendungen getätigt: 1 Mio. € Zinsaufwendungen, 500.000 € Leasingaufwendungen für Pkw, 3 Mio. € für die Anmietung ihrer Hauptverwaltung (Gebäude) sowie 1 Mio. € für Lizenzen. Der Gewerbeertrag (§ 7 GewStG) vor Hinzurechnungen beträgt 1 Mio. €.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags nach § 8 Nr. 1 GewStG
Tatbestand/Vorschrift/Betrag
Faktor
Summe
Zinsen (§ 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG): 1 Mio. €
1/1
1.000.000 €
Leasing Pkw (§ 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG): 500.000 €
1/5
100.000 €
Miete Gebäude (§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG): 3 Mio. €
1/2
1.500.000 €
Lizenzen (§ 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG): 1 Mio. €
1/4
250.000 €
Zwischensumme:
2.850.000 €
Abzüglich Freibetrag (§ 8 Nr. 1 GewStG a. E.)
-200.000 €
Zwischensumme
2.650.000 €
Mal Faktor
1/4
662.500 €

Der Gewerbeertrag nach Hinzurechnung der Finanzierungsaufwendungen beträgt 1.000.000 € + 662.500 € = 1.662.500 €.

Hinweis

Die amtlichen Gewerbesteuervordrucke (GewSt1A20) sehen ausdrücklich die Eintragung des vollen Betrags jedes einzelnen Tatbestands (Buchst. a bis f) vor Anwendung der Faktoren und des Freibetrags vor. D. h., dass hier die Beträge aus der linken Spalte in dem jeweils zugehörigen Feld des Vordrucks einzutragen sind. Das Finanzamt rechnet die einzelnen Summen sowie die Gesamtsumme von Amts wegen aus.

6Freibetrag von 200.000 €

Der Freibetrag nach § 8 Nr. 1 GewStG wird betriebsbezogen gewährt. Er steht jedem gewerbesteuerpflichtigen Betrieb (Einzelunternehmen, Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft) einmal im Erhebungszeitraum zu. Wechselt innerhalb eines Erhebungszeitraums die Steuerschuldnerschaft zwischen Einzelunternehmen und Personengesellschaft (z. B. durch Einbringung des Einzelunternehmens in eine neu gegründete Personengesellschaft) oder umgekehrt, ist der Freibetrag von 200.000 € jedem der Steuerschuldner zeitanteilig entsprechend der Dauer seiner persönlichen Steuerpflicht zu gewähren (R 8.1 (6) GewStR 2009). Bis zum Erhebungszeitraum 2019 galt ein Freibetrag von 100.000 €; ab 2020 wurde coronabedingt ein verdoppelter Mittelstandsfreibetrag eingeführt. Dies sollte dazu führen, dass viele kleinere Unternehmen gar nicht in die Hinzurechnung nach § 8 Nr.1 GewStG kommen.

7In Fällen der gewerbesteuerlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) steht der Freibetrag jedem Unternehmen im Organkreis in voller Höhe zu, da auch auf Ebene der Organgesellschaft der Gewerbeertrag separat unter Berücksichtigung u. a. von Hinzurechnungen zu ermitteln ist.

8Bei einem abgekürzten Erhebungszeitraum (etwa aufgrund einer Betriebsaufgabe im laufenden Jahr) erfolgt keine zeitanteilige Kürzung des Freibetrages. Soweit in einem Erhebungszeitraum ausnahmsweise zwei Wirtschaftsjahre enden (etwa aufgrund einer Umstellung des Wirtschaftsjahres), ist der Freibetrag für jedes Wirtschaftsjahr und damit zweimal zu berücksichtigen.

9Einstweilen frei

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