Erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags eines Besitzunternehmens bei Vermietung von Grundstücken an das Betriebsunternehmen
Gesetze: GewStG § 9 Nr. 1 Satz 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) —eine GmbH und Co. KG, an der die Kommanditisten X und Y mit 67 v.H. bzw. 33 v.H. am Vermögen und Gewinn beteiligt sind— vermietet eigenen Grundbesitz an eine GmbH, deren Stammkapital allein die Klägerin hält. Diese vermietet Grundstücke auch noch an andere Unternehmen; die Mieteinnahmen, die sie von der GmbH erzielte, betrugen 24 v.H. ihres Gesamtumsatzes. Die GmbH hat 1993 ihren Handelsbetrieb eingestellt und vermietet seitdem die angemieteten Geschäftslokale an andere Gewerbebetriebe weiter; daneben nutzt sie als Trägerin einer Unterstützungskasse für die eigenen früheren Mitarbeiter eines der Gebäude für die Abwicklung der von ihr zugesagten Pensionen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) hat für die Streitjahre 1996 bis 1998 gegenüber der Klägerin Gewerbesteuermessbescheide erlassen, in denen er die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) für ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltende Unternehmen nicht berücksichtigt hat. Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Zwischen der Klägerin und der GmbH habe eine Betriebsaufspaltung bestanden; das schließe die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG aus (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2003, 334).
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG).
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Die Klägerin kann für die Verwaltung ihres Grundbesitzes nicht die erweiterte Kürzung ihres Gewerbeertrags in Anspruch nehmen (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG).
1. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist —unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens— nicht auf Unternehmen anzuwenden, die Tätigkeiten ausüben, die als solche gewerbesteuerpflichtig sind und nicht zu den unschädlichen Nebentätigkeiten gehören (vgl. u.a. , BFHE 162, 111, BStBl II 1990, 1075). Das ist zwar hinsichtlich der Vermietung von Grundstücken grundsätzlich nicht der Fall, wenn diese Tätigkeit —wie hier— über die Vermögensverwaltung nicht hinausgeht, gilt jedoch auch dann, wenn die Vermögensverwaltung von einem Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ausgeübt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. , BFHE 109, 456, BStBl II 1973, 686; vom IV R 97/72, BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688; vom IV R 8/90, BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347, unter 2. der Gründe; vom IV R 13/91, BFHE 169, 231, BStBl II 1993, 134; vom IV R 48/91, BFH/NV 1994, 265; zum Streitstand im Schrifttum vgl. Blümich/Gosch, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 9 GewStG Rz. 62). Die Besitzgesellschaft betätigt sich mit der Erfüllung der Verflechtungsvoraussetzungen wegen der Möglichkeit, über den einheitlichen Betätigungswillen der Gesellschafter Einfluss auf die Betriebsgesellschaft zu nehmen, eigengewerblich (vgl. dazu , BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296). Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.
2. Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung —sachliche und persönliche Verflechtung und ein gewerbliches Unternehmen der Betriebsgesellschaft (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. , BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, und , BFHE 184, 512, BStBl II 1998, 254; vom VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl II 2002, 662)— sind im Streitfall erfüllt.
a) Die Gesellschaften sind personell verflochten.
X und Y sind zu 67 v.H. bzw. 33 v.H. an der Klägerin beteiligt. Die Klägerin ist Alleingesellschafterin der GmbH. Bei dieser mittelbaren Beteiligung ist die Durchsetzung des geschäftlichen Betätigungswillens der Gesellschafter der Besitzgesellschaft in der Betriebsgesellschaft stets gesichert (vgl. etwa BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 265).
b) Die Gesellschaften sind auch sachlich verflochten.
Die der GmbH vermieteten Grundstücke sind bei dieser wesentliche Betriebsgrundlage sowohl für die Weitervermietung der von ihr angemieteten Grundstücke als auch für die Fortführung der Unterstützungskasse als Teil ihres früheren Handelsbetriebs. Es reicht hierfür aus, dass die zur Weitervermietung benötigten Gebäude für die Betriebsführung von nicht geringer Bedeutung sind (vgl. u.a. Senatsurteil vom VIII R 34/00, BFH/NV 2002, 185, unter II.1. der Gründe, m.w.N.) und dass die von der Unterstützungskasse und der Vermögensverwaltung benötigten Räume die räumliche und funktionale Grundlage des Betriebs bilden (inzwischen ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. , BFH/NV 2000, 1084, und , BFH/NV 2001, 894; in BFH/NV 2002, 185). Davon ist hier auszugehen.
c) Der Einwand der Klägerin, die GmbH habe keinen Gewerbebetrieb unterhalten, sondern mit der Weitervermietung der Grundstücke nur eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausgeübt, ist nicht begründet. Die Tätigkeit der GmbH ist Gewerbebetrieb kraft Rechtsform (§ 2 Abs. 2 GewStG; § 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes —KStG—); damit kann sie auch Betriebsgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung sein (vgl. etwa die Rechtsprechungsnachweise bei Schmidt, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 15 Rz. 856). Dass diese Tätigkeit neben der Verwaltung im Rahmen der Unterstützungskasse nur einen geringen Aufwand verursacht, ist für die Entscheidung im Streitfall ohne Bedeutung; allenfalls könnte es auf den Anteil am Gesamtumsatz der GmbH ankommen (vgl. u.a. , BFHE 166, 206, BStBl II 1992, 415; vgl. auch Schmidt, a.a.O., § 15 Rz. 812, m.w.N.). Dieser Anteil ist hier nicht geringfügig. Andere qualitative oder quantitative Merkmale einer unwesentlichen Bedeutung der Grundstücke liegen hier offensichtlich nicht vor.
3. Die Vermietung der Grundstücke durch die Betriebsgesellschaft ist für die Qualifizierung der Tätigkeit der Klägerin ohne Bedeutung.
Wäre die GmbH ein reines Grundstücksunternehmen und mit ihrem Ertrag aus dieser Tätigkeit nur deshalb gewerbesteuerpflichtig, weil sie als Kapitalgesellschaft kraft Rechtsform ein Gewerbe betreibt, könnte sie die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Anspruch nehmen (zu dem mit dieser Vorschrift verfolgten Zweck vgl. , BFHE 122, 531, BStBl II 1977, 776); in diesem Fall wäre zu prüfen, ob sich die Befreiung der Betriebsgesellschaft von der Gewerbesteuer auch auf die Tätigkeit der Besitzgesellschaft erstreckt (zur grundsätzlich ablehnenden Haltung der Rechtsprechung vgl. zuletzt Senatsurteil in BFHE 198, 137, BStBl II 2002, 662, m.w.N.). Die Befreiung setzt jedoch voraus, dass die GmbH eigenen Grundbesitz verwaltet (, BFHE 167, 144, BStBl II 1998, 628). Daran fehlt es hier. Eigentümerin der Grundstücke ist die Besitzgesellschaft. Deren Betriebsvermögen kann der Betriebsgesellschaft nicht zugerechnet werden. Die Unternehmen beider Gesellschaften bilden weder eine rechtliche noch eine wirtschaftliche Einheit; sie bleiben trotz ihrer sachlichen und personellen Verflechtung sowohl nach Zivilrecht als auch nach Steuerrecht selbständig und unterliegen einer eigenständigen steuerrechtlichen Beurteilung (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteil in BFHE 198, 137, BStBl II 2002, 662, unter II.B.1. der Gründe, m.w.N.).
4. Die Klägerin ist auch mit den Teilen des Gewerbeertrags gewerbesteuerpflichtig, die sie aus der Vermietung von Grundstücken an andere Unternehmen erzielt hat.
a) Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i.S. des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ausübt. Zu dieser Tätigkeit gehört auch die Vermögensverwaltung in der qualifizierten Form der Betriebsaufspaltung. Dementsprechend hat die Überlassung von Wirtschaftsgütern an eine Kapitalgesellschaft zur Folge, dass sämtliche Einkünfte der im Übrigen nicht gewerblich tätigen Besitzpersonengesellschaft als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind (BFH-Urteil in BFHE 184, 512, BStBl II 1998, 254, unter 2. der Gründe, m.w.N.). Davon geht auch der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung aus (, BFHE 181, 133, BStBl II 1997, 202; vom VIII R 61/97, BFHE 187, 297, BStBl II 1999, 483, unter II.2. der Gründe, und , BFH/NV 2001, 438). Das gilt auch für die Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG und dazu u.a. , BFHE 157, 155, BStBl II 1989, 797).
b) Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG kann die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nur in Anspruch nehmen, wer ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Das bedeutet, dass vorbehaltlich der in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten erlaubten —hier nicht vorliegenden— Tätigkeiten, andere Tätigkeiten grundsätzlich zur vollständigen Versagung der Begünstigung führen; unschädlich sind nur die der Verwaltung und Nutzung des Grundbesitzes dienenden Hilfs- und Nebentätigkeiten (vgl. u.a. BFH-Urteile in BFHE 122, 531, BStBl II 1977, 776, und vom IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338, m.w.N.). Selbst in diesem Fall wäre die Tätigkeit aber —wie schon in diesen Entscheidungen ausgeführt— schädlich, wenn die Nebentätigkeit für sich gesehen gewerblich wäre. Dies gilt erst recht, wenn wegen der zur GmbH bestehenden Betriebsaufspaltung ein Teil der Haupttätigkeit für sich gesehen gewerblich ist und der daraus erzielte Umsatz einen wesentlichen Teil (24 v.H.) des Gesamtumsatzes ausmacht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1624 Nr. 9
EStB 2005 S. 291 Nr. 8
GmbH-StB 2005 S. 226 Nr. 8
GmbHR 2005 S. 1069 Nr. 16
HFR 2005 S. 1098 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 34/2005 S. 2842
TAAAB-55650