BFH Urteil v. - I R 15/19

EG-Kartellgeldbuße: Abziehbarer Abschöpfungsteil nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 Halbsatz 1 EStG

Leitsatz

1. NV: Eine EG-Kartellgeldbuße unterliegt nicht dem Abzugsverbot von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG, soweit eine objektive Abschöpfungswirkung der Geldbuße und damit ein Abschöpfungsteil i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 Halbsatz 1 EStG festgestellt werden kann (Bestätigung der Rechtsprechung, s. , BFHE 243, 493, BStBl II 2014, 306; s. zu einer nach nationalem Recht verhängten kartellrechtlichen Geldbuße auch , BFHE 265, 113, BStBl II 2019, 663). An einer solchen objektiven Abschöpfungswirkung wird es regelmäßig dann fehlen, wenn sich aus der Betragshöhe eine Korrespondenz mit dem Umfang des wirtschaftlichen Vorteils nicht feststellen lässt (s. bereits Senatsbeschluss vom  - I B 203/03, BFH/NV 2004, 959 unter III.2.d aa) bzw. anderweitig erkennbar ist, dass die Bemessung ohne Berücksichtigung des konkret erlangten wirtschaftlichen Vorteils erfolgt ist. Dabei ist es Aufgabe des Tatsachengerichts, festzustellen, ob und inwieweit im Einzelfall bei der Festsetzung des Bußgeldes die tatsächlichen Auswirkungen auf den Markt messbar waren bzw. im Bußgeldverfahren festgestellt wurden und sich auf die Bemessung des Bußgeldes ausgewirkt haben.

2. NV: Zur Berechnungsmethodik des Höchstbetrags anrechnungsfähiger ausländischer Steuern bei Körperschaften (Auswirkung von geleisteten Spenden).

Gesetze: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1, Satz 4 Halbsatz 1; EStG § 34c; KStG § 8b Abs. 2; KStG § 26; EG Art. 81 Abs. 1; AEUV Art. 101 Abs. 1; EGV 1/2003 Art. 23 Abs. 2 Buchst. a; KartellVO Art. 15 Abs. 2; HGB § 249 Abs. 1 Satz 1;

Instanzenzug: ,

Tatbestand

I.

1 Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung einer kartellrechtlichen Geldbuße als Betriebsausgabe, die Einbeziehung von Erträgen aus Währungssicherungsgeschäften in die Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft sowie über die Anrechnung ausländischer Steuern.

2 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist u.a. im Bereich der . tätig, im Jahr 2001 (Streitjahr) in der Rechtsform einer AG. Folgende Sachverhaltskomplexe sind Gegenstand des Rechtsstreits:

3 1. Kartellrechtliche Geldbuße

Die Europäische (EG-)Kommission setzte mit Entscheidung vom (Az. 2003/2/EG) —Kommissionsentscheidung— in einem Verfahren nach Art. 81 EG-Vertrag und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/37.512 - ...) und der Verordnung Nr. 17 des Rates vom , Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrags (KartellVO) wegen Kartellabsprachen u.a. gegen die Klägerin für jede ihrer Zuwiderhandlungen . eine Gesamtgeldbuße in Höhe von insgesamt . € fest (Art. 3 Buchst. b der Entscheidung, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 2003, Nr. L 6, 1). Die Kommission hatte dabei ausgehend von den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Art. 65 Abs. 5 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl festgesetzt werden (ABlEG 1998, Nr. C 9, 3) —Leitlinien 1998—, zunächst einen Grundbetrag ermittelt, diesen sodann unter Berücksichtigung erschwerender sowie mildernder Umstände angepasst und schließlich wegen der Zusammenarbeit der Klägerin mit der Kommission im Ermittlungsverfahren ermäßigt.

4 Das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (EuG) reduzierte die Gesamtgeldbuße auf . € (, EU:T:2006:74, Beck-Rechtssachen 2006, 16125), weil es die Klägerin für die Kartelle nicht als Anstifter ansah und insoweit den bisher angesetzten Erhöhungsbetrag von 35 % als unzulässig bewertete. Zudem billigte es ihr aufgrund eigener Würdigung der von der Klägerin erbrachten Beiträge zur Aufdeckung der Kartelle auf zwei der acht Märkte die günstigste und zu einer Ermäßigung um 75 % führende Stufe der sog. Kronzeugenregelung zu. Die Geldbuße setzt sich damit wie folgt zusammen:


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Ausgangsbetrag:
… €
Abschreckungszuschlag:
… €
Zuschlag wegen Dauer:
… €
= Grundbetrag:
… €
Zuschlag erschwerende Umstände:
… €
Ermäßigung mildernde Umstände:
… €
= Gesamtbetrag
… €

5 Im Jahr des Zugangs der Bußgeldentscheidung der Kommission bildete die Klägerin in ihrer Handels- und Steuerbilanz zum wegen der zu erwartenden Geldbuße eine Rückstellung; die Geldbuße wurde am in Höhe von . € gezahlt und nach der Entscheidung des EuG teilweise erstattet.

6 2. Währungssicherungsgeschäfte

Die Klägerin veräußerte ihr in Europa belegenes .geschäft mit Vertrag vom ..2000 im Wege des Anteilsverkaufs an einen in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen .konzern. Das Geschäft wurde entgegen der ursprünglichen Absicht der Vertragsbeteiligten nicht in Euro, sondern zu einem Preis in USD abgeschlossen. Die Klägerin sicherte die Kaufpreiszahlung bis zum Vollzug des Vertrags durch den Abschluss von Währungssicherungsgeschäften gegen Währungsschwankungen ab. Nach Vollzug des Kaufvertrags am ..2001 realisierte sich das Währungsrisiko und der in Euro umgerechnete Kaufpreis blieb hinter dem ursprünglich in Euro avisierten Kaufpreis zurück. Zugleich ergaben sich aus den Währungssicherungsgeschäften Gewinne in Höhe von insgesamt . €. Diese wurden von der Klägerin als Teil des nach § 8b Abs. 2, 3 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (KStG) steuerfreien Veräußerungsgewinns behandelt.

7 3. Anrechnung ausländischer Steuern

Nach der Berechnungsmethodik des § 34c des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) wurde die Anrechnung ausländischer Steuern nach § 34c EStG, § 26 KStG in der ursprünglichen Veranlagung dergestalt vorgenommen, dass die ausländischen Einkünfte der Klägerin ins Verhältnis zu der „Summe der Einkünfte“ ohne Berücksichtigung abzugsfähiger Spenden (Gesamtsumme Spenden im Organkreis . €) gesetzt wurden.

8 Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die kartellrechtliche Geldbuße nach § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 1 EStG den Gewinn nicht mindern dürfe. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass und ggf. in welcher Höhe die Kommissionsentscheidung eine Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils enthalte, so dass ein Betriebsausgabenabzug insoweit nicht in Betracht komme. Hinsichtlich der Währungssicherungsgeschäfte sei der Saldo der positiven Kurssicherungsergebnisse nicht in die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG einzubeziehen. Diesen Wertungen folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt —FA—) mit geändertem Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr vom .

9 Im Einspruchsverfahren erhob die Klägerin am Untätigkeitsklage zum Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz. Das FA änderte mit Teil-Abhilfebescheid vom den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr zugunsten der Klägerin aus nunmehr nicht mehr streitigen Gründen. Im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.

10 Das FG hat hierauf das Finanzgerichtsverfahren fortgesetzt und die Klage hinsichtlich der oben angeführten —zu diesem Zeitpunkt noch streitig gebliebenen— Punkte mit Urteil vom  - 1 K 2469/16 (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2019, 809) als unbegründet abgewiesen. Während des Revisionsverfahrens erließ das FA am wegen der Hinzurechnung nicht abziehbarer Betriebsausgaben aufgrund Dividendenzahlungen aus Drittstaatengesellschaften einen Änderungsbescheid.

11 Die Klägerin greift das FG-Urteil hinsichtlich der Abziehbarkeit der kartellrechtlichen Geldbuße (Sachverhaltskomplex 1) und der Steuerfreiheit der Währungssicherungsgeschäfte (Sachverhaltskomplex 2) an und stützt die Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.

12 Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen FG-Urteils den Körperschaftsteuerbescheid 2001 vom dahingehend zu ändern, dass weitere Betriebsausgaben in Höhe von . € zum Abzug zugelassen werden und Gewinne aus Währungssicherungsgeschäften in Höhe von . € nicht angesetzt werden.

13 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

14 Die Revision ist begründet und das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Zur Rechtsfrage der einkommensmindernden Berücksichtigung der kartellrechtlichen Geldbuße (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) ist die Sache nicht spruchreif, wobei je nach dem Ergebnis weiterer Feststellungen eine Saldierungsmöglichkeit mit Blick auf die Rechtsfrage der Anrechnung ausländischer Steuern zu prüfen ist; zur Rechtsfrage der Einbeziehung von Erträgen aus Währungssicherungsgeschäften in die Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ist die Revision erfolgreich.

15 1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben; während des Revisionsverfahrens hat sich der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert.

16 Das FG hat über den Körperschaftsteuerbescheid 2001 vom in Form der Einspruchsentscheidung vom entschieden. An die Stelle dieses Bescheides ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom getreten, der nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 127 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos. Da sich durch den Änderungsbescheid die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes aber nicht geändert haben, kann der Senat über die streitigen Rechtsfragen selbst entscheiden und muss die Sache nicht allein deswegen nach § 127 FGO an das FG zurückverweisen (vgl. allgemein z.B. Senatsurteil vom  - I R 56/08, BFHE 228, 356, BStBl II 2010, 492; Senatsbeschluss vom  - I R 77/16, BFH/NV 2019, 296; Senatsurteil vom  - I R 38/19, BFH/NV 2022, 334; jeweils m.w.N.). Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG insoweit getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats.

17 2. Das FG hat zu der im Streitjahr gebildeten Rückstellung (kartellrechtliche Geldbuße) keine ausreichend belastbaren Feststellungen getroffen, um entscheiden zu können, ob der durch die Kommissionsentscheidung auferlegten Geldbuße eine objektive Abschöpfungswirkung beizumessen ist.

18 a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG darf u.a. eine von Organen der Europäischen Gemeinschaften (hier der Kommission) festgesetzte Geldbuße den Gewinn nicht mindern. Wird in der Handelsbilanz in Übereinstimmung mit § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs für eine Geldbuße zunächst eine Rückstellung gebildet, kommt für die Ermittlung des steuerlichen Einkommens das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG zur Anwendung; für steuerliche Zwecke wird der handelsrechtliche Passivposten im Ergebnis wieder neutralisiert (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 243, 493, BStBl II 2014, 306, Rz 21; vom  - XI R 40/17, BFHE 265, 113, BStBl II 2019, 663, Rz 21 ff.; jeweils m.w.N.; so im Ergebnis auch Senatsbeschluss vom  - I B 203/03, BFH/NV 2004, 959).

19 b) Das Abzugsverbot für Geldbußen ist nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 Halbsatz 1 EStG allerdings insoweit eingeschränkt, als der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, bei dessen Bemessung nicht abgezogen worden sind (sog. Abschöpfungsteil, s. BFH-Urteil in BFHE 243, 493, BStBl II 2014, 306, Rz 24; zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen s. den , BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483, unter B.I.3., und BFH-Urteil in BFHE 265, 113, BStBl II 2019, 663, Rz 18 f.).

20 Ob ein Abschöpfungsteil i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 Halbsatz 1 EStG vorliegt, hängt dabei nicht von einem „subjektiven Abschöpfungswillen“ der betreffenden (Kartell-)Behörde ab (vgl. auch Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 959, unter III.2.d aa). Um die verfassungsrechtlich gebotene Belastungskumulation von Steuerlast und Abschöpfung zu vermeiden, ist vielmehr entscheidend, ob eine Abschöpfung inkriminierter Einnahmen tatsächlich erfolgt ist, mithin eine objektive Abschöpfungswirkung der Geldbuße festgestellt werden kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 265, 113, BStBl II 2019, 663, Rz 27, m.w.N. zu einer nach nationalem Recht verhängten kartellrechtlichen Geldbuße; zustimmend z.B. Eilers in Klose/Klusmann/Thomas [Hrsg.], Das Unternehmen in der Wettbewerbsordnung, Festschrift für Gerhard Wiedemann, 2020, S. 895, 896; Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1730, 1733; Brandis/Heuermann/Drüen, § 4 EStG Rz 889). Für die Frage, ob einer Geldbuße objektive Abschöpfungswirkung beizumessen ist, sind die kartellrechtlichen Wertungen, die der Ermittlung der Bußgeldhöhe zugrunde liegen, heranzuziehen (ähnlich Wienke, Die Abschöpfung durch die Kartellgeldbuße, 2022, S. 175 ff.). Es ist damit auf der Grundlage der bei der Festsetzung herangezogenen bußgeldrechtlichen Bestimmungen und dem erkennbaren Gegenstand des Bemessungsverfahrens (s. insoweit auch Brandis/Heuermann/Drüen, § 4 EStG Rz 890; Pieske-Kontny, Die steuerliche Betriebsprüfung 2022, 116, 118) zu prüfen, ob und in welchem Umfang mit der Geldbuße der aus dem Rechtsverstoß erlangte wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft wurde (BFH-Urteil in BFHE 265, 113, BStBl II 2019, 663, Rz 28; für eine auf die Belastungswirkung abstellende [wirtschaftliche] Betrachtungsweise durch Vermögensvergleich aber Binnewies/Mehlhaf, GmbH-Rundschau 2019, 1259, 1260). An einer objektiven Abschöpfungswirkung wird es dabei regelmäßig dann fehlen, wenn sich eine betragsmäßige Korrespondenz zwischen der Höhe der Buße einerseits und dem wirtschaftlichen Vorteil andererseits nicht feststellen lässt (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 959, unter III.2.d aa) bzw. anderweitig erkennbar ist, dass die Bemessung erkennbar ohne Berücksichtigung des konkret erlangten wirtschaftlichen Vorteils erfolgt ist (z.B. Schwetlik, Der GmbH-Steuerberater 2019, 369, 371).

21 c) Nach Art. 15 Abs. 2 KartellVO (vgl. auch Kommissionsentscheidung, S. 1) kann die Kommission bei entsprechenden Zuwiderhandlungen ein Bußgeld in Höhe von bis zu 10 % des von den einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen. Bei der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

22 aa) Aus der Verordnung selbst ergeben sich allerdings keine konkreten Anhaltspunkte, dass das Bußgeld insgesamt oder zu einem abgrenzbaren Teil ausschließlich oder vornehmlich der Gewinnabschöpfung dient (vgl. auch Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 959, unter III.2.d bb, und BFH-Urteil in BFHE 243, 493, BStBl II 2014, 306, Rz 28 zu Art. 23 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 als Nachfolgeregelung zu Art. 15 Abs. 2 KartellVO).

23 (1) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine abschöpfende Wirkung der Geldbuße nicht bereits aus dem Grund gegeben, dass die Höhe der Geldbuße auf einen Höchstbetrag von 10 % des (Gesamt-)Umsatzes des Vorjahres begrenzt wird. Der Betrag orientiert sich nicht an den durch die kartellrechtswidrige Handlung erzielten Umsätzen und somit möglichen wirtschaftlichen Vorteilen. Er soll vielmehr die Verhängung von Geldbußen verhindern, die die Unternehmen voraussichtlich nicht werden zahlen können (s. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union —EuGH— Dansk Rørindustri u.a./Kommission vom  - C-189/02 P, C-202/02 P, C 205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, EU:C:2005:408, Rz 280, m.w.N.; BFH-Urteil in BFHE 243, 493, BStBl II 2014, 306, Rz 28).

24 (2) Durch die Bemessung der Geldbuße nach Art. 15 Abs. 2 KartellVO anhand der Schwere des Verstoßes und der Dauer der Zuwiderhandlung kommt der primär abschreckende und somit vorrangig ahndende Charakter der Geldbuße zum Ausdruck (s.a. BTDrucks 15/3640, S. 67, unter Verweis auf das , EFG 2003, 1602; .1.1-5/4 St32, Der Betrieb —DB— 2010, 2700; S 214.5/46 - St 111, Steuer-Eildienst 2012, 619; R 4.13 Abs. 3 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 2012; Bruschke, Der Steuerberater 2016, 291, 293; Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, EStG, § 4 Rz 843; Krüger, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2017, 80, 81; a.A. Schönfeld/Bergmann, DStR 2014, 2323, 2324). Neben den am Kartell beteiligten Unternehmen (Spezialprävention) sollen auch potentielle Nachahmer abgeschreckt werden (Generalprävention; so bereits Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 959, unter III.2.d bb, unter Verweis auf die Entscheidung des EuGH Musique Diffusion française u.a./Kommission vom  - C-100-103/80, EU:C:1983:158, Rz 105 f.; Erwägungsgrund Nr. 4 der Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, Amtsblatt der Europäischen Union —ABlEU— 2006, Nr. C 210, 2, sog. Leitlinien 2006).

25 (3) Eine abschöpfende Wirkung ergibt sich auch nicht zwangsläufig aus den von der Kommission im Jahr 1998 erlassenen und damit auch im streitgegenständlichen Zeitraum angewendeten Leitlinien 1998 (vgl. allgemein Dannecker/Müller in Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Aufl., Kap. 19, Rz 244). Ungeachtet der fehlenden rechtlichen Bindungswirkung der Leitlinien 1998 (vgl. Haus, DB 2014, 2066, 2068, m.w.N.; zur faktischen Bindungswirkung der Leitlinien vgl. Eilers in Klose/Klusmann/Thomas [Hrsg.], a.a.O., S. 895, 899, m.w.N.) werden die Geldbußen wegen kartellrechtlicher Verstöße auf EG-Ebene nach den Leitlinien 1998 nicht „mehrerlösbezogen“, sondern pauschal festgesetzt (Dannecker/Müller in Wabnitz/Janovsky/Schmitt, a.a.O., Kap. 19, Rz 245). Den Leitlinien 1998 fehlt grundsätzlich ein Bezug zu den durch das sanktionierte Verhalten erzielten Mehrerlösen bzw. wirtschaftlichen Vorteilen und damit zu einer abschöpfenden Wirkung der Geldbuße.

26 Dieser Befund wird u.a. durch Ziff. 1 der Leitlinien 1998 bestätigt, wonach der „Grundbetrag nach Maßgabe der Schwere und Dauer des Verstoßes [...] als den einzigen Kriterien errechnet“ wird (vgl. hierzu auch BFH-Urteil in BFHE 243, 493, BStBl II 2014, 306, Rz 27, zu den Leitlinien 2006).

27 Des Weiteren sollen hinsichtlich der „Schwere des Verstoßes“ (Ziff. 1 Buchst. A der Leitlinien 1998) „seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen“ sein. Ferner werde es „auch nötig sein, die tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeiten der Urheber der Verstöße, Wettbewerber und den Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet. Darüber hinaus könnte auch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind.“

28 Hierdurch kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass insoweit vorrangiger Bezugspunkt der Bemessung der Geldbuße nicht der durch das betreffende Unternehmen erlangte wirtschaftliche Vorteil ist, sondern u.a. das durch das Kartell für den Markt und die Verbraucher verursachte (volkswirtschaftliche) Schadenspotential. Dies wird auch dem Unrechtsgehalt der Bezugstat für die Bestimmung des Ahndungsanteils ausdrücklich gerecht; entscheidend ist das (Schadens-)Potential einer Tathandlung (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 265, 113, BStBl II 2019, 663, Rz 38 zu einer nach nationalem Recht verhängten Kartellgeldbuße unter Verweis auf , BGHSt 59, 34, Rz 39).

29 (4) Dies deckt sich auch mit Art. 81 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte —EG— (ABlEG 1997, Nr. C 340, 1; jetzt Art. 101 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft —AEUV— (ABlEU 2008, Nr. C 115, 47). Dieser verbietet nicht nur das „Bewirken“, sondern bereits das „Bezwecken“ von Wettbewerbsbeschränkungen, so dass es sich in dieser Tatbestandsalternative um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt (vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom Beef Industry Development Society und Barry Brothers - C-209/07, EU:C:2008:467, Rz 46, m.w.N.; Stockenhuber in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 101 AEUV Rz 143, m.w.N.). Bei abstrakten Gefährdungsdelikten ist aber entgegen der Auffassung der Klägerin der Eintritt eines Vermögensschadens und damit —spiegelbildlich— eines Mehrerlöses gerade nicht erforderlich, so dass in aller Regel eine abschöpfende Wirkung der von der Kommission verhängten kartellrechtlichen Geldbußen nicht vorliegt (a.A. z.B. BeckOK EStG/Meyer, 12. Ed., § 4 Rz 2814; Haus, DB 2014, 2066, 2068 ff.; Eilers/Klusmann, Neue Zeitschrift für das Kartellrecht —NZKart— 2014, 294, 296 ff.; Schönfeld/Haus/Bergmann/Erne, DStR 2017, 73, 79; Rogge, DB 2017, 1112).

30 (5) Dies gilt ungeachtet der Rechtsprechung des EuGH, wonach bei der Schwere des Verstoßes u.a. der Gewinn, den die Unternehmen aus diesen Verhaltensweisen ziehen konnten, ein zu berücksichtigender Faktor sei. Denn dieser Faktor ist nur Bestandteil der Gesamtabwägung, die u.a. auch das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens berücksichtigt, ebenfalls die Rolle, die jedes Unternehmen bei der Abstimmung der Verhaltensweisen gespielt hat, auch die Größe und den Wert der betroffenen Waren, und die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Ziele der Gemeinschaft bedeuten (vgl. EuGH-Urteil Musique Diffusion française u.a./Kommission, EU:C:1983:158, Rz 129). Auch wenn —wie der EuGH später betont hat— der Gewinn, den die Unternehmen aus ihrem Verhalten ziehen konnten, bei der Bußgeldbemessung berücksichtigt werden kann (vgl. EuGH-Urteil Dansk Rørindustri u.a./Kommission, EU:C:2005:408, Rz 293), ist er nicht zwingend zu berücksichtigen.

31 (6) Darüber hinaus werden auch bei der „Dauer des Verstoßes“ (Ziff. 1 Buchst. B der Leitlinien 1998) keine Kriterien herangezogen, die auf eine abschöpfende Wirkung des Bußgeldes schließen lassen. Dies gilt auch für „Erschwerende Umstände“, soweit danach eine Erhöhung der Geldbuße (Grundbetrag), z.B. wegen der Rolle als Anführer oder Anstifter des Verstoßes vorgenommen wird (vgl. Ziff. 2, 3. Spiegelstrich der Leitlinien 1998). Schließlich lassen die „Mildernden Umstände“ (Ziff. 3 der Leitlinien 1998) und die von der Kommission angewendete sog. Kronzeugenregelung (vgl. ABlEG 1996, Nr. C 207, 4), die zu einer Verringerung der Geldbuße führen können (und vorliegend geführt haben), ebenfalls keinen Rückschluss zu, dass bei der Bemessung des Bußgeldes abschöpfende Gesichtspunkte zu berücksichtigen wären und daher das verhängte Bußgeld grundsätzlich abschöpfende Wirkung hätte.

32 bb) Diese rechtliche Ausgangslage schließt es indes nicht aus, dass mit auf Grundlage der KartellVO festgesetzten Geldbußen auch die durch die sanktionierten Wettbewerbsverstöße erlangten wirtschaftlichen Vorteile i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG jedenfalls teilweise abgeschöpft wurden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 493, BStBl II 2014, 306, Rz 26, unter Verweis auf den Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 959).

33 Dies ergibt sich daraus, dass eine Erhöhung des Grundbetrags deswegen erfolgen kann, „um den Betrag der aufgrund der Verstöße unrechtmäßig erzielten Gewinne zu übertreffen, sofern dieser Betrag objektiv ermittelt werden kann“ (vgl. Ziff. 2, 5. Spiegelstrich der Leitlinien 1998). Auch Ziff. 5 Buchst. b der Leitlinien 1998 enthält einen Hinweis auf einen Abschöpfungsteil. Danach kann es nach „Durchführung der vorstehenden Berechnung [...] je nach Fall angezeigt sein, im Hinblick auf die entsprechende Anpassung der vorgesehenen Geldbußen einige objektive Faktoren zu berücksichtigen, wie z.B. ein besonderer wirtschaftlicher Zusammenhang, die von den Beteiligten an dem Verstoß eventuell erzielten wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile [...]“.

34 Somit ist aufgrund der beiden zuvor genannten Aspekte nicht ausgeschlossen, dass durch eine Geldbuße unter Heranziehung der Leitlinien 1998 eine Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG bewirkt wird (so bereits Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 959, unter III.2.d bb).

35 cc) Der Entscheidung des IV. Senats des BFH, wonach ein auf Grundlage der Leitlinien 1998 festgesetzter sog. Grundbetrag keinen Abschöpfungsteil enthält (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 493, BStBl II 2014, 306, Rz 27 ff., insbesondere Rz 30 ff.; zustimmend z.B. ,F,Zerl, EFG 2018, 380; Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1733; Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, EStG, § 4 Rz 843; BeckOK EStG/Wilk, 12. Ed., § 4 Rz 2441, Krüger, DStR 2016, 895, 898; a.A. z.B. Haus, DB 2014, 2066; Eilers/Klusmann, NZKart 2014, 294, 297; Schönfeld/Haus/Bergmann/Erne, DStR 2017, 73, 79; Drüen/Kersting, Steuerrechtliche Abzugsfähigkeit von Kartellgeldbußen des Bundeskartellamtes, 2016, S. 134 f.), ist jedenfalls dann zuzustimmen, wenn —wie in dem konkret entschiedenen Fall— die Kommission „trotz nicht messbarer tatsächlicher Auswirkungen der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung (Erwägung 755) mit dem Ziel einer wirksamen Abschreckung (Erwägung 756) auf der Grundlage der Marktanteile der Klägerin im Europäischen Wirtschaftsraum im Jahr 2000 (Erwägung 758) einen Ausgangsbetrag für die zu verhängende Geldbuße in Höhe von ... € (Erwägung 765) [festgesetzt hat]“ (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 493, BStBl II 2014, 306, Rz 3). Somit lag diesem Fall ein Sachverhalt zugrunde, bei dem die Kommission schon nicht in der Lage war, die tatsächlichen Auswirkungen (auf den Markt) und damit die erlangten wirtschaftlichen Vorteile (des Unternehmens) festzustellen und somit bei der Bemessung der Geldbuße einzubeziehen. Das Bußgeld konnte ausgehend hiervon nur einen rein ahndenden Charakter haben. Dies wird dadurch bestätigt, dass der IV. Senat des BFH in seiner Entscheidung auch darauf abgestellt hat, dass die Kommission u.a. die Schwere der begangenen Zuwiderhandlung auf der Grundlage der Marktanteile der Klägerin bemessen und zur Berücksichtigung der Dauer der Zuwiderhandlung den nach der Schwere der Zuwiderhandlung bestimmten Ausgangsbetrag für jedes Jahr der Zuwiderhandlung um 10 % erhöht habe (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 493, BStBl II 2014, 306, Rz 37). In den Fällen, in denen die konkreten bzw. tatsächlichen Auswirkungen der begangenen Zuwiderhandlungen auf den Markt nicht messbar bzw. feststellbar sind und das Bußgeld insbesondere auf Grundlage der Marktanteile bemessen wird, lässt sich eine objektive Abschöpfungswirkung (auch ggf. eines Teils) der Geldbuße (vgl. BFH-Urteil in BFHE 265, 113, BStBl II 2019, 663, Rz 27) nicht feststellen, wie ebenfalls auch dann nicht, wenn die Bemessung erkennbar ohne Berücksichtigung des konkret erlangten wirtschaftlichen Vorteils erfolgt (, BFH/NV 2012, 784).

36 dd) Ausgehend hiervon liegen im Streitfall keine ausreichend belastbaren Feststellungen des FG vor, um beurteilen zu können, ob das streitgegenständliche Bußgeld eine objektive Abschöpfungswirkung besitzt. Es fehlen insbesondere Feststellungen des FG dazu, ob und inwieweit im streitgegenständlichen Fall bei der Festsetzung des Bußgeldes die tatsächlichen Auswirkungen auf den Markt messbar waren bzw. festgestellt wurden und sich auf die Bemessung des Bußgeldes ausgewirkt haben.

37 (1) Der streitgegenständlichen Kommissionsentscheidung sind konkrete Aussagen zu entnehmen, die darauf schließen lassen, dass —abweichend zu dem im BFH-Urteil in BFHE 265, 113, BStBl II 2019, 663 entschiedenen Fall— zumindest die tatsächlichen Auswirkungen auf den Markt feststellbar waren bzw. festgestellt worden sind. So findet sich z.B. in Rz 182 der Kommissionsentscheidung die Aussage, dass „[i]m Allgemeinen [...] die Anhebung in Schritten von 5 %“ erfolgt sei und „[d]ie endgültige Entscheidung zu Preisentwicklungen zumeist in der zweiten Jahreshälfte [gefallen sei], wobei die Preissteigerungen üblicherweise am 1. April des Folgejahres wirksam wurden“. Hinsichtlich des Produkts A wird z.B. mitgeteilt, dass „[f]ür die gesamte 'Region' (einschließlich Europa, Afrika und Naher Osten) [...] Quoten von 45,3 % für ., 31,6 % für . und 23,3 % für . vorgeschlagen [wurden]. Für Westeuropa insgesamt werden Quoten von 44,3 % für ., 32,1 % für . und 23,6 % für . angeführt.“ (Rz 194 f. der Kommissionsentscheidung). Zudem hätten sich „[z]u Beginn des Kartelles [...] die Beteiligten über Preissteigerungen von 10 % für die Produkte A und E geeinigt“ (Rz 202 der Kommissionsentscheidung). Hinsichtlich des Produkts B wird u.a. mitgeteilt, dass für Produkt B."regelmäßig Preissteigerungen vereinbart und Preisuntergrenzen festgelegt [wurden]“ (Rz 284 der Kommissionsentscheidung). Bei dem Produkt B . sei es dem Kartell gelungen, „den Preis für Produkt B . im Rahmen mehrerer gemeinsamer Aktionen in regelmäßigen Abständen zu erhöhen. [...]; dabei stiegen die Preise [.] in Europa innerhalb von zwei Jahren um 50 %“ (Rz 317 und 318 der Kommissionsentscheidung). Vergleichbare Beispiele finden sich auch zu anderen Produkten (vgl. z.B. Rz 400 ., Rz 466 . und Rz 521 und 528, jeweils Kommissionsentscheidung).

38 (2) Insoweit unterscheidet sich der hier zu entscheidende Fall von demjenigen, der der Entscheidung des IV. Senats des BFH zugrunde lag. Der Senat kann aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht von vorneherein ausschließen, dass eine näherungsweise Quantifizierung des möglichen wirtschaftlichen Vorteils („Gewinnpotential“) im Bußgeldverfahren unternommen wurde und damit eine objektive Abschöpfungswirkung des verhängten Bußgeldes (ggf. auch nur in einem Teilbetrag) festgestellt werden kann. Ausgehend von den zuvor zitierten Aussagen beruht der Schluss der Vorinstanz, das Bußgeld sei pauschal bemessen worden und enthalte keinen Abschöpfungsteil, jedenfalls nicht auf einer ausreichend tragfähigen Tatsachengrundlage (vgl. hierzu allgemein , BFHE 268, 308, BStBl II 2020, 562, Rz 21) und ist daher rechtsfehlerhaft.

39 3. Die Sache ist nicht spruchreif.

40 a) Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat darauf hin, dass es erforderlich, aber auch ausreichend sein dürfte, dass sich das FG im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung damit auseinandersetzt, ob sich die zitierten und weitere vergleichbare Aussagen in der Kommissionsentscheidung zu den offenbar eingetretenen messbaren Auswirkungen auf den Markt bei der Bemessung der Geldbuße objektiv niedergeschlagen haben. Hierbei ist zu bedenken, dass das Feststellen messbarer Auswirkungen auf den Markt nicht den zwingenden Schluss zulässt, dass zugleich entsprechende wirtschaftliche Vorteile bei dem betreffenden Unternehmen eingetreten sind bzw. eine objektive Abschöpfungswirkung vorliegt.

41 b) Auch hinsichtlich der Währungssicherungsgeschäfte und der Rechtsfrage, inwieweit es sich bei dem Gewinn aus diesen Geschäften um einen Teil des (steuerfreien) Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 KStG handelt, ist die Revision begründet, was inzwischen auch das FA eingeräumt und einen insoweit abhelfenden Änderungsbescheid angekündigt hat. Auf das Senatsurteil vom  - I R 20/16 (BFHE 265, 63, BStBl II 2020, 674) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

42 c) Ferner wird darauf hingewiesen, dass —je nach dem Ergebnis der Sachentscheidung zur ersten Streitfrage— im Rahmen einer möglichen Saldierung zugunsten der Klägerin (sog. Saldierungstheorie, vgl. nur Beschluss des Großen Senats des , BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344; Senatsurteil vom  - I R 8/85, BFHE 156, 452, BStBl II 1989, 633, unter II.1.; , BFH/NV 2004, 19, unter B.I.2.b; s.a. Krumm in Tipke/Kruse, § 76 FGO Rz 31, m.w.N.) bei der Berechnungsmethodik des Höchstbetrags der Anrechnung ausländischer Steuern nach § 34c EStG, § 26 KStG über die Relevanz abziehbarer Spenden bei der „Summe der Einkünfte“ zu entscheiden sein könnte. Denn Spenden sind bei Kapitalgesellschaften wegen der fehlenden außerbetrieblichen Sphäre (z.B. Senatsurteil vom  - I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961; Senatsbeschluss vom  - I R 18/19, BFHE 265, 23, Rz 30; s.a. BTDrucks 18/3017, S. 52) als Betriebsausgaben anzusehen (s. hierzu die Begründung des Gesetzentwurfs zu einem Dritten Steuerreformgesetz vom , BTDrucks 7/1470, S. 344; aus der Literatur z.B. Krämer in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 9 KStG Rz 91; Märtens in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 9 Rz 2; Drüen in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 9 KStG Rz 24b; Brandis/Heuermann/Brandl, § 9 KStG Rz 100 f.; s. zu § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG als Gewinnermittlungsvorschrift die , BFHE 134, 308, BStBl II 1982, 177, und vom  - I R 126/85, BFHE 151, 544, BStBl II 1988, 220, unter III.3.b (2)), die jenseits unions- und verfassungsrechtlicher Fragen die „Summe der Einkünfte“ mindern können (z.B. Lieber in Herrmann/Heuer/Raupach, § 26 KStG Rz 38; Ergenzinger/Solowjeff, eKomm, § 26 KStG Rz 30 [Aktualisierung v. ]; Geurts in Bott/Walter, KStG, § 26 Rz 121; Brandis/Heuermann/Pohl, § 26 KStG Rz 94; Mössner/Valta in Mössner/Oellerich/Valta, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 26 Rz 300; Ismer, Internationales Steuerrecht —IStR— 2014, 925, 926; a.A. Siegers in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 26 KStG Rz 173; Endert in Frotscher/Drüen, a.a.O., § 26 KStG Rz 128; Jochimsen/Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 26 Rz 234; Kamphaus/Nitzschke, IStR 2017, 96, 99; kritisch Roser in Gosch, a.a.O., § 26 Rz 116).

43 4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2022:U.071222.IR15.19.0

Fundstelle(n):
AG 2023 S. 698 Nr. 19
BFH/NV 2023 S. 803 Nr. 7
DStR 2023 S. 633 Nr. 10
DStR 2023 S. 996 Nr. 19
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2023 S. 1418
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2023 S. 1418
StBp 2024 S. 119 Nr. 4
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2023 S. 434
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2023 S. 434
ZIP 2023 S. 1715 Nr. 32
wistra 2023 S. 350 Nr. 8
LAAAJ-39018