BFH Urteil v. - IX R 62/07 BStBl 2009 II S. 459

Abziehbarkeit der Finanzierungskosten von Lebensversicherungsbeiträgen als Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

Leitsatz

Dient eine Kapitallebensversicherung der Rückzahlung von Darlehen, die zum Erwerb von Mietgrundstücken aufgenommen worden sind, so sind die Zinsen für ein zur Finanzierung der Versicherungsbeiträge aufgenommenes Darlehen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1EStG § 21 Abs. 1

Instanzenzug: (EFG 2008, 370) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nahm im Zusammenhang mit dem Kauf verschiedener, zu Vermietungszwecken vorgesehener Immobilien Darlehen auf, deren Rückzahlung durch gleichzeitig abgeschlossene Kapitallebensversicherungen mit einer Mindestlaufzeit von 12 Jahren erfolgen sollte. Die Ansprüche aus den Lebensversicherungen wurden an die finanzierenden Kreditinstitute abgetreten. Die Versicherungsprämien finanzierte der Kläger durch verzinsliche Darlehen, wodurch in den Streitjahren 1992 bis 1997 jährlich Aufwendungen zwischen 4 066 DM und 73 177 DM entstanden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte in den geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre die Finanzierungskosten der Lebensversicherungsbeiträge nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) ließ in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 370, veröffentlichten Urteil die Zinsaufwendungen für die Versicherungsbeiträge nicht als Werbungskosten zum Abzug zu; die Schuldzinsen dienten auch der Absicherung des Todesfallrisikos und seien insoweit gemischt veranlasst (§ 12 Nr. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG—).

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die er auf eine Verletzung materiellen Rechts stützt. Aus der Nichtabziehbarkeit der Versicherungsbeiträge folge nicht auch die der hierfür aufgewendeten Zinsen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben sowie die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1992 bis 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass Zinsaufwendungen in Höhe von 49 382 DM (1992), 73 177 DM (1993), 19 824 DM (1994), 25 281 DM (1995), 9 948 DM (1996) und 4 066 DM (1997) als weitere Werbungskosten berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Zu Unrecht hat das FG die geltend gemachten Schuldzinsen im Grundsatz nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zum Abzug zugelassen.

1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dies gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Ein Abzug dieser Aufwendungen als Sonderausgaben kommt dann nicht in Betracht (§ 10 Abs. 1 Satz 1 EStG).

Als abziehbare Werbungskosten müssen Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sein, die durch die Einkünfteerzielung —hier aus Vermietung und Verpachtung— veranlasst ist. So verhält es sich, wenn der Steuerpflichtige ein Darlehen tatsächlich dazu verwendet, um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, insbesondere indem er damit Anschaffungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudes finanziert (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 217, 531, BStBl II 2007, 645, m.w.N.). Ein allein rechtlicher Zusammenhang —etwa aufgrund einer Besicherung des Grundstücks— reicht ebenso wenig aus wie eine bloße gedankliche Zuweisung des Steuerpflichtigen (ständige Rechtsprechung, , BFHE 207, 24, BStBl II 2005, 324, m.w.N.).

Schließt der Erwerber eines Grundstücks zur Sicherung des Kaufpreises eine Risikolebensversicherung ab, so führen zwar die Prämien selbst nach ständiger Rechtsprechung nicht zu Werbungskosten (, BFH/NV 1991, 94, m.w.N.). Anders verhält es sich aber mit den Schuldzinsen, die der Erwerber aufwenden muss, weil er die Prämienzahlungen ihrerseits durch Darlehen finanziert hat. Während mit den Versicherungsbeiträgen die Anschaffungsdarlehen getilgt werden und sie deshalb zum privaten Vermögensbereich des Darlehensnehmers zählen, dienen die hier streitigen Schuldzinsen der Finanzierung der Tilgung der Anschaffungskosten und sind deshalb in gleicher Weise zu beurteilen wie Schuldzinsen für ein Anschaffungsdarlehen. Die Finanzierung der Vermietungsobjekte über Kapitallebensversicherungen ist Bestandteil eines einheitlichen Gesamtkonzepts zur Finanzierung der Anschaffungskosten (vgl. , BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754). Wenn Darlehen ausschließlich zur Finanzierung der Lebensversicherungsbeiträge aufgenommen werden, dienen sie der Tilgung von Darlehen, mit denen die Anschaffungskosten der zu vermietenden Immobilien finanziert werden. Entscheidet sich der Steuerpflichtige —anstelle einer Langfristfinanzierung allein durch Darlehen— für eine kürzere Laufzeit der Finanzierung unter Einsatz von Kapitallebensversicherungen, so würde seine Finanzierungsfreiheit (vgl. grundlegend Beschluss des Großen Senats des , BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt, wenn der wegen der kürzeren Finanzierungszeit höhere Finanzierungsaufwand nicht realitätsgerecht berücksichtigt würde.

2. Nach diesen Grundsätzen kann das Urteil des FG keinen Bestand haben.

a) Im Streitfall sind die Zinsen für die zur Finanzierung von Kapitallebensversicherungsbeiträgen aufgenommenen Darlehen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar. Sie dienen der Finanzierung der Anschaffungskosten der Vermietungsobjekte im Rahmen eines einheitlichen und marktgängigen Finanzierungskonzepts.

b) Die Sache ist nicht spruchreif. Ausgehend von der Ablehnung eines Werbungskostenabzugs dem Grunde nach hat das FG keine hinreichenden Feststellungen zur Höhe der abziehbaren Zinsen getroffen.

Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 459
BFH/NV 2009 S. 1025 Nr. 6
BFH/PR 2009 S. 249 Nr. 7
BStBl II 2009 S. 459 Nr. 12
DB 2009 S. 1048 Nr. 20
DStRE 2009 S. 583 Nr. 10
DStZ 2009 S. 382 Nr. 11
EStB 2009 S. 192 Nr. 6
FR 2009 S. 871 Nr. 18
GStB 2009 S. 26 Nr. 7
GStB 2009 S. 307 Nr. 9
HFR 2009 S. 655 Nr. 7
KÖSDI 2009 S. 16511 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 19/2009 S. 1395
SJ 2009 S. 26 Nr. 9
SJ 2009 S. 5 Nr. 12
StB 2009 S. 178 Nr. 6
StBp. 2009 S. 212 Nr. 7
StC 2009 S. 8 Nr. 7
WPg 2009 S. 628 Nr. 12
WPg 2009 S. 653 Nr. 12
CAAAD-19826