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StuB Nr. 16 vom Seite 608

Die Abgrenzung von Bar- und Sachlohn

Verschärfte Regelungen bei der Gewährung von Gutscheinen und Geldkarten

WP/StB Anna Margareta Gehrs und StB Cathlen Brügge

„Mehr Netto vom Brutto“ ist eine sehr eingängige Formulierung für das Bemühen von Arbeitgebern, ihren Mitarbeitern Leistungen möglichst steuer- und im besten Fall auch sozialversicherungsfrei zukommen zu lassen. Eine geringere Steuerlast und damit ein höheres Nettoeinkommen können sich positiv auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Dementsprechend wurden in den letzten Jahrzehnten auch immer wieder neue Gestaltungen für Vergünstigungen entwickelt. Die Finanzverwaltung war naturgemäß mit entsprechenden Gestaltungen i. d. R. nicht glücklich und versuchte, durch Richtlinien den Gestaltungsspielraum einzuschränken, oder brachte den Gesetzgeber dazu, gesetzliche Verschärfungen vorzunehmen. Einzelne Richtlinien bzw. gesetzliche Vorschriften wurden in der Folgezeit durch die Rechtsprechung wieder entschärft und so ist für einzelne Gestaltungen eine Art perpetuum mobile von Verschärfungen und Lockerungen entstanden. Besonders deutlich wird dies beim Thema „Gutscheine“, deren steuerliche Behandlung inzwischen gesetzlich geregelt wurde. Das ergänzte Anwendungsschreiben vom erläutert die deutlichen Verschärfungen für die Behandlung von Gutscheinen, auf die im Folgenden eingegangen wird.

Wenning, Sachbezüge, infoCenter, NWB BAAAB-05698

Kernfragen
  • Was war der Anlass für das aktualisierte Anwendungsschreiben des BMF?

  • Welche Kriterien gelten nunmehr für die Anerkennung von Gutscheinen und Geldkarten als Sachbezug?

  • Was ist beim Auslagenersatz zwingend zu beachten, damit Steuerfreiheit besteht?

I. Einleitung und historischer Abriss

[i]Seifert, Abgrenzung Geldleistungen vs. Sachbezug – ein Minenfeld, StuB 12/2021 S. 483, NWB SAAAH-81120 Schmidt/Wiebecke, Sachzuwendungen an Arbeitnehmer, Grundlagen, NWB IAAAE-67929 Bis zum Anfang der 2010er Jahre gab es sehr strenge Anforderungen an das Vorliegen von Sachbezügen, so dass die grds. bestehende Sachbezugsfreigrenze kaum aktiv genutzt wurde bzw. tatsächlich nur als Auffangregelung für geringe geldwerte Vorteile Anwendung fand, wie z. B. für geringwertige Zuwendungen Dritter oder Streuwerbeartikel des Arbeitgebers. Eine manchmal genutzte Option war die Gewährung von Tankgutscheinen, die für die Steuerfreiheit den Kraftstoff ausweisen und zwingend auf eine Literangabe lauten mussten. Viele Arbeitgeber scheuten jedoch die Ausgabe dieser Tankgutscheine, da sie mit erheblichem administrativem Aufwand verbunden war. Verursacht wurde dieser durch die zwingend erforderliche Kooperation mit einer Tankstelle, den Abruf der Literpreise zu einem bestimmten Stichtag zwecks Berechnung der Tankmenge, die monatliche Aushändigung der Gutscheine und die Überwachung der Einhaltung der Tankmenge durch den Arbeitgeber.

Eine neue Ära läutete der BFH unter teilweiser Änderung seiner Rechtsprechung mit drei Urteilen vom ein, die von der Finanzverwaltung anerkannt wurden. Für die steuerliche Behandlung war auf dieser Basis entscheidend, was der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen konnte: Barlohn oder einen Sachbezug. Wie der Arbeitgeber die Sachbezugsgewährung umsetzte, stand ihm nunmehr frei. Gutscheine mussten keine konkrete Bezeichnung der Sache oder Dienstleistung mehr ausweisen und konnten sogar auf einen Geldbetrag lauten. Arbeitnehmer konnten in Vorleistung gehen und sich den Kaufpreis der Sachzuwendung durch Vorlage der Rechnung beim Arbeitgeber S. 609erstatten lassen, ohne dass insoweit Barlohn angenommen wurde. Sogar eine Barauszahlung mit Verwendungsauflage zugunsten eines Sachbezugs war möglich. Es konnte darüber hinaus auf Barlohn zugunsten eines Sachbezugs verzichtet werden (sog. Entgeltumwandlung). Diese doch relativ weitgehende Gestaltungsfreiheit für die Gewährung von Sachbezügen führte dazu, dass das Modell „Geldkarte“ von entsprechenden Anbietern etabliert wurde. Die Arbeitnehmer erhielten eine Guthabenkarte, die vom Arbeitgeber monatlich im Rahmen der Sachbezugsfreigrenze aufgeladen wurde und vom Arbeitnehmer an sehr vielen Akzeptanzstellen (meist deutschlandweit) zum Bezahlen verwendet werden konnte.

Die weite Auslegung des Sachbezugsbegriffs in der Praxis und die vielfältigen Gestaltungen zur Nutzung der Sachbezugsfreigrenze, die eine Nichtbesteuerung des Sachbezugs zur Folge hatten, waren der Finanzverwaltung teilweise ein Dorn im Auge, weil die durch die Praxis entwickelten Ausgestaltungen aus ihrer Sicht nicht dem Sinn und Zweck der Sachbezugsfreigrenze entsprachen. Zudem gab das Anlass zur gesetzlichen Abgrenzung von Bar- und Sachlohn, da der BFH seine Rechtsauffassung teilweise geändert bzw. fortentwickelt hat. Im Urteilsfall hatte der BFH über das Vorliegen eines Sachbezugs für den Fall einer Erstattung von Beiträgen für privaten Krankenversicherungsschutz zu entscheiden. In der Urteilsbegründung zu diesem Verfahren differenzierte der BFH ausdrücklich zwischen den Begriffen Gutschein und Geldkarte. Laut BFH handele es sich bei Gutscheinen um ein sog. kleines Inhaberpapier i. S. des § 807 BGB, das den Aussteller verpflichtet, dem den Gutschein Vorlegenden die versprochene Leistung zu gewähren. Geldkarten stellten im Gegensatz dazu ein Geldsurrogat dar, das keine Leistungsverpflichtung nach sich ziehen würde. Dementsprechend sei bei Geldkarten das Vorliegen eines Sachbezugs zweifelhaft.

II. Gesetzliche Neuregelung ab dem Jahr 2020

Gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Sachbezüge Einnahmen, die nicht in Geld bestehen. Mit dem sog. Jahressteuergesetz 2019 hat der Gesetzgeber die Anerkennung von Sachbezügen ab dem Veranlagungsjahr 2020 verschärft. § 8 Abs. 1 EStG wurde um die Sätze 2 und 3 wie folgt erweitert: „Zu den Einnahmen in Geld gehören auch zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten. Satz 2 gilt nicht bei Gutscheinen und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen und die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes erfüllen.“

Insbesondere der ausdrückliche Verweis auf die Kriterien des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) führt zu einer deutlichen Verschärfung des Anwendungsbereichs und damit zu Handlungsbedarf für eine Vielzahl von Unternehmen. Vor allem die Anbieter von Geldkarten mussten ihre Verträge und Kooperationen überprüfen, um nicht aufgrund der gesetzlichen Neuregelung die wesentliche Geschäftsgrundlage ihres Vertriebsmodells zu verlieren. Die Finanzverwaltung gewährte einen zeitlichen Aufschub zur Anwendung der Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 ZAG, so dass diese erst seit dem zwingend zu erfüllen sind.