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BBK Nr. 16 vom Seite 777

Haftung des Steuerberaters für Hinweispflichten im Sozialversicherungsrecht

Jörg Romanowski

[i]Geißler, Haftung des Steuerberaters, infoCenter NWB GAAAB-78593 Das ist schon eine echte Herausforderung: Die Masse der Lohnabrechnungen läuft sicher über Steuerkanzleien. Diese dürfen jedoch in sozialversicherungsrechtlichen Fragen nicht beraten, müssen aber auf entsprechende Fallstricke hinweisen und anderweitige Beratungsmöglichkeiten aufzeigen. Ein Anachronismus – allerdings vom Gesetzgeber genau so angelegt! Dieses Dilemma ist wahrscheinlich so auch allen Berufsträgern bekannt. Nur, wie wirkt sich dies in der Praxis aus? Insbesondere wenn es um die korrekte Abrechnung der Anstellungsvergütung von mitarbeitenden Gesellschaftern, Geschäftsführern und Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH geht? Die Praxis im Alltag einer Steuerkanzlei wird sich mitunter genau auf das Beratungsverbot und die bloße Lohnabrechnung im Auftrag der Mandantschaft zurückziehen. Einen solchen Fall hatte unlängst das OLG Hamm auf dem Tisch und hat eine für die betreffende Steuerberaterin bittere Entscheidung getroffen.

Der Beitrag schildert den Sachverhalt und leitet die Konsequenzen für die Praxis ab.

I. Betriebsprüfung als Ausgangspunkt

[i]Romanowski, Verpflichtende Statusbeurteilung bei Abschluss einer DRV-Betriebsprüfung, BBK 21/2021 S. 1035 NWB FAAAH-93277 Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) führte für eine GmbH eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV turnusgemäß durch. Aufgrund des Mandats erfolgte die Betriebsprüfung in den Räumen der Steuerkanzlei. Dabei konzentrierte sich die Prüferin der DRV auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Gesellschafter-Geschäftsführer. Diese wurden in der Lohnbuchführung lohnsteuerpflichtig, aber sozialversicherungsfrei abgerechnet. Da es sich allerdings um drei mit je einem Drittel beteiligte S. 778Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer ohne umfassende Sperrminorität handelte, hatte die Prüferin der DRV die Abrechnung beanstandet.

[i]Nachforderung von SozialversicherungsbeiträgenMittels Beitragsbescheid vom wurde für diese drei Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer festgestellt, dass diese zur Gesellschaft in einer abhängigen Beschäftigung stehen und damit der Sozialversicherungspflicht unterliegen. In Summe wurden Sozialversicherungsbeiträge für die drei Gesellschafter-Geschäftsführer i. H. von 105.846,80 € nachberechnet.

Dieser Bescheid ist auch bestandskräftig geworden, da die dagegen angestrengte Klage beim Sozialgericht Münster als unbegründet abgewiesen wurde.

Damit hatte die unterlegene GmbH einen Vermögensschaden i. H. von 105.846,80 € zu begleichen.

[i]Haftung der Steuerkanzlei?Hier kam nun die Frage nach der Haftung der mit der Lohnbuchführung beauftragten Steuerkanzlei auf. Dies führte letztlich zu dem im Folgenden zu beleuchtenden Urteil des OLG Hamm.

II. Entscheidung des

1. Sachverhalt

[i]Unterlassene Hinweispflicht der Steuerkanzlei?Die GmbH ging davon aus, dass der Beitragsschaden nur entstanden sei, da die Steuerkanzlei sie nicht auf dieses Problem hingewiesen hätte. Wäre das beizeiten geschehen, hätten die Gesellschafter rechtzeitig Sperrminoritäten für sich im Gesellschaftsvertrag vereinbart, und das Problem wäre nicht entstanden. Somit war also streitig, ob die Steuerkanzlei tatsächlich solche Hinweispflichten hat(te) und ob das Unterlassen solcher Hinweispflichten tatsächlich zu einem Haftungsschaden für die Steuerkanzlei führt.

2. Entscheidung und Begründung

[i]OLG Hamm, Urteil v. 8.4.2022 - 25 U 42/20 NWB UAAAJ-16458 Das Gericht gab der GmbH Recht, und die Steuerkanzlei wurde zur Zahlung von 105.846,80 € an die (ehemalige) Mandantin verurteilt. In seiner Entscheidung und Begründung war das OLG Hamm sehr eindeutig: