Urgestein mit frischem Antlitz
Neufassung des Auslandstätigkeitserlasses
Eine fast vier Jahrzehnte gültige Version eines Erlasses der Finanzverwaltung, einzig dann und wann mit ein paar kleinen Modifikationen versehen – allein dies machte den Auslandstätigkeitserlass (ATE) vom schon zu einer steuerfachlichen Besonderheit. Umso mehr ließ denn auch die kürzlich veröffentlichte Neufassung vom aufhorchen, mit der der Erlass mit Wirkung zum kommenden Jahr auf einen neuen Stand gebracht wurde und zu dem es zu einem späteren Zeitpunkt eine ausführliche Darstellung von Frau Professor Kraft hier in den NWB geben wird.
Gliederung und Aufbau des ATE – von der begünstigten Tätigkeit über deren Dauer, den privilegierten Lohn, Progressionsvorbehalt, Nichtanwendung und Verfahrensvorschriften bis hin zur Anwendungsregelung – sind annähernd identisch geblieben. Im Vergleich mit der ursprünglichen 1983er-Version gibt es aber inhaltlich einige Anpassungen und Ergänzungen, unter anderem mit Blick auf die heutige Rechtslage, wenn nun etwa von einem EU-/EWR-Arbeitgeber gesprochen wird. Dies entspricht dem auch bereits zuvor allgemein angewendeten EuGH-Urteil „Petersen“ v. - C-544/11 (BStBl 2013 II S. 847). Ferner neu sind z. B. der Nebensatz zur unmittelbaren oder mittelbaren Projektförderung aus inländischen öffentlichen Mitteln zu mindestens 75 % bei Tätigkeiten in der Entwicklungshilfe und Regelungen zu von anderen Trägern (etwa Institutionen der EU) neben einer inländischen öffentlichen Kasse kofinanzierten Projekten. Sehr wesentlich und eine Abweichung von der früheren Fassung ist die Forderung, dass die Einkünfte im Tätigkeitsstaat einer (Mindest-)Besteuerung in einer durchschnittlichen Höhe von 10 % unterliegen und diese auf die Einkünfte festgesetzte ausländische Steuer entrichtet sein muss. Spätestens im Veranlagungsverfahren ist dies nachzuweisen. Derartiges ist der Steuerwelt bei DBA-Fällen in ähnlicher Form nach § 50d Abs. 8 EStG seit mehreren Jahren bereits bekannt. Ein weiteres Novum indes sind Beispiele im ATE – solche gibt es nun in den Rz. 15 und 16 zur Kofinanzierung und zur Mindestbesteuerung.
Für den Einsatz in Nicht-DBA-Staaten in den maßgeblichen Branchen und Bereichen wie dem Maschinen- und Anlagenbau, beim Aufsuchen oder der Gewinnung von Bodenschätzen, der diesbezüglichen Beratung ausländischer Auftraggeber oder Organisationen sowie in der Entwicklungshilfe wird der Erlass auch in der „runderneuerten Form“ seine bedeutende Rolle wohl behalten. Gerade die Modernisierung hin zur aktuellen Rechtslage ist zudem zu begrüßen. Es kann aber meines Erachtens nicht ganz ausgeschlossen werden, dass selbst der „neue ATE“ noch ein paar blinde Flecken hat, beispielsweise europarechtlich bei der weiterhin gegebenen Fokussierung zugunsten deutscher öffentlicher Entwicklungshilfe. Schaut man auf die Ermächtigungsgrundlage des § 34c Abs. 5 EStG, auf der der Erlass fußt (vgl. dazu z. B. Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Auslandstätigkeitserlass Rz. 1 und 6), scheint eine Konzentration auf die Förderung nationaler volkswirtschaftlicher Interessen klar gerechtfertigt. Wie jedoch schon die notwendige Ausweitung vom früher rein inländischen Arbeitgeber hin zu all solchen aus dem EU-/EWR-Raum gezeigt hat, verstoßen diesbezügliche Verengungen möglicherweise gegen die Diskriminierungsverbote des AEUV.
Lukas Hilbert
Fundstelle(n):
NWB 2022 Seite 1945
MAAAJ-17304