BFH Urteil v. - VIII R 46/00 BStBl 2002 II S. 685

Leitsatz

Verpflichtet sich der beherrschende Gesellschafter einer Personengesellschaft in einem notariellen Vertrag, seinem Kind zu Lasten seines Darlehenskontos einen Geldbetrag unter der Bedingung zuzuwenden, dass er der Gesellschaft sogleich wieder als Darlehen zur Verfügung zu stellen ist, können die Zinsen bei der steuerlichen Gewinnermittlung der Gesellschaft nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Das gilt auch bei längeren Abständen zwischen Schenkungs- und Darlehensvertrag, wenn zwischen beiden Verträgen eine auf einem Gesamtplan beruhende sachliche Verknüpfung besteht (Anschluss an , BFHE 194, 377, BStBl II 2001, 393).

Gesetze: EStG §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2, 12 Nr. 2EStG BGB §§ 526, 607

Instanzenzug: FG Düsseldorf (EFG 2001, 881) (Verfahrensverlauf), ,

Tatbestand

I. Die Klägerin zu 2 und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 2 oder KG) ist eine GmbH & Co. KG, an deren Gewinn die persönlich haftende GmbH nicht, der persönlich haftende Kläger zu 1 und Revisionskläger zu 2 (Kläger) mit 52 v.H. und seine drei Söhne als Kommanditisten mit jeweils 16 v.H. beteiligt waren. Mit notariellem Vertrag vom schenkte der - die Gesellschaft beherrschende - Kläger seiner volljährigen Tochter, der Klägerin und Revisionsklägerin zu 3 (Klägerin zu 3 oder Tochter), im Wege der vorweggenommenen Erbfolge einen Geldbetrag von 990 000 DM, den er am zu Lasten seines Darlehenskontos bei der KG auf ein Bankkonto seiner Tochter überweisen ließ. Die Schenkung sollte mit Wirkung vom wirksam und der Geldbetrag in der Weise verwendet werden, dass die Tochter über 90 000 DM sofort verfügen konnte, der Restbetrag von 900 000 DM aber der KG mit folgenden Auflagen als Darlehen zur Verfügung zu stellen war: - Verzinsung des Darlehens ab dem mit jährlich 6 v.H., zahlbar jeweils zum Ende eines Kalendermonats - Kündigungsmöglichkeit der KG mit einer Frist von drei Monaten zum Schluss eines jeden Kalendermonats ganz oder in Teilbeträgen von mindestens 100 000 DM - Kündigungsmöglichkeit der Tochter erstmals nach Ablauf von zehn Jahren in jährlichen Teilbeträgen von höchstens 100 000 DM - kein Anspruch der Tochter auf dingliche Besicherung des Darlehens - Verbot der Abtretung oder Belastung der Darlehensforderung - Verpflichtung der Tochter, den geschenkten Betrag in Höhe von 900 000 DM an ihre Abkömmlinge bzw. - bei deren Fehlen - an ihre Geschwister weiter zu übertragen. Insoweit sollte die Tochter die Stellung einer befreiten Vorerbin haben. In einem weiteren notariellen Vertrag vom verzichtete die Tochter auf ihr Erb- und Pflichtteilsrecht. Am schloss sie mit der KG einen Darlehensvertrag entsprechend den im Schenkungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen. Am überwies sie den Darlehensbetrag auf ein Bankkonto der KG, die eine entsprechende Darlehensschuld passivierte und die in den Folgejahren die an die Tochter gezahlten Schuldzinsen als Betriebsausgaben geltend machte. Am sicherte die KG unter Abänderung des Darlehensvertrages die Darlehensforderung der Tochter durch zwei Grundschulden über jeweils 500 000 DM an einem ihrer Betriebsgrundstücke ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für das Streitjahr 1993 die Ansicht, dass der Darlehensvertrag steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei, weil er dem unter fremden Dritten Üblichen nicht entspreche. Demgemäß erhöhte er den Gewinn der KG in diesem Jahr um 53 036 DM und rechnete diesen Betrag dem Gewinnanteil des Klägers hinzu. Zum Einspruchsverfahren zog er die Klägerin zu 3 hinzu (§ 360 Abs. 3 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Der Einspruch blieb erfolglos. Die Klage hatte teilweise Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2001, 881). Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Sie beantragen, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und unter Abänderung des Feststellungsbescheides 1993 vom und der Einspruchsentscheidung vom den Gewinn der Klägerin nach Abzug von 53 036 DM als Betriebsausgaben mit - 1 315 316 DM festzustellen. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die zunächst eingelegte (unselbständige) Anschlussrevision hat das FA zurückgenommen.

Gründe

II.

Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Klägerin kann die von ihr als Darlehenszinsen gezahlten Beträge nicht als Betriebsausgaben abziehen (§ 4 Abs. 4 EStG); es handelt sich um steuerrechtlich unbeachtliche mittelbare Zuwendungen des Klägers an seine Tochter (§§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 2, 12 Nr. 2, 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG).

1. Die von der Klägerin zu 2 gezahlten Zinsen sind nicht betrieblich veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG). Das ergibt sich im Streitfall bereits daraus, dass die Tochter des Klägers bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung der Klägerin zu 2 kein Darlehen aus eigenem Vermögen gewährt hat.

a) Der erkennende Senat hat für einen Einzelunternehmer bereits in seinem Urteil vom VIII R 134/81 (BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705) entschieden, dass es an der betrieblichen Veranlassung eines Darlehens fehlen kann, wenn der Betriebsinhaber seinen Kindern Geldbeträge unentgeltlich zuwendet, die ihm die Kinder entsprechend dem Schenkungsvertrag sogleich wieder als Darlehen zur Verfügung stellen müssen (ebenso , BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468, und vom III R 30/92, BFH/NV 1995, 197). Das gilt auch für Schenkungen des eine Personengesellschaft beherrschenden Gesellschafters an eine ihm nahe stehende Person, wenn der Darlehensvertrag mit der Gesellschaft geschlossen wird (, BFH/NV 1993, 590; vom IV R 60/98, BFHE 188, 556, BStBl II 1999, 524, unter 2. d cc der Gründe; vom IV R 58/99, BFHE 194, 377, BStBl II 2001, 393, unter 2. der Gründe).

Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass unter den genannten Voraussetzungen im Zeitpunkt der "Schenkung" eine endgültige Vermögensverschiebung zwischen dem (Mit-)Unternehmer und den ihm nahe stehenden Personen noch nicht vorliegt. Vielmehr existiert lediglich ein privat veranlasstes Versprechen, künftige Geldbeträge (bei "Darlehensrückgewähr") mit der Folge zuzuwenden, dass die Zinsen keine abziehbaren Betriebsausgaben, sondern nicht abziehbare Zuwendungen sind. Die angeblichen Darlehensbeträge bleiben bis zum Vollzug der Schenkung steuerrechtlich Kapital des Schenkers.

Das ist auch dann nicht anders, wenn Gegenstand der Schenkung kein (erst später zufließender) Geldbetrag, sondern eine dem Mitunternehmer gegen die Gesellschaft zustehende Darlehensforderung ist oder wenn der Sachverhalt als Abtretung einer solchen Forderung (mittelbare Forderungsschenkung) zu beurteilen ist. Ein einkommensteuerrechtlich beachtlicher Vollzug der Schenkung liegt nicht schon dann vor, wenn der Beschenkte den Darlehensvertrag mit der Gesellschaft abschließt und dieser den Darlehensbetrag überlässt, sondern erst dann, wenn der Beschenkte frei über die Darlehensforderung verfügen kann. Erst ab diesem Zeitpunkt überlässt er - wie dies für die persönliche Zurechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen erforderlich ist (vgl. u.a. , BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539, und vom VIII R 19/98, BFH/NV 1999, 1325, m.w.N.) - dem Darlehensnehmer aufgrund eigener Verfügungsmacht Kapital zur Nutzung (vgl. dazu näher BFH-Urteil in BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468, unter 5. und 6. der Gründe; ablehnend u.a. Groh, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2000, 753, 755). Dementsprechend wäre der Streitfall nicht anders zu beurteilen, wenn nicht Geldbeträge hin- und zurückgezahlt worden wären, sondern wenn der Kläger einen Teil seiner ihm gegen die Klägerin zu 2 zustehenden Darlehensforderung unentgeltlich an seine Tochter abgetreten hätte. Dass die Tochter im Zusammenhang mit den Zuwendungen ihres Vaters auf ihren Erb- und Pflichtteil verzichtet hat, ändert an der Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts nichts (vgl. , BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809; , BFH/NV 2001, 1113, und - zum Schenkungsteuerrecht - , BFHE 194, 440, BStBl II 2001, 456).

b) Die Frage, ob der geschenkte Betrag dem Schenker im Sinne der o.g. Rechtsprechung "sogleich" wieder als Darlehen zurückgewährt wird, ist von der Rechtsprechung zunächst nur für Fälle entschieden worden, in denen Schenkungs- und Darlehensvertrag in ein und derselben Vertragsurkunde niedergelegt worden sind. Die Anwendung dieser Grundsätze ist jedoch nicht auf diese Fälle beschränkt (vgl. bereits BFH-Urteil in BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468; in BFH/NV 1993, 590, unter I. 5. der Gründe). In seinem Urteil in BFHE 188, 556, BStBl II 1999, 524 hat sie der IV. Senat des BFH auch auf Verträge angewendet, die lediglich am selben Tag abgeschlossen wurden. Darüber hinaus hat er inzwischen entschieden, dass er auch bei längeren Abständen zwischen den Verträgen keine steuerrechtlich beachtliche Schenkung mit betrieblich veranlasstem Darlehen annehmen würde, wenn zwischen den Verträgen eine auf einem Gesamtplan beruhende sachliche Verknüpfung besteht (BFH-Urteil in BFHE 194, 377, BStBl II 2001, 393; so auch , BStBl I 1992, 729; Söhn in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. E 1053; Märkle, Beilage 2 zu Betriebs-Berater - BB - 1993, 5). Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung an. Ob ein die beiden Verträge verbindender Gesamtplan vorliegt, hat das FG anhand von Indizien festzustellen. Die Kürze des zwischen Schenkung und Darlehensgewährung liegenden Zeitraums ist nur eines der hierbei zu berücksichtigenden Beweisanzeichen.

c) Im Streitfall liegt ein solcher Gesamtplan vor.

Die Verwendung des zugewendeten - 90 000 DM übersteigenden - Betrags und alle Modalitäten des Darlehensverhältnisses waren bereits im Schenkungsvertrag verbindlich festgelegt, die Einhaltung der Vereinbarungen dadurch gesichert, dass die Auszahlung des zugewendeten Betrags erst nach dem Abschluss aller Verträge (Schenkungs-, Erbverzichts- und Darlehensvertrag) vorgenommen wurde. Damit konnte die Tochter über den ihr zugewendeten Betrag von 900 000 DM zu keinem Zeitpunkt frei verfügen. Das gilt nicht nur hinsichtlich seiner Überlassung zur Nutzung an die Klägerin zu 2, sondern auch hinsichtlich des von der Forderung verkörperten Werts; denn sie konnte diesen Wert weder gegenüber der Klägerin zu 2 noch wegen des Abtretungs- und Belastungsverbotes gegenüber Dritten realisieren. Dem kurzen Zeitraum zwischen dem Schenkungs- und dem Darlehensvertrag (13 Tage) bzw. der Überweisung und Rücküberweisung des Darlehensbetrags (5 Tage) kommt unter diesen Umständen nur noch ein geringer (den Gesamtplan bestätigender) Beweiswert zu.

Der Senat weicht mit dieser Beurteilung nicht von der Rechtsprechung des III. Senats des BFH ab. Dieser hat zwar in seinem Urteil vom III R 197/83 (BFHE 149, 464, BStBl II 1988, 603) angenommen, dass zwischen einer Schenkung mit aufschiebender Bedingung und einer - hier vorliegenden - Schenkung mit Auflage unterschieden werden müsse; er hat jedoch diese Unterscheidung in seinem Urteil in BFH/NV 1995, 197 für den Fall nicht mehr fortgeführt, dass die Zuwendung der Beträge von vornherein an die Voraussetzung geknüpft war, sie dem Zuwendenden wieder zur Nutzung zu überlassen. In diesem Fall bleibt auch nach der Rechtsprechung des III. Senats der Darlehensbetrag tatsächlich und wirtschaftlich beim Schenker.

d) Bei diesem Ergebnis ist es ohne Bedeutung, ob der Darlehensvertrag und seine Durchführung in allen Punkten der zwischen Fremden üblichen Gestaltung entsprechen. Der Senat braucht deshalb zu den vom FG hierzu angestellten zusätzlichen Erwägungen und zu den dagegen im Revisionsverfahren erhobenen Einwendungen der Kläger nicht Stellung zu nehmen. Insbesondere hat es auf die Entscheidung im Streitfall keinen Einfluss, dass die Klägerin zu 2 das Darlehen ab durch Grundschulden abgesichert hat (vgl. dazu auch den dem Urteil in BFHE 188, 556, BStBl II 1999, 524 zugrunde liegenden Sachverhalt).

2. Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass das FA das Darlehen für die Jahre 1986 bis 1990 im finanzgerichtlichen Verfahren steuerrechtlich anerkannt und die Schuldzinsen als Betriebsausgaben zum Abzug zugelassen hat. Das FA ist an die Sachbehandlung in früheren Veranlagungszeiträumen nicht gebunden, und zwar auch dann nicht, wenn diese durch eine Außenprüfung veranlasst oder bestätigt worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. , BFHE 170, 41, BStBl II 1993, 289, unter 5. der Gründe, und die weiteren Nachweise bei Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 4 AO 1977 Tz. 147). Das gilt auch für den Fall, dass das FA ein frühere Veranlagungszeiträume betreffendes finanzgerichtliches Verfahren zugunsten des Steuerpflichtigen in der Hauptsache für erledigt erklärt hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 2, 136 Abs. 2, 143 FGO.

Das FA hat die von ihm eingelegte (unselbständige) Anschlussrevision zurückgenommen. Es war deshalb hinsichtlich dieses Rechtsmittels nur noch über die Kosten zu entscheiden. Diese sind dem FA insoweit aufzuerlegen, als das Verfahrensergebnis auf der Rücknahme der Anschlussrevision beruht (§ 135 Abs. 2, § 136 Abs. 2 FGO und dazu , BFHE 141, 333, BStBl II 1985, 261, unter II. 3. der Gründe, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 136 Rz. 9).

Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 685
BB 2002 S. 921 Nr. 18
BFH/NV 2002 S. 844 Nr. 6
BFHE S. 517 Nr. 197
BStBl II 2002 S. 685 Nr. 18
DB 2002 S. 1135 Nr. 22
DStR 2002 S. 716 Nr. 17
DStRE 2002 S. 539 Nr. 9
FR 2002 S. 620 Nr. 11
INF 2002 S. 379 Nr. 12
KÖSDI 2002 S. 13263 Nr. 5
KAAAA-89320