Ein Messestand verbleibt nicht in einer Betriebsstätte im Fördergebiet, wenn er nur eine Woche im Jahr im Fördergebiet eingesetzt und ansonsten nur außerhalb des Fördergebiets verwendet und dort auch eingelagert wird
Leitsatz
Ein Messestand verbleibt nicht in einer Betriebsstätte im Fördergebiet, wenn er jeweils eine Woche im Jahr auf einer Messe im Fördergebiet sowie eine Woche auf einer Messe außerhalb des Fördergebiets eingesetzt wird und die übrige Zeit bei einer außerhalb des Fördergebiets ansässigen Firma eingelagert wird.
Gesetze: InvZulG 1996 § 2 Satz 1 Nr. 2
Instanzenzug: FG Berlin (DStRE 2000, 1041) (Verfahrensverlauf),
Tatbestand
I.
Streitig ist die Gewährung einer Investitionszulage auf die Anschaffungskosten für einen Messestand.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist in der Rechtsform einer GmbH im Verlagswesen tätig. U. a. für einen 1996 angeschafften Messestand beantragte sie die Gewährung einer Investitionszulage in Höhe von 10 v. H. Der Messestand wird ausschließlich auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt am Main für jeweils rd. eine Woche im Jahr eingesetzt. In der übrigen Zeit wird er bei dem aufstellenden Unternehmen in Baden-Württemberg gelagert.
Im Anschluss an eine Außenprüfung setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Investitionszulage für 1996 ohne Berücksichtigung des Messestandes fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2000, 1041 veröffentlichtem Urteil ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Satz 1 Nr. 2 des Investitionszulagengesetzes - InvZulG - 1996).
Zu Unrecht verneine das FG die bestehende funktionale Bindung des Messestandes an den Betrieb im Fördergebiet und weiche von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab.
In Tz. 50 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom (BStBl I, 768) sei das Erfordernis einer längerfristigen tatsächlichen Nutzung des Wirtschaftsgutes nicht zu finden. Das FG gehe nicht auf Tz. 43 dieses Schreibens ein, wonach das Wirtschaftsgut dem Anlagevermögen einer Betriebsstätte auch dann zugerechnet werden könne, wenn es nicht körperlich in dieser Betriebsstätte verbleibe. Auch wenn das Gericht an dieses Schreiben nicht gebunden sei, so diene es doch dazu, Zweifelsfragen bei der Anwendung des InvZulG für die Finanzverwaltung zu klären. Nach diesem Schreiben seien jedenfalls sowohl die Zugehörigkeits- als auch die Verbleibensvoraussetzung erfüllt. Das InvZulG bezwecke, die im Fördergebiet ansässige Wirtschaft zu fördern und eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Zulagen zu vermeiden. Ein Missbrauch sei hier ausgeschlossen. Der Messestand müsse schon seiner Natur nach auch außerhalb des Fördergebietes auf den Betrieb im Fördergebiet aufmerksam machen. Gleich, wo er dieser Aufgabe nachkomme, erwirtschafte er nicht die Erträge, sondern er bahne sie nur für die Betriebsstätte im Fördergebiet an. Bei einem dauernden Verbleib im Fördergebiet könne er seinen Zweck, national und international für den Verlag zu werben, nicht erfüllen.
Das FG begründe nicht, weshalb der Messestand räumlich und funktional nicht einzugrenzen sei, so dass das (BFHE 100, 558, BStBl II 1971, 155) nicht anwendbar sei. Dieses Urteil hebe das Erfordernis der räumlichen Eingrenzung ausdrücklich auf. Seine Begründung treffe voll auch auf den Messestand zu, der ebenfalls ausschließlich für die Erzeugnisse des Verlages werbe. Soweit sich danach die funktionale Bindung durch den Einsatz des Wirtschaftsgutes selbst ausdrücken müsse, impliziere dies eine aktive wirtschaftliche Tätigkeit und keine bloße Lagerung.
Bei der Auslegung des InvZulG müsse zum einen berücksichtigt werden, dass in Deutschland nur zwei nennenswerte Buchmessen stattfänden, und zum anderen, dass der Stand während seiner Lagerung bei der aufstellenden Firma nicht förderschädlich genutzt werde. Er lasse sich außerhalb der Messen wirtschaftlich nicht sinnvoll einsetzen. Sinnvoll sei aber die Einlagerung bei der aufstellenden Firma, da dort Reparaturen ausgeführt werden könnten und Transportwege entfielen. Beides könne nicht zulagenschädlich sein. Das InvZulG solle nur die produktive Nutzung fördern. Andernfalls wäre jede längere Reparatur außerhalb des Fördergebietes oder jede längere Nichtbenutzung zulagenschädlich.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Investitionszulagenbescheides für 1996 i. d. F. der Einspruchsentscheidung die Investitionszulage um ... DM höher festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
II.
Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat im Ergebnis in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Investitionszulage auf die Anschaffungskosten für den Messestand verneint, da die Verbleibensvoraussetzungen nach § 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1996 nicht erfüllt sind.
1. Nach § 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1996 sind begünstigte Investitionen die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die - neben weiteren Voraussetzungen - mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben.
a) Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Begriff des Verbleibens eine dauerhafte zeitliche und räumliche bzw. tatsächliche Beziehung des begünstigten Wirtschaftsgutes zu der Betriebsstätte im Fördergebiet (vgl. , BFH/NV 1998, 1528, m. w. N.). Dies setzt grundsätzlich ein Verbleiben des Wirtschaftsgutes im räumlichen Bereich der Betriebsstätte voraus. Ob dies der Fall ist, muss jeweils ggf. unter Berücksichtigung der Eigenart und der Zweckbestimmung des betreffenden Wirtschaftsgutes im Rahmen der Verbleibensanforderungen bestimmt werden (vgl. , BFH/NV 1997, 898, zu § 19 Abs. 2 Satz 1 des Berlinförderungsgesetzes - BerlinFG -, m. w. N.; vom III R 34/98, BFH/NV 1999, 1380, zu § 2 Satz 1 Nr. 5 der Investitionszulagenverordnung - InvZV -, und vom III R 113/95, BFH/NV 1999, 965, zu § 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1991). Für die Auslegung des InvZulG gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie für frühere regional begrenzte Fördergesetze (vgl. , BFH/NV 1996, 932, ständige Rechtsprechung).
Danach verbleibt ein Wirtschaftsgut grundsätzlich nicht im Fördergebiet, wenn es auch nur kurzfristig außerhalb des Fördergebietes zum Einsatz kommt (BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 1528). In engen Grenzen hat die Rechtsprechung indes von den strengen Verbleibregeln für gewisse Wirtschaftsgüter Ausnahmen zugelassen. Soweit Wirtschaftsgüter nicht körperlich einer Betriebsstätte des Anspruchsberechtigten fest zuzuordnen sind, weil sie ihrer Art nach typischerweise außerhalb der Betriebsstätte eingesetzt werden wie Transportmittel (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 898; ferner , BFH/NV 1998, 1128) oder Baugeräte, wird das Verbleibensmerkmal erweiternd ausgelegt. Bei anderen Wirtschaftsgütern, wie z. B. Messeständen, die ihrer Art nach nicht dazu bestimmt und geeignet sind, im räumlich abgegrenzten Bereich einer Betriebsstätte eingesetzt zu werden, ist die Voraussetzung des Verbleibens noch erfüllt, wenn sie innerhalb des Fördergebietes oder allenfalls kurzfristig außerhalb des Fördergebietes eingesetzt werden (vgl. , BFH/NV 1999, 825).
b) Nach der Rechtsprechung des Senats muss das Wirtschaftsgut in einem Betrieb verbleiben, der aktiv am wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt (Urteile vom III R 74/89, BFHE 165, 432, BStBl II 1991, 932; vom III R 44/96, BFHE 193, 182, BStBl II 2001, 37). Nicht erforderlich ist dagegen eine ununterbrochene ,,aktive Nutzung'' des Wirtschaftsguts in dem Betrieb bzw. der Betriebsstätte (, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1984, 512; Söffing, Finanz-Rundschau - FR - 1992, 28; offen gelassen im Senatsurteil in BFHE 165, 432, BStBl II 1991, 932). Das Wirtschaftsgut muss nicht ständig betrieblich eingesetzt werden, vielmehr reicht es aus, dass es dazu bestimmt ist, dem Betrieb auf Dauer zu dienen (, BFHE 123, 538, BStBl II 1978, 115; vom III R 20/78, BFHE 128, 129, BStBl II 1979, 578) und dem Betrieb zur Nutzung zur Verfügung steht. Eine andere Auslegung müsste zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass z. B. Spezialmaschinen, die nur für wenige Arbeitseinsätze benötigt werden, mangels einer fortlaufenden Inanspruchnahme nicht zulagenbegünstigt wären. Keinen tatsächlichen Einsatz der Wirtschaftsgüter im Betrieb oder in der Betriebsstätte während der vorgeschriebenen Verbleibensdauer hat der Senat auch in Fällen verlangt, in denen die Wirtschaftsgüter vor Ablauf der Bindungsfrist wegen technischer oder wirtschaftlicher Abnutzung verbraucht waren. Entscheidend war, dass die Wirtschaftsgüter nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen, insbesondere der Rentabilität und der Zweckmäßigkeit, nicht mehr verwendet wurden, sondern aus Gründen, die in den Wirtschaftsgütern selbst lagen (, BFHE 188, 475, BStBl II 1999, 615, unter II. 1. a, m. w. N., oder für kurzlebige Wirtschaftsgüter, , BFHE 179, 522, BStBl II 1996, 166, unter II. c).
c) Hingegen lässt die Rechtsprechung eine lediglich funktionale Bindung grundsätzlich nicht genügen, schon weil durch eine derartige großzügige Auslegung des Gesetzes vergleichbare Unternehmen im übrigen Bundesgebiet entgegen dem regionalen Wirtschaftsförderungszweck der Zulagengesetze ungerechtfertigt benachteiligt würden (vgl. , BFH/NV 1997, 900, zu § 19 BerlinFG, m. w. N.).
Der VI. Senat des BFH hat in dem von der Klägerin herangezogenen Urteil in BFHE 100, 558, BStBl II 1971, 155 ausnahmsweise auch eine rein funktionale Bindung eines überwiegend im Bundesgebiet eingesetzten Ausstellungsbusses ausreichen lassen und die Voraussetzungen des Verbleibens in Berlin (West) als noch gewahrt angesehen, sofern der Bus bei seinem Einsatz im Bundesgebiet für die Berliner Wirtschaft werbe.
Der nunmehr für das Zulagenrecht ausschließlich zuständige erkennende Senat hat offen gelassen, ob er dieser Rechtsprechung noch folgen könnte. Er hat indes klargestellt, dass keinesfalls eine nur lose funktionale Bindung ausreicht, wie z. B. beim Einsatz eines von einem Berliner Schausteller-Unternehmer angeschafften und im Bundesgebiet eingesetzten Karussells oder bei der Vermietung von Theaterrequisiten durch eine Berliner Betriebsstätte in das übrige Bundesgebiet. Die dazu ergangene frühere Rechtsprechung ist durch die spätere wesentlich engere Rechtsprechung des erkennenden Senats als überholt anzusehen. Eine derart weite Auslegung wird vor allem als mit dem Förderzweck nicht mehr vereinbar angesehen (vgl. , BFHE 161, 281, BStBl II 1990, 1013, und in BFH/NV 1997, 900).
2. Bei Anwendung dieser Maßstäbe fehlt es im Streitfall an einer ausreichenden räumlichen und zeitlichen Beziehung des Wirtschaftsgutes Messestand zum Betrieb der Klägerin im Fördergebiet. Die für den ganz überwiegenden Zeitraum des Kalenderjahres bestehende allenfalls lose funktionale Bindung des außerhalb des Fördergebietes bei einem fremden Unternehmen eingelagerten Messestandes genügt nicht, um die Voraussetzungen des Verbleibensmerkmals in § 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1996 zu erfüllen. Der Messestand befindet sich nur während seines einwöchigen Einsatzes in Leipzig im Fördergebiet, in der gesamten übrigen Zeit hingegen außerhalb des Fördergebietes.
Auch im Streitfall kann der erkennende Senat offen lassen, ob er überhaupt an der Ausnahme einer lediglich funktionalen Bindung eines Wirtschaftsgutes an eine Betriebsstätte im Fördergebiet festhält. Nicht zu übersehen ist nämlich, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der strengen Rechtsprechung des BFH zum Verbleibensmerkmal auch im Zuge der mehrfach novellierten InvZulG keinen Anlass gesehen hat, das Merkmal des Verbleibens abweichend im Sinne des klägerischen Begehrens zu erweitern.
Da der Messestand nur zwei Wochen im Jahr tatsächlich genutzt wird, besteht während der überwiegenden Zeit jeden Jahres nur ein loser funktionaler Zusammenhang zwischen dem Betrieb im Fördergebiet und dem außerhalb des Fördergebiets eingelagerten Wirtschaftsgut. Während des Einlagerns fehlt jeglicher Einsatz des Wirtschaftsgutes für die wirtschaftliche Tätigkeit des klägerischen Unternehmens, der es - allenfalls in den engen zeitlichen Grenzen für einen kurzfristigen noch zulagenunschädlichen Einsatz außerhalb des Fördergebietes - rechtfertigen könnte, die Verbleibensvoraussetzungen als gewahrt anzusehen.
Zwar mag die Einlagerung bei dem Aufstellunternehmen vorteilhafter und rentabler für die Klägerin sein, zwingende sachliche Gesichtspunkte aus der besonderen Eigenart des zu fördernden Wirtschaftsgutes für ein solches Vorgehen liegen indes nicht vor (BFH-Urteil in BFHE 188, 475, BStBl II 1999, 615).
Dagegen würde eine Einlagerung im Fördergebiet im Hinblick auf die Anmietung des Lagerplatzes und die Wartung des Messestandes zumindest mittelbare positive Impulse für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt im Fördergebiet entfalten (vgl. auch Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom I K 100/98, EFG 2001, 912, 913, rkr.). Auch dieser Gesichtspunkt verdeutlicht, dass eine weitere Ausnahme von dem Erfordernis der tatsächlichen räumlichen Beziehung des Wirtschaftsgutes zum Betrieb bzw. zur Betriebsstätte im Streitfall nicht gerechtfertigt ist. Denn durch die Investitionszulagen soll die Wirtschaftskraft der Region gestärkt werden, um Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen. Dieser Förderzweck soll gerade durch den regelmäßigen und den zumindest überwiegenden Einsatz im Fördergebiet verwirklicht werden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 1128).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 312
BB 2002 S. 872 Nr. 17
BFH/NV 2002 S. 729 Nr. 5
BFHE S. 164 Nr. 198
BStBl II 2002 S. 312 Nr. 9
DB 2002 S. 878 Nr. 17
FR 2002 S. 899 Nr. 16
INF 2002 S. 511 Nr. 16
KÖSDI 2002 S. 13265 Nr. 5
HAAAA-89198